Tobias Mayer

Tobias Mayer

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Tobias Mayer
(Kupferstich von Conrad Westermayr)

Tobias Mayer (auch Majer[1]; * 17. Februar 1723 in Marbach am Neckar; † 20. Februar 1762 in Göttingen) war ein deutscher Astronom, Geograph, Kartograph, Mathematiker und Physiker. Obwohl er als Autodidakt niemals an einer Universität studiert hatte, war er ein anerkannter Wissenschaftler seiner Zeit.

Leben und Werk

Mayer wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Esslingen am Neckar auf. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1731 erhielt er Unterkunft im Waisenhaus. Von 1729 bis 1741 besuchte er die deutsche Schule und die Lateinschule in Esslingen. Da in der Lateinschule das Fach Mathematik nicht angeboten wurde, bildete sich Mayer in dieser Disziplin autodidaktisch fort. Aufgrund seiner großen Begabung wurde er vorübergehend vom Bürgermeister der Stadt Esslingen gefördert. Seine Mutter starb 1737.

1739 veröffentlichte er den ersten Stadtplan von Esslingen, 1741 ein Buch über Geometrie und Mathematik, 1745 den „Mathematischen Atlas“ und ein Buch über Kriegsbaukunst. Als er 1746 eine Anstellung bei J. B. Homanns kartografischer Anstalt in Nürnberg antrat, hatte er somit bereits zwei Originalarbeiten in Geometrie publiziert. Mayer deckte die Ungenauigkeiten der damals verwendeten Karten auf, indem er zwei verbreitete Karten übereinander zeichnete und große Unterschiede, vor allem in Ost-West Richtung, vorfand. Die Ermittlung des Längengrades einer Stadt war damals nur mit großer Unsicherheit möglich.

1751 heiratete er Maria Victoria, geb. Gnüge (1723–1780), und im darauf folgenden Jahr wurde sein Sohn Johann Tobias geboren, der später ebenfalls Physiker wurde. (Der Vater wird in manchen Texten irrtümlich als Johann Tobias Mayer bezeichnet. Nach dem Taufbuch und originalen Publikationen lautet dessen Vorname aber schlicht Tobias.)

Göttingen, Tobias-Mayer-Weg

Wegen seiner Verbesserungen auf dem Gebiet der Kartografie und auf Grund seiner Reputation als Wissenschaftler wurde er 1751 auf den Lehrstuhl für Ökonomie und Mathematik der Universität Göttingen berufen. Er wurde 1751 zum außerordentlichen und 1753 zum ordentlichen Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften gewählt.[2] 1752–1756 vollendete er Veröffentlichungen über Längenbestimmung, Astronomie, Geophysik, Mathematik und Messinstrumente. In den Jahren 1757–1762 publizierte er trotz des Siebenjährigen Krieges weitere Arbeiten zu Astronomie, aber auch zum Erdmagnetfeld und zur Farbentheorie.

1754 wurde er Leiter des neu eingerichteten Observatoriums, das in einem Turm der Göttinger Stadtmauer untergebracht wurde. Mit großem Enthusiasmus und Erfolg arbeitete er dort, bis er 1762 an Typhus starb.

Wissenschaftliche Leistungen

Astronomie

Seine erste wichtige astronomische Arbeit war eine sorgfältige Erforschung der Libration des Mondes (Kosmographische Nachrichten, Nürnberg 1750). Seine 1775 postum von Lichtenberg veröffentlichte Mondkarte war ein halbes Jahrhundert lang unübertroffen. Hauptsächlich beruht Mayers Ruhm aber auf seinen Mondtabellen, die erstmals 1752 im Druck erschienen. 1755 reichte er bei der britischen Regierung eine erweiterte Version dieser Tabellen ein. Sie waren so genau, dass die Mondposition bis auf 5 Bogensekunden und damit die geografische Länge auf See bis auf 0,5° genau bestimmt werden konnten.

Damit war eine Lösung des so genannten Längenproblems gefunden, das bis zu dieser Zeit eine sichere Navigation auf hoher See verhindert hatte. Eine andere Lösung für dasselbe Problem entwickelte etwa um die gleiche Zeit der englische Uhrmacher John Harrison: sie beruhte auf Zeitmessung mittels neuentwickelter Uhren, die auch unter den rauen Bedingungen an Bord eines Segelschiffes auf hoher See ausreichend genau gingen.

Mayers wissenschaftliche Theorie, auf der die Mondtafeln beruhten, wurde erst postum unter dem Titel Theoria lunae juxta systema Newtonianum 1767 in London publiziert. Ebenfalls postum erschien 1770 in London seine verbesserte Version dieser Tabellen. Mayers Witwe schickte diese Tabellen über die Universität Göttingen nach England. In Anerkennung von Mayers Verdiensten um die Lösung des Längenproblems erhielt sie von der britischen Regierung eine Prämie von 3.000 Pfund. Bereits 1714 hatte das britische Parlament einen Preis in Höhe von 20.000 Pfund für das Längenproblem ausgelobt und ein Komitee, das Board of Longitude, dafür eingesetzt.

Mayers Mondkarten wurden später unter anderem von Johann Hieronymus Schroeter aufgegriffen.

Der Mondkrater T. Mayer wurde nach ihm benannt.

Erfindung des Repetitionskreises

Mitte des 18. Jahrhunderts traten geringe Abweichungen zwischen den Vorhersagen von Newtons Gravitationstheorie und den tatsächlich beobachteten Planetenörtern auf. Diese Unterschiede betrugen etwa beim Mond bis zu 5 Bogenminuten, woraus bei der Bestimmung der Längengrade auf der Erde eine Unsicherheit von 2,5 Grad resultieren konnte. Je nach Breitengrad bedeutete dies eine Abweichung beziehungsweise Navigationsungenauigkeit um bis zu 150 nautischen Meilen. Aus der Notwendigkeit präziserer Beobachtungen zur Erstellung einer besseren Bewegungstheorie des Mondes konstruierte Tobias Mayer ein neues astronomisches Messinstrument, den sogenannten Wiederholungs- oder Repetitionskreis. Das Gerät wurde zunächst in der Landvermessung genutzt und bestand aus zwei gegeneinander drehbaren und getrennt voneinander feststellbaren Visiereinrichtungen mit Fernrohr.

Zur Messung peilt man den Winkel zwischen zwei terrestrischen Punkten an, wovon einer ein Referenzpunkt ist. Dieser Vorgang wird mehrfach wiederholt. Nach beispielsweise drei Peilungsvorgängen zeigt die Kreisscheibe das Dreifache des gesuchten Winkels an. Der Vorteil dieser Methode besteht darin, dass der unausweichlich auftretende Messfehler kleiner ist als beim einmaligen Einstellen und Ablesen des Kreises. Mayers Erfindung selbst brachte zwar keine grundsätzliche Neuerung, jedoch verringerte sein Wiederholungsprinzip die Winkelfehler der praktischen Messung. Wiederholte Winkelmessungen brachten der Landvermessung bisher unerreichbare Genauigkeiten.

Dieses Repetitions-Prinzip übertrug Mayer nun auf einen astronomischen Spiegelkreis. Man bestimmt die gesuchte Winkeldifferenz zwischen Mond und Stern durch wiederholte Messungen und anschließendes Dividieren durch die Anzahl der Anzielungen. So gelang es Mayer, ab 1755 seine Mondtafeln mit einer Genauigkeit von circa einer Bogenminute aufzustellen. Später bezeichnete der Astronom Franz Xaver von Zach (1754–1832) den Mayerschen Spiegelkreis als die größte astronomische Erfindung des 18. Jahrhunderts.[3]

Erste Modelle des neuen Geräts wurden ab 1750 in Göttingen und ab etwa 1757 von John Bird in London angefertigt. Bald erkannte Mayer, dass die Verfeinerung, die er mithilfe eines solchen Instrumentes für seine Mondtheorie erreichen konnte, sich auch für eine zuverlässige Methode zur Längenbestimmung auf See eignete. Doch erst drei Jahre nach Mayers Tod ergaben Messungen des englischen „Board of Longitude“, dass die Genauigkeit der Ortsbestimmung zu See mit Mayers Methode auf etwa 60 Seemeilen verbessert werden konnte. Ab 1785 wurden diese Geräte als Borda-Kreise bekannt und erfuhren weite Verbreitung.

Mayers Lösung des Längengradproblems

Datei:Mondverschiebung.jpg
Zwei Mondbeobachtungen zur selben wahren Ortszeit. Der Ost-West-Abstand der beiden Beobachter beträgt 90 Längengrade, was einer Differenz von 6 Stunden Weltzeit entspricht.

Die Abbildung rechts illustriert das Lösungsprinzip für das Längengradproblem, das zuerst von Johannes Werner in dessen Nova translatio primi libri geographiae Cl. Ptolomaei (Nürnberg 1514) erwähnt wurde. Mayer hat auf Grundlage der Newtonschen Theorie und genauerer astronomischer Beobachtungen die zur Berechnung notwendigen Tabellen der Mondpositionen entscheidend verbessert.

Wird der Mond gleichzeitig (also zur selben Weltzeit) an verschiedenen Standorten auf der Erde beobachtet, ist seine Position am Fixsternhimmel um bis zu 2° unterschiedlich. Diese parallaktische Verschiebung gibt eine Möglichkeit, die Längendifferenz der beiden Standorte zu bestimmen. Statt des zweiten Standorts dient aber nun ein Referenzpunkt (z.B. Greenwich), für den in einer Mondtafel die stündliche Mondposition vorausberechnet wurde. Der Beobachter kann damit aus der Mondbewegung die momentane Weltzeit berechnen.

Als zweite Größe bestimmt er die wahre Ortszeit seines Standortes durch Messung des Sonnenstandes. Die Differenz zwischen Orts- und Weltzeit entspricht dem Längengrad des Beobachters. Da sich der Mond auf seiner Bahn um die Erde pro Stunde um etwa 33 Winkelminuten gegen den Fixsternhimmel nach Osten wandert, lässt sich durch entsprechend genaue Messung des Winkelabstandes zwischen dem Mond und benachbarten hellen Fixsternen die Abweichung der wahren Ortszeit von der Weltzeit und damit der eigene Längengrad bestimmen. Mit seinen Mondtafeln hat Mayer die damals genauesten Daten zur die Bewegung des Mondes am Fixsternhimmel bereitgestellt.

Museum

Geburtshaus von Tobias Mayer in Marbach am Neckar

Das Geburtshaus von Tobias Mayer beherbergt seit 1996 das Tobias-Mayer-Museum. Es liegt unweit des Geburtshauses von Friedrich Schiller in der Torgasse 13 in Marbach am Neckar. Das Museum wurde und wird vom Tobias-Mayer-Verein eingerichtet und unterhalten.

Werke

  • Erstlinge: nebst einigen Nachrichten von seinen Erfindungen und seinem Leben. Schreiner, Düsseldorf 1812 Digitalisat

Literatur

  • Peter Aufgebauer: Die Anfänge der Sternkunde in Göttingen. In: Göttinger Jahrbuch Band 50 (2002) S. 75–92
  • Bernd Feicke: Mayer (Majer), Tobias. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 33, Bautz, Nordhausen 2012, ISBN 978-3-88309-690-2, Sp. 811–815.
  • Menso Folkerts: Mayer, Tobias. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 16, Duncker & Humblot, Berlin 1990, ISBN 3-428-00197-4, S. 528–530 (Digitalisat).
  • Eric G. Forbes: Tobias Mayer (1723–62). Pioneer of enlighted science in Germany. Göttingen 1980. (Arbeiten aus der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Band 17)
  • Siegmund Günther: Mayer, Johann Tobias. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 21, Duncker & Humblot, Leipzig 1885, S. 109–116.
  • Armin Hüttermann: Tobias Mayer und Nürnberg - Von der Mathematik über die Kartografie zur Astronomie in: Regiomontanusbote, Zeitschrift der Nürnberger Astronomischen Arbeitsgemeinschaft e.V., 25. Jahrgang 3/3012, Seiten 14–19.
  • Peter H. Meurer: Hintergründe und Analysen zu Tobias Mayers «Kritischer Karte von Deutschland». In: Cartographica Helvetica Heft 12 (1995) S. 19–26 Volltext
  • Erwin Roth u.a.: Tobias Mayer. Pionier der Positionsbestimmung. Wegbereiter der modernen Navigationssysteme. Marbach 1995
  • Steven Wepster: Between theory and observation. Tobias Mayer´s explorations of lunar motion 1751-1755, Springer Verlag, 2010, Sources and studies in the history of mathematics and the physical sciences

Weblinks

Commons: Tobias Mayer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Die ADB gibt in ihrem Artikel den vollständigen Namen mit Johann Tobias Mayer an, der ebenfalls in den Angaben der DNB als Alternativname vermerkt wird.
  2. Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751-2001. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 163.
  3. Seiten 115-16, Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), Band 21 (Leipzig 1885).