Johannes von Gmunden (Johannes de Gamundia, * um 1380/84 in Gmunden, Oberösterreich; † 23. Februar 1442 in Wien) war ein österreichischer Mathematiker und Astronom. Er gilt als Begründer der angesehenen Wiener astronomischen Schule.
Kalender nach Johannes von Gmunden, Druck um 1470
Sonnen- und Mondkalender (Nürnberg 1496). Mondkulminationen in Funktion des Mondalters (1-29 Tage)
Leben
Er wurde in Gmunden (Oberösterreich) geboren und gehörte wohl zur Familie des Salzamtmanns Friedrich Kraf(f)t. Er stammt nicht, wie die ältere Forschung vermutete, aus Gmünd in Niederösterreich oder aus Schwäbisch Gmünd in Württemberg. 1406 wurde er an der Universität Wien zum Magister promoviert. Ab 1408 hielt er dort Vorlesungen über die Physik von Aristoteles (1408), Meteora (1409, 1411), Petrus Hispanus (1410) sowie algorismus de minutiis (1412). Johannes war auch dafür bekannt, dass er seine Ausführungen mit Funktionsmodellen anschaulich machte und mit seinen Schülern astronomische Instrumente aus Pappe anfertigte. So konnten die Studenten bei ihm die Funktion und den Gebrauch des Astrolabs lernen.[1] Nach einer schweren Krankheit im Jahre 1412 studierte er außerdem Theologie, die er mit dem Grad eines Bakkalaureus 1416 abschloss. Seine Vorlesungen setzte er erst ab 1419 fort, diesmal über algorismus de integris.
Georg Tannstetter fügte 1514 seiner Ausgabe astronomischer Tabellen auch eine Geschichte der Wiener Mathematiker und Astronomen bei: Viri mathematici. Diese Geschichte behandelt auch Joannes de Gmunden, insb. seine Schriften und seine Schüler.[2] Johannes von Gmunden erstellte Planetentafeln (1437 und 1440) und Kalender (Almanache). Die von ihm begonnene, erstmals gedruckte Kalenderserie für den Zeitraum 1439 bis 1514 fand weite Verbreitung, selbst heute sind noch 99 Abschriften vorhanden. Er regte auch die Neubearbeitung der Alfonsinischen Tafeln an, die aber erst sein Nachfolger Georg von Peuerbach und dessen Schüler Regiomontanus durchführte. Der erst 30-jährige Peuerbach, der seit 1448 an drei italienischen Universitäten gelehrt hatte, wurde im Jahre 1453 an den Lehrstuhl berufen.
Johannes von Gmunden gilt neben Heinrich von Langenstein als Begründer einer Schule bedeutender Astronomen, Mathematiker und Kartografen in Wien.
Als Domherr am Stephansdom wurde er in dieser Kirche bestattet.
Seine astronomischen, mathematischen und astrologischen Handschriften vermachte er der Universität Wien, wo sie den Grundstock der späteren Universitätsbibliothek bildeten.
Der Asteroid (15955) Johannesgmunden wurde zu seinen Ehren benannt.
Bibliografie
- Kathrin Chlench, Beatriz Porres de Mateo, Rudolf Simek: Johannes von Gmunden – Personalbibliographie. In: Rudolf Simek (Hrsg.): Johannes von Gmunden – Astronom und Mathematiker. Fassbaender, Wien 2006 (Studia Medievalia Septentrionalia 12), 183–223.
Werke
- Astrolabii qui primi mobilis motus deprehendur canones (1515)
- Hubert L. L. Busard (Herausgeber) Johannes de Gamundia: Der Traktat De sinibus, chordis et arcubus von Johannes von Gmunden, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Denkschriften der math-naturwiss. Klasse, Band 116/3, Springer Verlag (in Kommission), Wien 1971
Literatur
- B. Pillwein: Der berühmte Astronom und Mathematiker Johannes von Gmunden ist weder aus Oberösterreich noch aus Unterösterreich gebürtig. Linz 1836
- M. Koch: Literaturhistorische Notiz [zu Matthias Koch: Kurzgefasste kritische Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunst. Wien: Singer & Göring, 1841]; M. Koch: Beiträge zum ältesten Kalenderwesen. In: Blätter für literarische Unterhaltung 1 (1841), S. 364 bzw. 624 Digitalisat Google Buchsuche.
- Ernst Zinner, Leben und Wirken des Joh. Müller von Königsberg, genannt Regiomontanus, 2., vom Verf. verb. und erw. Aufl., Osnabrück, 1968
- P. Uiblein: Johannes von Gmunden, in: Beiträge zur Wiener Diözesangeschichte 15, 1974.
- E. Prillinger (Hrsg.): Die Zeit kommt vom Himmel: von der Astronomie zum Kalender. Zum Gedächtnis Johannes´ von Gmunden, 1384-1442. 1984.
- Helmuth Grössing: Johannes von Gmunden in seiner Zeit. In: Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Geschichte der Naturwissenschaften 3-4 (1985), S. 66–72.
- Christa Binder: Johannes von Gmunden. In: Internationale Mathematische Nachrichten Nr. 201 (2006), S. 25–28, ISSN 0020-7926 - Digitalisat (PDF; 1,3 MB) der Nr. 201 bei der Österreichischen Mathematischen Gesellschaft, Wien.
- Christa Binder Die erste Wiener Mathematische Schule (Johannes von Gmunden, Georg von Peuerbach), in: Rechenmeister und Cossisten der frühen Neuzeit (Herausgeber Hellmuth Albrecht, Rainer Gebhardt), Adam-Ries-Bund, Annaberg-Buchholz, Band 7, 1996.
- Rudolf Simek, Manuela Klein (Hrsg.): Johannes von Gmunden - Astronom und Mathematiker. Fassbaender, Wien 2006 (Studia Medievalia Septentrionalia 12)
- Kathrin Chlench: Johannes von Gmunden deutsch: der Wiener Codex 3055. Deutsche Texte des "Corpus astronomicum" aus dem Umkreis von Johannes von Gmunden. Fassbaender, Wien 2007 (Studia Medievalia Septentrionalia 13), ISBN 978-3-900538-99-6.
- Karl Christian Bruhns: Johann von Gmunden. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 14, Duncker & Humblot, Leipzig 1881, S. 456 f.
- Kurt Vogel: Johann von Gmunden. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 552 f. (Digitalisat).
- R. Klug Johannes von Gmunden, der Begründer der Himmelskunde auf deutschem Boden. Nach seinen Schriften und den Archivalien der Wiener Universität, Sitzungsberichte Akad. Wiss. Wien, Phil.-Hist. Klasse, Band 222, 1943, 4. Abhandlung
- Kurt Vogel Der Donauraum, die Wiege mathematischer Studien in Deutschland. Mit drei bisher unveröffentlichten Texten des 15. Jh., Münchner Beiträge zur Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften. Naturwissenschaftshistorische Reihe, Band 3, München: Fritsch 1973
Einzelbelege
- ↑ Ralf Kern: Wissenschaftliche Instrumente in ihrer Zeit. Bd. 1: Vom Astrolab zum mathematischen Besteck. Köln, 2010. S. 105.
- ↑ Hg. und übersetzt in Franz Graf-Stuhlhofer: Humanismus zwischen Hof und Universität. Georg Tannstetter (Collimitius) und sein wissenschaftliches Umfeld im Wien des frühen 16. Jahrhunderts. Wien 1996, S.156-171 (dort S.157f).
Weblinks