Kontaktelektrizität

Kontaktelektrizität

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Als Kontaktelektrizität, Kontaktspannung, Kontaktpotential, Berührungselektrizität oder auch Berührungsspannung (nicht zu verwechseln mit der Berührungsspannung bei elektrischen Geräten) werden zusammenfassend elektrische Phänomene bezeichnet, die an Grenzflächen zwischen verschiedenen Substanzen bzw. zwischen einer Substanz und der Umgebung (z. B. Vakuum) vorkommen. Der Begriff „Kontaktelektrizität“ wurde von Alessandro Volta geprägt und stand damals im Gegensatz zur älteren These der „animalischen (tierischen) Elektrizität“, die auf Luigi Galvani und seine Versuche mit Froschschenkeln zurückgeht. Mit dem zunehmenden Verständnis der elektrischen Phänomene wurde im Laufe des 19. und frühen 20. Jahrhunderts klar, dass die als „Kontaktelektrizität“ bezeichneten Phänomene sehr unterschiedlicher Natur sind, und der Begriff wird in der modernen Physik nicht mehr verwendet.

Phänomene der „Kontaktelektrizität“

Nimmt ein Metall aus dem Vakuum ein (ruhendes) Elektron auf, so landet es in ihm auf dem Fermi-Niveau. Die frei werdende Bindungsenergie heißt Austrittsarbeit. Kommen nun zwei Leiter mit unterschiedlichen Austrittsarbeiten, die zunächst jeweils ungeladen sind (Anzahl Elektronen passend zu den Kernladungen), in elektrischen Kontakt zueinander, so fließen kurzzeitig Elektronen in Richtung des Leiters mit der höheren Austrittsarbeit (zum tieferen Fermi-Niveau), bis im Gleichgewicht die Fermi-Niveaus angeglichen sind. Erklärung für den Angleich: Die Nettoladung verteilt sich ‘in’ der Oberfläche der Leiter, durch Influenz bevorzugt dort, wo die Oberflächen sich nahe sind. Sowohl in der (bei Metallen sehr dünnen) Raumladungszone als auch im Außenraum entsteht ein elektrisches Feld, das dem weiteren Stromfluss entgegenwirkt – quantitativ: Das Wegintegral der Feldstärke vom Inneren des einen Leiters ins Innere des anderen, das sogenannte „Kontaktpotential“, ist gleich der Differenz der Austrittsarbeiten. (Eigentlich handelt es sich beim „Kontaktpotential“ um eine Potentialdifferenz, also eine Spannung, aber die Bezeichnung Kontaktspannung hat auch eine andere Bedeutung, siehe Kontaktwiderstand).

Das elektrische Feld im Außenraum macht sich z. B. bei Elektronenröhren bemerkbar, deren Gitter mit der Kathode kurzgeschlossen ist: Von der Kathode thermisch emittierte Elektronen werden durch dieses Feld wieder auf die Kathode zurückgetrieben. Wird das Gitter durch eine externe Spannung positiver gemacht, so steigt der Anodenstrom an, bis diese Spannung das Kontaktpotential gerade ausgleicht und das äußere Feld verschwindet.[1] Störender ist das Außenfeld in Elektronenoptiken für niederenergetische Elektronen und in Präzisionsexperimenten wie Gravity Probe B. Die Variation der Austrittsarbeit entsteht dabei durch Verunreinigungen der Oberflächen.

Werden die elektrischen Leiter getrennt, so fließen mit der Verringerung der Kontaktfläche die Ladungen zum größten Teil zurück. Die verbleibende Ladungsmenge hängt davon ab, wie dicht sich große Flächen der Leiter gegenüberstehen in genau jenem Moment, wenn der letzte leitende Kontakt abreißt, denn bis dahin bleibt die Spannung konstant, während die Feldstärke mit zunehmendem Abstand sinkt. Dielektrische Schichten, z. B. oxidiertes Metall, über einem Großteil der Oberfläche können die Ladungsmenge erhöhen, nicht nur durch ihre relative Permittivität sondern vor allem indem sie einen engen mechanischen Kontakt ohne gleichzeitigen elektrischen Kontakt erlauben. Nach der endgültigen Trennung bleiben Ladung und Feldstärke konstant (bis auf Umverteilungen), sodass die Spannung proportional zum Abstand ansteigt (bis der Abstand größer wird als die Ausdehnung der Körper).

Die Ladungsmengen, die sich mittels Isolatoren trennen lassen, siehe Reibungselektrizität, sind weitaus größer und damit auch die Spannungen, die beim Ausziehen ‘geeigneter’ Pullover gefährlich knistern. Zwischen Isolatoren gibt es jedoch keinen wohldefinierten Ladungsausgleich bei Berührung und daher ist der Begriff des Kontaktpotentials nicht definiert. Die elektrische Aufladung kann nicht exakt erfasst werden, es gibt nur eine qualitative reibungselektrische Spannungsreihe, die angibt, welches von zwei Materialien sich bei gegenseitigem Kontakt positiv bzw. negativ auflädt.

In einem Stromkreis wird durch das oben geschilderte Kontaktpotential normalerweise kein Strom fließen. Insbesondere misst man keine Spannung, wenn man die beiden verschiedenen Leiter jeweils mit einer der beiden Prüfspitzen eines Messgerätes verbindet, denn die beiden zusätzlichen Kontaktstellen unterscheiden sich um die gleiche Austrittsarbeitsdifferenz wie der ursprüngliche Kontakt. Allerdings ist das Fermi-Niveau und damit die Austrittsarbeit temperaturabhängig, bei manchen Materialien durch eine Asymmetrie der Zustandsdichte sogar stark. Dadurch entsteht in einer ABA-Anordnung zweier Materialien A und B mit unterschiedlich temperierten Kontaktstellen AB bzw. BA eine Thermospannung (Seebeck-Effekt) bzw. bei Kurzschluss ein Thermostrom.

Eine andere Ursache für einen anhaltenden Stromfluss und damit leicht messbare Effekte sind elektrochemische Reaktionen. Das komplizierte Zusammenspiel von elektrischen, elektrochemischen und Membranpotentialen wurde von Galvani, Volta und Humboldt erkundet und unterschiedlich interpretiert.[2]

Literatur

  • Wilhelm von Zahn: Untersuchungen über Kontaktelektrizität. Teubner, Leipzig 1882.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. H. Barkhausen: Lehrbuch der Elektronenröhren. 1. Band Allgemeine Grundlagen. 11. Auflage. S. Hirzel Verlag, 1965, S. 41 (Kap. 4 Anlaufstrom).
  2. Oliver Lodge: On the Controversy Concerning Volta's Contact Force, Kessinger Publishing, 2005, ISBN 978-1-4179-7464-1, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.