Die Einstein-Cartan-Theorie (ECT, auch Einstein-Cartan-Sciama-Kibble-Theorie, ECSK-Theorie) ist eine Verallgemeinerung der Allgemeinen Relativitätstheorie auf die Riemann-Cartan-Geometrie. In der Cartan-Geometrie taucht die Torsion als zusätzlicher Freiheitsgrad auf, was in der ECT eine zusätzliche Feldgleichung ergibt. Diese zweite Feldgleichung koppelt die Torsion mit dem Spindichtetensor.
Die ECT repliziert alle Ergebnisse der allgemeinen Relativitätstheorie, sagt jedoch zusätzliche Effekte im Falle sehr hoher Spindichten voraus. Die benötigten Spindichten sind allerdings so hoch, dass die Abweichungen nur bei der Betrachtung des Urknalls relevant sind. Dementsprechend sind die Abweichungen bisher noch nicht messbar. Die ECT ist jedoch auch aus theoretischer Sicht spannend, da sie eine eichtheoretische Formulierung der Gravitation darstellt.
Élie Cartan beschäftigte sich Anfang der 1920 mit den Riemannschen Mannigfaltigkeiten. Dabei erweiterte Cartan das Konzept des Zusammenhangs um die sogenannte Torsion, welche dem Zusammenhang zusätzliche Freiheitsgrade gibt. Cartan versuchte daraufhin, die Allgemeine Relativitätstheorie auf diese Cartan-Geometrie zu verallgemeinern. Die zusätzlichen Freiheitsgrade koppelte er an den Spindichtetensor. Cartan gab diese Versuche allerdings bald wieder auf, da die Abweichungen zu gering waren und das Konzept des Spins (im Sinne der Quantenfeldtheorie) noch nicht entwickelt war. Cartans Spindichtetensor war der von den Gebrüdern Francois und Eugène Cosserat entwickelte Tensor aus der Elastizitätstheorie.[1][2]
Bei Überlegungen zur Vereinheitlichung von Gravitation und Elektromagnetismus versuchen Hermann Weyl und andere, das Konzept wieder aufzugreifen und die Torsion mit dem elektromagnetischen Potential zu assoziieren. Das scheiterte jedoch und Weyl entwickelte stattdessen das Konzept der Eichtheorie des Elektromagnetismus, welches später von Yang, Mills und Utiyama verallgemeinert wurde.[3]
In den folgenden Jahren, in denen sich das Konzept der Eichtheorien als erfolgreich erwies und die Quantenfeldtheorie immer mehr Erfolge verbuchen konnte, verlor die ECT an Beachtung. Das änderte sich Anfang der 1960er Jahre, als Dennis W. Sciama und Tom Kibble die Theorie wieder verwendeten, allerdings aus einer anderen Motivation heraus: In seinem Artikel zur Yang-Mills-Theorie hatte Utiyama die Gravitation als Eichtheorie der Lorentz-Gruppe behandelt.[4] Dabei hatte Utiyama jedoch zwei Ad-Hoc-Annahmen machen müssen, indem er den Zusammenhang als symmetrisch postuliert hatte (bzw. gesagt hatte, die antisymmetrischen Anteile verschwänden) und die Tetraden ebenfalls als symmetrisch angenommen hatte. Sciama publizierte zuerst einen Zusammenhang zwischen Spin und Gravitation[5], Kibble entwickelte dann die Eichtheorie der Poincaré-Gruppe (bei Kibble vollständige Lorentz-Gruppe genannt).[6] Diese Eichtheorie ist die bis heute größtenteils anerkannte Form der ECT. Dabei erzeugt der translative Anteil die Metrik (bzw. die Tetradenfelder) und der rotierende Anteil die Torsion.
In den folgenden Jahren konnte die ECT an Beachtung gewinnen, da sie eine eichtheoretische Betrachtung der Gravitation ermöglicht. Ein Übersichtsartikel von Hehl, von der Heyde und Kerlick erschien 1976.[7]
Ausgehend von der ECT sind auch weitere Eichtheorien in der Riemann-Cartan-Geometrie entstanden, welche noch andere Effekte vorhersagen, wie beispielsweise eine Eichtheorie mit quadratischer Lagrangedichte (gemeint ist der Ricci-Skalar).[8]
Torsion als Konzept kann ausgehend von zwei Standpunkten verstanden werden: Betrachtet man eine (Pseudo-)Riemannsche Mannigfaltigkeit mit Levi-Cevita-Zusammenhang (dargestellt als Christoffelsymbol
Vorstellen kann man sich die Torsion als Schließfehler eines infinitesimalen Parallelogramms: Nimmt man zwei infinitesimale Vektoren
Die Darstellung hier folgt Hehl, von der Heyde und Kerlick[7]. Sei
Als Lagrangedichte des Gravitationsfeldes wählen wir
Dabei gilt
Diese Feldgleichungen werden normalerweise noch mittels des kanonischen Energie-Impuls-Tensors
Miletun Blagojević, Friedrich W. Hehl: Gauge Theories of Gravitation, A Reader with Commentaries. Imperial College Press, 2013.