Die Voigtsche Notation, benannt nach dem Physiker Woldemar Voigt, ist eine abkürzende mathematische Schreibweise für bestimmte mathematische Funktionen (symmetrische Tensoren), die eine bestimmte Anzahl von Vektoren auf einen Zahlenwert abbilden. Ausgehend von der Indexnotation für Tensoren werden dabei jeweils 2 Indizes nach einer bestimmten Vorschrift zu einem Index „zusammengezogen“. Ein Tensor zweiter Stufe hat in Anwendungsfällen oft 9 Komponenten, die in einer 3×3-Matrix zusammengefasst werden können:
Ein symmetrischer Tensor hat zwar auch 9 Komponenten – aber nur 6 Bestimmungsstücke, so dass man kürzer schreiben kann:
Die 6 Bestimmungsstücke
Die Zusammenfassung der 6 Bestimmungsstücke eines symmetrischen Tensors zu einem 6×1-Spaltenvektor unter Anwendung einer „Zusammenziehungs“-Regel nennt man die Voigtsche Notation (der Komponenten) des Tensors.
Für den Spannungstensor definiert man:
Die 6×1-Voigt-Matrix ist hier im Artikel durch ein hochgestelltes V gekennzeichnet, und die Komponenten des Voigt-Spaltenvektors haben nur einen Index. Anhand dieser Merkmale lässt sich erkennen, ob für eine Größe die Voigt-Notation verwendet wird oder die klassische Notation. Die Komponenten des Spannungstensors haben in der klassischen Tensor-Notation zwei Indizes, die in der Matrix
Für den Verzerrungstensor wird eine etwas andere „Zusammenziehung“ verwendet, nämlich:
Neu ist der Faktor 2 bei den letzten 3 Komponenten des Voigt-Vektors. Durch diesen Faktor stellt man sicher, dass:
F ist hierbei die Freie Energie.[1]
Farbliche Kennzeichnung: Jeder roten Voigt-Vektor-Komponente wird genau eine Tensorkomponente zugeordnet. Und jeder blauen Voigt-Vektor-Komponente werden genau zwei Tensorkomponenten zugeordnet, also ist z. B.:
Wenn die Komponenten
Jeder roten Voigt-Matrix-Komponente wird damit genau eine Tensorkomponente zugeordnet. Jeder blauen Voigt-Matrix-Komponente werden genau zwei Tensorkomponenten zugeordnet. Und jeder schwarzen Voigt-Matrix-Komponente werden genau vier Tensorkomponenten zugeordnet. Z. B.:
Es gibt 9 rote, 18 blaue und 9 schwarze (insgesamt 36) Voigt-Matrix-Komponenten. Und alle 3×3×3×3=81 Tensorkomponenten werden zugeordnet, denn:
Das Materialgesetz in der linearen Elastizitätstheorie ist eine lineare Abbildung zwischen Verzerrung und Spannung. In der Tensorschreibweise ist dies ein Tensor 4. Stufe, der die Tensoren 2. Stufe verknüpft.
Hierbei wird die Einsteinsche Summenkonvention verwendet. Eine dieser 9 Gleichungen lautet beispielsweise
In der Voigtschen Notation ist die entsprechende Abbildung eine 6×6 Matrix.
Aus der Forderung der Äquivalenz der beiden Schreibweisen ergibt sich der Zusammenhang für die Komponenten:
Für die Schreibweise mit 4 Indizes wird Symmetrie in den ersten und letzten beiden Indizes vorausgesetzt, also
Geht man anstelle von C von der Nachgiebigkeit S aus gemäß
und fordert man dieselben Symmetrien für S, die zuvor für C gefordert wurden, so gelangt man zu folgender Darstellung der Nachgiebigkeit in Voigtscher Notation
Die Voigt-Notation ist deutlich kompakter als die vollständige Tensornotation und die Voigtsche Steifigkeitsmatrix lässt sich leicht invertieren. Des Weiteren ist leicht erkennbar, dass ein lineares Materialgesetz (für das die Symmetrien von C gelten) im Allgemeinen 21 unabhängige Werte (Material-Konstanten) enthält. Wenn C noch weitere Bedingungen/Symmetrien erfüllt, reduziert sich die Anzahl der Konstanten weiter.
Diesen Vorteilen stehen einige Nachteile gegenüber:
Es sind auch andere „Zusammenziehungsvorschriften“ möglich, z. B. könnte auch sein:
Die Voigtsche Notation ist äquivalent zur ausführlichen Indexnotation für Tensoren. Genauer gesagt gilt:
Man kann die Äquivalenz beider Schreibweisen leicht zeigen. z. B. ist
Auch andere „Zusammenziehungsvorschriften“ sind möglich. Z. B. ist die nach Nye benannte Notation der Komponenten des Spannungstensors:
Und die Nye-Notation für die Komponenten des Verzerrungstensors ist:
Weitere Notationen sind benannt nach Kelvin (1856)[2][3] und Mandel (1965)[4]. Die Kelvin-Mandel-Notation des Spannungstensors ist:
Diese Notation hat den Vorteil, dass die zugehörige Tensorbasis normiert ist. Beispielsweise gilt bezüglich dieser Notation die Identität
Aufgrund der Normierung der Basis können die üblichen Matrix-Rechenoperationen wie z. B. die Inversion, Eigenwerte auf die Steifigkeits- und Nachgiebigkeitstensoren übertragen werden[5].
Weiteres zur Spezialfällen der Anisotropie und damit zur Besetztheit der Steifigkeitsmatrix/Nachgiebigkeitsmatrix: