Gesund bis zum Mars
Physik-News vom 25.11.2020
Tübinger Wissenschaftlerin untersucht mit internationalem Weltraumforschungsteam die Einflüsse der Raumfahrt auf den menschlichen Körper.
Fünf US-amerikanische Fachzeitschriften aus der Biomedizin (Cell Press) veröffentlichen am 25. November ein koordiniertes Paket von 20 wissenschaftlichen europäischen und internationalen Studien und Kollaborationen zur Weltraumforschung. An sieben Publikationen ist Daniela Bezdan vom Universitätsklinikum Tübingen beteiligt. Mehr als 200 Wissenschaftler aus Dutzenden akademischen, staatlichen und industriellen Institutionen und Unternehmen sowie aus der Luft- und Raumfahrt erstellten die Forschungsarbeiten auf Grundlage des bislang größten Satzes an Astronauten- und weltraumbiologischen Daten, der jemals produziert wurde. Darüber hinaus manifestieren die wissenschaftlichen Arbeiten die einzigartige Zusammenarbeit zwischen den vier größten Raumfahrtbehörden: NASA (USA), JAXA (Japan), ESA (Europa) und ROSCOSMOS (Russland).
Publikation:
Daniela Bezdan, Kirill Grigorev, Cem Meydan, Fanny A. Pelissier Vatter, Michele Cioffi, Varsha Rao, Kiichi Nakahira, Philip Burnham, Ebrahim Afshinnekoo, Craig Westover, Daniel Butler, Chris Moszary, Matthew MacKay, Jonathan Foox, Tejaswini Mishra, Serena Lucotti, Brinda K. Rana, Ari M. Melnick, Haiying Zhang, Irina Matei, David Kelsen, Kenneth Yu, David C Lyden, Lynn Taylor, Susan M Bailey, Michael P.Snyder, Francine E. Garrett-Bakelman, Stephan Ossowski, Iwijn De Vlaminck, Christopher E. Mason
Cell-free DNA (cfDNA) and exosome profiling from a year-long human spaceflight reveals circulating biomarkers
bioRxiv
DOI: 10.1101/2020.11.08.373530
Einfluss von Strahlung und Schwerelosigkeit auf Astronauten
Im Fokus der Hauptstudie von Daniela Bezdan stehen genomisch gesammelte Daten, die Rückschlüsse auf den Einfluss von Strahlung und Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper zulassen sowie detaillierte Informationen über die biochemischen Profile von 56 Astronauten geben. Diese Anzahl entspricht 10 Prozent aller Astronautinnen und Astronauten, die jemals im Weltraum waren. In der Studie werden die Auswirkungen der Raumfahrt auf den menschlichen Körper beschrieben und darüber hinaus mögliche Präventions- und Behandlungsansätze aufgezeigt, die einen längeren Weltraumflug, wie z.B. eine Mission zum Mars, ermöglichen könnten.
"Die Weltraumforschung wächst und entwickelt sich schnell. Die Fortschritte, die wir in den letzten Jahren in der Raumfahrtmedizin und Weltraumbiologie gemacht haben, sind bemerkenswert", so Daniela Bezdan. "Unsere Ergebnisse über verlängerte Telomere – die Schutzkappen an den Chromosomenenden – bei Astronauten im Weltraum erstaunt uns noch immer. Außerdem könnte unsere Arbeit den Wendepunkt bei der Überwachung der Gesundheit der Astronauten im Weltraum mittels ´liquid biopsy` im Blut darstellen: Exosomen und zellfreie DNA sind winzige Biomarker im Blut, die jederzeit vor Ort auf der ISS auf nicht-invasive Weise gewonnen werden könnten. Damit können wir nicht nur die menschliche Gesundheit im All überwachen, sondern auch in Ausnahmesituationen auf der Erde", erklärt die 42-jährige Wissenschaftlerin.
Hintergrund dessen sind die Ergebnisse der NASA-Zwillingsstudie zu den beiden Astronauten Scott und Mark Kelly, bei der zwischen 2014 und 2019 die genetischen, physiologischen und verhaltensspezifischen Merkmale bei den eineiigen Zwillingen vor, während und nach Scotts einjähriger Mission im Weltraum untersucht wurden.
Mark Kelly, der vor kurzem gewählt wurde, um Arizona im US-Senat zu vertreten, blieb während der Mission auf der Erde. Das Ergebnis der Studie: Scotts Körper unterlag sowohl während seines Aufenthalts im Weltraum als auch nach seiner Rückkehr zur Erde Tausenden molekularen und physikalischen Veränderungen. Beispielsweise verlängerten sich die Telomere im Weltraum, nach der Rückkehr zur Erde wurden sie hingegen wieder kürzer. Verlängerte Telomere werden mit einem längeren Leben in Verbindung gebracht.
Dr. Christopher Mason, Co-Autor und Professor an der US-amerikanischen Forschungseinrichtung Weill Cornell Medicine in New York City, fügt hinzu: "Wir können nun damit beginnen, auf molekularer und zellulärer Ebene über längerfristige Missionen nachzudenken, und auch darüber, welche Medikamente, Gegenmaßnahmen und Therapien eingesetzt werden könnten, um die gesundheitlichen Risiken für Astronauten zu minimieren.“
Diese Newsmeldung wurde mit Material Universitätsklinikum Tübingen via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.