Als Massefunktionen werden wichtige Parameter des Erdschwerefeldes bezeichnet, die durch harmonische Analyse des Schwerepotentials (Reihenentwicklung nach Kugelfunktionen) bestimmt werden können.
Der Begriff wurde vom Geodäten Karl Ledersteger um 1965 geprägt, der erstmals untersuchte, wie weit die wesentlichen Ergebnisse der Dynamischen Satellitengeodäsie mit theoretischen Gleichgewichtsfiguren des Erdinnern in Einklang gebracht werden können.
Physikalisch stellen die Massefunktionen jene Parameter des Schwerepotentials dar, mit denen man die wesentlichen Abweichungen des Erdschwerefeldes von dem einer mittleren Erdkugel bzw. eines theoretischen Erdellipsoids beschreiben kann. Mathematisch sind sie die harmonischen Koeffizienten einer Reihenentwicklung des Schwerepotentials, die an der Erdoberfläche durch längen- und breitenabhängige Kugelflächenfunktionen bis zu einem bestimmten Grad n durchgeführt wird. Diese zweidimensionale Lösung wird mittels geeigneter Verfahren der Feldfortsetzung in den Bereich der Bahnhöhen der geodätischen Erdsatelliten transformiert.
Als eigentliche Massefunktionen werden jedoch erst die nachfolgenden Koeffizienten J3, J4 usw. bezeichnet, die wesentlich kleiner sind (Wirkung auf die Erdfigur nur wenige Millionstel bzw. weniger als 20 Meter). Sie beschreiben die mittlere vertikale Abweichung des Geoids vom globalen Erdellipsoid in bestimmten Breitenzonen. Dieses rotationssymmetrische Potentialmodell (Mittelung des Geopotentials entlang der Parallelkreise) erhält man durch harmonische Entwicklung nach zonalen Kugelfunktionen, die sich aus breitenabhängigen Legendre-Polynomen aufbauen.
Seit etwa 1970 wurde es möglich, die vereinfachte zonale Reihenentwicklung (J2, J3 … J14) des Geoids zu einer flächendeckenden, zweidimensionalen Analysemethode zu erweitern, in der auch die geografische Länge berücksichtigt ist. In einem solchen Erdmodell mit tesseralen (schachbrettartigen) Kugelflächenfunktionen entspricht J2 dem harmonischen Koeffizienten C(2,0), J3 entspricht C(3,0) usw. Die allgemeinen Terme der harmonischen Koeffizienten werden dann als C(n,m) und S(n,m) bezeichnet. Dabei stehen C für einen Cosinus-Term und S für einen Sinus-Term, jeweils der geografischen Länge, die in der Ordnung m auftritt (m = 0, 1, 2 … ), während n den Grad der Breitenabhängigkeit darstellt (n = 2, 3, 4 …).
In einer solchen verallgemeinerten Reihenentwicklung können sich daher breiten- und längenabhängige Wirkungen auf das Geoid zwanglos überlagern, sodass man sie ohne jegliche Vorgaben (also nur aus den vorliegenden Messungen) bestimmen kann. Dies ist heute aus den Bahnen von Erdsatelliten bis etwa Grad und Ordnung 70 möglich.
Um etwa 1975 begann man, auch höhergradige Koeffizienten des Schwerefeldes zu bestimmen, indem man die aus Satellitenbahnen abgeleiteten Terme C(n,m) mit terrestrisch bestimmten Schwerefeldparametern kombinierte. Seit einigen Jahren ist dies bis etwa zu Grad und Ordnung 720 möglich. Damit haben die Geowissenschaften ein mathematisches Verfahren zur Verfügung, mit dem das Erdschwerefeld – je nach Bedarf – durch bis zu 100.000 Parameter beschrieben wird. Damit lässt sich das Geoid weltweit durch rekursive (also einfach zu programmierende) Formeln mit einer Auflösung von etwa 50 km darstellen, und die Wirkung auf Satellitenbahnen auf mindestens 1 Meter.
Feinere Details können durch lokale terrestrische Messungen angefügt werden, während bei geringerem Genauigkeitsbedarf die Reihenentwicklung an passender Stelle abgebrochen wird. So haben GPS-Empfänger das Schwerefeld der Erde bis etwa zum Grad n=8 oder 10 einprogrammiert, was etwa 100 Massefunktionen und einer Höhengenauigkeit von ca. 5 Metern entspricht.