Eine Bernhardtsche Walze ist ein speziell geformter Polstab einer ringförmigen Äquatorialsonnenuhr.
Die ursprüngliche Idee zu einem solchen Polstab, mit dem der Zeitausgleich beim Messen der Tageszeit bei einer Sonnenuhr vorgenommen werden kann, stammt vom britischen Generalleutnant John Ryder Oliver (* 16. Dezember 1834 in Ashby de la Zouch, North West Leicestershire in England, † 10. Februar 1909 in Feltham, London). Seine Polstab-Walze wurde 1892 patentiert (Britisches Patent #1660). Seine Tochter gab dem London Science Museum 1932 einen Prototyp der Sonnenuhr ihres Vaters (angefertigt von Negretti und Zambra), der dort heute noch ausgestellt ist.
Der deutsche Techniker und Uhrmacher Martin Bernhardt (* 6. April 1919 in Freudenstadt, † 28. Januar 2001) beschäftigte sich mit dieser Idee während seiner sowjetischen Kriegsgefangenschaft. Bernhardt baute eine solche Sonnenuhr erstmals 1966 für einen Wettbewerb der Zeitschrift „Sky and Telescope“ und wurde darin als eine der drei besten Konstruktionen veröffentlicht. Nur bei der Bernhardtschen Bauweise wird eine Genauigkeit von 1 Minute erreicht, macht also ein Skalenteilstrich pro Minute Sinn. 1992 hat er sein Sonnenuhrenpatent [1] an den Uhrmacher Werner Schreiner weitergegeben.
Heute gibt es weltweit circa 150 Sonnenuhren dieser Art an öffentlichen Plätzen.
Eine übliche, ebene Äquatorialsonnenuhr hat als Zifferblatt eine äquator-parallele Scheibe mit Stundenlinien (auf beiden Seiten) zum Ablesen der Schattenrichtung des Polstabes. Zur Berücksichtigung der Zeitgleichung können die Stundenlinien durch Stundenschleifen (Analemmas) ersetzt werden. Abgelesen wird dann anstatt der Richtung des Stabschattens ein (von maximal vier) Schnittpunkt mit einem Stunden-Analemma. Der Ablesepunkt ist nur der Schatten eines im Schattenstab enthaltenen Punktes (Nodus). Dieser Punkt "läuft" auf dem Polstab übers Jahr auf und ab. Damit das Ablesen eindeutig ist, können zusätzlich Datumskreise (Mittelpunkte im Ursprungspunkt der Stundenlinien) auf dem Zifferblatt (oben und unten) angebracht oder die Stundenschleifen entsprechend skaliert sein. Der Ablesepunkt ist die zweidimensionale (Stundenwinkel und Deklination) Abbildung der Sonne.
Bernhardt hat den Ablesepunkt auf einen Äquator-parallel positionierten (Teil-) Kreis (äußerer Rand des Zifferblatts) und die Schleifenform in den Schattenwerfer verlegt. Das Ablesen mit Berücksichtigung des Zeitausgleichs ist lückenlos möglich geworden. Das Datum muss nicht beachtet werden, allerdings muss zu den beiden Sonnenwende-Tagen im Jahr die passende der beiden Bernhardtschen Walzen eingesetzt werden.
Die Uhrzeit wird immer am vorauseilenden Schatten abgelesen.
Die Walzen entstehen durch Rotation des jeweiligen halben Analemmas um eine Achse außerhalb des (nicht achsensymmetrischen) Analemmas.