Menyhért Palágyi (ursprünglicher Name: Silberstein) (* 16. oder 26. Dezember 1859 in Paks, Ungarn; † 14. Juli 1924 in Darmstadt), in deutschsprachigen Publikationen Melchior Palágyi, war ein ungarisch-jüdischer Philosoph, Mathematiker, Physiker, Literatur- und Erkenntnistheoretiker und betrieb Forschungen zur Logik, Erkenntnistheorie und Naturphilosophie. Er war der ältere Bruder des ungarischen Dichters Ludwig Palágy.
Werk
Palágyi präsentierte in seinem Werk Neue Theorie des Raumes und der Zeit (1901) eine „Raumzeitlehre“, welche eine gewisse äußerliche Ähnlichkeit mit dem Raumzeitformalismus von Henri Poincaré und Hermann Minkowski im Rahmen der speziellen Relativitätstheorie hatte (z. B. die imaginäre Zeitkoordinate it als vierte Dimension). Um 1914 warf er Albert Einstein und Minkowski gar Plagiat vor, jedoch drückte er gleichzeitig seine Ablehnung der RT aus, was er damit begründete, dass sie seine Theorien völlig missverstanden hätten. Wie Max Born oder Klaus Hentschel jedoch ausführen, hatte seine Philosophie mit der Physik der Relativitätstheorie nichts gemein, sondern ist bloß eine Neuformulierung der klassischen Zusammenhänge. Palagyi wird auch mit seinem Konzept einer vitalen Phantasie als einer der Ahnherren der kybernetischen Anthropologie gehandelt. Seine Theorie der virtuellen Bewegung bildet die Basis für verschiedene bewegungstherapeutische Konzepte.
Sonstiges
Menyhért Palágyi (Melchior Palágyi) wurde auf dem Waldfriedhof Darmstadt (Grabstelle: R 14 IIc 109) bestattet.[1]
Siehe auch
Werke
- Madách Imre élete és költészete (I. Madachs Leben u. Dichtungen. Mit Portr. Von M. P.). Budapest: Athenaeum, 1900.
- Neue Theorie des Raumes und der Zeit. Die Grundbegriffe einer Metageometrie. Unveränd. reprogr. Nachdr. d. Ausg. Leipzig, Engelmanns Verlag, 1901. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1967.
- Kant und Bolzano: Eine krit. Parallele. Halle a.S.: M. Niemeyer, 1902.
- Der Streit der Psychologisten und Formalisten in der modernen Logik. Leipzig: W. Engelmann, 1902.
- Die Relativitätstheorie in der modernen Physik. Vortrag gehalten auf dem 85. Naturforschertag in Wien. Berlin: G. Reimer, 1914.
- Zur Weltmechanik. Beiträge zur Metaphysik der Physik. Mit einem Geleitwort von Ernst Gehrcke. Leipzig. Verlag von Johann Ambrosius Barth. 1925
- Naturphilosophische Vorlesungen: Über die Grundprobleme des Bewusstseins und des Lebens. Leipzig: Johann Ambrosius Barth 1924.
- Wahrnehmungslehre. Mit e. Einführung v. Dr. Ludwig Klages. Leipzig: Barth, 1925.
Literatur
- Edmund Husserl: Literaturbericht: Melchior Palagyi. Der Streit der Psychologisten und Formalisten in der modernen Logik. In: Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. 31, 1903, S. 287–294.
- Baal Müller: Kosmik: Prozeßontologie und temporale Poetik bei Ludwig Klages und Alfred Schuler: Zur Philosophie und Dichtung der Schwabinger Kosmischen Runde. Telesma 2007, S. 69ff., ISBN 3981005732.
- Goswin Uphues: Zur Krisis in der Logik: eine Auseinandersetzung mit Dr. Melchior Palágyi. Schwetschke & Sohn, Berlin 1903.
- Ludwig Wilhelm Schneider: Die erste Periode im philosophischen Schaffen Melchior Palágyis. Triltsch, Würzburg 1942.
- Renate Walthes: Zur Theorie der virtuellen Bewegung: Wahrnehmung, Bewegung und Sprache in der Waldorfpädagogik und bei Melchior Palágyi. Ein Beitrag zur Bewegungslehre. Dissertation. Marburg 1979.
- János Kristóf Nyíri: Wörter und Bilder in der österreichisch-ungarischen Philosophie: Von Palágyi zu Wittgenstein. In: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte. 24, 3, 2001, S. 147–153.
- János Kristóf Nyíri (Hrsg.): Von Bolzano zu Wittgenstein – zur Tradition der österreichischen Philosophie. Hölder-Pichler-Tempsky, Wien 1986, ISBN 3-209-00628-8 (Schriftenreihe der Wittgenstein-Gesellschaft. Bd. 12,2).
- Max Born: Palagyi, Melchio: Die Relativitätstheorie. In: Die Naturwissenschaften. 3. Jahrgang, Nr. 1, 1915.
- Hubert Goenner: On the history of geometrization of space-time. In: 414. Heraeus-Seminar. 2008, arxiv:0811.4529.
Weblinks
Wikisource: Menyhért Palágyi – Quellen und Volltexte
Einzelnachweise
- ↑ Informationstafel am Haupteingang des Waldfriedhofs Darmstadt