Hermann Minkowski (* 22. Juni 1864 in Aleksotas, Russisches Kaiserreich, heute Kaunas, Litauen; † 12. Januar 1909 in Göttingen) war ein deutscher Mathematiker und Physiker.
Minkowski war der zweitälteste Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie, die 1872 aufgrund antisemitischer Maßnahmen im zaristischen Russland aus dem russischen Zarenreich ins preußische Königsberg emigrierte. Sein Vater war der Kaufmann Lewin Minkowski (um 1825 bis 1884), die Mutter Rachel Taubmann (um 1827 bis 1904). Sein älterer Bruder war der Mediziner Oskar Minkowski, der Astrophysiker Rudolph Minkowski ist sein Neffe. Ein weiterer Bruder Max Minkowski (1844 bis um 1924) war ein erfolgreicher Getreidehändler, französischer Konsul in Königsberg und Stifter des Neubaus des Kunstmuseums in Königsberg. Sein Ur-Großvater väterlicherseits hieß noch Isaac ben Aaron (1788–1852), stammte aus Karlin bei Pinsk im heutigen Weißrussland und nahm unter Zar Nikolaus I. den Namen Minkowski an.
Minkowski besuchte ab 1872 das Altstädtische Gymnasium Königsberg. Schon als Gymnasiast las er Gauß, Dirichlet und Dedekind und erregte die Aufmerksamkeit des Königsberger Professors Heinrich Weber. 1880 erhielt er schon als Fünfzehnjähriger das Reifezeugnis. Danach studierte er ab 1880 fünf Semester an der Universität von Königsberg, vornehmlich bei Heinrich Weber und Woldemar Voigt. Weitere drei Semester studierte Minkowski in Berlin, wo er Vorlesungen von Ernst Eduard Kummer, Leopold Kronecker, Karl Weierstraß, Hermann von Helmholtz und Gustav Robert Kirchhoff hörte. Am 30. Juli 1885 wurde Minkowski mit der Arbeit „Untersuchungen über quadratische Formen Bestimmung der Anzahl verschiedener Formen, welche ein gegebenes Genus enthält“ von der philosophischen Fakultät in Königsberg promoviert.[1][2] Sein Doktorvater war Ferdinand von Lindemann.[2]
Als Student nahm er 1881 am Preisausschreiben der Pariser Akademie teil (es ging um den Beweis einer Formel von Eisenstein über die Anzahl der Darstellungen einer Zahl durch fünf Quadrate) und erhielt 1883 den Preis (mit einem besonderen Lob von Hermite) zusammen mit Henry Smith. Letzterer hatte schon 1867 einen Beweis gegeben, aufgrund der relativen Isolation der englischen Mathematik am Ende des 19. Jahrhunderts war dies den Mathematikern auf dem Kontinent aber entgangen. Minkowskis Dissertation setzte seine Preisarbeit fort.
In Königsberg befreundete Minkowski sich mit dem Dozenten Adolf Hurwitz und mit David Hilbert, damals ein Kommilitone. Die Freundschaft mit Hilbert hielt ein Leben lang und führte zu einer engen Zusammenarbeit später in Göttingen. Ab 1887 lehrte Minkowski an der Universität Bonn, wo er 1892 Assistenzprofessor wurde, 1894 in Königsberg und ab 1896 am Polytechnikum in Zürich, wo er der Kollege seines Freundes Hurwitz war und unter anderem auch Albert Einstein zu seinen Schülern zählte. 1897 heiratete er in Straßburg die Tochter eines Straßburger Lederfabrikanten Auguste Adler (1875–1944), mit der er zwei Töchter hatte. Die Tochter Lily (1898–1983) heiratete später den Elektroingenieur Reinhold Rüdenberg und Ruth (1902–1983) den Röntgenologen Franz Buschke. Beide wanderten in die USA aus, wo ihre Ehemänner Professoren waren.
Ab 1890 baute er seine Geometrie der Zahlen aus, die er in seiner Preisarbeit begonnen hatte und wo er Pionierarbeit leistete. Sein Hauptwerk Geometrie der Zahlen darüber erschien 1896 und vollständig 1910. Er entwickelte und benutzte Methoden der Theorie konvexer Körper und Gitter und wandte sie in der Zahlentheorie an. Eine zentrale Rolle spielte dabei Minkowskis Gitterpunktsatz,[3] mit dem er wichtige Sätze der algebraischen Zahlentheorie wie Dirichlets Einheitensatz oder die Endlichkeit der Klassenzahl bewies. 1907 erschien sein zweites großes zahlentheoretisches Werk Diophantische Approximationen, in dem er Anwendungen seiner Geometrie der Zahlen gab. Um 1895 wurden David Hilbert und Minkowski von der Deutschen Mathematikervereinigung (DMV) gebeten, Berichte über Zahlentheorie im Rahmen einer Reihe von Übersichtsartikeln für den Jahresbericht der DMV zu schreiben, wobei Minkowski den Teil zur Elementaren Zahlentheorie (Quadratische Formen, Kettenbrüche, Geometrie der Zahlen) übernehmen sollte. Erschienen ist dann nur Hilberts Zahlbericht.[4]
1902 übernahm er einen Lehrstuhl in Göttingen, den er bis zu seinem Tode innehatte. In Göttingen begann er sich für mathematische Physik zu interessieren und beschäftigte sich mit der damals aktuellen Theorie der (gerade neu entdeckten) Elektronen und mit Problemen der Elektrodynamik.
Um 1907 erkannte Minkowski, dass die Arbeiten von Hendrik Antoon Lorentz (1904) und Albert Einstein (1905) zur Relativitätstheorie in einem nicht-euklidischen Raum verstanden werden können. Er vermutete, dass Raum und Zeit in einem vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum miteinander verbunden sind und verfasste Abhandlungen über eine vierdimensionale Elektrodynamik. Minkowski hielt darüber 1908 den Aufsehen erregenden Vortrag Raum und Zeit auf der Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte. Seine Ideen zum Raum-Zeit-Kontinuum verwendete Einstein, der zu Beginn dem vierdimensionalen Ansatz von Minkowski ablehnend gegenüberstand, später in seiner allgemeinen Relativitätstheorie. Der erste, der den Zusammenhang zwischen der Lorentz-Transformation und einem vierdimensionalen Raum mit der Zeitkoordinate ict − also mit der Lichtgeschwindigkeit als Konstante − erkannte, war 1905 Henri Poincaré. Poincaré gelang dabei die grundlegende Formulierung von Vierervektoren, jedoch verfolgte er diesen Gedankengang später nicht weiter. (Siehe dazu → Geschichte der speziellen Relativitätstheorie)
Im Alter von 44 Jahren erlitt Minkowski einen Blinddarmdurchbruch. Zu dieser Zeit waren operative Eingriffe zur Heilung der Krankheit noch nicht üblich, doch auch eine Operation konnte sein Leben nicht retten. In den letzten Stunden versuchte er noch, zahlreiche Manuskripte zu vervollständigen. Er hat ein Ehrengrab der Stadt Berlin in der Abt. 3-A-30 auf dem Friedhof Heerstraße.[5]
In Hilberts Nachruf kommt zum Ausdruck, welche enge Freundschaft die beiden Mathematiker verband:
Der Minkowski-Raum und die Minkowski-Ungleichung sind nach ihm benannt, ebenso der Asteroid (12493) Minkowski, ein Mondkrater, die M-Matrizen und der Minkowskiweg in Göttingen. An seinem langjährigen Wohnhaus in Göttingen (1902–1909) in der heutigen Planckstraße Nummer 15 ist eine Gedenktafel[6] angebracht.
Personendaten | |
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NAME | Minkowski, Hermann |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Mathematiker und Physiker |
GEBURTSDATUM | 22. Juni 1864 |
GEBURTSORT | Aleksotas, Russisches Kaiserreich |
STERBEDATUM | 12. Januar 1909 |
STERBEORT | Göttingen |