Die Kirlian- oder Koronaentladungsfotografie (auch Hochfrequente Hochspannungsfotografie) ist ein fotografisches Verfahren zur Visualisierung von Glimm- oder Koronaentladungen. Das Verfahren wurde von dem sowjetischen Ehepaar Semjon Kirlian und Walentina Kirliana ab 1937 entwickelt.
Technisch angewendet werden die zugrundeliegenden Effekte bei Koronakameras, welche beispielsweise bei Hochspannungsleitungen Korona-Entladungen optisch sichtbar machen können. Weitere Anwendungsgebiete der Kirlianfotografie sind Kunst und Werbung.
Der sowjetische Elektrotechnik-Ingenieur Semjon Davidowitsch Kirlian entdeckte 1937 diese Art der Fotografie durch Zufall, als er einen medizinischen Apparat reparieren sollte, und ließ das Verfahren 1949 mehrmals patentieren. Später forschte er weiter mit seiner Ehefrau Walentina Kirliana und dem Arzt Ruben Stepanow an der Kirlianfotografie.
Als Folge der elektrischen Feldstärke kommt es in Gasen, wie auch der Luft, zu einer Ionisierung und daher zu einer Gasentladung. Dabei darf die elektrische Feldstärke nicht zu hoch sein, um die sogenannte Koronaentladung beziehungsweise Glimmentladung zu ermöglichen. Diese zählen zu den schwächsten elektrischen Entladungen und sind, wie fast alle Gasentladungen, mit Lichterscheinungen unterschiedlicher Stärke verbunden, die durch fotografische Verfahren abgebildet werden können. Technisch verwendet werden die durch schwache elektrische Entladungen hervorgerufenen Lichterscheinungen beispielsweise in Glimmlampen und Plasmalampen.
Bei Koronaentladungen können die damit verbundenen Lichterscheinungen so schwach sein, dass sie nur unter bestimmten Bedingungen wie abgedunkelte Räume beziehungsweise nur mit entsprechenden technischen Hilfsmitteln wie Koronakameras optisch festgestellt werden können.
Elektrische Entladungen sind nicht an bestimmte Formen oder Materialien der Objekte gebunden und können von allen elektrisch leitfähigen Materialien wie Metallen, aber auch von lebenden Organismen wie Tieren und Pflanzen ausgehen. Bei ebenen, elektrisch leitfähigen Oberflächen treten fast homogene elektrische Feldstärken und eine über die Fläche fast gleichmäßige Entladung auf. Allerdings sind auch in diesen Fällen durch geringe Unebenheiten in der nur scheinbar ebenen Oberfläche unterschiedliche Entladungsmuster optisch erkennbar. Bei Kanten oder Spitzen treten wegen des Randeffektes höhere elektrische Feldstärken auf, mit der Folge, dass an jenen Punkten beziehungsweise Bereichen die elektrischen Entladungen bevorzugt einsetzen.
Die Leuchterscheinungen, die auf der Fotografie von der Elektrode, wie zum Beispiel einem Finger ausgehen, sind in diesem Sinne keine „geheimnisvollen Strahlen“, sondern selbstleuchtende Entladungskanäle infolge einer Gasentladung. Die Entladung wird beeinflusst durch die Form der Elektroden, Verteilung der elektrischen Leitfähigkeit, Feuchtigkeit im Gas, Verdampfung und andere physikalische Faktoren; auch spielt die Beschaffenheit der Oberfläche eine Rolle.
In einen abgedunkelten Raum wird eine Metallplatte gelegt. Auf dieser wird ein Isolator, zum Beispiel eine dünne Keramikplatte, befestigt. Auf der Isolationsplatte wird nun der zu belichtende Film angebracht, mit der fotoempfindlichen Seite nach oben. Auf den Film kommt das zu fotografierende Objekt, zum Beispiel ein Blatt oder auch ein Mensch.[1] Wichtig dabei ist, dass das Objekt ein elektrischer Leiter sein muss. An die Metallplatte wird anschließend eine Hochspannung von etwa 20.000 Volt angelegt, die beispielsweise aus einem Tesla-Transformator gewonnen wird. Je nach benötigter Belichtungsdauer wird die elektrische Spannung für einige Bruchteile von Sekunden (etwa 100 μs) eingeschaltet. Es entsteht rund um das Objekt eine Koronaentladung.
Da bei Koronaentladungen nur geringe elektrische Ströme fließen, sind diese Entladungen im Regelfall ungefährlich.
Diese Art der Fotografie findet auch in der Alternativmedizin Verwendung, da Rückschlüsse auf die elektrische Leitfähigkeit der Körperoberfläche gezogen werden können. Dabei könne beurteilt werden, ob energetische Leitbahnen, die Meridiane, im Sinne dieser Lehre blockiert seien. Fotografiert werden vorwiegend Hände (Fingerkuppen) und Füße (Zehen),[2] denn nach Vorstellung der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) beginnen und enden die Meridiane nach der Akupunkturlehre an Fingerkuppen und Zehen. Durch den Vergleich der Fotografien von Händen von Personen mit bestimmten bekannten Krankheiten und den Fotografien von Personen, von denen keine Krankheit bekannt war, lassen sich angeblich krankheitstypische Abweichungen feststellen und so die Aufnahmen diagnostisch einsetzen. Daher arbeiten manche Heilpraktiker mit der Kirlianfotografie als Grundlage für ihre Anamnese.
Die Anwendung soll zur Diagnostik von Erkrankungen und zum Nachweis eines Behandlungserfolgs herangezogen werden.[3] In einem Übersichtsartikel des Deutschen Ärzteblatts zu komplementärmedizinischen Diagnoseverfahren werden mehrere Untersuchungen zitiert, die keine diesem Zweck entsprechende Reproduzierbarkeit der Kirlianfotografie ergaben.[4]
Wie bei allen Experimenten mit Hochspannung kann es durch unsachgemäße Anwendung zu Stromunfällen kommen. Besonders gefährdet sind Personen mit Herzschrittmacher oder Herzschwäche. Bei unzureichender Belüftung können sich durch den Vorgang der Gasentladung in Luft schädliche Gase wie Stickstoffdioxid oder Ozon ansammeln.