Ein Astrolabium (auch: Astrolab, griech. „Stern-Nehmer“), Sternhöhenmesser oder Planisphärum ist ein scheibenförmiges astronomisches Instrument. Mit ihm kann der sich drehende Himmel nachgebildet werden.
Auf einer festen Scheibe (Tympanon) sind der Horizont und Kreise des horizontalen Koordinatensystems abgebildet. Darüber liegt die drehbare Rete, die als Himmelskörper einige Sterne und die Jahresbahn der Sonne (Ekliptik) enthält. Einige von vielen Anwendungsmöglichkeiten sind folgende: Wird die Rete auf Datum und Uhrzeit eingestellt, so lassen sich die Positionen der Sterne ablesen. Umgekehrt lassen sich aus dem Datum und der Position eines Sterns oder der Sonne die Uhrzeit oder die Himmelsrichtungen bestimmen.
Die Rückseite des Astrolabiums trägt einen Diopter, mit dem der Höhenwinkel eines Objekts auf der Erde oder am Himmel (zum Beispiel Stern oder Sonne) über dem Horizont gemessen werden kann.
Astrolabien wurden von der Antike bis in die frühe Neuzeit verwendet.
Das Astrolabium wird als eine in die Ebene übertragene Armillarsphäre betrachtet, was zur Folge hatte, diese heute auch sphärisches Astrolabium und das Astrolabium ebene Armillarsphäre zu nennen. Die Übertragung geschieht mit Hilfe der stereographischen Projektion. Deren Projektionszentrum ist ein Punkt auf der Armillarsphäre beziehungsweise auf der abzubildenden Himmelskugel. Bevorzugt sind der südliche oder nördliche Himmelspol, um die sich der Himmel (scheinbar) dreht. Da das Astrolabium zur Zeit seiner Erfindung ausschließlich für die Darstellung des Nordhimmels vorgesehen war, enthalten die klassischen Exemplare die Projektion aus dem Südpol. Der Nordpol ist Mitte und Drehpunkt auf dem Astrolabium.
In der Antike war es Tradition, die Sicht auf die Himmelskugel von außen zu bevorzugen. Ebenso wird eine Armillarsphäre gesehen. Die Sichtweise von außen wurde im Astrolabium künstlich durch Spiegeln der durch die stereographische Projektion gewonnenen inneren Ansicht der Himmelskugel hergestellt. Das ist in erster Linie an der gegenseitigen Anordnung der Sternsymbole auf der Rete und an deren Drehrichtung erkennbar. Die von der Erde aus gesehenen und die auf der Rete abgebildeten Sternbilder sind zueinander Spiegelbilder. Die Rete dreht im Uhrzeigersinn; von der Erde aus wird der Himmel aber im Gegenuhrzeigersinn um den Nordpol drehend beobachtet.
Die Armillarsphäre wurde angeblich von Eratosthenes gegen 250 v. Chr. entwickelt. Hipparchos habe dem innersten „Astrolabring“ eine Visiereinrichtung zum Anpeilen eines Sterns hinzugefügt. Die älteste vollständige Beschreibung befindet sich im Almagest des Ptolemäus.[1] Damit wurden die Sternkataloge von Hipparchos und Ptolemäus erstellt.
Die seit dem Mittelalter allgemein bekannten ebenen, scheibenförmigen Astrolabien wurden im griechisch-römischen Raum entwickelt, wobei der genaue Zeitpunkt zwischen dem zweiten und dem vierten Jahrhundert ungewiss ist. Das Astrolab verbindet mathematische Erkenntnisse aus der Zeit von Hipparchos mit Elementen von früheren mechanischen Instrumenten wie der Dioptra, sowie portablen Sonnenuhren, die auf der stereographischen Projektion beruhen, aus dem zweiten Jahrhundert. Die älteste bekannte Schrift zum Astrolab wurde gemäß der Suda von Theon von Alexandria, dem Vater der Mathematikerin Hypatia, im späten vierten Jahrhundert verfasst.[2] Die Astrolabien wurden im arabischen Raum weiterentwickelt, wobei wiederum eine Frau eine Rolle gespielt haben soll, Ijlîya, die Tochter von al-Ijlî al-Asturlâbi, eines Astrolabbauers aus Aleppo. Hermann der Lahme erstellte einen Bauplan für ein Astrolabium und griff dabei auf arabische Quellen zurück (Konstruktionsanleitung „De mensura astrolabii“).[3][4]
Ein gleichförmig drehendes, zu einer Uhr erweitertes ebenes Astrolabium ist allerdings schon in der von Vitruv beschriebenen „Aufzugsuhr“ (oder „Wasseruhr“) zu erkennen.[5] Etwa tausend Jahre später taucht das „Getriebe-Astrolab“ des Al-Biruni auf.[6] Damit wurde außer der Bewegung der Sonne auch die des Mondes dargestellt. Mit einem Uhrwerk versehene Astrolabien („Astrolabiumsuhren“) wurden seit dem Ende des 14. Jahrhunderts als meist große öffentliche Astronomische Uhren errichtet, von denen einige heute noch existieren.
In der europäischen Schifffahrt wurden zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert sehr einfache Astrolabien als sogenannte Seeastrolabien verwendet, die Vorläufer des Sextanten sind. Ab dem frühen 16. Jahrhundert wurde zur Winkelmessung auch der Jakobsstab verwendet.
Das Astrolabium ist weniger anschaulich als sein Vorgänger, die dreidimensionale Armillarsphäre, die in Europa noch im 14. bis 17. Jahrhundert als Demonstrationsinstrument von Astronomen und Lehrern benutzt wurde.[7] Es ist aber einfacher als Messgerät anwendbar.
Der Name Astrolab dient seit etwa 1930 auch für einige Instrumente der Astrogeodäsie, mit denen Sterndurchgänge in einem konstanten Höhenwinkel von meist 60° präzise gemessen werden. Dieser Winkel wird einerseits durch ein speziell geschliffenes Glasprisma definiert, andererseits durch einen spiegelnden Quecksilber-Horizont oder ein Nivelliergerät. Bekannte Bautypen sind das Danjon-Astrolab, das Zirkumzenital und das Ni2-Prismenastrolab von Zeiss. Sie erlauben - je nach Aufwand und Gewicht - die Bestimmung der Lotrichtung mit Genauigkeiten von ±0,01" bis 0,5".
Über dem Tympanon befindet sich die drehbare, netzartig durchbrochene Sternenscheibe (Rete), deren kleine Spitzen als Symbole (Sternzeiger) für etwa zwei Dutzend ausgewählte helle Sterne am Himmel dienen. Auf dem Tympanon befinden sich die Bilder des Horizonts und eines Netzes der Horizont-Koordinaten. Da diese Bilder von der geographischen Breite des Beobachtungsortes abhängen, sind sie auf auswechselbaren Tympanonen dargestellt, von denen eines in die Grundplatte (Mater) des Astrolabiums eingelegt wird. Dadurch kann das Astrolabium in mehreren Breitengradregionen angewendet werden.
Die Grundplatte trägt an ihrem Außenrand eine Skala der 24 Stunden eines Tages (Limbus, manchmal auch zweimal 12 Stunden oder eine 360°-Skala).
Auf einem Tympanon sind die horizontalen Himmelskoordinaten zwischen Horizont und Zenit dargestellt: Horizont, Höhenkreise (Almukantarate) und Azimutbögen. Die Bilder sind Kreise, denn Kreise werden bei der stereographischen Projektion immer als Kreise abgebildet. Dazu kommen die zum Himmelspol zentrischen Kreise Himmelsäquator und die beiden himmlischen Wendekreise. Die Kreisbögen unter dem Horizont sind Linien temporaler Stunden.
Auf der Rete sind Einzelsterne (Sternzeiger) und die Ekliptik als mit Tierkreiszeichen oder direkt mit dem Kalenderdatum markierter Datumskreis abgebildet.[8] Die Sonne ändert von der Erde aus gesehen im Jahresverlauf ihre Position relativ zum Fixsternhimmel, sie durchläuft den Ekliptikkreis.
Ein drehbarer Zeiger (Ostensor) hilft, das Datum auf der Ekliptik durch Drehen passend zur Uhrzeit auf der Stundenskala (Limbus) am Rand der Mater einzustellen. Bei manchen Varianten trägt der Zeiger eine Deklinationsskala.
Auf der Rückseite (dorsum) befindet sich ein drehbarer Doppelzeiger (Alhidade) mit Diopter, mit dem der Höhenwinkel eines Sterns messbar ist. Eine von mehreren Skalen wird dafür verwendet, dabei muss das Astrolabium genau senkrecht am Haltering (Armilla) hängen.
Das Astrolabium war über viele Jahrhunderte ein universelles Instrument für den Astronomen, Landvermesser und Astrologen. Es diente zudem als Zeitmesser und zur Ermittlung von Kalenderdaten. Oft war es aber auch nur ein schönes Schmuckstück im Besitz von wohlhabenden Laien. Was der Verbreitung des Astrolabiums jedoch hinderlich war, waren die guten Kenntnisse in der Astronomie und Mathematik, die man beim Gebrauch haben musste. Konnte das Instrument zur Höhenmessung noch in jeder Einstellung mit geringen Kenntnissen benutzt werden, war es vor einer astronomischen Messung erforderlich, eine komplizierte Grundeinstellung vorzunehmen.[9]
Was in den folgenden Absätzen über die Peilung der dargestellten Sterne am Nachthimmel beschrieben wird, gilt tagsüber ebenso für die Sonne.
Zu den Anwendungen gehörten: Messung der Stern- oder Sonnenhöhe, Ermittlung der Äquinoktialstunden, Ermittlung der Temporalstunden, Bestimmung der Auf- und Untergangszeiten, Beobachtung der Dämmerung, geodätische Messungen und astrologische Vorhersagen.[10]
Von den vielen Anwendungsmöglichkeiten eines Astrolabiums wird im Folgenden nur eine Auswahl besprochen.
Mit einem Astrolabium lässt sich auch die (scheinbare) gleichmäßige Drehung des Himmels nachbilden, wenn man die Rete gleichmäßig und mit entsprechender Geschwindigkeit dreht. Die Kombination eines Astrolabiums mit einem Uhrwerk ist als sogenannte Astrolabiumsuhr die anschaulichste Variante der Astronomischen Kunstuhren.
Auf der Nordhalbkugel verwendete Astrolabien enthalten die sogenannte nördliche Projektion: Projektion vom südlichen Himmelspol aus, nördlicher Polarstern im Drehzentrum. Da sich die Sonne als „Zeitmacher“ vorwiegend über dem Südhorizont aufhält, wird deren Bewegung bei sogenannter südlicher Projektion anschaulicher dargestellt und deshalb in Astrolabiums-Uhren bevorzugt verwendet. Der Horizont ist konvex geformt, der dargestellte Himmel dreht sich im uns geläufigen Uhrzeigersinn, das heißt, dass dieser von den Astrolabiums-Uhren ausgegangen sein könnte.[11]
Beim Astrolabium geht es primär um die Darstellung der Sterne, bei einer Uhr um die Anzeige der 24 Stunden. Letztere wird von der Sonne angegeben, die dem Astrolabium hinzugefügt ist. Das Sonnensymbol dreht sich zusammen mit dem Stundenzeiger, bleibt also hinter den Sternen pro Tag um etwa 4 Minuten (1°) zurück. Der Antrieb der Rete, die meistens nur noch die im Ekliptik-Ring vereinten Sterne beziehungsweise Tierkreiszeichen enthält, ist so ausgelegt, dass sie sich in 24 Stunden etwa 1° mehr als einmal ganz herumdreht. Das Sonnensymbol wird auch auf dem Ekliptik-Kreis geführt, auf dem es täglich etwa 1° zurückbleibt und auf diese Weise die Rückwärtsbewegung der Sonne durch den Tierkreis einmal pro Jahr darstellt. Infolge der Exzentrizität des Ekliptik-Kreises hat die Symbol-Sonne übers Jahr verschiedenen Abstand vom Drehzentrum, was wiederum der Änderung der jahreszeitlichen Sonnen-Höhe entspricht.
Meistens wird in ihnen zusätzlich auch die Bewegung des Mondes dargestellt. Die aufwändigere Darstellung der Planetenbewegungen ist sehr selten versucht worden.
Drehbare Sternkarten lassen sich als abgewandelte Astrolabien verstehen. Aus deren Rete ist die ebenfalls drehbare Sternenscheibe geworden. Diese enthält wesentlich mehr Sterne gemäß dem eingeschränkten Zweck, Laien die Orientierung am Sternenhimmel durch vergleichende Betrachtung zu erleichtern. Dafür wird auf mehrere Skalen verzichtet, so dass viele quantitative Mess-, Bestimmungs- und Umrechenfunktionen nicht mehr möglich sind. Die Drehung der Sternenscheibe simuliert die Drehung des Sternenhimmels. Ihre Einstellmöglichkeit relativ zum Horizont verhilft dazu, den zur Zeit der Beobachtung nicht sichtbaren Teil des Himmels auch auf der Sternkarte auszublenden. Im Unterschied zum Astrolabium wird anstatt der stereographischen oft die mittabstandstreue Azimutalprojektion angewendet. Wesentlicher Unterschied ist aber, dass der beim Astrolabium übliche Blick von außen zugunsten des Blicks von der Erde aus gegen den Sternenhimmel aufgegeben ist. Daher sind die Sternbilder auf den Sternkarten nicht spiegelverkehrt, müssen zum Vergleich mit dem Nachthimmel aber über Kopf gehalten werden.