Kinetische Gastheorie: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''kinetische Gastheorie''' (früher auch ''dynamische Gastheorie'') ist ein Teilgebiet der [[Statistische Mechanik|statistischen Mechanik]].
Die '''kinetische Gastheorie''' (früher auch ''dynamische Gastheorie'') ist ein Teilgebiet der [[Statistische Mechanik|statistischen Mechanik]].  


Die kinetische Gastheorie erklärt die Eigenschaften von [[Gas|Gasen]], insbesondere die [[Gasgesetze]], durch die Vorstellung, dass Gase aus einer sehr großen Anzahl kleiner [[Teilchen]] ([[Atom]]e oder [[Molekül]]e) bestehen, die in ständiger [[Bewegung (Physik)|Bewegung]] sind. Die Theorie führt zu einer [[Mikroskopisch|mikroskopischen]] Erklärung der Eigenschaften von [[Temperatur]] und [[Wärme]], die in der [[Thermodynamik]] durch ihre [[Makroskopisch|makroskopischen]] Eigenschaften definiert sind.
Die kinetische Gastheorie erklärt die Eigenschaften von [[Gas]]en, insbesondere die [[Gasgesetze]], durch die Vorstellung, dass Gase aus einer sehr großen Anzahl kleiner [[Teilchen]] ([[Atom]]e oder [[Molekül]]e) bestehen, die in ständiger [[Bewegung (Physik)|Bewegung]] sind ([[Griechische Sprache|gr.]] {{lang|el|κίνησις}} ''kínesis'' „Bewegung“). Die Theorie führt zu einer [[mikroskopisch]]en Erklärung der Eigenschaften von [[Temperatur]] und [[Wärme]], die in der [[Thermodynamik]] durch ihre [[makroskopisch]]en Eigenschaften definiert sind.<ref name="Becker_Wärme_KinGastheorie"/><ref name="FeynmanLectures_I_39"/>


Schon im [[17. Jahrhundert]] vermuteten [[Physik]]er wie [[Francis Bacon]], dass Wärme eine Form der Bewegung ist. Der Erste, der eine vollständigere Theorie entwarf war [[Daniel Bernoulli]] 1738. Ihm folgten u.a. [[Michail Wassiljewitsch Lomonossow]], [[Georges-Louis Le Sage]], [[John Herapath]] und [[John James Waterston]], jedoch wurden deren Überlegungen weitgehend ignoriert. Erst ab 1860 fand die kinetische Gastheorie durch die Arbeiten von Physikern wie [[Rudolf Clausius]], [[James Clerk Maxwell]] und [[Ludwig Boltzmann]] breitere Anerkennung. Gleichzeitig wurde die kinetische Gastheorie aber auch heftig bestritten, sogar noch bis ins 20. Jahrhundert hinein u.&nbsp;a. durch [[Ernst Mach]] und [[Wilhelm Ostwald]], da sie vollständig von der damals als Hypothese betrachteten realen Existenz der Atome oder Moleküle abhängt.  
Schon im [[17. Jahrhundert]] vermuteten [[Physik]]er wie [[Francis Bacon]], dass Wärme eine Form der Bewegung ist. Der Erste, der eine vollständigere Theorie entwarf, war [[Daniel Bernoulli]] 1738. Ihm folgten u.&nbsp;a. [[Michail Wassiljewitsch Lomonossow]], [[Georges-Louis Le Sage]], [[John Herapath]] und [[John James Waterston]], jedoch wurden deren Überlegungen weitgehend ignoriert. Erst ab 1860 fand die kinetische Gastheorie durch die Arbeiten von Physikern wie [[Rudolf Clausius]], [[James Clerk Maxwell]] und [[Ludwig Boltzmann]] breitere Anerkennung. Gleichzeitig wurde die kinetische Gastheorie aber auch heftig bestritten, sogar noch bis ins 20. Jahrhundert hinein u.&nbsp;a. durch [[Ernst Mach]] und [[Wilhelm Ostwald]], da sie vollständig von der damals als Hypothese betrachteten Existenz der Atome oder Moleküle abhängt.<ref name="Segrè_Große_Physiker_I_KinetischeTheorie"/>


Die wichtigsten Grundannahmen der [[Theorie]] sind:
Die wichtigsten Grundannahmen der [[Theorie]] sind:<ref name="Brockhaus_abc_Physik_kinetischeTheorie"/><ref name="KersonHuang_I_KinetischeTheorie"/>
# Die Teilchen eines Gases ([[Atom]]e, [[Molekül]]e) sind von vernachlässigbarer Größe und ständig in ungeordneter, aber [[Statistik|statistisch]] fassbarer Bewegung.
# Die Teilchen eines Gases ([[Atom]]e, [[Molekül]]e) sind von vernachlässigbarer Größe und ständig in ungeordneter, aber [[Statistik|statistisch]] fassbarer Bewegung.
# Zwischen ihren [[Stoß (Physik)|Zusammenstößen]] bewegen sie sich [[Gleichförmige Bewegung|gleichförmig]] und unabhängig voneinander, ohne Bevorzugung einer Richtung.
# Zwischen ihren [[Stoß (Physik)|Zusammenstößen]] bewegen sie sich [[Gleichförmige Bewegung|gleichförmig]] und unabhängig voneinander, ohne Bevorzugung einer Richtung.
# Die Teilchen üben keine [[Kraft|Kräfte]] aufeinander aus, solange sie sich nicht gegenseitig berühren.
# Die Teilchen üben keine [[Kraft|Kräfte]] aufeinander aus, solange sie sich nicht gegenseitig berühren.
# Zusammenstöße der Teilchen untereinander und mit der Gefäßwand gehorchen dem Gesetz des [[Elastischer Stoß|elastischen Stoßes]].
# Zusammenstöße der Teilchen untereinander und mit der Gefäßwand gehorchen dem Gesetz des [[Elastischer Stoß|elastischen Stoßes]]. Bei den Zusammenstößen sind immer nur zwei Teilchen involviert.


Aus diesen Annahmen entwickelt die kinetische Gastheorie Formeln für [[Druck (Physik)|Druck]], [[spezifische Wärme]], [[Schallgeschwindigkeit]], [[Diffusion]], [[Wärmeleitung]] und [[innere Reibung]], die die Beobachtungen an [[Ideales Gas|idealen Gasen]] sehr gut wiedergeben und beispielsweise zur ersten Bestimmung der Größe, Anzahl und Masse der Atome bzw. Moleküle führten. Durch ergänzende Zusätze zu den Annahmen Nr. 3 und 4 wurde auch das abweichende Verhalten [[Reales Gas|realer Gase]] in die kinetische Gastheorie einbezogen, wie es z.&nbsp;B. in der [[van-der-Waals-Gleichung|van der Waalsschen Zustandsgleichung]] beschrieben wird.
Aus diesen Annahmen entwickelt die kinetische Gastheorie Formeln, die für ein [[ideales Gas]] die Größen [[Druck (Physik)|Druck]], [[spezifische Wärme]], [[Schallgeschwindigkeit]], [[Diffusion]], [[Wärmeleitung]] und [[innere Reibung]] vorhersagen. Die Formeln geben die Beobachtungen an vielen wirklichen Gasen gut wieder und führten beispielsweise zu ersten Bestimmungen der Größe, Anzahl und Masse der Atome bzw. Moleküle.<ref name="Stierstadt_TransportProzesse"/> Durch ergänzende Zusätze zu den Annahmen Nr. 3 und 4 wurde auch das abweichende Verhalten [[Reales Gas|realer Gase]] in die kinetische Gastheorie einbezogen, wie es z.&nbsp;B. in der [[van-der-Waals-Gleichung|van der Waalsschen Zustandsgleichung]] beschrieben wird.<ref name="Stierstadt_Reale_Gase"/>


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* {{TIBAV |15650 |Linktext=Kinetische Gastheorie und MAXWELL-BOLTZMANN - Wie beschreibt man ein Gas mikroskopisch? |Herausgeber=Lauth |Jahr=2013 |DOI=10.5446/15650}}
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== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[Wärmeübertragung]]
* [[Wärmeübertragung]]
* [[Maxwell-Boltzmann-Verteilung]]
* [[Maxwell-Boltzmann-Verteilung]]
* [[Mikroskopisch und makroskopisch]]
* [[H-Theorem]]
* [[H-Theorem]]
== Einzelnachweise ==
<references>
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{{Literatur
|Autor=[[Emilio Segrè]]
|Titel=Die großen Physiker und ihre Entdeckungen – Von Galilei bis Boltzmann
|Originaltitel=From Falling Bodies to Radio Waves – Classical Physicists and Their Discoveries
|Originaljahr=1984
|Übersetzer=Hainer Kober
|Auflage=2
|Verlag=Piper
|Ort=München
|Datum=2002
|ISBN=3-492-21174-7
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|Seiten=379-403}}
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<ref name="KersonHuang_I_KinetischeTheorie">
{{Literatur
|Autor=[[Kerson Huang]]
|Titel=Statistische Mechanik I
|Verlag=Hochschultaschenbücher Verlag
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|Auflage= Heidelberger Taschenbücher, photomechanischer Nachdruck der ber. Auflage
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<ref name="Becker_Wärme_KinGastheorie">
{{Literatur
|Autor=[[Richard Becker (Physiker)|Richard Becker]]
|Titel=Theorie der Wärme
|Verlag=Springer-Verlag
|Ort=Berlin, Heidelberg, New York
|Datum=1966
|Auflage= Heidelberger Taschenbücher, photomechanischer Nachdruck der ber. Auflage
|Kapitel=II Statistische Mechanik, A Kinetische Gastheorie, §23-28
|Seiten=62-86}}
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<ref name="FeynmanLectures_I_39">
[[Feynman-Vorlesungen über Physik]], Bd. 1, Kapitel 39 "Die kinetische Gastheorie.", [https://www.feynmanlectures.caltech.edu/I_39.html Online, Kapitel 39] (englisch)
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''kinetische Theorie''. In:
{{Literatur
|Titel=Der Brockhaus - abc Physik
|Hrsg=VEB F.A. Brockhaus Verlage
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|Datum=1972}}
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{{Literatur
|Autor=Klaus Stierstadt
|Titel=Thermodynamik – Von der Mikrophysik zur Makrophysik
|Kapitel=10 Transportprozesse
|Verlag=Springer Verlag
|Ort=Heidelberg
|Datum=2010
|ISBN=978-3-642-05097-8
|Seiten=391-408}}
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{{Literatur
|Autor=Klaus Stierstadt
|Titel=Thermodynamik – Von der Mikrophysik zur Makrophysik
|Kapitel=11.1 Systeme wechselwirkender Teilchen – Reale Gase
|Verlag=Springer Verlag
|Ort=Heidelberg
|Datum=2010
|ISBN=978-3-642-05097-8
|Seiten=439-469}}
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Aktuelle Version vom 16. Mai 2021, 07:54 Uhr

Die kinetische Gastheorie (früher auch dynamische Gastheorie) ist ein Teilgebiet der statistischen Mechanik.

Die kinetische Gastheorie erklärt die Eigenschaften von Gasen, insbesondere die Gasgesetze, durch die Vorstellung, dass Gase aus einer sehr großen Anzahl kleiner Teilchen (Atome oder Moleküle) bestehen, die in ständiger Bewegung sind (gr. {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value) kínesis „Bewegung“). Die Theorie führt zu einer mikroskopischen Erklärung der Eigenschaften von Temperatur und Wärme, die in der Thermodynamik durch ihre makroskopischen Eigenschaften definiert sind.[1][2]

Schon im 17. Jahrhundert vermuteten Physiker wie Francis Bacon, dass Wärme eine Form der Bewegung ist. Der Erste, der eine vollständigere Theorie entwarf, war Daniel Bernoulli 1738. Ihm folgten u. a. Michail Wassiljewitsch Lomonossow, Georges-Louis Le Sage, John Herapath und John James Waterston, jedoch wurden deren Überlegungen weitgehend ignoriert. Erst ab 1860 fand die kinetische Gastheorie durch die Arbeiten von Physikern wie Rudolf Clausius, James Clerk Maxwell und Ludwig Boltzmann breitere Anerkennung. Gleichzeitig wurde die kinetische Gastheorie aber auch heftig bestritten, sogar noch bis ins 20. Jahrhundert hinein u. a. durch Ernst Mach und Wilhelm Ostwald, da sie vollständig von der damals als Hypothese betrachteten Existenz der Atome oder Moleküle abhängt.[3]

Die wichtigsten Grundannahmen der Theorie sind:[4][5]

  1. Die Teilchen eines Gases (Atome, Moleküle) sind von vernachlässigbarer Größe und ständig in ungeordneter, aber statistisch fassbarer Bewegung.
  2. Zwischen ihren Zusammenstößen bewegen sie sich gleichförmig und unabhängig voneinander, ohne Bevorzugung einer Richtung.
  3. Die Teilchen üben keine Kräfte aufeinander aus, solange sie sich nicht gegenseitig berühren.
  4. Zusammenstöße der Teilchen untereinander und mit der Gefäßwand gehorchen dem Gesetz des elastischen Stoßes. Bei den Zusammenstößen sind immer nur zwei Teilchen involviert.

Aus diesen Annahmen entwickelt die kinetische Gastheorie Formeln, die für ein ideales Gas die Größen Druck, spezifische Wärme, Schallgeschwindigkeit, Diffusion, Wärmeleitung und innere Reibung vorhersagen. Die Formeln geben die Beobachtungen an vielen wirklichen Gasen gut wieder und führten beispielsweise zu ersten Bestimmungen der Größe, Anzahl und Masse der Atome bzw. Moleküle.[6] Durch ergänzende Zusätze zu den Annahmen Nr. 3 und 4 wurde auch das abweichende Verhalten realer Gase in die kinetische Gastheorie einbezogen, wie es z. B. in der van der Waalsschen Zustandsgleichung beschrieben wird.[7]

Weblinks

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Richard Becker: Theorie der Wärme. Heidelberger Taschenbücher, photomechanischer Nachdruck der ber. Auflage. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1966, II Statistische Mechanik, A Kinetische Gastheorie, §23-28, S. 62–86.
  2. Feynman-Vorlesungen über Physik, Bd. 1, Kapitel 39 "Die kinetische Gastheorie.", Online, Kapitel 39 (englisch)
  3. Emilio Segrè: Die großen Physiker und ihre Entdeckungen – Von Galilei bis Boltzmann. 2. Auflage. Piper, München 2002, ISBN 3-492-21174-7, 6 Kinetische Theorie: Erste Erkenntnisse über die Struktur der Materie, S. 379–403 (Originaltitel: From Falling Bodies to Radio Waves – Classical Physicists and Their Discoveries. 1984. Übersetzt von Hainer Kober).
  4. kinetische Theorie. In: VEB F.A. Brockhaus Verlage (Hrsg.): Der Brockhaus - abc Physik. Band 1. Leipzig 1972.
  5. Kerson Huang: Statistische Mechanik I. Heidelberger Taschenbücher, photomechanischer Nachdruck der ber. Auflage. Hochschultaschenbücher Verlag, Mannheim 1964, 3.1 Das Problem der kinetischen Theorie, S. 69.
  6. Klaus Stierstadt: Thermodynamik – Von der Mikrophysik zur Makrophysik. Springer Verlag, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-642-05097-8, 10 Transportprozesse, S. 391–408.
  7. Klaus Stierstadt: Thermodynamik – Von der Mikrophysik zur Makrophysik. Springer Verlag, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-642-05097-8, 11.1 Systeme wechselwirkender Teilchen – Reale Gase, S. 439–469.