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Der '''Miller-Kreisprozess''' ist benannt nach dem [[Erfinder]] [[Ralph Miller]], der sich 1957 einen [[Ventiltrieb]] [[patent]]ieren ließ, bei dem das Einlassventil | Der '''Miller-Kreisprozess''' (auch '''Miller-''Zyklus''''') für [[Verbrennungsmotor]]en ist benannt nach dem [[Erfinder]] [[Ralph Miller (Erfinder)|Ralph Miller]], der sich 1957 einen [[Ventiltrieb]] [[patent]]ieren ließ, bei dem das Einlassventil sehr ''früh'', noch während des Ansaugtaktes schließt.<ref name="Basshuysen" /> Die Füllung und der Verdichtungsenddruck wird dadurch verkleinert, das Verdichtungs- und damit das Expansionsverhältnis bleibt jedoch gleich. Dies bewirkt beim [[Miller-Motor]] eine Steigerung des [[Thermodynamischer Kreisprozess|thermodynamischen]] [[Wirkungsgrad]]es durch bessere Ausnutzung der [[Expansionsmaschine|Expansionsenergie]] im Arbeitstakt. Der Miller-Kreisprozess ist eine Adaption des [[Atkinson-Kreisprozess]]es für Motoren mit einfachem [[Kurbelwelle|Kurbeltrieb]]. | ||
== Grundlagen == | == Grundlagen == | ||
[[ | [[Bild:4StrokeEngine Ortho 3D Small.gif|mini|[[Viertaktmotor|Viertaktzyklus]] eines ideal-typisch langsam laufenden [[Ottomotor]]s: 1: „Ansaugen“ ➝ 2: „Verdichten“ ➝ 3: „Expandieren“ ➝ 4: „Ausschieben“ | ||
real schnell laufend bleibt nach Takt 1 der [[Einlassventil|Einlass]] über den [[Totpunkt|UT]] hinaus geöffnet, um mehr Zeit zum Einströmen der [[Frischladung]] zu lassen, während der [[Kolben]] bereits zum Verdichten ansetzt. ➯ Beim [[Miller-Motor]] muss man sich den Einlass-Schluss (Es) etwa bei 45–90° [[Kurbelwinkel]] ''vor'' UT vorstellen, woraus der verminderte [[Liefergrad]] resultiert.|300x300px]] | |||
Wenn das Verdichtungsverhältnis höher gewählt wird | |||
Beim Miller-Kreisprozess wird beim Ansaughub das Einlassventil deutlich vor Erreichen des unteren [[Totpunkt|Totpunktes (UT)]] geschlossen, so dass auch ohne [[Drosselklappe (Motor)|Drosselung]] nur relativ wenig [[Frischladung]] (Gemisch oder bei [[Direkteinspritzung]] Luft) in den Zylinder gelangt und der untere Totpunkt mit Unterdruck durchlaufen wird (verminderter [[Liefergrad]]). Je nach Konzept wird das geometrische [[Verdichtungsverhältnis]] beibehalten (verringerte [[Klopfen (Verbrennungsmotor)|Klopfneigung]], weniger [[Stickoxid]]bildung)<ref>Günter P. Merker; Rüdiger Teichmann (Hrsg.): ''Grundlagen Verbrennungsmotoren'', 7. Auflage, Springer Fachmedien Wiesbaden 2014, Abschnitt 7.2 ''Innermotorische Schadstoffbildung und -reduktion''. ISBN 978-3-658-03194-7.</ref> oder erhöht (weitere Steigerung des [[Wirkungsgrad]]es).<ref>''Der neue 2,0-l-R4-TFSI-Motor von Audi.'' MTZ 05/2016, S. 16–23. {{ISSN|0024-8525}} 10814.</ref> | |||
=== Verdichtungsverhältnis & Effizienz === | |||
Wenn das [[Verdichtungsverhältnis]] entsprechend höher gewählt wird, herrscht durch die geringere Frischladung nach dem Verdichtungshub (im oberen Totpunkt OT) gleicher Druck, wie sonst bei vollständiger Ladung: Ohne den kritischen Verdichtungsenddruck zu verändern, wird so weniger Gemisch verbrannt und dafür dessen geometrisches Expansionsverhältnis vergrößert, so dass der Arbeitshub die [[Expansionsmaschine|Expansionsenergie]] besser ausnutzen kann: Beim Auslass wird weniger ungenutzte Energie (Restdruck) freigesetzt und die reduzierte Abgastemperatur erleichtert technisch die Anwendung eines [[Turbolader]]s, der durch [[Aufladung (Verbrennungsmotor)|Aufladung]] mit [[Ladeluftkühlung]] den Leistungsverlust der verringerten Zylinderfüllung ausgleichen kann, indem er während des Einlass-Taktes zusätzliches Drehmoment liefert, wo sonst Ansaugarbeit geleistet werden müsste. | |||
Gleiche [[Motorleistung]] erfordert aber beim [[Miller-Motor]] prinzipiell größeren Hubraum, weil die höhere Effizienz mit einer niedrigeren spezifischen [[Hubraumleistung]] verbunden ist. | |||
=== Motorsteuerung === | |||
Um für [[Fahrzeugmotor]]en eine [[Quantitätsregelung]] des Drehmoments über weite Drehzahlbereiche zu ermöglichen, wird der Miller-Kreisprozess heute meist mit [[variable Ventilsteuerung|variabler Ventilsteuerung]] realisiert, da die verlustreiche klassische Steuerung mit [[Drosselklappe (Motor)|Drosselklappe]] ohnehin dem Ziel der Effizienzsteigerung widerspricht. Bei einem [[Miller-Motor]] mit fester Ventilsteuerung nehmen (anders als beim [[Atkinson-Motor]]) mit wachsender Drehzahl der [[Liefergrad]] und das Drehmoment stark ab, was den Einsatzbereich einschränkt, aber etwa als Pumpen-Motor eine einfache Selbstregelung bewirkt. | |||
== Anwendung == | == Anwendung == | ||
* Seit 1997 nutzt [[Toyota]] im [[Toyota | * Seit 1997 nutzt ''[[Toyota]]'' den Miller-Zyklus im ''[[Toyota Prius]]''. 2014 kamen mit dem ''8AR-FTS'' im [[Lexus NX|''Lexus NX 200t'']], dem ''2UR-GSE'' im [[Lexus RC|''Lexus RC-F'']] und dem ''1NR-FKE'' im ''[[Toyota Yaris]]'' die ersten Motoren auf den Markt, die mit Toyotas [[variable Ventilsteuerung|variabler Ventilsteuerung]] ''VVT-iE'' sowohl im Miller-Zyklus als auch im normalen Otto-Zyklus arbeiten können. | ||
* 2008 bot der Hersteller [[Mazda]] im [[Mazda2]] einen 1,3-l-[[Motor]] mit [[OHC-Ventilsteuerung|zwei obenliegenden]] Nockenwellen an | * 2008 bot der Hersteller ''[[Mazda]]'' im ''[[Mazda2]]'' einen 1,3-l-[[Miller-Motor]] mit [[OHC-Ventilsteuerung|zwei obenliegenden]] Nockenwellen an. Hierbei wird jedoch kein [[Kompressor]] eingebaut, sondern ein [[stufenloses Getriebe]] ([[Continuously variable transmission|CVT]]). Der [[Motorenbenzin|Benzin]][[verbrauch]] soll sich von 5,2 Liter/100 km auf 4,4 Liter/100 km verringern ([[japan]]ischer Verbrauchszyklus, da nur dort verfügbar). | ||
* Der [[Mazda Xedos 9]] arbeitete nach dem eng verwandten [[Atkinson-Kreisprozess | |||
* | * Der ''[[Mazda Xedos 9]]'' arbeitete nach dem eng verwandten modifizierten [[Atkinson-Kreisprozess]]. | ||
* Der 2015 vorgestellte neue [[Audi A4]] nutzt im 2,0-l-TFSI-Ottomotor mit 140 kW (190 PS) | |||
* 2009 stellte ''[[Mercedes]]'' seinen S 400 [[Hybrid]] vor, der den modifizierten Atkinson-Zyklus nutzt.<ref>{{Internetquelle |url=http://media.daimler.com/dcmedia/0-921-614216-49-1205360-1-0-0-0-0-0-11702-0-0-1-0-0-0-0-0.html |werk=daimler.com |hrsg=[[Daimler AG]] |titel=S 400 HYBRID: CO2-Champion mit effizientem Hybridantrieb |datum=2009-05-11 |abruf=2019-10-27 |archiv-url=https://archive.today/20120712072207/http://media.daimler.com/dcmedia/0-921-614216-49-1205360-1-0-0-0-0-0-11702-0-0-1-0-0-0-0-0.html |archiv-datum=2012-07-12}}</ref> | |||
* 2010 stellte ''[[Nissan (Automobilhersteller)|Nissan]]'' einen 1,2-l-Dreizylinder-Motor mit der Bezeichnung ''HR12DDR'' vor, der mit ''Eaton-TVS''-Kompressor und Miller-Zyklus 72 kW (98 PS) leistet. Den Zyklus erreicht er über seine variable Ventilsteuerung; weitere Effizienz-Maßnahmen umfassen [[Direkteinspritzung]] und [[Start-Stopp-System]].<ref>[http://www.micrafanpage.de/neuer-dreizylinder-benzinmotor-fuer-den-nissan-micra#more-517 ''Neuer Dreizylinder-Benzinmotor für den Nissan Micra.''] In: ''micrafanpage.de''. 3. August 2010, abgerufen am 20. September 2010.</ref> Der Motor befand sich im Sommer 2010 noch in der Erprobungsphase. | |||
* Der 2015 vorgestellte neue ''[[Audi A4]]'' nutzt im 2,0-l-''TFSI''-Ottomotor mit 140 kW (190 PS) den Miller-Zyklus in bestimmten Betriebszuständen, vor allem bei Teillast. Der Motor wird mittlerweile auch in anderen Modellreihen des Herstellers angeboten.<ref>[https://www.automobil-produktion.de/technik-produktion/fahrzeugtechnik/audis-neuer-2-0-tfsi-dank-neuartigem-brennverfahren-noch-sparsamer-378.html ''Audis neuer 2.0 TFSI – Dank neuartigem Brennverfahren noch sparsamer.''] In: ''automobil-produktion.de''. 7. Mai 2015, abgerufen am 19. Februar 2017.</ref> | |||
== Vergleich Miller- und Atkinson-Zyklus == | == Vergleich von Miller-Zyklus und (modifiziertem) Atkinson-Zyklus == | ||
Bei modernen Motoren (Otto wie Diesel<ref name="MTZ0616"> | Bei modernen Motoren (Otto wie Diesel)<ref name="MTZ0616">''Der neue Sechszylinder-Marinemotor von MAN für Yachten und Arbeitsboote.'' MTZ 06/2016, S. 50–55, {{ISSN|0024-8525}} 10814.</ref> wird unter dem ''modifizierten'' [[Atkinson-Kreisprozess|''Atkinson-Prozess'']] das sehr späte Schließen des Einlassventils verstanden, also deutlich ''nach'' dem unteren Totpunkt (UT), während beim Miller-Zyklus das Einlassventil deutlich ''vor'' UT geschlossen wird.<ref name="Reif">Konrad Reif (Hrsg.): ''Ottomotor-Management im Überblick''. Springer Fachmedien Wiesbaden 2015, Abschnitt ''Zylinderfüllung''. ISBN 978-3-658-09523-9.</ref><ref name="Basshuysen">Richard van Basshuysen, Fred Schäfer (Hrsg.): ''Handbuch Verbrennungsmotor''. 8. Auflage 2017, Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, Abschnitt 7.10.1.5 ''Variable Ventiltriebe''. ISBN 978-3-658-10901-1.</ref> | ||
Der Effekt der verminderten [[Frischladung]] ist der gleiche; anders als beim Miller-Zyklus kann man beim Atkinson-Zyklus die Gasdynamik des Ansaugvorgangs nutzen<ref name="Reif" />: Im Gegensatz zum Miller-Zyklus erhöht der Atkinson-Zyklus auch bei fester Ventilsteuerung mit wachsender Drehzahl den Liefergrad und damit das Drehmoment, so dass er sich auch ohne [[Nockenwellenverstellung]] gut einsetzen lässt. Mit etwas Mehraufwand für eine [[variable Ventilsteuerung]] ist der Miller-Zyklus jedoch effizienter.<ref name="MTZ0616" /> | |||
== Siehe auch == | == Siehe auch == | ||
* [[ | * [[Miller-Motor]] | ||
* [[Atkinson-Motor]] | |||
== Literatur == | |||
* {{Patent | |||
|Land = US | |||
|V-Nr = 2817322 | |||
|Typ = Patent | |||
|Titel = Supercharged engine | |||
|A-Datum = 1956-04-30 | |||
|V-Datum = 1957-12-24 | |||
|Erfinder = Ralph Miller | |||
|DB = Google | |||
}} | |||
== Weblinks == | |||
* {{Webarchiv | url=http://www.ae-plus.com/Key%20topics/kt-Powertrain-news23.htm | wayback=20091218104626 | text=Mazda’s Miller cycle engine drops the supercharger}}, Artikel im ''Automotive Engineer,'' Juni 2007 (englisch) | |||
* {{Webarchiv | url=http://www2.mazda.com/en/publicity/release/2007/200705/070531.html | wayback=20160528103805 | text=Mazda Develops New Naturally-Aspirated MZR 1.3L Miller-cycle Engine}}, Pressemitteilung von Mazda, 31. Mai 2007 (englisch) | |||
== Einzelnachweise == | == Einzelnachweise == | ||
<references /> | <references /> | ||
[[Kategorie:Thermodynamischer Kreisprozess]] | [[Kategorie:Thermodynamischer Kreisprozess]] |
Der Miller-Kreisprozess (auch Miller-Zyklus) für Verbrennungsmotoren ist benannt nach dem Erfinder Ralph Miller, der sich 1957 einen Ventiltrieb patentieren ließ, bei dem das Einlassventil sehr früh, noch während des Ansaugtaktes schließt.[1] Die Füllung und der Verdichtungsenddruck wird dadurch verkleinert, das Verdichtungs- und damit das Expansionsverhältnis bleibt jedoch gleich. Dies bewirkt beim Miller-Motor eine Steigerung des thermodynamischen Wirkungsgrades durch bessere Ausnutzung der Expansionsenergie im Arbeitstakt. Der Miller-Kreisprozess ist eine Adaption des Atkinson-Kreisprozesses für Motoren mit einfachem Kurbeltrieb.
Beim Miller-Kreisprozess wird beim Ansaughub das Einlassventil deutlich vor Erreichen des unteren Totpunktes (UT) geschlossen, so dass auch ohne Drosselung nur relativ wenig Frischladung (Gemisch oder bei Direkteinspritzung Luft) in den Zylinder gelangt und der untere Totpunkt mit Unterdruck durchlaufen wird (verminderter Liefergrad). Je nach Konzept wird das geometrische Verdichtungsverhältnis beibehalten (verringerte Klopfneigung, weniger Stickoxidbildung)[2] oder erhöht (weitere Steigerung des Wirkungsgrades).[3]
Wenn das Verdichtungsverhältnis entsprechend höher gewählt wird, herrscht durch die geringere Frischladung nach dem Verdichtungshub (im oberen Totpunkt OT) gleicher Druck, wie sonst bei vollständiger Ladung: Ohne den kritischen Verdichtungsenddruck zu verändern, wird so weniger Gemisch verbrannt und dafür dessen geometrisches Expansionsverhältnis vergrößert, so dass der Arbeitshub die Expansionsenergie besser ausnutzen kann: Beim Auslass wird weniger ungenutzte Energie (Restdruck) freigesetzt und die reduzierte Abgastemperatur erleichtert technisch die Anwendung eines Turboladers, der durch Aufladung mit Ladeluftkühlung den Leistungsverlust der verringerten Zylinderfüllung ausgleichen kann, indem er während des Einlass-Taktes zusätzliches Drehmoment liefert, wo sonst Ansaugarbeit geleistet werden müsste.
Gleiche Motorleistung erfordert aber beim Miller-Motor prinzipiell größeren Hubraum, weil die höhere Effizienz mit einer niedrigeren spezifischen Hubraumleistung verbunden ist.
Um für Fahrzeugmotoren eine Quantitätsregelung des Drehmoments über weite Drehzahlbereiche zu ermöglichen, wird der Miller-Kreisprozess heute meist mit variabler Ventilsteuerung realisiert, da die verlustreiche klassische Steuerung mit Drosselklappe ohnehin dem Ziel der Effizienzsteigerung widerspricht. Bei einem Miller-Motor mit fester Ventilsteuerung nehmen (anders als beim Atkinson-Motor) mit wachsender Drehzahl der Liefergrad und das Drehmoment stark ab, was den Einsatzbereich einschränkt, aber etwa als Pumpen-Motor eine einfache Selbstregelung bewirkt.
Bei modernen Motoren (Otto wie Diesel)[7] wird unter dem modifizierten Atkinson-Prozess das sehr späte Schließen des Einlassventils verstanden, also deutlich nach dem unteren Totpunkt (UT), während beim Miller-Zyklus das Einlassventil deutlich vor UT geschlossen wird.[8][1] Der Effekt der verminderten Frischladung ist der gleiche; anders als beim Miller-Zyklus kann man beim Atkinson-Zyklus die Gasdynamik des Ansaugvorgangs nutzen[8]: Im Gegensatz zum Miller-Zyklus erhöht der Atkinson-Zyklus auch bei fester Ventilsteuerung mit wachsender Drehzahl den Liefergrad und damit das Drehmoment, so dass er sich auch ohne Nockenwellenverstellung gut einsetzen lässt. Mit etwas Mehraufwand für eine variable Ventilsteuerung ist der Miller-Zyklus jedoch effizienter.[7]