Analemma: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Analemma pattern in the sky.jpg|thumb|220px|Die Jahresfigur der [[Sonnenstand|Sonnenposition]] am Himmel für konstante [[Sonnenzeit|Mittlere Ortszeit]] ist ein ''Analemma'']]
[[Datei:Analemma pattern in the sky.jpg|mini|Die Jahresfigur der [[Sonnenstand|Sonnenposition]] am Himmel für konstante [[Sonnenzeit|mittlere Ortszeit]] ist ein ''Analemma'']]


Der Begriff '''Analemma''' ([[Griechische Sprache|griechisch]] ''Umschreibung, etwaige Annahme, Vorschrift'' für den Sockel einer Sonnenuhr) wird am häufigsten für die Figur gebraucht, die der [[Sonnenstand]] bei konstanter [[Sonnenzeit|Mittlerer Ortszeit]] erzeugt. Diese Figur entsteht zum Beispiel durch Fotos der Sonne, die man täglich zur selben mittleren Ortszeit (das heißt auch: zur selben [[Zonenzeit]] am selben Ort) über ein [[Jahr]] macht. Wenn man nach Ablauf eines Jahres alle diese Sonnenbilder in einer Fotomontage überlagert, erkennt man eine langgestreckte Acht (siehe Abbildung): das ''Analemma''.
Der Begriff '''Analemma''' ([[Altgriechische Sprache|griechisch]] ‚Umschreibung‘, ‚etwaige Annahme‘, ‚Vorschrift‘ für den Sockel einer Sonnenuhr) wird am häufigsten für die Figur gebraucht, die der [[Sonnenstand]] bei konstanter [[Sonnenzeit|mittlerer Ortszeit]] erzeugt. Diese Figur entsteht zum Beispiel durch Fotos der Sonne, die man täglich zur selben mittleren Ortszeit (das heißt auch: zur selben [[Zonenzeit]] am selben Ort) über ein [[Jahr]] macht. Wenn man nach Ablauf eines Jahres alle diese Sonnenbilder in einer Fotomontage überlagert, erkennt man eine langgestreckte Acht (siehe Abbildung): das ''Analemma''.


In der [[Gnomon]]ik, der Lehre von den [[Sonnenuhr]]en, ist das ''Analemma'' eine von [[Vitruv]] angegebene Vorschrift zur Konstruktion von Sonnenuhren.
In der [[Gnomon]]ik, der Lehre von den [[Sonnenuhr]]en, ist das ''Analemma'' eine von [[Vitruv]] angegebene Vorschrift zur Konstruktion von Sonnenuhren.


== Die Sonnenpositionen als Analemma ==
== Die Sonnenpositionen als Analemma ==
[[Datei:Zeitgleichungs-Analemma.jpg|miniatur| [[Zeitgleichung]] als Funktion der [[Sonnendeklination]]]]


[[Datei:Zeitgleichungs-Analemma.jpg|miniatur| [[Zeitgleichung]] als Funktion der [[Sonnendeklination]]]]
Die zum Analemma führende [[Scheinbar (Astronomie)|scheinbar]]e Schwankung der Sonne ist eine Folge zweier Bewegungen der [[Erde]]:
* Die Bahn der Erde ist [[Ellipse|elliptisch]]
* die Abweichung der scheinbaren Bahnebene der Sonne, auch [[Ekliptik]] genannt, vom [[Himmelsäquator]] (Projektion des [[Äquator]]s auf den Himmel) beträgt ca. 23,5°.
Wäre die [[Erdbahn|Bahn der Erde]] ein exakter Kreis und stünde die [[Erdachse]] senkrecht auf der [[Bahnebene]], dann befände sich die Sonne täglich im selben Moment einer gleichmäßig ablaufenden Zeit stets am selben Punkt am Himmel (auch nicht verschieden hoch, denn dann gäbe es auch keine [[Jahreszeit]]en).
 
Durch die beiden beschriebenen Abweichungen weicht die Sonne jedoch während eines Jahres von o. g. Punkt ab und wandert einmal durch eine Figur mit der Form einer „8“, das Analemma.


Die zum Analemma führende scheinbare Schwankung der Sonne ist eine Folge zweier Bewegungen der [[Erde]]. Wäre die Bahn der Erde ein exakter Kreis und stünde die [[Erdachse]] senkrecht auf der Bahnebene, dann befände sich die Sonne täglich im selben Moment einer gleichmäßig ablaufenden Zeit stets am selben Punkt am Himmel (auch nicht verschieden hoch, denn es gäbe auch keine Jahreszeiten). Die Bahn der Erde ist jedoch [[Ellipse|elliptisch]] und die Abweichung der scheinbaren [[Bahnebene]] der Sonne, auch [[Ekliptik]] genannt, vom Himmels[[äquator]] (Projektion des Äquators auf den Himmel) beträgt ca. 23,5°. Hierdurch weicht die Sonne während eines Jahres von diesem Punkt ab und wandert einmal durch eine Figur mit der Form einer „8“, das  Analemma.
Die oben stehende Fotomontage zeigt die übers Jahr verschiedenen Sonnenstände um ca. 9 Uhr [[MEZ]] auf etwa dem 8. östlichen Längengrad und etwa dem 49. nördlichen [[Geographische Breite|Breitengrad]], wobei die Sonne den unteren, breiteren Teil der Doppelschleife („8“) von Anfang September bis Mitte April im [[Uhrzeigersinn]], den oberen, schmaleren Teil von Mitte April bis Anfang September entgegengesetzt durchläuft.


Die oben stehende Fotomontage zeigt die übers Jahr verschiedenen Sonnenstände um ca. 9 Uhr [[MEZ]] auf etwa dem 8. östlichen Längengrad und etwa dem 49. nördlichen [[Geographische Breite|Breitengrad]], wobei die Sonne den unteren, breiteren Teil der Doppelschleife („8“) von Anfang September bis Mitte April im Uhrzeigersinn, den oberen, schmaleren Teil von Mitte April bis Anfang September entgegengesetzt durchläuft.
Die Abweichung von der eingezeichneten Hilfsgeraden ist das mit Hilfe der [[Zeitgleichung]] ausgedrückte Vor- beziehungsweise Nachgehen der wahren Sonnenzeit ([[wahre Ortszeit]] (WOZ)) von der künstlichen mittleren Sonnenzeit („mechanische Zeit“, mittlere Ortszeit (MOZ)). Der nebenstehenden Zeitgleichungs[[Liniendiagramm|graph]] ist im Vergleich zur oben stehenden Fotomontage in der Breite gestreckt, das Analemma in ihm nur schematisch.
Die Abweichung von der eingezeichneten Hilfsgeraden ist das mit Hilfe der [[Zeitgleichung]] ausgedrückte Vor- beziehungsweise Nachgehen der wahren Sonnenzeit ([[wahre Ortszeit]] (WOZ)) von der künstlichen mittleren Sonnenzeit („mechanische Zeit“, mittlere Ortszeit (MOZ)). Der nebenstehenden Zeitgleichungsgraph ist im Vergleich zur oben stehenden Fotomontage in der Breite gestreckt, das Analemma ist in ihm nur schematisch enthalten.


Die Analemma-Figur bekam erst durch die Erfindung und den Gebrauch der prinzipiell gleichförmig laufenden mechanischen [[Uhr#Geschichte|Uhr]] am Ende des [[Mittelalter]]s allgemeine Bedeutung. Im [[Altertum]] war die scheinbare Bewegung der Sonne selbst allgemein benutzter Zeitmaßstab. Ihr leicht ungleichförmiger Lauf wurde hingenommen beziehungsweise war der Allgemeinheit nicht bekannt.
Die Analemma-Figur bekam erst durch die Erfindung und den Gebrauch der prinzipiell gleichförmig laufenden [[Räderuhr|mechanischen Uhr]] am Ende des [[Mittelalter]]s allgemeine Bedeutung. Im [[Altertum]] war die scheinbare Bewegung der Sonne selbst allgemein benutzter Zeitmaßstab gewesen; ihr leicht ungleichförmiger Lauf wurde hingenommen bzw. war der Allgemeinheit unbekannt.


== Das Analemma auf Sonnenuhren ==
== Das Analemma auf Sonnenuhren ==
[[Datei:Munich Altes Rathaus sundial.jpg|mini|[[Vertikalsonnenuhr|Wandsonnenuhr]] mit analemmaförmigen Stundenmarkierungen]]
Bei [[Sonnenuhr]]en mit Punktanzeige ist die [[mittlere Ortszeit]] (MOZ) auf analemmaförmigen Stundenmarkierungen ablesbar. Auf der abgebildeten [[Vertikalsonnenuhr|Wandsonnenuhr]] wird dabei nicht der [[Polstab|Stab]]-Schatten auf den Stundenlinien, sondern der [[Nodus (Sonnenuhr)|Punkt]]-Schatten (von der Kugel an der Stabspitze herrührend) auf den analemmaförmigen Stundenmarkierungen abgelesen.


[[File:Munich Altes Rathaus sundial.jpg|mini|[[Vertikalsonnenuhr|Wandsonnenuhr]] mit analemmaförmigen Stundenmarkierungen]]
== Das Analemma des Vitruv ==
Bei [[Sonnenuhr]]en mit Punktanzeige ist die [[Mittlere Ortszeit]] (MOZ) auf analemmaförmigen Stundenmarkierungen  ablesbar. Auf der abgebildeten [[Vertikalsonnenuhr|Wandsonnenuhr]] wird dabei nicht der [[Polstab|Stab]]-Schatten
[[Datei:AnalemmaVitruvii.jpg|mini|Analemma des [[Vitruv]], erweitert mit Stunden-Punkten und Tierkreis-Zeichen]]
auf den Stundenlinien, sondern der [[Nodus (Sonnenuhr)|Punkt]]-Schatten (von der Kugel an der Stabspitze herrührend) auf  den analemmaförmigen Stundenmarkierungen  abgelesen.


== Das Analemma des Vitruv ==
Im neunten seiner ''Zehn Bücher über die Architektur'' deutet Vitruv an, wie [[Sonnenuhr]]en mithilfe einer Figur, die er Analemma nennt, konstruiert werden können. Er beschreibt, wie das Analemma allein bei Verwendung von Lineal und Zirkel zu zeichnen ist. Sein Beispiel gilt für Rom, er beginnt mit dem Verhältnis Schattenlänge zu Gnomonhöhe, wie es zu den Äquinoktien dort gültig ist. Die Gnomonspitze befindet sich im Zentrum A des Kreises, welcher den Meridian des Standortes darstellt. Aus dem [[Tangens]] der geografischen Breite von Rom, d. h. aus dem äquinoktialen Längenverhältnis Schatten zu Gnomon (8:9; C-B:A-B) lässt sich der Äquator und damit der Verlauf des Sonnenstrahls N-A-C zum Sonnenhöchststand am Mittag auftragen. Parallele [[Sekante]]n L-G und K-H zum Äquator im Abstand von 1/15 Kreisumfang approximieren die jeweiligen Bahnebenen der Sonne zu den Solstitien (Deklination der Sonne ±24°). Zur Wintersonnenwende wird die Sonne von K über A nach T projiziert. Zur Sommersonnenwende wird sie von L über A nach R abgebildet. In der gewählten Ansicht bewegt sich die Sonne auf diesen Solstitien-Sekanten zwischen Horizont E-I und den Mittagspunkten L und K einmal am Tag auf und ab. Somit sind die Schnittpunkte S und V dieser Bahnen mit dem Horizont die Konstellationen bei Sonnenaufgang und -untergang. Die zugehörige Zeit zur Tagesposition der Sonne kann ermittelt werden, wenn um die jeweilige Sekante der [[Sonnenstand|Sonnenbahn]] ein (Halb-)Kreis geschlagen wird, der in Stundenwinkel zu je 15° unterteilt wird. Die Unterteilung wird von Vitruv bereits nicht mehr beschrieben. In nebenstehender Abbildung ist die Zeitablesung für den Sonnenauf- und -untergang am Tag der Sommersonnenwende durch die Linie S – SA-SU dargestellt. Für den Deklinations-Bereich zwischen Sommer- und Wintersonnenwende kann der von Vitruv beschriebene Menaeus, der Monats- oder Tierkreis unterteilt werden. Auf diesem wird die dem gewünschten Kalendertag eines Monats entsprechende Position aufgetragen und durch diesen Punkt eine Parallele zum Äquator gezogen. Das ergibt die Sekante der Sonnenbahn dieses Tages. Ihr oberer Schnittpunkt mit dem Meridiankreis ergibt den Projektionsstrahl für die Mittagssonne. Um die Position der Sonne während der Tagesstunden ermitteln zu können, wird wieder ein Halbkreis mit entsprechender Stundenteilung um diese Sekante geschlagen.
[[Datei:AnalemmaVitruvii.jpg|mini|links|Analemma des [[Vitruv]], erweitert mit Stunden-Punkten und Tierkreis-Zeichen]]


Im neunten seiner ''Zehn Bücher über die Architektur'' deutet Vitruv an, wie [[Sonnenuhr]]en mithilfe einer Figur, die er Analemma nennt, konstruiert werden können. Er beschreibt, wie das Analemma allein bei Verwendung von Lineal und Zirkel zu zeichnen ist. Sein Beispiel gilt für Rom, er beginnt mit dem Verhältnis Schattenlänge zu Gnomonhöhe, wie es zu den Äquinoktien dort gültig ist. Die Gnomonspitze befindet sich im Zentrum A des Kreises, welcher den Meridian des Standortes darstellt. Aus dem [[Tangens]] der geografischen Breite von Rom, d. h. aus dem äquinoktialen Längenverhältnis Schatten zu Gnomon (8:9; C-B:A-B) lässt sich der Äquator und damit der Verlauf des Sonnenstrahls N-A-C zum Sonnenhöchststand am Mittag auftragen. Parallele [[Sekante]]n L-G und K-H zum Äquator im Abstand von 1/15 Kreisumfang approximieren die jeweiligen Bahnebenen der Sonne zu den Solstitien (Deklination der Sonne ±24°). Zur Wintersonnenwende wird die Sonne von K über A nach T projiziert. Zur Sommersonnenwende wird sie von L über A nach R abgebildet. In der gewählten Ansicht bewegt sich die Sonne auf diesen Solstitien-Sekanten zwischen Horizont E-I und den Mittagspunkten L und K einmal am Tag auf und ab. Somit sind die Schnittpunkte S und V dieser Bahnen mit dem Horizont die Konstellationen bei Sonnenaufgang und -untergang. Die zugehörige Zeit zur Tagesposition der Sonne kann ermittelt werden, wenn um die jeweilige Sekante der [[Sonnenstand|Sonnenbahn]] ein (Halb-) Kreis geschlagen wird, der in Stundenwinkel zu je 15° unterteilt wird. Die Unterteilung wird von Vitruv bereits nicht mehr beschrieben. In nebenstehender Abbildung ist die Zeitablesung für den Sonnenauf- und -untergang am Tag der Sommersonnenwende durch die Linie S - SA-SU dargestellt. Für den Deklinations-Bereich zwischen Sommer- und Wintersonnenwende kann der von Vitruv beschriebene Menaeus, der Monats- oder Tierkreis unterteilt werden. Auf diesem wird die dem gewünschten Kalendertag eines Monats entsprechende Position aufgetragen und durch diesen Punkt eine Parallele zum Äquator gezogen. Das ergibt die Sekante der Sonnenbahn dieses Tages. Ihr oberer Schnittpunkt mit dem Meridiankreis ergibt den Projektionsstrahl für die Mittagssonne. Um die Position der Sonne während der Tagesstunden ermitteln zu können, wird wieder ein Halbkreis mit entsprechender Stundenteilung um diese Sekante geschlagen.
== Siehe auch ==
* [[Epizykeltheorie]]
* [[Sonnenstandsdiagramm]]


== Literatur ==
== Literatur ==
* {{RE|I/2|2052|2055|Analemma|Georg Kauffmann|RE:Analemma}}
* {{RE|I,2|2052|2055|Analemma|Georg Kauffmann|RE:Analemma}}
 
==Siehe auch==
*[[Epizykeltheorie]]


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Analemma}}
{{Commonscat}}
* [http://www.perseus.gr/Astro-Solar-Analemma.htm Bilder von Analemmata] (englisch)
* Anthony Ayiomamitis: [http://www.perseus.gr/Astro-Solar-Analemma.htm Fotos von Analemmata in Griechenland] (englisch)
* https://news.nationalgeographic.com/news/2010/12/photogalleries/101228-sun-end-year-analemmas-solstice-eclipse-pictures/
* [http://www.mikomma.de/analemma/analemma.htm Analemma und Tageslänge]
* [http://www.mikomma.de/analemma/analemma.htm Analemma und Tageslänge]


[[Kategorie:Himmelsmechanik]]
[[Kategorie:Himmelsmechanik]]

Aktuelle Version vom 12. November 2020, 17:28 Uhr

Die Jahresfigur der Sonnenposition am Himmel für konstante mittlere Ortszeit ist ein Analemma

Der Begriff Analemma (griechisch ‚Umschreibung‘, ‚etwaige Annahme‘, ‚Vorschrift‘ für den Sockel einer Sonnenuhr) wird am häufigsten für die Figur gebraucht, die der Sonnenstand bei konstanter mittlerer Ortszeit erzeugt. Diese Figur entsteht zum Beispiel durch Fotos der Sonne, die man täglich zur selben mittleren Ortszeit (das heißt auch: zur selben Zonenzeit am selben Ort) über ein Jahr macht. Wenn man nach Ablauf eines Jahres alle diese Sonnenbilder in einer Fotomontage überlagert, erkennt man eine langgestreckte Acht (siehe Abbildung): das Analemma.

In der Gnomonik, der Lehre von den Sonnenuhren, ist das Analemma eine von Vitruv angegebene Vorschrift zur Konstruktion von Sonnenuhren.

Die Sonnenpositionen als Analemma

Die zum Analemma führende scheinbare Schwankung der Sonne ist eine Folge zweier Bewegungen der Erde:

  • Die Bahn der Erde ist elliptisch
  • die Abweichung der scheinbaren Bahnebene der Sonne, auch Ekliptik genannt, vom Himmelsäquator (Projektion des Äquators auf den Himmel) beträgt ca. 23,5°.

Wäre die Bahn der Erde ein exakter Kreis und stünde die Erdachse senkrecht auf der Bahnebene, dann befände sich die Sonne täglich im selben Moment einer gleichmäßig ablaufenden Zeit stets am selben Punkt am Himmel (auch nicht verschieden hoch, denn dann gäbe es auch keine Jahreszeiten).

Durch die beiden beschriebenen Abweichungen weicht die Sonne jedoch während eines Jahres von o. g. Punkt ab und wandert einmal durch eine Figur mit der Form einer „8“, das Analemma.

Die oben stehende Fotomontage zeigt die übers Jahr verschiedenen Sonnenstände um ca. 9 Uhr MEZ auf etwa dem 8. östlichen Längengrad und etwa dem 49. nördlichen Breitengrad, wobei die Sonne den unteren, breiteren Teil der Doppelschleife („8“) von Anfang September bis Mitte April im Uhrzeigersinn, den oberen, schmaleren Teil von Mitte April bis Anfang September entgegengesetzt durchläuft.

Die Abweichung von der eingezeichneten Hilfsgeraden ist das mit Hilfe der Zeitgleichung ausgedrückte Vor- beziehungsweise Nachgehen der wahren Sonnenzeit (wahre Ortszeit (WOZ)) von der künstlichen mittleren Sonnenzeit („mechanische Zeit“, mittlere Ortszeit (MOZ)). Der nebenstehenden Zeitgleichungsgraph ist im Vergleich zur oben stehenden Fotomontage in der Breite gestreckt, das Analemma in ihm nur schematisch.

Die Analemma-Figur bekam erst durch die Erfindung und den Gebrauch der prinzipiell gleichförmig laufenden mechanischen Uhr am Ende des Mittelalters allgemeine Bedeutung. Im Altertum war die scheinbare Bewegung der Sonne selbst allgemein benutzter Zeitmaßstab gewesen; ihr leicht ungleichförmiger Lauf wurde hingenommen bzw. war der Allgemeinheit unbekannt.

Das Analemma auf Sonnenuhren

Wandsonnenuhr mit analemmaförmigen Stundenmarkierungen

Bei Sonnenuhren mit Punktanzeige ist die mittlere Ortszeit (MOZ) auf analemmaförmigen Stundenmarkierungen ablesbar. Auf der abgebildeten Wandsonnenuhr wird dabei nicht der Stab-Schatten auf den Stundenlinien, sondern der Punkt-Schatten (von der Kugel an der Stabspitze herrührend) auf den analemmaförmigen Stundenmarkierungen abgelesen.

Das Analemma des Vitruv

Analemma des Vitruv, erweitert mit Stunden-Punkten und Tierkreis-Zeichen

Im neunten seiner Zehn Bücher über die Architektur deutet Vitruv an, wie Sonnenuhren mithilfe einer Figur, die er Analemma nennt, konstruiert werden können. Er beschreibt, wie das Analemma allein bei Verwendung von Lineal und Zirkel zu zeichnen ist. Sein Beispiel gilt für Rom, er beginnt mit dem Verhältnis Schattenlänge zu Gnomonhöhe, wie es zu den Äquinoktien dort gültig ist. Die Gnomonspitze befindet sich im Zentrum A des Kreises, welcher den Meridian des Standortes darstellt. Aus dem Tangens der geografischen Breite von Rom, d. h. aus dem äquinoktialen Längenverhältnis Schatten zu Gnomon (8:9; C-B:A-B) lässt sich der Äquator und damit der Verlauf des Sonnenstrahls N-A-C zum Sonnenhöchststand am Mittag auftragen. Parallele Sekanten L-G und K-H zum Äquator im Abstand von 1/15 Kreisumfang approximieren die jeweiligen Bahnebenen der Sonne zu den Solstitien (Deklination der Sonne ±24°). Zur Wintersonnenwende wird die Sonne von K über A nach T projiziert. Zur Sommersonnenwende wird sie von L über A nach R abgebildet. In der gewählten Ansicht bewegt sich die Sonne auf diesen Solstitien-Sekanten zwischen Horizont E-I und den Mittagspunkten L und K einmal am Tag auf und ab. Somit sind die Schnittpunkte S und V dieser Bahnen mit dem Horizont die Konstellationen bei Sonnenaufgang und -untergang. Die zugehörige Zeit zur Tagesposition der Sonne kann ermittelt werden, wenn um die jeweilige Sekante der Sonnenbahn ein (Halb-)Kreis geschlagen wird, der in Stundenwinkel zu je 15° unterteilt wird. Die Unterteilung wird von Vitruv bereits nicht mehr beschrieben. In nebenstehender Abbildung ist die Zeitablesung für den Sonnenauf- und -untergang am Tag der Sommersonnenwende durch die Linie S – SA-SU dargestellt. Für den Deklinations-Bereich zwischen Sommer- und Wintersonnenwende kann der von Vitruv beschriebene Menaeus, der Monats- oder Tierkreis unterteilt werden. Auf diesem wird die dem gewünschten Kalendertag eines Monats entsprechende Position aufgetragen und durch diesen Punkt eine Parallele zum Äquator gezogen. Das ergibt die Sekante der Sonnenbahn dieses Tages. Ihr oberer Schnittpunkt mit dem Meridiankreis ergibt den Projektionsstrahl für die Mittagssonne. Um die Position der Sonne während der Tagesstunden ermitteln zu können, wird wieder ein Halbkreis mit entsprechender Stundenteilung um diese Sekante geschlagen.

Siehe auch

Literatur

  • Georg Kauffmann: Analemma. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I,2, Stuttgart 1894, Sp. 2052–2055.

Weblinks

Commons: Analemma – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien