Bahnmanöver: Unterschied zwischen den Versionen

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Als '''Bahnmanöver''' wird in der [[Raumfahrt]] und Himmelsmechanik ein Vorgang bezeichnet, mit dem ein künstlicher [[Erdsatellit]] oder ein interplanetarer [[Raumsonde|Flugkörper]] durch zeitlich begrenze Zündung eines [[Rückstoß]]-Motors gezielt auf eine andere Bahn gebracht wird.
Als '''Bahnmanöver''' wird in der [[Raumfahrt]] und Himmelsmechanik bzw. [[Raumflugmechanik]] ein Vorgang bezeichnet, mit dem ein künstlicher [[Erdsatellit]] oder ein interplanetarer [[Raumsonde|Flugkörper]] durch zeitlich begrenzte Zündung eines [[Rückstoß]]-Motors gezielt auf eine andere Bahn gebracht wird.


Gegenstand von Bahnmanövern ist immer eine dosierte Änderung der [[Geschwindigkeit]] (Beschleunigung, Bremsung) oder ihrer Richtung. Für größere Änderungen ist ein abschaltbarer [[Raketenmotor]] erforderlich (mit [[Flüssigkeitsrakete|flüssigem]] Treibstoff oder evtl. mit [[Ionenantrieb]]), für kleinere Änderungen genügen Düsen für komprimiertes Gas.
Gegenstand von Bahnmanövern ist immer eine dosierte Änderung der [[Geschwindigkeit]] (Beschleunigung, Bremsung) in Betrag und/oder Richtung. Für größere Änderungen ist ein abschaltbarer [[Raketenmotor]] erforderlich (mit [[Flüssigkeitsrakete|flüssigem]] Treibstoff oder evtl. mit [[Ionenantrieb]]); für kleinere Änderungen genügen Düsen für komprimiertes Gas.


Da neben der Dosierung des Rückstoßes (nach hinten bzw. vorne) auch seine genaue ''Richtung'' entscheidend ist, muss der Flugkörper im Raum [[Stabilisierung (Raumfahrt)|stabilisiert]] sein (gravitative, [[magnetisch]]e oder [[Kreiselstabilisierung]]). Diese Instrumente können auch durch [[Sternsensor]]en ergänzt oder überprüft werden.
Da neben der Dosierung des Rückstoßes (nach hinten, bzw. vorne) auch seine genaue ''Richtung'' entscheidend ist, muss der Flugkörper im [[Raum (Physik)|Raum]] [[Stabilisierung (Raumfahrt)|stabilisiert]] sein (gravitative, [[magnetisch]]e oder [[Kreiselstabilisierung]]). Diese Instrumente können auch durch geeignete Sensoren wie [[Sternsensor]]en ergänzt oder überprüft werden.


Der Zweck eines Bahnmanövers kann sein:
Der Zweck eines Bahnmanövers kann sein:
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** die Änderung der [[Bahnebene]] (durch seitliche Beschleunigung)
** die Änderung der [[Bahnebene]] (durch seitliche Beschleunigung)
** eine kleine [[Kurskorrektur]] (meist durch Gasdüsen);
** eine kleine [[Kurskorrektur]] (meist durch Gasdüsen);
* bei [[Mondsonde]]n oder interplanetaren [[Raumsonde]]n :
* bei [[Mondsonde]]n oder interplanetaren [[Raumsonde]]n:
** die Vergrößerung oder Verkleinerung der Bahnachse (siehe oben)
** die Vergrößerung oder Verkleinerung der Bahnachse (siehe oben)
** das Ansteuern einer [[Übergangsbahn]] zu einem anderen Himmelskörper
** das Ansteuern einer [[Übergangsbahn]] zu einem anderen Himmelskörper
** das Einschwenken in eine [[Umlaufbahn]] um diesen (siehe auch [[Mondsatellit]])
** das Einschwenken in eine [[Umlaufbahn]] um diesen (siehe auch [[Mondsatellit]]) oder das Verlassen einer solchen zu Weiterflug oder Rückkehr
** die Einleitung eines [[Landemanöver]]s  
** die Einleitung eines [[Landemanöver]]s
** das Ansteuern eines [[Swing-by]] an einem Himmelskörper ([[Gravitationsmanöver]]s zur Erhöhung oder Erniedrigung der Bahnenergie)
** das Ansteuern eines [[Swing-by]] an einem Himmelskörper ([[Gravitationsmanöver]]s zur Erhöhung oder Erniedrigung der Bahnenergie)
** Kurskorrekturen zur Feinabstimmung der Flugbahn oder ihres Zeitablaufs.
** Kurskorrekturen zur Feinabstimmung der Flugbahn oder ihres Zeitablaufs.


== Geschichtliche Entwicklung ==
== Geschichtliche Entwicklung ==
In den ersten Jahren der Raumfahrt war die Technik von Bahnmanövern noch nicht entwickelt, sodass die erreichten Bahnen ausschließlich davon abhingen, wie genau der [[Raketenstart]] gesteuert werden konnte. Die Abweichungen der Brenndauer bzw. der [[Brennschluss]]geschwindigkeit vom Sollwert betrugen typischerweise einige Promille, die Richtungsfehler einige Zehntelgrad. Bei den ersten [[Mondsonde]]n bewirkten diese Fehler, dass z. B. aus einer geplanten "[[Harte Landung|harten Landung]]" auf dem Erdtrabanten ein [[Vorbeiflug (Raumfahrt)|Vorbeiflug]] im Abstand zehntausender Kilometer wurde.
In den ersten Jahren der Raumfahrt war die Technik von Bahnmanövern noch nicht entwickelt, sodass die erreichten Bahnen ausschließlich davon abhingen, wie genau der [[Raketenstart]] gesteuert werden konnte. Die Abweichungen der Brenndauer bzw. der [[Brennschluss]]geschwindigkeit vom [[Sollwert]] betrugen typischerweise einige Promille, die Richtungsfehler einige Zehntelgrad. Bei den ersten [[Mondsonde]]n bewirkten diese Fehler, dass z. B. aus einer geplanten "[[Harte Landung|harten Landung]]" auf dem Erdtrabanten ein [[Vorbeiflug (Raumfahrt)|Vorbeiflug]] im Abstand zehntausender Kilometer wurde.


Später ging man dazu über, vor der [[Übergangsbahn]] zum Mond oder zu Mars/Venus eine sogenannte [[Satellitenorbit#Parkbahn|Parkbahn]] um die Erde einzuschieben. Nach genauer [[Bahnbestimmung|Bahnvermessung]] konnte dann die erforderliche [[Beschleunigung]] wesentlich genauer dosiert werden, als direkt mit einer längeren Brenndauer der obersten [[Raketenstufe]].
Später ging man dazu über, vor der [[Übergangsbahn]] zum Mond oder zu Mars/Venus eine sogenannte [[Satellitenorbit#Parkbahn|Parkbahn]] um die Erde einzuschieben. Nach genauer [[Bahnbestimmung|Bahnvermessung]] konnte dann die erforderliche [[Beschleunigung]] wesentlich genauer dosiert werden, als direkt mit einer längeren Brenndauer der obersten [[Raketenstufe]].


Der Flug heutiger Raumsonden kann hundert- bis tausendfach genauer als damals gesteuert werden, was aber eine komplexe Aufeinanderfolge mehrerer Bahnmanöver erfordert. Das erste Mal wurde eine solche Serie von Manövern beim Flug der Merkursonde [[Mariner#Mariner 10|Mariner 10]] zwischen November 1972 und März 1975 angewandt:
Der Flug heutiger Raumsonden kann hundert- bis tausendfach genauer als damals gesteuert werden, was aber eine komplexe Aufeinanderfolge mehrerer Bahnmanöver erfordert. Das erste Mal wurde eine solche Serie von Manövern beim Flug der Merkursonde [[Mariner#Mariner 10|Mariner 10]] zwischen November 1972 und März 1975 angewandt:
* Genaue Bahnbestimmung der Parkbahn  
* Genaue Bahnbestimmung der Parkbahn
* Einschuss in eine Übergangsbahn zum Planeten [[Venus (Planet)|Venus]]
* Einschuss in eine Übergangsbahn zum Planeten [[Venus (Planet)|Venus]]
* Bahnmanöver für ein genaues [[Swing-by]] an der Venus, was die [[Bahnenergie]] um 60 % verringerte (ist zum Erreichen [[Innere Planeten|sonnennaher]] Planeten erforderlich)
* Bahnmanöver für ein genaues [[Swing-by]] an der Venus, was die [[Bahnenergie]] um 60 % verringerte (ist zum Erreichen [[Innere Planeten|sonnennaher]] Planeten erforderlich)
* feine Modifikation der Bahnachse (Abstand von der [[Sonne]])
* feine Modifikation der Bahnachse (Abstand von der [[Sonne]])
* letzte [[Kurskorrektur]]en in Merkurnähe für den ersten Vorbeiflug
* letzte [[Kurskorrektur]]en in Merkurnähe für den ersten Vorbeiflug
* zeitliche Abstimmung des Sonnenumlaufs, um nach zwei Merkurumläufen (2x 88 Tage) nochmals in dessen Nähe zu gelangen
* zeitliche Abstimmung des Sonnenumlaufs, um nach zwei Merkurumläufen (88 Tage) nochmals in dessen Nähe zu gelangen
* Bahnkorrekturen für einen dritten Anflug in geringerer Flughöhe.
* Bahnkorrekturen für einen dritten Anflug in geringerer Flughöhe.


Noch komplizierter waren die Flüge der [[Voyager-Programm|Voyager]]-Sonden zu Jupiter und den äußeren [[Gasplanet]]en, wobei noch spezielle Annäherungen an einige [[Jupitermonde]] durchgeführt wurden.
Noch komplizierter waren die Flüge der [[Voyager-Programm|Voyager]]-Sonden zu Jupiter und den äußeren [[Gasplanet]]en, wobei noch spezielle Annäherungen an einige [[Jupitermonde]] durchgeführt wurden.


Auch die neueren [[Komet]]ensonden und die Plutosonde [[New Horizons]] wurden so gesteuert, dass [[Gravity-Assist]]-Manöver und Vorbeiflüge an weiteren Himmelskörpern möglich wurden.
Auch die neueren [[Komet]]ensonden und die Plutosonde [[New Horizons]] wurden so gezielt gesteuert, dass [[Gravity-Assist]]-Manöver und Vorbeiflüge an weiteren Himmelskörpern möglich wurden.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
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* [[Richard Heinrich Giese]]: ''Weltraumforschung'' Band I, Kapitel IV ''Anwendung der Raumflugmechanik''. BI-Hochschultaschenbuch 107/107a, Bibliogr.Inst., Mannheim 1966
* [[Richard Heinrich Giese]]: ''Weltraumforschung'' Band I, Kapitel IV ''Anwendung der Raumflugmechanik''. BI-Hochschultaschenbuch 107/107a, Bibliogr.Inst., Mannheim 1966
* August W. Quick: ''Komponenten der Raumfahrt. Steuerung und Regelung in der Raumfahrttechnik''. Springer-Taschenbuch, 2013
* August W. Quick: ''Komponenten der Raumfahrt. Steuerung und Regelung in der Raumfahrttechnik''. Springer-Taschenbuch, 2013
* Manfred Baur: ''Planeten und Raumfahrt - Expedition ins All''. Tessloff-Verlag 2001
* Manfred Baur: ''Planeten und Raumfahrt Expedition ins All''. Tessloff-Verlag 2001


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[[Kategorie:Raumfahrtphysik]]
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[[Kategorie:Himmelsmechanik]]
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Aktuelle Version vom 3. Oktober 2020, 11:48 Uhr

Als Bahnmanöver wird in der Raumfahrt und Himmelsmechanik bzw. Raumflugmechanik ein Vorgang bezeichnet, mit dem ein künstlicher Erdsatellit oder ein interplanetarer Flugkörper durch zeitlich begrenzte Zündung eines Rückstoß-Motors gezielt auf eine andere Bahn gebracht wird.

Gegenstand von Bahnmanövern ist immer eine dosierte Änderung der Geschwindigkeit (Beschleunigung, Bremsung) in Betrag und/oder Richtung. Für größere Änderungen ist ein abschaltbarer Raketenmotor erforderlich (mit flüssigem Treibstoff oder evtl. mit Ionenantrieb); für kleinere Änderungen genügen Düsen für komprimiertes Gas.

Da neben der Dosierung des Rückstoßes (nach hinten, bzw. vorne) auch seine genaue Richtung entscheidend ist, muss der Flugkörper im Raum stabilisiert sein (gravitative, magnetische oder Kreiselstabilisierung). Diese Instrumente können auch durch geeignete Sensoren wie Sternsensoren ergänzt oder überprüft werden.

Der Zweck eines Bahnmanövers kann sein:

  • bei Erdsatelliten bzw. bei künstlichen Satelliten um den Mond oder andere Planeten:
    • die Vergrößerung der Bahnachse (Flughöhe) oder Umlaufzeit (durch Beschleunigung)
    • die Verringerung der Bahnachse, Flughöhe oder Umlaufzeit (durch Bremsung)
    • die Erzielung einer bestimmten Bahnform (z. B. Kreisbahn, Rendezvousmanöver, sonnensynchrone Bahn)
    • die Änderung der Bahnebene (durch seitliche Beschleunigung)
    • eine kleine Kurskorrektur (meist durch Gasdüsen);
  • bei Mondsonden oder interplanetaren Raumsonden:
    • die Vergrößerung oder Verkleinerung der Bahnachse (siehe oben)
    • das Ansteuern einer Übergangsbahn zu einem anderen Himmelskörper
    • das Einschwenken in eine Umlaufbahn um diesen (siehe auch Mondsatellit) oder das Verlassen einer solchen zu Weiterflug oder Rückkehr
    • die Einleitung eines Landemanövers
    • das Ansteuern eines Swing-by an einem Himmelskörper (Gravitationsmanövers zur Erhöhung oder Erniedrigung der Bahnenergie)
    • Kurskorrekturen zur Feinabstimmung der Flugbahn oder ihres Zeitablaufs.

Geschichtliche Entwicklung

In den ersten Jahren der Raumfahrt war die Technik von Bahnmanövern noch nicht entwickelt, sodass die erreichten Bahnen ausschließlich davon abhingen, wie genau der Raketenstart gesteuert werden konnte. Die Abweichungen der Brenndauer bzw. der Brennschlussgeschwindigkeit vom Sollwert betrugen typischerweise einige Promille, die Richtungsfehler einige Zehntelgrad. Bei den ersten Mondsonden bewirkten diese Fehler, dass z. B. aus einer geplanten "harten Landung" auf dem Erdtrabanten ein Vorbeiflug im Abstand zehntausender Kilometer wurde.

Später ging man dazu über, vor der Übergangsbahn zum Mond oder zu Mars/Venus eine sogenannte Parkbahn um die Erde einzuschieben. Nach genauer Bahnvermessung konnte dann die erforderliche Beschleunigung wesentlich genauer dosiert werden, als direkt mit einer längeren Brenndauer der obersten Raketenstufe.

Der Flug heutiger Raumsonden kann hundert- bis tausendfach genauer als damals gesteuert werden, was aber eine komplexe Aufeinanderfolge mehrerer Bahnmanöver erfordert. Das erste Mal wurde eine solche Serie von Manövern beim Flug der Merkursonde Mariner 10 zwischen November 1972 und März 1975 angewandt:

  • Genaue Bahnbestimmung der Parkbahn
  • Einschuss in eine Übergangsbahn zum Planeten Venus
  • Bahnmanöver für ein genaues Swing-by an der Venus, was die Bahnenergie um 60 % verringerte (ist zum Erreichen sonnennaher Planeten erforderlich)
  • feine Modifikation der Bahnachse (Abstand von der Sonne)
  • letzte Kurskorrekturen in Merkurnähe für den ersten Vorbeiflug
  • zeitliche Abstimmung des Sonnenumlaufs, um nach zwei Merkurumläufen (2× 88 Tage) nochmals in dessen Nähe zu gelangen
  • Bahnkorrekturen für einen dritten Anflug in geringerer Flughöhe.

Noch komplizierter waren die Flüge der Voyager-Sonden zu Jupiter und den äußeren Gasplaneten, wobei noch spezielle Annäherungen an einige Jupitermonde durchgeführt wurden.

Auch die neueren Kometensonden und die Plutosonde New Horizons wurden so gezielt gesteuert, dass Gravity-Assist-Manöver und Vorbeiflüge an weiteren Himmelskörpern möglich wurden.

Siehe auch

  • Interplanetare Navigation

Literatur

  • Richard Heinrich Giese: Weltraumforschung Band I, Kapitel IV Anwendung der Raumflugmechanik. BI-Hochschultaschenbuch 107/107a, Bibliogr.Inst., Mannheim 1966
  • August W. Quick: Komponenten der Raumfahrt. Steuerung und Regelung in der Raumfahrttechnik. Springer-Taschenbuch, 2013
  • Manfred Baur: Planeten und Raumfahrt – Expedition ins All. Tessloff-Verlag 2001