imported>Nothingserious K (Linkfix) |
imported>Polis Tyrol (Simple Erklärung) |
||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
Als '''Gough-Joule-Effekt''' [{{IPA|ɡɒf dʒuːl}}] wird im ursprünglichen Sinn das Phänomen bezeichnet, dass unter mechanischer [[Spannung (Mechanik)|Spannung]] stehende [[Elastomer]]e (wie z. B. [[Gummi]]) sich bei Erwärmung zusammenziehen, statt sich wie andere Körper [[Wärmeausdehnung|auszudehnen]]. Der Effekt ist nach [[John Gough]], der ihn 1802 erstmals beobachtete, und [[James Prescott Joule]], der ihn in den 1850er Jahren systematisch untersuchte, benannt. Wenn das Elastomer nicht unter Spannung steht, tritt der Effekt nicht auf. Heute wird damit auch allgemein das Erwärmen oder Abkühlen eines Festkörpers als Reaktion auf mechanische Deformation bezeichnet. Dies ist unter den üblicherweise gestellten Voraussetzungen ein Resultat der thermomechanischen Beschreibung von Festkörpern.<ref>{{cite book | last = Truesdell, Noll | title = The non-linear theories of mechanics | publisher = Springer | Als '''Gough-Joule-Effekt''' [{{IPA|ɡɒf dʒuːl}}] wird im ursprünglichen Sinn das Phänomen bezeichnet, dass unter mechanischer [[Spannung (Mechanik)|Spannung]] stehende [[Elastomer]]e (wie z. B. [[Gummi]]) sich bei Erwärmung zusammenziehen, statt sich wie andere Körper [[Wärmeausdehnung|auszudehnen]]. Der Effekt ist nach [[John Gough]], der ihn 1802 erstmals beobachtete, und [[James Prescott Joule]], der ihn in den 1850er Jahren systematisch untersuchte, benannt. Wenn das Elastomer nicht unter Spannung steht, tritt der Effekt nicht auf. Heute wird damit auch allgemein das Erwärmen oder Abkühlen eines Festkörpers als Reaktion auf mechanische Deformation bezeichnet. Dies ist unter den üblicherweise gestellten Voraussetzungen ein Resultat der thermomechanischen Beschreibung von Festkörpern.<ref>{{cite book | last = Truesdell, Noll | title = The non-linear theories of mechanics | publisher = Springer | year = 2004 | pages = 360 | isbn = 3-540-02779-3}}</ref> | ||
== Ursache == | |||
Oberhalb der [[Glasübergangstemperatur]] sind die elastischen Rückstellkräfte zwischen den molekularen [[Polymernetzwerk|Vernetzungspunkten]] bei Elastomeren sehr klein. Die Härte ergibt sich aus den [[Entropie|entropischen]] Rückstellkräften, die mit steigender Temperatur größer werden. Daher werden Elastomere oberhalb der Glasübergangstemperatur mit steigender Temperatur härter. Das gedehnte Elastomer dehnt sich daher mit höherer Temperatur weniger stark. | |||
[[File:E-Modul über Temperatur von Elastomeren.svg|thumb|Abhängigkeit des E-Moduls ungefüllter Elastomeren von der Temperatur]] | |||
== Demonstrationsexperiment == | == Demonstrationsexperiment == | ||
=== Aufbau und Beobachtung === | === Aufbau und Beobachtung === | ||
Der Effekt kann in einem einfachen Experiment demonstriert werden. Es handelt sich dabei um ein Rad mit Gummispeichen, welches auch '''Feynman-Rad''' (nach [[Richard Feynman]]) genannt wird.<ref>[http://www.physik-highlights-2004.de/download/exponate/KS_Motorensammlung_2_3.pdf Spiel der Kräfte] (Uni Stuttgart)</ref><ref>[https://ap.physik.uni-konstanz.de/PP/PP2013/Poster-FeynmanRad.pdf Projektpraktikum zum Feynman-Rad]</ref> Das Rad wird an seiner Achse aufgehängt und die Speichen werden lokal erwärmt, etwa indem sie mit einer [[Kohlenbogenlampe]] beleuchtet werden. Daraufhin beginnt sich das Rad zu drehen und erweckt den Eindruck eines [[Perpetuum mobile]] zweiter Art, da man keinen ersichtlichen Grund für diese Bewegung sieht. | Der Effekt kann in einem einfachen Experiment demonstriert werden. Es handelt sich dabei um ein Rad mit Gummispeichen, welches auch '''Feynman-Rad''' (nach [[Richard Feynman]]) genannt wird.<ref>[http://www.physik-highlights-2004.de/download/exponate/KS_Motorensammlung_2_3.pdf Spiel der Kräfte] (Uni Stuttgart)</ref><ref>[https://ap.physik.uni-konstanz.de/PP/PP2013/Poster-FeynmanRad.pdf Projektpraktikum zum Feynman-Rad]</ref> Das Rad wird an seiner Achse aufgehängt und die Speichen werden lokal erwärmt, etwa indem sie mit einer [[Kohlenbogenlampe]] beleuchtet werden. Daraufhin beginnt sich das Rad zu drehen und erweckt den Eindruck eines [[Perpetuum mobile]] zweiter Art, da man keinen ersichtlichen Grund für diese Bewegung sieht. | ||
=== Erklärung === | === Erklärung === | ||
Die lokal erhitzten Gummibänder ziehen sich aufgrund der Hitze zusammen, wodurch sich der Schwerpunkt des Rades ein kleinwenig verschiebt. Dadurch liegt nun die Achse des Rades nicht mehr mit dem Schwerpunkt zusammen, wodurch ein [[Drehmoment]] M entsteht. Damit beginnt das Rad sich zu drehen. | Die lokal erhitzten Gummibänder ziehen sich aufgrund der Hitze zusammen, wodurch sich der Schwerpunkt des Rades ein kleinwenig verschiebt. Dadurch liegt nun die Achse des Rades nicht mehr mit dem Schwerpunkt zusammen, wodurch ein [[Drehmoment]] M entsteht. Damit beginnt das Rad sich zu drehen. | ||
Hier wird also [[Wärme]] | Hier wird also [[Wärme]] in [[Arbeit (Physik)|Arbeit]] umgesetzt. | ||
== Thermomechanische Herleitung == | |||
Für ein Material mit linearem thermoplastischen Materialverhalten ergibt sich der Spannungstensor <math display="inline">\boldsymbol{\sigma}</math> mit dem [[Hooke'sches Gesetz|Hooke'schen Gesetz]] für den [[Steifigkeitstensor]] <math display="inline">\mathbb{\Complex}</math>, Verzerrungstensor <math display="inline">\boldsymbol{\varepsilon}</math>, [[Ausdehnungskoeffizient|Wärmeausdehnungskoeffizientenmatrix]] <math display="inline">\boldsymbol{\alpha}</math> und Temperaturunterschied <math display="inline">\Delta \theta</math> zu | |||
:<math> | |||
\boldsymbol{\sigma} = \mathbb{C} : [ \boldsymbol{\varepsilon} - \boldsymbol{\alpha} \Delta \theta] \text{.} | |||
</math> | |||
Daraus folgt für die [[Mechanische Spannung|Temperaturspannungen]] | |||
:<math> | |||
\frac{\partial\boldsymbol{\sigma}}{\partial\theta} = - \mathbb{C}:\boldsymbol{\alpha} = - 3 K \alpha \boldsymbol{1} \text{,} | |||
</math> | |||
wobei der letzte Term der [[Isotropie|isotrope Sonderfall]] ist mit [[Kompressionsmodul]] <math display="inline">K</math>, Wärmeausdehnungskoeffizient (jetzt Skalar) <math display="inline">\alpha</math> und [[Einheitsmatrix]] <math display="inline">\boldsymbol{1}</math>. | |||
Die Wärmeleitungsgleichung ist (ohne Abhängigkeit von inneren Variablen, wie z. B. plastischer Dehnung) | |||
:<math> | |||
\rho c_V \dot{\theta} = \rho w - \mathrm{div} \vec q + \theta \frac{\partial\boldsymbol{\sigma}}{\partial\theta} \cdot \dot{\boldsymbol{\varepsilon}} \text{ .} | |||
</math> | |||
Aus der [[Wärmeleitungsgleichung]] ergibt sich für den [[adiabatisch|adiabaten]] Sonderfall (Wärmestrom <math>\vec q = \boldsymbol{0}</math>) ohne Wärmequelle (<math> w = 0</math>), [[Taylorreihe|linearisiert]] um die Ausgangstemperatur <math>\theta_0</math> unter Berücksichtigung, dass <math>\boldsymbol{\varepsilon} \cdot \boldsymbol{1} = \text{sp}(\boldsymbol{\varepsilon}) = \frac{\text{d}V}{\text{d}V_0} </math> | |||
:<math> | |||
\frac{\dot{\theta}}{\theta_0} = -\frac{3 K \alpha}{\rho c_V} \dot{\left( \frac{\text{d}V}{\text{d}V_0} \right)}\text{,} | |||
</math> | |||
mit Massendichte <math>\rho</math>, [[Spezifische Wärmekapazität|massenspezifischer Wärmekapazität]] für konstantes Volumen <math>c_V</math>, dem Volumen <math>V</math> und der zeitlichen Ableitung <math>\dot{(...)}</math>. | |||
Man sieht, dass aus einer positiven Temperaturänderung eine negative Volumenänderung folgt. | |||
== | == Einzelnachweise == | ||
<references /> | |||
== Literatur == | == Literatur == | ||
Zeile 56: | Zeile 82: | ||
|DOI=10.1119/1.9852}} | |DOI=10.1119/1.9852}} | ||
== | == Weblinks == | ||
* {{Webarchiv |url=http://www.pi1.physik.uni-stuttgart.de/teaching/Vorlesungsversuche/V514.html |wayback=20081117165250 |text=Beschreibung des Demonstrationsexperiments mit Abbildungen}} | |||
* [http://buphy.bu.edu/~duffy/thermo/4F30_70.html Weitere Abbildung des Demonstrationsexperiments] | |||
[[Kategorie:Physikalisches Experiment]] | [[Kategorie:Physikalisches Experiment]] | ||
[[Kategorie:Thermodynamik]] | [[Kategorie:Thermodynamik]] | ||
[[Kategorie:James Prescott Joule]] | [[Kategorie:James Prescott Joule]] |
Als Gough-Joule-Effekt [ɡɒf dʒuːl] wird im ursprünglichen Sinn das Phänomen bezeichnet, dass unter mechanischer Spannung stehende Elastomere (wie z. B. Gummi) sich bei Erwärmung zusammenziehen, statt sich wie andere Körper auszudehnen. Der Effekt ist nach John Gough, der ihn 1802 erstmals beobachtete, und James Prescott Joule, der ihn in den 1850er Jahren systematisch untersuchte, benannt. Wenn das Elastomer nicht unter Spannung steht, tritt der Effekt nicht auf. Heute wird damit auch allgemein das Erwärmen oder Abkühlen eines Festkörpers als Reaktion auf mechanische Deformation bezeichnet. Dies ist unter den üblicherweise gestellten Voraussetzungen ein Resultat der thermomechanischen Beschreibung von Festkörpern.[1]
Oberhalb der Glasübergangstemperatur sind die elastischen Rückstellkräfte zwischen den molekularen Vernetzungspunkten bei Elastomeren sehr klein. Die Härte ergibt sich aus den entropischen Rückstellkräften, die mit steigender Temperatur größer werden. Daher werden Elastomere oberhalb der Glasübergangstemperatur mit steigender Temperatur härter. Das gedehnte Elastomer dehnt sich daher mit höherer Temperatur weniger stark.
Der Effekt kann in einem einfachen Experiment demonstriert werden. Es handelt sich dabei um ein Rad mit Gummispeichen, welches auch Feynman-Rad (nach Richard Feynman) genannt wird.[2][3] Das Rad wird an seiner Achse aufgehängt und die Speichen werden lokal erwärmt, etwa indem sie mit einer Kohlenbogenlampe beleuchtet werden. Daraufhin beginnt sich das Rad zu drehen und erweckt den Eindruck eines Perpetuum mobile zweiter Art, da man keinen ersichtlichen Grund für diese Bewegung sieht.
Die lokal erhitzten Gummibänder ziehen sich aufgrund der Hitze zusammen, wodurch sich der Schwerpunkt des Rades ein kleinwenig verschiebt. Dadurch liegt nun die Achse des Rades nicht mehr mit dem Schwerpunkt zusammen, wodurch ein Drehmoment M entsteht. Damit beginnt das Rad sich zu drehen. Hier wird also Wärme in Arbeit umgesetzt.
Für ein Material mit linearem thermoplastischen Materialverhalten ergibt sich der Spannungstensor $ {\textstyle {\boldsymbol {\sigma }}} $ mit dem Hooke'schen Gesetz für den Steifigkeitstensor $ {\textstyle \mathbb {\mathbb {C} } } $, Verzerrungstensor $ {\textstyle {\boldsymbol {\varepsilon }}} $, Wärmeausdehnungskoeffizientenmatrix $ {\textstyle {\boldsymbol {\alpha }}} $ und Temperaturunterschied $ {\textstyle \Delta \theta } $ zu
Daraus folgt für die Temperaturspannungen
wobei der letzte Term der isotrope Sonderfall ist mit Kompressionsmodul $ {\textstyle K} $, Wärmeausdehnungskoeffizient (jetzt Skalar) $ {\textstyle \alpha } $ und Einheitsmatrix $ {\textstyle {\boldsymbol {1}}} $.
Die Wärmeleitungsgleichung ist (ohne Abhängigkeit von inneren Variablen, wie z. B. plastischer Dehnung)
Aus der Wärmeleitungsgleichung ergibt sich für den adiabaten Sonderfall (Wärmestrom $ {\vec {q}}={\boldsymbol {0}} $) ohne Wärmequelle ($ w=0 $), linearisiert um die Ausgangstemperatur $ \theta _{0} $ unter Berücksichtigung, dass $ {\boldsymbol {\varepsilon }}\cdot {\boldsymbol {1}}={\text{sp}}({\boldsymbol {\varepsilon }})={\frac {{\text{d}}V}{{\text{d}}V_{0}}} $
mit Massendichte $ \rho $, massenspezifischer Wärmekapazität für konstantes Volumen $ c_{V} $, dem Volumen $ V $ und der zeitlichen Ableitung $ {\dot {(...)}} $.
Man sieht, dass aus einer positiven Temperaturänderung eine negative Volumenänderung folgt.