Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz | ||
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Der Forschungsreaktor München II (rechts) zusammen mit seinem stillgelegten Vorgänger von 1957 (links). | ||
Lage | ||
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Koordinaten | 48° 15′ 57″ N, 11° 40′ 33″ O | |
Land | Deutschland | |
Daten | ||
Eigentümer | Freistaat Bayern | |
Betreiber | TU München | |
Baubeginn | 1. August 1996 | |
Inbetriebnahme | 2. März 2004 | |
Reaktortyp | Schwimmbadreaktor | |
Thermische Leistung | 20 MW | |
Neutronenflussdichte | 8 × 1014 n/(cm2 s) | |
Website | www.frm2.tum.de | |
Stand | 1. Februar 2009 |
Die Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (nach dem deutschen Kernphysiker Heinz Maier-Leibnitz; auch Forschungsreaktor München II, kurz FRM II) in Garching bei München ist mit einer Nennleistung von 20 MW der derzeit (Stand 2009) leistungsstärkste deutsche Forschungsreaktor.[1] Der Reaktor wird von der Technischen Universität München als zentrale wissenschaftliche Einrichtung betrieben, die keiner Fakultät zugeordnet ist. Die erzeugten Neutronen werden hauptsächlich für die Grundlagenforschung in Physik, Chemie, Biologie und Materialwissenschaften verwendet.[2]
Die Grundsatzentscheidung für den Neubau eines Forschungsreaktors wurde vorbereitet, als 1985 Pläne zum Bau einer nationalen Spallationsneutronenquelle scheiterten.[3] 1981 wurde mit Vorstudien für einen Kompaktkern für eine neue Mittelflussquelle begonnen, ab 1984 standen Projektmittel zur Verfügung. 1989 bis 1992 erfolgte die Begutachtung, zuletzt durch den Wissenschaftsrat, der den Bau des FRM II mit hoher Priorität empfahl.[4]
Die Entscheidung zum Bau des FRM II wurde von verschiedenen Seiten aus verschiedenen Gründen kritisiert. Seit Erteilung der 1. Teilerrichtungsgenehmigung am 29. April 1996 wurde jede einzelne Genehmigung gerichtlich angefochten;[5] alle Einsprüche wurden jedoch letztinstanzlich abgewiesen.[6] Ein von Gegnern 2003 initiierter Bürgerentscheid, mit dem eine knappe Mehrheit der Garchinger ihre Stadtverwaltung aufforderte, gegen die Inbetriebnahme des Reaktors einzutreten, hatte keine nachhaltige Wirkung.[7] Nach Ausreizen aller gesetzlichen Prüfungsmöglichkeiten musste der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin (der die Bundesaufsicht über das eigentlich für den Vollzug des Atomrechts zuständige Land Bayern ausübte) am 2. Mai 2003 letztlich die 3. Teilerrichtungsgenehmigung, die im Wesentlichen aus der Betriebsgenehmigung besteht, abzeichnen.[8]
Neben Sicherheitsbedenken (Austritt von Strahlung oder Kernschmelze) wurde vor allem die besondere Gefährdung durch die Nähe (etwa 10 km) zum Münchner Flughafen genannt. Um dieser Gefährdung zu begegnen, wurde die Reaktorhalle mit einer 1,8 Meter dicken Betonwand und -decke gebaut. Nachdem die Bauentscheidung gefallen war, konzentrierte sich die Kritik auf die Verwendung von hochangereichertem und damit, wenn es aus der vorliegenden U3Si2-Verbindung isoliert werden kann, atomwaffentauglichem Uran. Die derzeit gültige Betriebsgenehmigung enthält die Auflage, mittelfristig auf einen noch zu entwickelnden Brennstoff umzustellen, der durch noch höhere chemische Urandichte einen niedrigeren nuklearen Anreicherungsgrad ermöglicht.[8][9] Derzeit wird dazu insbesondere an Uran-Molybdän-Verbindungen geforscht.
Der Reaktor wurde von der Siemens AG gebaut und kostete über 400 Millionen Euro. Er wurde am 2. März 2004 erstmals angefahren und erreichte am 24. August 2004 die Nennleistung von 20 MW. Im April 2005 wurde er formell von Siemens an die TU München übergeben und anschließend in den Routinebetrieb überführt.[8]
Der Reaktor liegt auf dem Campus der TU München in unmittelbarer Nähe östlich seines Vorgängers, des ersten deutschen Forschungsreaktors FRM-I (in Betrieb 1957–2000). Der unter Denkmalschutz stehende markante Kuppelbau des FRM-I, bekannt geworden als „Garchinger Atomei“, dient nun teilweise als Erweiterung der Neutronenleiterhalle des FRM II. Das Areal ist baulich durch einen massiven Zaun vom Rest des Campus getrennt. Ein ursprünglich vorhandener Wassergraben wurde zurückgebaut.
Baulich besteht der FRM II aus dem Reaktorgebäude, das die sogenannte Experimentierhalle beherbergt, einer Neutronenleiterhalle und Nebengebäuden mit Büros, Werkstätten und Laboren. Das Reaktorgebäude, das eine quadratische Grundfläche mit 42 m Kantenlänge hat und 30 m hoch ist, enthält den eigentlichen Kernreaktor sowie die um diesen herumliegende „Experimentierhalle“ mit verschiedenen Einrichtungen, die über Strahlrohre mit Neutronen versorgt werden. Die Neutronenleiterhalle, ein 55 × 30 m² großer Anbau, wird über Neutronenleiter mit Neutronen versorgt. In Zukunft werden auch in der sogenannten "Neutronenleiterhalle Ost" weitere Experimente untergebracht, die vom Reaktor über Neutronenleiter, die durch speziell vorgesehene Öffnungen in der Außenwand des Reaktorgebäudes geführt werden, mit Neutronen versorgt werden.[10]
Ein zusätzliches Gebäude, das Industrielle Anwenderzentrum (IAZ) auf dem Gelände des FRM II, wird von der radiochemischen Industrie zur Herstellung von Radiopharmaka genutzt. Hauptmieter ist derzeit die Firma ITM Isotopen Technologien München.[11]
Darüber hinaus befinden sich weitere, meist ältere Gebäude auf dem Areal, die noch aus Zeiten des FRM-I oder der Bauphase stammen. Diese beherbergen neben einem Zyklotron und Werkstätten hauptsächlich Büros.
Der FRM II verfügt nach Aussagen des Betreibers über die umfassendsten Sicherheitseinrichtungen für Forschungsreaktoren weltweit. Neben einer ständigen Bewachung und strengen Kontrollen wurde insbesondere Wert auf eine inhärente Sicherheit des Reaktors gelegt: bedingt durch die Konstruktion des Brennelementes geht die Anlage bei denkbaren Störungen aufgrund der physikalischen Gesetze von selbst in einen stabilen Betriebszustand über.[12] Hierunter fallen unter anderem ein negativer Temperaturkoeffizient der Reaktivität sowohl für den Brennstoff als auch das Kühlmittel und ein negativer lokaler Blasenkoeffizient.[13] Auch eine Vermischung von Leicht- und Schwerwasser, im Kühlkanal oder im Moderatortank, würde zu einer physikalisch bedingten Abschaltung des Reaktors führen.
Dazu kommen aktive Sicherheitseinrichtungen wie fünf magnetisch an Federn aufgehängte Abschaltstäbe aus Hafnium, die bei Unregelmäßigkeiten im Betrieb sofort in die Nähe des Brennelementes geschossen werden und den Reaktor abschalten (Reaktorschnellabschaltung). Selbst im Falle des Verlustes des Regelstabes würden vier der fünf Abschaltstäbe ausreichen, den Reaktor sicher abzuschalten.[14]
Insbesondere nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurden nochmals Berechnungen durchgeführt, die die Sicherheit des FRM II hinsichtlich des Absturzes schneller Militärmaschinen, großer Verkehrsflugzeuge und eines Kerosinbrandes bestätigen. Vor der Erteilung der Betriebsgenehmigung wurde von unabhängigen Gutachtern eine Vielzahl möglicher Unfälle untersucht, so dass die Sicherheit der Anlage letztendlich von der zuständigen Aufsichtsbehörde belegt wurde.[15]
Hinsichtlich der Bedenken bezüglich einer erhöhten Strahlendosis im Umfeld des FRM II ergaben Messungen und Berechnungen für die bewohnte Umgebung eine zusätzliche effektive Strahlendosis, die weniger als 0,01 % der Belastung durch natürliche Radioaktivität beträgt. Auch das Lüftungssystem des FRM II ist ein geschlossenes System, in dem die Luft über Filter gereinigt wird. Lediglich ein geringer Bruchteil wird an die Umgebung abgegeben; dieser wird ebenfalls gefiltert, die Abgabe gemessen und dokumentiert. Über die Webseite des Bayerischen Landesamtes für Umwelt können diese online verfolgt werden.[16] Die hohen Sicherheitsauflagen für den Reaktor sind ein Grund dafür, dass die TU München auf dem Garchinger Campus als einzige deutsche Hochschule neben der Universität der Bundeswehr München eine eigenständige Universitätsfeuerwehr unterhält.
Das Reaktorkonzept folgt Grundideen, die erstmals um 1970 am 55-MW-Hochflussreaktor des Instituts Laue-Langevin (ILL) in Grenoble umgesetzt wurden. Innovativ ist am FRM II vor allem die Verwendung einer dichteren Uranverbindung. Diese Verbindung war ursprünglich entwickelt worden, um existierende Forschungsreaktoren ohne unverhältnismäßige Leistungseinbußen von hoch- auf niederangereichertes Uran umzustellen. Am FRM II ermöglicht die Kombination einer hohen chemischen Urandichte mit einer hohen nuklearen Anreicherung einen besonders kompakten Reaktorkern und dadurch ein besonders hohes Verhältnis von Neutronenfluss zu thermischer Leistung. Wie alle anderen Hochleistungsforschungsreaktoren wird also auch der FRM II mit hochangereichertem Uran betrieben.[17]
Im Gegensatz zu den meisten anderen Reaktoren kommt der FRM II daher mit einem einzigen Brennelement aus, das nach einer Zykluszeit von derzeit 60 Tagen gewechselt werden muss. Die Brennstoffzone des Elementes ist etwa 70 cm hoch und enthält 8 kg spaltbares 235U. Das Uran liegt als Uransilicid-Aluminium-Dispersionsbrennstoff vor. Das Brennelement ist hohlzylinderförmig, die 113 jeweils 1,36 mm dicken Brennstoffplatten sind evolventenförmig gekrümmt und stehen schräg zwischen Innen- und Außenwand. Nach außen hin wird dabei weniger dichter Brennstoff verwendet als im Inneren (Urandichte 1,5 g/cm³ statt 3,0 g/cm³), um durch höheren Neutronenfluss und damit einhergehend höhere Spaltdichten bedingte thermische Spitzen zu vermeiden. Zwischen den in einer Al-Fe-Ni-Legierung verpackten Brennstoffplatten fließt in 2,2 mm breiten Spalten das Kühlmittel, leichtes Wasser. Die Brennstoffplatten besitzen eine für Forschungsreaktoren typische Brennstabhülle von 0,38 mm Dicke und sind damit so angelegt, dass die Spaltprodukte im Brennstoff verbleiben. Der Brennstoff selbst hat eine Dicke von 0,60 mm.[18] Im inneren Hohlraum befindet sich der Regelstab, umgeben ist das Brennelement vom Moderator.
Das Brennelement ist in einem mit Schwerwasser gefüllten Moderatortank untergebracht. Schweres Wasser zeichnet sich gegenüber normalem Wasser durch eine deutlich geringere Absorption von Neutronen bei nur unwesentlich schlechterem Moderationsverhalten aus. Gekühlt wird das Brennelement mit leichtem Wasser.[18] Bei der Maximalleistung von 20 MW erwärmt sich das Kühlwasser so von 37 °C auf maximal 53 °C.[19][13] Geregelt wird der Reaktor mit einem im Brennelement befindlichen Regelstab aus Hafnium mit Beryllium-Folger. Der Regelstab ist durch eine Magnetkupplung mit dem Antrieb verbunden. Wird diese gelöst, so wird der Regelstab sowohl durch die Schwerkraft als auch durch die Strömung des Kühlwassers in seine untere Endposition gedrückt und der Reaktor damit sofort abgeschaltet.[20]
Der Moderatortank befindet sich im 700 m³ fassenden Reaktorbecken, das mit dem entsalzten Kühlwasser gefüllt ist. Bedingt durch die umschlossene Bauweise kann so am FRM II von außerhalb des Moderatortanks nur eine geringe Tscherenkow-Strahlung beobachtet werden.[20]
Die oben beschriebene Anordnung bedingt, dass 72,5 % der erzeugten Neutronen die Spaltzone mit dem Leichtwasserbereich verlassen und so das Maximum des Neutronenflusses nicht im Brennelement selbst, sondern außerhalb, 12 cm von der Oberfläche des Brennelementes entfernt, im Moderatortank zu finden ist. In diesem Bereich enden einige der Strahlrohre, die damit nicht direkt auf den Kern zeigen, sondern an ihm vorbei. Vorteil dieser Technik ist ein besonders reines Spektrum, das nur sehr wenig durch intermediäre und schnelle Neutronen gestört wird. Auch die Gammastrahlung im Strahlrohr wird so deutlich reduziert. Der Neutronenfluss beträgt hier etwa 800 Billionen Neutronen pro Sekunde und Quadratzentimeter (8 × 1014 n/cm²s). Bedingt durch die zahlreichen Einbauten im Moderator, verringert sich dieser Fluss im Mittel auf etwa 80 % dieses Wertes. An den eigentlichen Experimentstandorten am Ende der Neutronenleiter beträgt die Flussdichte noch bis zu 1010 n/cm²s. Diese Flussdichten sind mit denen des ILL-Reaktors vergleichbar. Im Flussmaximum des Moderatortanks sind auch weitere Elemente untergebracht: Die kalte Quelle liefert besonders langwellige Neutronen, die heiße Quelle kurzwelligere Neutronen. Eine am Rand des Moderatortanks angebrachte, ausfahrbare Konverterplatte erzeugt schnelle Spaltneutronen für die medizinische Bestrahlungseinrichtung (entsprechend einer Temperatur von etwa 10 Milliarden Kelvin).[21]
Von 100 Neutronen, die im Kern produziert werden, gelangen, wie bereits erwähnt, etwa 72,5 ins Schwerwasser, von denen wiederum rund 34,8 %, entsprechend etwa 25,2 % der ursprünglich vorhandenen Neutronen, wieder vom D2O in die Brennstoffzone zurück reflektiert werden. Diese Neutronen sind schnell oder epithermisch. Im H2O werden sie dann zusammen mit den 27,5 bereits dort verbliebenen Neutronen auf thermische Energien abgebremst. Durch Absorption gehen dabei rund 18,4 Neutronen verloren, zum Teil auch im Brennstoff, was zu 22,2 neuen Spaltneutronen führt. Die übrigen 34,3 Neutronen erzeugen durch Spaltung 47,4 neue Neutronen – der Rest geht in anderen Absorptionsprozessen verloren.
18,3 % der ursprünglichen Neutronen diffundieren als thermische Neutronen vom D2O in die Brennstoffzone zurück. Sie führen über Spaltung zu 30,5 neuen Neutronen.
Insgesamt werden im FRM II bei Normalbetrieb rund 1,54 × 1018 Neutronen pro Sekunde produziert.
Der FRM II wird mit drei Kühlkreisläufen betrieben.[22] Das primäre System nutzt das Beckenwasser und verzeichnet einen Durchfluss von etwa 1000 m³/h, also etwa 280 l/s, entsprechend einer Geschwindigkeit von 17 m/s in den 2,2 mm breiten Kühlkanälen zwischen den Brennstoffplatten. Das Sekundärsystem ist ein geschlossener Wasserkreislauf. Das tertiäre System besteht aus Nasskühlaggregaten, über die die Wärme an die Atmosphäre abgeführt wird. Zusätzlich zu den 20 MW thermischer Leistung des Kerns sind etwa 4 MW Leistung der Betriebskomponenten abzuführen.[19]
Im Primärkühlkreislauf sorgen vier Pumpen für den nötigen Durchlauf, von denen jeweils zwei Pumpen zu einem Strang zusammengefasst sind. Bereits drei Pumpen reichen aus, um den Kern bei voller Nennleistung ausreichend zu kühlen. Im Falle einer Reaktorabschaltung werden drei Nachkühlpumpen zugeschaltet, die Beckenwasser durch den Kern pumpen. Diese Pumpen werden drei Stunden nach der Abschaltung wieder abgeschaltet, dann reicht die natürliche Konvektion zur Abfuhr der Restwärme des Kernes aus. Bereits eine dieser Pumpen genügt zur sicheren Abfuhr der Nachzerfallswärme. Zudem sind die Pumpen an einen Notstromdiesel angeschlossen, so dass auch ein kompletter Netzausfall überbrückbar ist. Auch im hypothetischen Szenario eines Ausfalls aller drei Pumpen würde der Kern nicht schmelzen, da zu wenig Restwärme vorhanden wäre. Darüber hinaus ist das System so ausgelegt, dass im Falle eines Ausfalles aller Pumpen das Beckenwasser die komplette Nachwärme des Brennelementes aufnehmen könnte, ohne zu sieden.[19]
In den Sekundärkreislauf wird neben der Wärme des Primärkühlkreislaufs auch die Abwärme anderer Betriebskomponenten eingekoppelt.[19]
Der FRM II ist optimiert für Neutronenstreuexperimente an Strahlrohren und Neutronenleitern.[13] Daneben gibt es Einrichtungen für Materialbestrahlungen, medizinische Bestrahlungen und kernphysikalische Experimente.
Die Experimentiereinrichtungen werden nicht vom FRM II selbst betrieben, sondern von verschiedenen Lehrstühlen der TU München sowie von anderen Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die zu diesem Zweck Außenstellen auf dem Gelände des FRM II unterhalten. Vertretene Institute sind die Max-Planck-Gesellschaft, die Leibniz-Gemeinschaft und die Helmholtz-Gesellschaft.[23] Letztere stellt mit dem Jülich Centre for Neutron Science des Forschungszentrums Jülich mit über 30 Mitarbeitern die größte Außenstelle.[24] Etwa zwei Drittel der Messzeit jedes Instrumentes stehen Gastwissenschaftlern aus aller Welt zur Verfügung. Insgesamt sind 30 % der Kapazität für kommerzielle Nutzung vorgesehen.
Die Instrumente am FRM II sind zum Großteil Spektrometer und Diffraktometer und decken ein breites Anwendungsspektrum ab, sowohl hinsichtlich Forschung als auch industrieller Nutzung:[25]
Für die reine Element- und Isotopenanalytik existiert neben der klassischen Neutronenaktivierungsanalyse ein Instrument zur prompten Gamma-Aktivierungsanalyse (PGAA). Konventionelle Bestrahlungseinrichtungen stehen im Inneren des Moderatortanks mit verschiedenen Neutronenflüssen und -spektren zur Verfügung.[26] Sie sind Voraussetzung für die Neutronenaktivierungsanalyse, werden aber auch zur Erzeugung radioaktiver Quellen genutzt, beispielsweise für die medizinische Behandlung in Form von Radiopharmaka. Auch Dichtemessungen sind so möglich. Die größte Bestrahlungseinrichtung ist die zur Siliziumdotierung, in der Silizium durch Neutroneneinfang und anschließenden Betazerfall in Phosphor umgewandelt wird.[27]
Zwei Radiographie- und Tomographieanlagen[28] nutzen die hohe Durchdringungsfähigkeit von Neutronen durch Materie zur Durchleuchtung technischer statischer und bewegter Objekte. Dabei können sowohl 2D-Bilder angefertigt werden (Radiographie) als auch komplette dreidimensionale Rekonstruktionen des inneren Aufbaus angefertigt werden. In Kombination mit der prompten Gamma-Aktivierungsanalyse kann dieser innere Aufbau zudem nach Isotopen aufgeschlüsselt werden.[29]
Eine weitere Bestrahlungseinrichtung ist die medizinische Bestrahlungsanlage, in der Tumorgewebe mit den schnellen Neutronen aus der Kernspaltung bestrahlt wird. Dabei handelt es sich nicht um die besser bekannte Bor-Neutronen-Einfangtherapie, deren Wirkung auf in Bor absorbierten thermischen Neutronen beruht, sondern um die Wirkung von durch Neutronen angestoßenen Rückstoßprotonen.[30]
In der Materialwissenschaft und Katalyse gibt es Möglichkeiten zur Gefügeanalyse und zur Strukturbestimmung. Außerdem können mit den am FRM II zur Verfügung stehenden Instrumenten Phasenanalysen bei mehrkomponentigen Legierungen durchgeführt werden. Eigenspannungen und Texturen können mit und ohne Last analysiert werden. Dies wird beispielsweise in der Eigenspannungsanalyse in der Fertigungstechnologie, der Bauteilfertigung und der Materialentwicklung und der Texturbestimmung nach Walz- und Umformprozessen verwendet.[31] Hinsichtlich der Lebenswissenschaften gibt es Möglichkeiten zur Zustandsbestimmung organischer Verbindungen und zur Untersuchung der Dynamik komplexer Moleküle. Auch Strukturen und Bindungen in organischen Verbindungen (für Einkristalle) können analysiert werden.[32]
Die Positronenquelle erschließt ein weiteres Anwendungsspektrum, hauptsächlich in der Oberflächen- und Defektanalyse. So kann beispielsweise eine oberflächennahe Elementanalyse durchgeführt oder die Oberflächenmorphologie bestimmt werden. Durch eine Defektanalyse können Gitterfehler in Kristallen bestimmt werden.[33]
Am FRM II ist der Aufbau einer Anlage zur Erzeugung ultrakalter Neutronen (UCN) geplant. In gefrorenem Deuterium (D2) werden die Neutronen bis auf eine Energie von etwa 250 neV (Nanoelektronenvolt) herabgekühlt. Sie wird primär zum Studium fundamentaler Eigenschaften des Neutrons genutzt werden.[34][35]
Etwa 50 % der Experimente am FRM II verwenden kalte Neutronen, also Neutronen mit einer durchschnittlichen Energie von weniger als 5 meV. Die Kalte Quelle ist ein mit etwa 16 l flüssigem, etwa 25 K kaltem Deuterium gefüllter Zusatzmoderator, der im Schwerwassertank des FRM II platziert ist. Um die Aufheizung durch Wärmeleitung, Gammastrahlung und Neutronenstöße zu kompensieren, hat die kalte Quelle einen eigenen Kühlkreislauf. Der Deuterium-Bereich ist mit Schutzgas umhüllt, um auch bei Fehlfunktionen den Kontakt zwischen Deuterium und Luft zu unterbinden. In der Kalten Quelle beträgt die Flussdichte kalter Neutronen etwa 9,1 × 1013 n/cm²s.[36] Folgende Experimente arbeiten mit kalten Neutronen:
Name | Typ | Betreiber | Beschreibung |
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ANTARES | Radio- & Tomographie | TUM | Radiographie und Tomographie[37] |
DNS | Spektrometer | JCNS | Diffuse Neutronenstreuung[38] |
J-NSE | Spektrometer | JCNS | Jülich Neutron Spin Echo Spectrometer[39] |
KWS-1, -2, -3 | Diffraktometer | JCNS | Kleinwinkelstreuung[40][41][42] |
MARIA | Reflektometer | JCNS | Magnet-Reflektometer mit hohem Einfallswinkel[43] |
MEPHISTO | Kern- & Teilchenphysik | TUM | Kern- und Teilchenphysik mit kalten Neutronen[44] |
MIRA | Multi-Purpose Spektrometer | TUM | Verschiedene Optionen zur Diffraktometrie und Spektrometrie[45] |
N-REX+ | Diffraktometer | MPI Metallforschung | Neutronen-Röntgen-Kontrast-Reflektometer[46] |
PANDA | Spektrometer | Helmholtz / IFP TU Dresden | Dreiachsenspektrometer[47] |
PGAA | Bestrahlung | IKP Köln / PSI / TUM | Prompte Gamma-Strahl Aktivierungsanalyse[48] |
REFSANS | Diffraktometer | HZG / TUM / LMU | Reflektometer für die Analyse von weichen und flüssigen Grenz- und Oberflächen[49] |
RESEDA | Spektrometer | TUM | Neutronenresonanzspinecho[50] |
SANS-1 | Diffraktometer | TUM / GKSS | Kleinwinkelstreuung (Small angle neutron scattering, im Aufbau)[51] |
SPHERES | Spektrometer | JCNS | Rückstreuspektrometer[52] |
TOFTOF | Spektrometer | TUM | Hochauflösendes Flugzeitspektrometer[53] |
Thermische Neutronen haben eine mittlere Energie von etwa 25 meV, entsprechend der Temperatur des Moderators.
Name | Typ | Betreiber | Beschreibung |
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PUMA | Spektrometer | Uni Göttingen / TUM | Dreiachsenspektrometer mit Polarisationsanalyse und Multi-Analysator-Detektor[54] |
RESI | Diffraktometer | LMU / Uni Augsburg | Einkristalldiffraktometer[55] |
SPODI | Diffraktometer | TU Darmstadt / LMU | Strukturpulverdiffraktometer[56] |
STRESS-SPEC | Diffraktometer | TUM / Helmholtz / TU Clausthal / GKSS | Eigenspannungs- und Texturdiffraktometer[57] |
TRISP | Spektrometer | MPI Festkörperforschung | Neutronen-Resonanz-Spinecho-Dreiachsenspektrometer[58] |
Die heißen Neutronen entstammen der Heißen Quelle (~2400 °C, Moderator: 14 kg Graphit). Sie werden hauptsächlich für Strukturuntersuchungen an kondensierter Materie eingesetzt. Diese Neutronen haben eine Energie zwischen 0,1 eV und 1 eV. Die Heiße Quelle ist im Moderatortank in der Nähe des Flussmaximums untergebracht. Die Aufheizung des Graphits erfolgt durch Gammastrahlung, weniger auch durch Neutronen aus dem Reaktorkern. Die Quelle ist gegen die Umgebung durch einen Doppelwandigen Zirkalloy-Behälter mit eingelagertem Isolierfilz isoliert, so dass die Temperatur an der Außenseite nur etwa 100 °C beträgt. Die letztendliche Temperatur resultiert aus dem thermischen Gleichgewicht zwischen Aufheizung und Wärmeabgabe an die Umgebung.[59]
Name | Typ | Betreiber | Beschreibung |
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HEIDI | Diffraktometer | RWTH Aachen | Heißes Einkristalldiffraktometer[60] |
Die Strahlkonverteranlage (SKA) zur Erzeugung der Spaltneutronen besteht aus zwei zusammen 498 g 235U enthaltenden Platten, die durch Einfang thermischer Neutronen und anschließende Spaltung schnelle Spaltneutronen (Energie: 0,1 MeV – 10 MeV) erzeugen. Die Platten befinden sich am Rand des Moderatortanks und haben eine Nennleistung von 80 kW. Sie können bei Bedarf aus dem Neutronenfeld gezogen werden um einem unnötigen Abbrand (Verlust durch Spaltung) des Urans vorzubeugen.[61]
Name | Typ | Betreiber | Beschreibung |
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MEDAPP | Bestrahlung | TUM | Medizinische Bestrahlungsanlage (Neutronentherapie, Bestrahlung)[62] |
NECTAR | Radio- & Tomographie | TUM | Neutronen Computer Tomographie und Radiographie Anlage[63] |
Die Positronenquelle NEPOMUC (NEutron induced POsitron Source MUniCh) ist die weltweit stärkste Quelle für monoenergetische Positronen (Stand 3/2008). Sie erzeugt etwa 9 × 108 moderierte Positronen pro Sekunde. Zur Erzeugung der Positronen werden thermische Neutronen in Cadmium eingefangen, wodurch harte Gammastrahlung bis zur Maximalenergie von 9 MeV entsteht. Durch Absorption dieser Gammastrahlung in Platinfolien werden durch Paarbildung Positronen (Antimaterie) und Elektronen (Materie) erzeugt. Im Platin werden primär erzeugte Positronen auf Umgebungstemperatur moderiert und können nach Diffusion zur Folienoberfläche ins Vakuum emittiert werden. Die so moderierten Positronen werden auf eine Energie von 1 keV beschleunigt und magnetisch geführt.[64] Über eine Strahlweiche gelangt der monoenergetische Positronenstrahl zu verschiedenen Experimenten:[65] Die Positronenquelle wird von der TU München selbst betrieben.
Name | Beschreibung |
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CDBS | Koinzidenzdopplerspektroskopie[66] |
OP | Ein offener Strahlplatz für zusätzliche Experimente: Derzeit Erzeugung des negativ geladenen Positroniumions[67] |
PAES | Positronen-Annihilations induzierte Auger-Elektronen-Spektroskopie[68] |
PLEPS | Gepulste niederenergetische Positronen (Pulsed Low Energy Positron System)[67] |
SPM | Rasterpositronenmikroskop (Scanning Positron Microscope, geplant) |
Zu den oben genannten Experimenten kommen die Bestrahlungsanlagen im Inneren des Moderatortanks zur Erzeugung radioaktiver Isotope, zur Neutronenaktivierungsanalyse (NAA) oder zur Neutronen-Transmutationsdotierung von Silizium. Das so gewonnene dotierte Silizium ist sehr homogen dotiert.[8]
Am FRM II gab es bisher 17 meldepflichtige Ereignisse, davon eines in der Kategorie „Eilt“ und 16 in der Kategorie „Normal“. Zeitlich verteilen sich die Ereignisse wie folgt: 2004: 1; 2005: 1; 2006: 3; 2007: 1; 2008: 1; 2009: 5; 2010: 2; 2011: 1; 2014: 1; 2016: 1.[69] Bei keinem der meldepflichtigen Ereignisse wurde Radioaktivität freigesetzt, alle Ereignisse sind in die Kategorie INES 0 eingruppiert worden.
Weitere, nicht meldepflichtige Ereignisse, die eine überregionale mediale Aufmerksamkeit hervorriefen: