Günther Rüdiger: Unterschied zwischen den Versionen

Günther Rüdiger: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Günther Rüdiger''' (* [[1944]] in [[Dresden]]) ist ein deutscher [[Astrophysik]]er.
'''Günther Rüdiger''' (* [[15. Dezember]] [[1944]] in [[Dresden]]) ist ein deutscher [[Astrophysik]]er.


== Leben ==
== Leben ==
Günther Rüdiger besuchte die damalige EOS Dresden-Süd (heute [[Gymnasium Dresden-Plauen]]) bis 1963 und studierte bis 1968 Astrophysik an der [[Universität Jena]] (Universitätspreis 1967). Er promovierte 1972 an der [[Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin|Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin]] unter Anleitung von [[Fritz Krause (Physiker)|Fritz Krause]]. Nach 1989 war Rüdiger einer der beiden Verfasser des „Memorandums zur außeruniversitären Forschung in Brandenburg“ (1991), war Mitbegründer der [[Forschungsinitiative Brandenburg]], Mitglied des ersten Rundfunkrates des damaligen [[Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg |Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg]] (als Vertreter der Wissenschaft) und der Stadtverordnetenversammlung in [[Potsdam]] (1998–2003). Seit 2005 ist Günther Rüdiger der Managing Editor der weltweit ältesten Fachzeitschrift [[Astronomische Nachrichten|Astronomische Nachrichten/Astronomical Notes]] (gegründet 1821).
Günther Rüdiger besuchte die [[Erweiterte Oberschule|EOS]] Dresden-Süd (heute [[Gymnasium Dresden-Plauen]]) bis 1963 und studierte bis 1968 Astrophysik an der [[Friedrich-Schiller-Universität Jena]] (Universitätspreis 1967). In der Diplomarbeit, die er als Astronomiestudent am Institut für Magnetohydrodynamik unter Leitung von [[Max Steenbeck]] anfertigte, wurden erstmals die Anregungsbedingungen eines turbulenten Wechselfelddynamos als Modell der [[Sonnenaktivität| zyklischen Sonnenaktivität]] ausgerechnet. Er promovierte 1972 an der [[Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin|Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin]] unter Anleitung von [[Fritz Krause (Physiker)|Fritz Krause]] über den Drehimpulstransport in rotierenden turbulenten Medien. Nach 1989 war Rüdiger einer der beiden Verfasser des „Memorandums zur außeruniversitären Forschung in Brandenburg“ (1991), war Mitbegründer der [[Forschungsinitiative Brandenburg]], Mitglied des ersten Rundfunkrates des damaligen [[Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg |Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg]] (als Vertreter der Wissenschaft) und der Stadtverordnetenversammlung in [[Potsdam]] (1998–2003). Von 2005 bis 2019 agierte Günther Rüdiger als Managing Editor der weltweit ältesten astronomischen Fachzeitschrift [[Astronomische Nachrichten|Astronomische Nachrichten/Astronomical Notes]] (gegründet 1821).


== Wissenschaftliches Wirken ==
== Wissenschaftliches Wirken ==


Er leitete von 1992 bis 2009 die Abteilung „Turbulenzastrophysik“ am Bereich Kosmische Magnetfelder des heutigen [[Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam|Leibniz-Institutes für Astrophysik Potsdam]] (AIP). Hier entwickelte er mit [[Rainer Hollerbach]] die Theorie magnetohydrodynamischer Experimente zur Stabilität magnetischer Felder in zylindrischen [[Couette-Strömung|Taylor-Couette-Strömungen]], die mit elektrisch-leitfähigen flüssigen Metallen gefüllt sind. Die Experimente wurden im [[Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf|Helmholtz-Zentrum Dresden Rossendorf]] (HZDR) unter Leitung von [[Gunter Gerbeth]] durchgeführt und ausgewertet.<ref>F. Stefani, Th. Gundrum, G. Gerbeth et al.: Experimental evidence for Magnetorotational Instability in a Taylor-Couette flow under the influence of a helical magnetic field ''Phys. Rev. Lett.'' 97 (2006) 4502</ref> Sie demonstrieren die Fähigkeit genügend starker azimuthaler Magnetfelder zur Erzeugung solcher sekundärer Strömungen, wie sie in der [[Dynamotheorie]] und zur Erklärung der Stern- und [[Planetensystem]]entstehung benötigt werden. Für das Experiment ''PROMISE'' („PotsdamROssendorfMagneticInStabilityExperiment“) erhielten er und [[Frank Stefani]] vom Helmholtz-Zentrum Dresden Rossendorf den Wissenschaftspreis des [[Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft|Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft]] des Jahres 2008.
Er leitete von 1992 bis 2009 die Abteilung „Turbulenzastrophysik“ am Bereich Kosmische Magnetfelder des heutigen [[Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam|Leibniz-Institutes für Astrophysik Potsdam]] (AIP). Hier entwickelte er mit [[Rainer Hollerbach]] die Theorie magnetohydrodynamischer Experimente zur Stabilität magnetischer Felder in zylindrischen [[Couette-Strömung|Taylor-Couette-Strömungen]], die mit elektrisch-leitfähigen flüssigen Metallen gefüllt sind. Die Experimente wurden im [[Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf|Helmholtz-Zentrum Dresden Rossendorf]] (HZDR) unter Leitung von [[Gunter Gerbeth]] durchgeführt und ausgewertet. Damit gelang der erste experimenteller Nachweis der [[Magnetorotationsinstabilität]]<ref>F. Stefani, Th. Gundrum, G. Gerbeth et al.: Experimental evidence for Magnetorotational Instability in a Taylor-Couette flow under the influence of a helical magnetic field ''Phys. Rev. Lett.'' 97 (2006) 4502</ref>. Sie demonstrieren die Fähigkeit genügend starker azimutaler Magnetfelder zur Erzeugung solcher sekundärer Strömungen, wie sie in der [[Dynamotheorie]] und zur Erklärung der Stern- und [[Planetensystem]]entstehung benötigt werden. Für das Experiment ''PROMISE'' („PotsdamROssendorfMagneticInStabilityExperiment“) erhielten er und [[Frank Stefani]] vom Helmholtz-Zentrum Dresden Rossendorf den [[Wissenschaftspreis: Gesellschaft braucht Wissenschaft]] des Jahres 2008. Später konnte theoretisch gezeigt werden, dass sogar der Prototyp  stabiler [[Couette-Strömung|Taylor-Couette-Strömungen]], deren Winkelgeschwindigkeit nach außen wächst, unter dem Einfluss schwacher stromfreier azimutaler Magnetfelder schnell zerfällt ("Super-AMRI")<ref>G. Rüdiger, M. Schultz, M. Gellert, F. Stefani: Azimuthal magnetorotational instability with super-rotation ''Journal of Plasma Physics'' 84 (2018) 014105</ref>.


Am [[Astrophysikalisches Observatorium Potsdam|Astrophysikalischen Observatorium Potsdam]] formulierte er früh die Grundlagen der Theorie des Drehimpulstransportes in stellaren [[Konvektion|Konvektionszonen]] („Lambda-Effekt“), mit der das universale Phänomen der [[Differentielle Rotation|differentiellen Rotation]] der Sonnenoberfläche und mittlerweile 10.000 weiterer sonnenähnlicher Sterne<ref>T. Reinhold, A. Reiners, G. Basri: Rotation and differential rotation of active Kepler stars ''Astron. Astrophys.'' 560 (2013) A4</ref> eine einfache Erklärung findet. Im Gegensatz zu allen Turbulenzzellen in Laboratorien verhalten sich die Riesenzellen in der solaren Turbulenz nicht nach der
Am [[Astrophysikalisches Observatorium Potsdam|Astrophysikalischen Observatorium Potsdam]] formulierte er früh die Grundlagen der Theorie des Drehimpulstransportes in stellaren [[Konvektion]]szonen („Lambda-Effekt“), mit der das universale Phänomen der [[Differentielle Rotation|differentiellen Rotation]] der Sonnenoberfläche und mittlerweile 10.000 weiterer sonnenähnlicher Sterne<ref>T. Reinhold, A. Reiners, G. Basri: Rotation and differential rotation of active Kepler stars ''Astron. Astrophys.'' 560 (2013) A4</ref> eine einfache Erklärung findet. Im Gegensatz zu allen Turbulenzzellen in Laboratorien verhalten sich die Riesenzellen in der solaren Turbulenz nicht nach der
Hypothese von [[Joseph Boussinesq]] von 1897,<ref>J. Boussinesq: Theorie de l'ecoulement tourbillonnant et tumultueux des liquides, ''Comptes Rendus de l'Acad. des Sciences'', Gauthier-Villars et fils, 1897 Paris</ref> sondern transportieren ihren Drehimpuls bevorzugt in Richtung schnellerer Rotation. Neuere Daten der NASA Mission [[Solar Dynamics Observatory]] unterstützen auf direkte Weise diese Grundannahme der Theorie.<ref>D. H. Hathaway, L. Upton, O. Colegrove: Giant convection cells found on the Sun ''Science'' 342 (2013) 1217</ref>
Hypothese von [[Joseph Boussinesq]] von 1897,<ref>J. Boussinesq: Theorie de l'ecoulement tourbillonnant et tumultueux des liquides, ''Comptes Rendus de l'Acad. des Sciences'', Gauthier-Villars et fils, 1897 Paris</ref> sondern transportieren ihren Drehimpuls bevorzugt in Richtung schnellerer Rotation. Neuere Daten der NASA-Mission [[Solar Dynamics Observatory]] unterstützen auf direkte Weise diese Grundannahme der Theorie<ref>D. H. Hathaway, L. Upton, O. Colegrove: Giant convection cells found on the Sun ''Science'' 342 (2013) 1217</ref>.


Gemeinsam mit Leonid L. Kitchatinov wurde 1997 festgestellt, dass der sehr schnelle Übergang der Rotationsgesetze von Kern und Hülle der Sonne (die sogenannte [[Tachocline-Region]]) als Wirkung der [[Lorentzkraft]] verstanden werden kann, wenn im Sonneninneren ein schwaches, fossiles und unbeobachtbares Magnetfeld von wenigen [[Gauß (Einheit)|Milligauß]] Stärke existiert<ref>G. Rüdiger, L.L. Kitchatinov: The slender solar tachocline ''Astronomische Nachrichten'' 318 (1997) 273</ref>.
Gemeinsam mit [[Leonid Leonidowitsch Kitschatinow|Leonid Kitchatinov]] (Irkutsk) wurde 1997 festgestellt, dass der sehr schnelle Übergang der Rotationsperioden von Kern und Hülle der Sonne (die sogenannte [[Tachocline-Region]]) als Wirkung der [[Lorentzkraft]] verstanden werden kann, wenn im Sonneninneren ein schwaches, fossiles und unbeobachtbares Magnetfeld von wenigen [[Gauß (Einheit)|Milligauß]] Stärke existiert<ref>G. Rüdiger, L.L. Kitchatinov: The slender solar tachocline ''Astronomische Nachrichten'' 318 (1997) 273</ref>.


== Bücher ==
== Biographische Skizzen ==
*G. Rüdiger: Differential Rotation and Stellar Convection – Sun and Solar-type Stars (1989), Gordon & Breach New York, Akademie-Verlag Berlin
* Kepler stirbt ([[Johannes Kepler]])
*G. Rüdiger, R. Hollerbach: The Magnetic Universe – Geophysical and Astrophysical Dynamo Theory (2004) Wiley-VCH
* Ein sächsischer Komet ([[Johann Georg Palitzsch]])
*G. Rüdiger, L.L. Kitchatinov, R. Hollerbach: Magnetic Processes in Astrophysics – Theory, Simulations, Experiments (2013) Wiley-VCH
* Zwischen Himmel und Erde ([[Tobias Mayer]], [[Wilhelm Herschel]])
* Augen-Blicke, das "wahre" Leben des [[Samuel Heinrich Schwabe]]
* Lüttenort ([[Karen Schacht]], [[Otto Niemeyer-Holstein]])
* GROTRIAN ([[Walter Grotrian]])
* Ikarus von Kühlungsborn ([[Ernst August Lauter]])
* Wechseljahre (Jena, [[Hoheneck (Gefängnis)|Hoheneck]], Potsdam)
 
== Bücher und Reviews ==
* G. Rüdiger: Differential Rotation and Stellar Convection – Sun and Solar-type Stars, Gordon & Breach New York, Akademie-Verlag Berlin 1989
* G. Rüdiger, R. Hollerbach: The Magnetic Universe – Geophysical and Astrophysical Dynamo Theory, Wiley-VCH 2004
* G. Rüdiger, L.L. Kitchatinov, R. Hollerbach: Magnetic Processes in Astrophysics – Theory, Simulations, Experiments, Wiley-VCH 2013
* G. Rüdiger, M. Gellert, R. Hollerbach, M. Schultz, F. Stefani: Stability and instability of hydromagnetic Taylor-Couette flows, Physics Reports, Band 741, 2018, S. 1-89, [https://arxiv.org/abs/1703.09919 Arxiv]
 
== Als Herausgeber ==
* I. Tuominen, D. Moss, G. Rüdiger: The Sun and Cool Stars: activity, magnetism, dynamos, Springer 1991
* F. Krause, K.-H. Rädler, G. Rüdiger: The Cosmic Dynamo, Kluwer 1993
* R. Rosner, G. Rüdiger, A. Bonanno: MHD Couette Flows, experiments and models, American Institute of Physics 2004


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.aip.de/~rue/ Homepage von Günther Rüdiger] ([[Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam]])
* [https://guenther-ruediger.com pers. Homepage von Günther Rüdiger, Astronom]
* [https://www.aip.de/Members/gruediger Homepage von Günther Rüdiger] ([[Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam]])
* [http://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/auszeichnungen/wissenschaftspreis/preistraeger-2008/ Die Preisträger 2008] Mitteilung der [[Leibniz-Gemeinschaft]] zum Preis des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft "Gesellschaft braucht Wissenschaft"
* [http://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/auszeichnungen/wissenschaftspreis/preistraeger-2008/ Die Preisträger 2008] Mitteilung der [[Leibniz-Gemeinschaft]] zum Preis des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft "Gesellschaft braucht Wissenschaft"
* [https://www.hzdr.de/db/Cms?pOid=30881&pNid=2931/ FZD Journal 05.10] [[Roland Knauer]] über "Kosmische Bremsen", zum Experiment PROMISE im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (März 2010)
* [https://www.hzdr.de/db/Cms?pOid=30881&pNid=2931/ FZD Journal 05.10] [[Roland Knauer]] über "Kosmische Bremsen", zum Experiment PROMISE im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (2010)
* [http://www.pnn.de/campus/911871/ „Das Rätsel der solaren Monster-Wirbel“] Artikel der [[Potsdamer Neueste Nachrichten|Potsdamer Neuesten Nachrichten]] über Rüdiger und seine Theorie vom Lambda-Effekt (19. November 2014)
* [https://www.youtube.com/watch?v=pGQUcVJuaKs/ PROMISE und die Entstehung von Sternen, Planeten und Schwarzen Löchern] Institut für Fluiddynamik am HZRD (Video 2017)
* [http://www.pnn.de/campus/911871/ „Das Rätsel der solaren Monster-Wirbel“] Artikel der [[Potsdamer Neueste Nachrichten|Potsdamer Neuesten Nachrichten]] über G. Rüdiger und seine Theorie vom Lambda-Effekt (19. November 2014)
* [https://ui.adsabs.harvard.edu/search/fq=%7B!type%3Daqp%20v%3D%24fq_database%7D&fq_database=database%3A%20(astronomy%20OR%20physics%20OR%20general)&q=author%3A(%22Ruediger%2C%20G.%22)&sort=date%20desc%2C%20bibcode%20desc&p_=0/ Wissenschaftliche Publikationen (gesamt)]
* [https://htt2977547.wordpress.com Biographische Skizzen  (s.o.) von Günther Rüdiger]
 
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Aktuelle Version vom 16. Februar 2021, 12:38 Uhr

Günther Rüdiger (* 15. Dezember 1944 in Dresden) ist ein deutscher Astrophysiker.

Leben

Günther Rüdiger besuchte die EOS Dresden-Süd (heute Gymnasium Dresden-Plauen) bis 1963 und studierte bis 1968 Astrophysik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Universitätspreis 1967). In der Diplomarbeit, die er als Astronomiestudent am Institut für Magnetohydrodynamik unter Leitung von Max Steenbeck anfertigte, wurden erstmals die Anregungsbedingungen eines turbulenten Wechselfelddynamos als Modell der zyklischen Sonnenaktivität ausgerechnet. Er promovierte 1972 an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin unter Anleitung von Fritz Krause über den Drehimpulstransport in rotierenden turbulenten Medien. Nach 1989 war Rüdiger einer der beiden Verfasser des „Memorandums zur außeruniversitären Forschung in Brandenburg“ (1991), war Mitbegründer der Forschungsinitiative Brandenburg, Mitglied des ersten Rundfunkrates des damaligen Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg (als Vertreter der Wissenschaft) und der Stadtverordnetenversammlung in Potsdam (1998–2003). Von 2005 bis 2019 agierte Günther Rüdiger als Managing Editor der weltweit ältesten astronomischen Fachzeitschrift Astronomische Nachrichten/Astronomical Notes (gegründet 1821).

Wissenschaftliches Wirken

Er leitete von 1992 bis 2009 die Abteilung „Turbulenzastrophysik“ am Bereich Kosmische Magnetfelder des heutigen Leibniz-Institutes für Astrophysik Potsdam (AIP). Hier entwickelte er mit Rainer Hollerbach die Theorie magnetohydrodynamischer Experimente zur Stabilität magnetischer Felder in zylindrischen Taylor-Couette-Strömungen, die mit elektrisch-leitfähigen flüssigen Metallen gefüllt sind. Die Experimente wurden im Helmholtz-Zentrum Dresden Rossendorf (HZDR) unter Leitung von Gunter Gerbeth durchgeführt und ausgewertet. Damit gelang der erste experimenteller Nachweis der Magnetorotationsinstabilität[1]. Sie demonstrieren die Fähigkeit genügend starker azimutaler Magnetfelder zur Erzeugung solcher sekundärer Strömungen, wie sie in der Dynamotheorie und zur Erklärung der Stern- und Planetensystementstehung benötigt werden. Für das Experiment PROMISE („PotsdamROssendorfMagneticInStabilityExperiment“) erhielten er und Frank Stefani vom Helmholtz-Zentrum Dresden Rossendorf den Wissenschaftspreis: Gesellschaft braucht Wissenschaft des Jahres 2008. Später konnte theoretisch gezeigt werden, dass sogar der Prototyp stabiler Taylor-Couette-Strömungen, deren Winkelgeschwindigkeit nach außen wächst, unter dem Einfluss schwacher stromfreier azimutaler Magnetfelder schnell zerfällt ("Super-AMRI")[2].

Am Astrophysikalischen Observatorium Potsdam formulierte er früh die Grundlagen der Theorie des Drehimpulstransportes in stellaren Konvektionszonen („Lambda-Effekt“), mit der das universale Phänomen der differentiellen Rotation der Sonnenoberfläche und mittlerweile 10.000 weiterer sonnenähnlicher Sterne[3] eine einfache Erklärung findet. Im Gegensatz zu allen Turbulenzzellen in Laboratorien verhalten sich die Riesenzellen in der solaren Turbulenz nicht nach der Hypothese von Joseph Boussinesq von 1897,[4] sondern transportieren ihren Drehimpuls bevorzugt in Richtung schnellerer Rotation. Neuere Daten der NASA-Mission Solar Dynamics Observatory unterstützen auf direkte Weise diese Grundannahme der Theorie[5].

Gemeinsam mit Leonid Kitchatinov (Irkutsk) wurde 1997 festgestellt, dass der sehr schnelle Übergang der Rotationsperioden von Kern und Hülle der Sonne (die sogenannte Tachocline-Region) als Wirkung der Lorentzkraft verstanden werden kann, wenn im Sonneninneren ein schwaches, fossiles und unbeobachtbares Magnetfeld von wenigen Milligauß Stärke existiert[6].

Biographische Skizzen

Bücher und Reviews

  • G. Rüdiger: Differential Rotation and Stellar Convection – Sun and Solar-type Stars, Gordon & Breach New York, Akademie-Verlag Berlin 1989
  • G. Rüdiger, R. Hollerbach: The Magnetic Universe – Geophysical and Astrophysical Dynamo Theory, Wiley-VCH 2004
  • G. Rüdiger, L.L. Kitchatinov, R. Hollerbach: Magnetic Processes in Astrophysics – Theory, Simulations, Experiments, Wiley-VCH 2013
  • G. Rüdiger, M. Gellert, R. Hollerbach, M. Schultz, F. Stefani: Stability and instability of hydromagnetic Taylor-Couette flows, Physics Reports, Band 741, 2018, S. 1-89, Arxiv

Als Herausgeber

  • I. Tuominen, D. Moss, G. Rüdiger: The Sun and Cool Stars: activity, magnetism, dynamos, Springer 1991
  • F. Krause, K.-H. Rädler, G. Rüdiger: The Cosmic Dynamo, Kluwer 1993
  • R. Rosner, G. Rüdiger, A. Bonanno: MHD Couette Flows, experiments and models, American Institute of Physics 2004

Einzelnachweise

  1. F. Stefani, Th. Gundrum, G. Gerbeth et al.: Experimental evidence for Magnetorotational Instability in a Taylor-Couette flow under the influence of a helical magnetic field Phys. Rev. Lett. 97 (2006) 4502
  2. G. Rüdiger, M. Schultz, M. Gellert, F. Stefani: Azimuthal magnetorotational instability with super-rotation Journal of Plasma Physics 84 (2018) 014105
  3. T. Reinhold, A. Reiners, G. Basri: Rotation and differential rotation of active Kepler stars Astron. Astrophys. 560 (2013) A4
  4. J. Boussinesq: Theorie de l'ecoulement tourbillonnant et tumultueux des liquides, Comptes Rendus de l'Acad. des Sciences, Gauthier-Villars et fils, 1897 Paris
  5. D. H. Hathaway, L. Upton, O. Colegrove: Giant convection cells found on the Sun Science 342 (2013) 1217
  6. G. Rüdiger, L.L. Kitchatinov: The slender solar tachocline Astronomische Nachrichten 318 (1997) 273

Weblinks