Antiwasserstoff ist das Antimaterie-Gegenstück zum Wasserstoff. Der Atomkern besteht aus einem Antiproton, die Atomhülle aus einem Positron.
Ende 1995 gelang es am Forschungszentrum CERN bei Genf erstmals, einige Atome des Antiwasserstoffs zu erzeugen. Die Arbeitsgruppe unter Walter Oelert vom Forschungszentrum Jülich setzte dazu ein Antiproton als Kern mit einem Positron zusammen. In den beiden folgenden Jahren wiederholten und verbesserten Forscher am Fermilab in den USA das Experiment.[1]
Normaler Wasserstoff (ein Atom sowie ein Element) besteht aus einem Proton als Kern und dem Elementarteilchen Elektron als äußere Hülle. Zu jedem Elementarteilchen existiert ein Antiteilchen mit der Eigenschaft, umgekehrt elektrisch geladen zu sein. Ein Elektron hat eine einfache negative Elementarladung. Sein Antiteilchen, das Positron, trägt eine positive Elementarladung.
Antiteilchen treten in der normalen Natur selten auf, da sie sich beim Kontakt mit Teilchen in Strahlung und/oder andere Teilchen-Antiteilchen-Paare umwandeln (siehe Annihilation). Sie werden beispielsweise in Teilchenbeschleunigern künstlich mit sehr großem technischen Aufwand hergestellt. Daher ist es eine Besonderheit, wenn zwei Antiteilchen zu einem Anti-Atom vereinigt werden können. Physiker spekulieren schon seit längerer Zeit darüber, ob sich Antiatome wie normale Materie verhalten. Diese Frage lässt sich jedoch erst beantworten, wenn man genügend Antiatome hat, um ihre Spektren, also die Wellenlängen des von ihnen abgestrahlten oder auch absorbierten Lichts, zu messen.
Die am CERN und Fermilab erzeugten Teilchen waren noch zu „heiß“: Sie bewegten sich so schnell, dass sie für spektroskopische Untersuchungen ungeeignet waren. 2002 gelang es zwei internationalen Arbeitsgruppen am CERN, mit den Experimentiereinrichtungen ATRAP und ATHENA, Antiwasserstoff in größeren Mengen (etwa 50.000 Atome) herzustellen. Dabei hat die ATHENA-Arbeitsgruppe unter der Führung des CERN-Physikers Rolf Landua die ATRAP-Arbeitsgruppe (unter Gerald Gabrielse) in dem „Wettlauf“ um die Detektion von kaltem Antiwasserstoff um einige Wochen geschlagen.[2][3]
Eine Speicherung in einer magnetischen Falle, einer modifizierten Ioffe-Falle, für nähere Untersuchungen bei Temperaturen von einigen Grad über dem absoluten Nullpunkt gelang im November 2010 einer internationalen Forschergruppe ALPHA um Jeffrey Hangst von der Universität Aarhus am CERN. 38 Antiwasserstoffatome konnten für 172 ms untersucht werden.[4] Im Jahr 2011 gelang es, 309 Antiwasserstoffatome für über 1000 Sekunden (über 16 Minuten) zu speichern.[5] Die erste Messung eines Übergangs in Antiwasserstoff wurde 2012 von der gleichen Gruppe veröffentlicht.[6] Im Folgeexperiment ALPHA-2 konnte 2016 mittels Laserspektroskopie der 1s-2s-Übergang vermessen werden. Pro Durchgang wurden dabei 25.000 Anti-Atome erzeugt und etwa 14 eingefangen,[7] im Jahr 2017 waren es im Verlauf von zehn Wochen rund 15.000 Antiatome, die untersucht werden konnten.[8]
Die Speicherung von Antiwasserstoff in einer neutralen Falle ist notwendig, um die Antiatome z. B. mittels Laserkühlung oder mittels sympathetischer Kühlung (Kühlung anderer Atome oder Ionen, die als Kühlmittel dienen) auf Temperaturen von einigen Millikelvin oder gar Mikrokelvin zu kühlen und um dann hochauflösende Laserspektroskopie an Antiwasserstoff durchzuführen.[9][10][11][12] Das Ziel der Laserspektroskopie ist eine Messung der 1s-2s-Linie mit einer vergleichbaren Auflösung, wie sie in der Arbeitsgruppe von Theodor W. Hänsch an Wasserstoff erreicht wird. Durch einen Vergleich der 1s-2s-Übergangsfrequenz in Wasserstoff und Antiwasserstoff testet man das CPT-Theorem, einen Grundpfeiler der modernen Physik. Am ALPHA-2-Experiment wurde die Gleichheit der Übergangsfrequenzen von Wasserstoff und Antiwasserstoff und damit die Vorhersage des CPT-Theorems zunächst mit einer Genauigkeit von 2 · 10−10 bestätigt,[7] im Jahr 2017 dann sogar mit einer Genauigkeit von 2 · 10−12.[8]
Ein weiteres Ziel ist die genauere Überprüfung von Gravitationstheorien. Da Antimaterie positive Masse im Sinn der allgemeinen Relativitätstheorie besitzt, ist davon auszugehen, dass sie sich im Gravitationsfeld wie gewöhnliche Materie verhält. Mit den elektromagnetisch neutralen Antiwasserstoffatomen kann man das prinzipiell genauer testen als mit geladenen Teilchen, weil deren elektromagnetische Wechselwirkung wesentlich stärker als die Gravitation ist und bei diesen Messungen stören würde. Um dies zu überprüfen, wurde unter anderem das AEGIS-Experiment am Antiproton Decelerator im CERN entwickelt. Dieses befindet sich momentan (2013) noch in der Vorbereitungsphase.[13]