The Martians

The Martians

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Als The Martians (englisch für ‚die Marsianer‘) wurde eine Gruppe von prominenten und hochbegabten Physikern und Mathematikern in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Alle Martians stammten aus dem jüdischen Großbürgertum in Budapest, hatten einen wesentlichen Teil ihrer wissenschaftlichen Ausbildung an deutschsprachigen Universitäten erhalten und waren mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus in die USA immigriert. Zu den Martians wurden gezählt: Leó Szilárd, Eugene Paul Wigner, Edward Teller, John von Neumann, George Pólya und gelegentlich auch Theodore von Kármán, obwohl letzterer merklich älter war als die anderen Personen.[1] Im weiteren Sinne wurden seltener auch Dennis Gábor, Paul Erdős und John G. Kemeny dazugerechnet.

Begriffsprägung

Die humorvoll-ironisch gemeinte Bezeichnung wurde in Unterhaltungen in Los Alamos während des Manhattan-Projekts geprägt, wo man der Frage nachging, wieso so viele der dort arbeitenden begabten Wissenschaftler aus Ungarn stammten[2]. Die Antwort eines Teilnehmers war, sie wären ursprünglich Marsbewohner, die nur zur Tarnung Ungarisch redeten. Die Mitglieder dieser Gruppe hatten erstaunliche Parallelen in ihren Lebensläufen. Alle waren in Budapest geboren, stammten aus jüdischen Familien mit deutschem kulturellen Hintergrund, hatten an deutschsprachigen Universitäten studiert und/oder gearbeitet und waren mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus nach Amerika ausgewandert.

Für die US-Amerikaner waren die Martians außerordentlich exotische Erscheinungen aus dem fernen Europa. Die meisten amerikanischen Kollegen kannten Ungarn nur vom Hörensagen und hatten nur ungefähre Vorstellungen von Budapest. Es erschien ihnen schwer erklärlich, dass aus einem einzigen Ort in so kurzer Zeit eine solche große Zahl von hochbegabten intellektuell überragenden Wissenschaftlern entsprungen war. Deswegen wurde scherzhaft davon gesprochen, dass Angehörige einer überlegenen außerirdischen Zivilisation vom Planeten Mars ihr irdisches Hauptquartier in Ungarn aufgeschlagen hätten.

John von Neumann erklärte die statistisch unwahrscheinliche Häufung so vieler herausragender Wissenschaftler aus Budapest Anfang des 20. Jahrhunderts gegenüber Stanisław Ulam,[3] dies wäre eine Konstellation bestimmter kultureller Faktoren, die er nicht präzisieren könne: ein externer Druck auf die ganze Gesellschaft dieses Teils Zentraleuropas, ein unbewußtes Gefühl extremer Unsicherheit bei den einzelnen Personen, und die Notwendigkeit das Außergewöhnliche zu erschaffen oder unterzugehen. Dabei bezog er sich auf die Geschichte Ungarns nach dem Ersten Weltkrieg zuerst mit dem kommunistischen Regime der ungarischen Räterepublik, in der viele vorher gut gestellte Personen ihre Ämter verloren, gefolgt von dem autoritären antisemitischen Regime von Miklós Horthy, vor dem insbesondere jüdische Studenten ins Ausland auswichen, wobei besonders Deutschland damals für Naturwissenschaftler und Mathematiker attraktiv war.

Synoptischer Überblick über die Lebensläufe der Martians

Die folgende Tabelle gibt einen vergleichenden Überblick über die Lebensläufe der fünf Martians im engeren Sinne.[4]

Synoptische Übersicht über die „Martians“
Person Geburtsdatum Ausbildung und wissenschaftl. Tätigkeit in Europa Emigration Tätigkeit in den USA Sterbedatum
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Leó Szilárd
11. Feb. 1898
(Budapest)
  • 1908–16 Realgymnasium Budapest
  • 1916/17, 1918–19 Technische Universität Budapest
  • 1920 Technische Hochschule Berlin-Charlottenburg
  • 1920–22 Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin
  • 1922 Promotion (Über die thermo­dynamischen Schwankungs­erscheinungen) bei Max von Laue
  • 1923–1927 wiss. Mitarbeiter am Kaiser-Wilhelm-Institut für Faserstoffchemie unter Hermann F. Mark
  • 1927 Privatdozent an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin (Habilitationsschrift: Über die Entropie­verminderung in einem thermo­dynamischen System bei Eingriffen intelligenter Wesen)
    seit 1922 Zusammen­arbeit mit Albert Einstein
  • 30. März 1933 Szilárd verlässt Deutschland über Wien Richtung England
  • ab 1933 Entwicklung theoretischer Konzepte zur nuklearen Energie­gewinnung, Patent­anmeldung
  • 1934–37 experimentelle Arbeiten am St. Bartholomew’s Hospital London zusammen mit Thomas A. Chalmers
1920 nach Deutschland
1933 nach England
1937 in die USA
  • 2. August 1939 Albert Einstein schreibt einen im Wesentlichen Szilárd formulierten Briefe an Präsident Roosevelt, in dem ein amerikanisches Atomwaffen­projekt angeregt wird
  • ab 1942 Leitung des Metallurgischen Labors der Universität Chicago im Rahmen des Manhattan-Projekts
  • ab 1946 Professor an der University of Chicago
  • ab 1957 Engagement in den Pugwash-Konferenzen
  • 1964 Salk Institute, La Jolla, Kalifornien
30. Mai 1964
(La Jolla, Kalifornien)
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Eugene Wigner
(1963)
17. Nov. 1902
(Budapest)
  • 1915–19 Fasori Evangélikus Gimnázium Budapest
  • 1920–21 Technische Universität Budapest
  • 1921–25 Technische Hochschule Berlin-Charlottenburg
  • seit 1922 Arbeit am Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin-Dahlem unter Hermann F. Mark
  • 1924 (?) Diplomarbeit (....) bei Hermann F. Mark
  • 1925 Dissertation (Bildung und Zerfall von Molekülen, Statistische Mechanik und Reaktions­geschwindigkeit) zum Dr. Ing. bei Michael Polanyi
  • 1925–26 Tätigkeit als Ingenieur in Budapest
  • 1926–27 Forschungs­assistent zunächst bei Karl Weissenberg, dann Richard Becker an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin
  • 1927 Assistent bei David Hilbert an der Universität Göttingen
  • 1928–30 in Berlin
1921 nach Deutschland
1930/33 in die USA
  • 1930–33 Gastdozent an der Princeton University
  • 1933–36 Gastprofessur an der Princeton University
  • 1936–38 Professur an der University of Wisconsin
  • 1938–71 Professur an der Princeton University
  • 1942–45 Mitarbeit am Manhattan Project (University of Chicago)
  • 1946–47 Direktor der Clinton Laboratories in Oak Ridge, Tennessee
  • 1952–57 Mitglied General Advisory Committee der U.S. Atomic Energy Commission
  • 1963 Nobelpreis für Physik
1. Jan. 1995
(Princeton, New Jersey)
Edward Teller (1958)-LLNL-cropped.png
Edward Teller
(1958)
15. Jan. 1908
(Budapest)
  • 1917–25 Minta-Gymnasium Budapest
  • 1926 Technische Universität Budapest
  • 1926–28 Technische Hochschule Karlsruhe
  • 1928 Universität München
  • 1928–30 Universität Leipzig
  • 1930 Dissertation (Über das Wasserstoff­molekül­ion) bei Werner Heisenberg (Leipzig)
  • 1930–33 Forschungs­assistent an der Universität Göttingen bei Arnold Eucken und James Franck
  • 1933–34 London und Kopenhagen
1926 nach Deutschland
1933 nach England
1935 in die USA
  • 1935–46 George Washington University, Washington, D.C.
  • 1942–46 Mitarbeit am Manhattan-Projekt (1942–43 Chicago, 1943–46 Los Alamos)
  • 1946–52 University of Chicago
  • 1949–52 Mitarbeit in Los Alamos
  • 1954 Anhörung vor dem Komitee für unamerikanische Umtriebe
  • 1952–2003 Lawrence Livermore National Laboratory, Kalifornien
  • 1953–75 University of California
9. Sept. 2003
(Stanford, Kalifornien)
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John von Neumann
(ca. 1940)
28. Dez. 1903
(Budapest)
  • 1910(?)–21 Fasori Evangélikus Gimnázium Budapest
  • 1921 Universität Budapest
  • 1921–23 Technische Hochschule Berlin-Charlottenburg
  • 1923–25 ETH Zürich (Chemie­ingenieurs­wesen)
  • 1926 Dissertation (Die Axiomatisierung der Mengenlehre) bei Leopold Fejér (Universität Budapest)
  • 1927–29 Privatdozent an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin
  • 1929 Privatdozent an der Universität Hamburg
1921 nach Deutschland
0000(1923–26 Schweiz)
1930/33 in die USA
  • 1930–33 Princeton University als Gast­professor
  • 1933–57 Institute for Advanced Study, Princeton
  • 1943–55 Mitarbeit in Los Alamos
8. Feb. 1957
(Washington, D.C.)
Theodore von Karman crop.jpg
Theodore von Kármán
(1950)
11. Mai 1881
(Budapest)
  • 1891–99 Minta-Gymnasium Budapest
  • 1899–1903 Studium an der Technischen Universität Budapest
  • 1903–06 Assistent bei Donát Bánki in Budapest
  • 1906–08 Assistent bei Ludwig Prandtl in Göttingen, Promotion (Knick­festig­keit von Stäben)
  • 1910 Habilitation in Göttingen (Unter­suchungen über die Bedingungen des Bruches und der plastischen Deformation, insbesondere bei quasi-isotropen Körpern)
  • 1912 Tätigkeit an der Bergakademie Schemnitz
  • 1913–30/33 Professur an der Technischen Hochschule Aachen
  • 1914–18 während des Krieges Leiter der österreich-ungarischen Forschungs­gruppe für Luftfahrt
  • 1918–19 Tätigkeit im Erziehungs­ministerium der Ungarischen Räte­republik
1906/13 nach Deutschland
1930/33 in die USA
  • 1930–49 Leiter des Guggenheim Aeronautical Laboratory am California Institute of Technology
  • 1933 Gründer des U.S. Institute of Aeronautical Sciences (später Jet Propulsion Laboratory)
6. Mai 1961
(Aachen)

Literatur

  • István Hargittai: The Martians of Science. Five Physicists Who Changed the Twentieth Century. Oxford University Press, Oxford u. a. 2006, ISBN 0-19-517845-9.
  • George Marx The voice of the Martians. 2nd edition. Akadémiai Kiadó, Budapest 1997, ISBN 963-05-7427-6.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. So in dem Buch von Hargittai: The Martians of Science. 2006, S. VII.
  2. Hargittai: The Martians of Science. 2006, S. VII.
  3. S. Ulam: John von Neumann 1903–1957. In: Bulletin of the American Mathematical Society. Bd. 64, 1958, S. 1–49, (Online).
  4. Die biografischen Details entstammen zum größten Teil der ausführlichen Monografie von Istvan Hargittai.