Dunkle Materie aus den Tiefen des Universums
Physik-News vom 04.11.2020
PRISMA⁺ Wissenschaftler schlagen exotische ultraleichte Felder als neue Boten astrophysikalischer Ereignisse vor und veröffentlichen Resultate ihrer Berechnungen.
Gewaltige astrophysikalische Ereignisse wie die Verschmelzung schwarzer Löcher könnten Energie in unerwarteter Form freisetzen. Exotische ultraleichte Felder (ELFs) beispielsweise könnten sich durch den Weltraum ausbreiten und schwache Signale verursachen, die mit Quantensensornetzwerken, wie den Atomuhren des GPS-Netzwerks oder den Magnetometern des GNOME-Netzwerks, detektierbar sind. Das ist das Ergebnis theoretischer Berechnungen, die eine Forschungsgruppe um Dr. Arne Wickenbrock vom Exzellenzcluster PRISMA⁺ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und dem Helmholtz-Institut Mainz (HIM) durchgeführt hat. Besonders interessant ist dieses Ergebnis mit Blick auf die Suche nach Dunkler Materie – denn ultraleichte Felder gelten als aussichtsreiche Kandidaten für diese exotische Materieform.
Publikation:
Dailey, C., Bradley, C., Jackson Kimball, D.F. et al.
Quantum sensor networks as exotic field telescopes for multi-messenger astronomy
Nat Astron (2020), 02 November 2020
DOI: 10.1038/s41550-020-01242-7
Von der Multi-Messenger-Astronomie zur Suche nach Dunkler Materie
Das Feld der Multi-Messenger-Astronomie – die koordinierte Beobachtung verschiedener Signale, die aus dem gleichen astrophysikalischen Ereignis resultieren – erfährt seit dem erstmaligen Nachweis von Gravitationswellen mit dem LIGO-Spektrometer vor wenigen Jahren eine enorme Popularität und liefert seitdem eine große Menge neuer Informationen aus den Tiefen des Universums. „Wenn irgendwo im Weltraum Gravitationswellen ausgelöst und auf der Erde nachgewiesen werden, richten sich zahlreiche Teleskope auf dieses Ereignis, um unterschiedliche Signale – wie zum Beispiel elektromagnetische Strahlung – zu detektieren“, erläutert Arne Wickenbrock. „Unsere Ausgangsfrage war: Was wäre, wenn in den beobachteten Ereignissen ein Teil der freigesetzten Energie auch in Form sogenannter exotischer ultraleichter Felder (ELFs) abgestrahlt würde? Könnten wir diese dann mit existierenden Netzwerken von Quantensensoren detektieren?“.
Die Antwort auf die Frage – das zeigen die Berechnungen der Wissenschaftler – ist ja. „Dazu haben wir uns überlegt, dass solche Felder, wenn sie abgestrahlt werden, ein charakteristisches Frequenz-Signal in den Netzwerken hervorrufen sollten“, erläutert Arne Wickenbrock. „Ähnlich eines vorbeifahrenden Martinshorns, das im Ton erst heller und dann dunkler wird.“ Zwei Netzwerke haben die Forscher dabei besonders im Blick: das weltweite GPS-Netzwerk aus Atomuhren und das sogenannte GNOME-Netzwerk, das aus vielen über den Globus verteilten Magnetometern besteht. Aufgrund der Stärke des zu erwartenden Signals sollte das GPS-System derzeit empfindlich genug sein, um ELFs zu detektieren. Das GNOME Netzwerk sollte in einer späteren Ausbaustufe, die im Moment zum Beispiel in der Arbeitsgruppe von JGU-Professor Dmitry Budker am HIM umgesetzt wird, ebenfalls empfindlich genug sein, um solche Ereignisse zu beobachten.
Potenzielle ELFs sind im Hinblick auf die Suche nach Dunkler Materie von besonderer Bedeutung. Obwohl diese exotische Materieform existieren muss, weiß bisher niemand, woraus sie besteht. In der Fachwelt wird eine ganze Reihe möglicher Teilchen, die als Kandidaten theoretisch in Frage kommen, diskutiert und erforscht. Als einer der vielversprechendsten Kandidaten gelten heute sogenannte extrem leichte bosonische Teilchen, die auch als klassisches Feld, das mit einer bestimmten Frequenz oszilliert, betrachtet werden können. „In den Tiefen des Universums kann also etwa bei der Verschmelzung zweier schwarzer Löcher Dunkle Materie in Form von ELFs entstehen“, fasst Arne Wickenbrock zusammen. „Präzisions-Quantensensornetzwerke wiederum könnten als ELF-Teleskope funktionieren und so den Werkzeugkasten der Multi-Messenger-Astronomie um ein weiteres wichtiges Element erweitern.“
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Johannes Gutenberg-Universität Mainz via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.