Hamilton-Jacobi-Formalismus: Unterschied zwischen den Versionen

Hamilton-Jacobi-Formalismus: Unterschied zwischen den Versionen

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(Das folgt nicht aus dem Prinzip, sondern aus der Gleichung. Die letzte Textänderung von 79.198.231.113 wurde verworfen und die Version 211125368 von Π π π wiederhergestellt.)
 
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Ziel des '''Hamilton-Jacobi-Formalismus''' (benannt nach den Mathematikern [[William Rowan Hamilton]] und [[Carl Gustav Jakob Jacobi]]) der [[Klassische Mechanik|Klassischen Mechanik]] ist es, die [[Hamiltonsche Bewegungsgleichungen|Hamiltonschen Bewegungsgleichungen]] mittels einer besonderen [[kanonische Transformation|kanonischen Transformation]]
Ziel des '''Hamilton-Jacobi-Formalismus''' (benannt nach den Mathematikern [[William Rowan Hamilton]] und [[Carl Gustav Jakob Jacobi]]) der [[Klassische Mechanik|Klassischen Mechanik]] ist es, die [[Hamiltonsche Bewegungsgleichungen|Hamiltonschen Bewegungsgleichungen]] mittels einer besonderen [[kanonische Transformation|kanonischen Transformation]]


::<math>(q,p) \rightarrow (q',p')</math>  
: <math>(q,p) \rightarrow (q',p')</math>


zu vereinfachen. Dadurch wird eine neue [[Hamilton-Funktion]] erzeugt, die identisch Null ist:
zu vereinfachen. Dadurch wird eine neue [[Hamilton-Funktion]] erzeugt, die identisch Null ist:


:<math>\tilde{H} (q',p',t) = 0</math>
: <math>\tilde{H} (q',p',t) = 0</math>


Dies hat zur Folge, dass sowohl die transformierten [[Generalisierte Koordinate|generalisierten Ortskoordinaten]] <math>q'</math>, als auch ihre [[Generalisierter Impuls|kanonisch konjugierten Impulskoordinaten]] <math>p'</math> [[Erhaltungsgröße]]n sind, dass also alle dynamischen Größen in der neuen Hamilton-Funktion [[zyklische Koordinate]]n sind:
Dies hat zur Folge, dass sowohl die transformierten [[Generalisierte Koordinate|generalisierten Ortskoordinaten]] <math>q'</math>, als auch ihre [[Generalisierter Impuls|kanonisch konjugierten Impulskoordinaten]] <math>p'</math> [[Erhaltungsgröße]]n sind, dass also alle dynamischen Größen in der neuen Hamilton-Funktion [[zyklische Koordinate]]n sind:


:<math>\begin{align}
: <math>\begin{align}
  \frac{\partial\tilde{H}}{\partial p'_{k}} & =\dot{q}'_{k}=0\quad\Leftrightarrow\quad q'_{k}=\mathrm{const}\\
  \frac{\partial\tilde{H}}{\partial p'_{k}} & =\dot{q}'_{k}=0\quad\Leftrightarrow\quad q'_{k}=\mathrm{const}\\
-\frac{\partial\tilde{H}}{\partial q'_{k}} & =\dot{p}'_{k}=0\quad\Leftrightarrow\quad p'_{k}=\mathrm{const}
-\frac{\partial\tilde{H}}{\partial q'_{k}} & =\dot{p}'_{k}=0\quad\Leftrightarrow\quad p'_{k}=\mathrm{const}.
\end{align}</math>.
\end{align}</math>


Diese transformierten Bewegungsgleichungen sind trivial, das Problem verlagert sich stattdessen auf das Finden einer passenden [[Erzeugende]]n <math>S</math>. Indem man ihre [[partielle Ableitung]] nach der Zeit zur untransformierten Hamilton-Funktion addiert, erhält man die transformierte Hamilton-Funktion:
Diese transformierten Bewegungsgleichungen sind trivial, das Problem verlagert sich stattdessen auf das Finden einer passenden [[Erzeugende]]n <math>S</math>. Indem man ihre [[partielle Ableitung]] nach der Zeit zur untransformierten Hamilton-Funktion addiert, erhält man die transformierte Hamilton-Funktion:


:<math>\tilde{H} (q', p', t) = H (q, p, t) + \frac {\partial S}{\partial t} = 0.</math>
: <math>\tilde{H} (q', p', t) = H (q, p, t) + \frac {\partial S}{\partial t} = 0.</math>


Dabei wird speziell eine erzeugende Funktion <math>S (q, p', t)</math> gewählt, die von den alten Ortskoordinaten <math>q</math> und den neuen (konstanten) Impulsen <math>p'</math> abhängt, so dass  
Dabei wird speziell eine erzeugende Funktion <math>S (q, p', t)</math> gewählt, die von den alten Ortskoordinaten <math>q</math> und den neuen (konstanten) Impulsen <math>p'</math> abhängt, so dass


:<math>p_{k}=\frac{\partial S(q_{k},p'_{k},t)}{\partial q_{k}}\ ,\quad q'_{k}=\frac{\partial S(q_{k},p'_{k},t)}{\partial p'_{k}}.</math>
: <math>p_{k}=\frac{\partial S(q_{k},p'_{k},t)}{\partial q_{k}}\ ,\quad q'_{k}=\frac{\partial S(q_{k},p'_{k},t)}{\partial p'_{k}}.</math>


Eingesetzt in <math>\tilde{H} = 0</math> ergibt sich die '''Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung''' für <math>S</math>:
Eingesetzt in <math>\tilde{H} = 0</math> ergibt sich die '''Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung''' für <math>S</math>:


:<math>H \left(q_k, \frac {\partial {S}}{\partial q_k}, t\right) + \frac {\partial S}{\partial t} = 0</math>
: <math>H\!\left(q_k, \frac {\partial {S}}{\partial q_k}, t\right) + \frac {\partial S}{\partial t} = 0</math>


Sie ist eine [[partielle Differentialgleichung]] in den Variablen <math>q_k</math> und <math>t</math> für die ''Hamiltonsche Wirkungsfunktion'' <math>S</math> (die Verwendung des Begriffs „[[Wirkung (Physik)|Wirkung]]“ wird weiter unten begründet).
Sie ist eine [[partielle Differentialgleichung]] in den Variablen <math>q_k</math> und <math>t</math> für die ''Hamiltonsche Wirkungsfunktion'' <math>S</math> (die Verwendung des Begriffs „[[Wirkung (Physik)|Wirkung]]“ wird weiter unten begründet).
== Herleitung der Hamilton-Jacobi-Gleichung aus dem Wirkungsintegral ==
Zur konkreten Herleitung dieser Differentialgleichung betrachtet man das Wirkungsfunktional
: <math>S[q](t)=\int_0^t L(s,q(s),\dot{q}(s))ds</math>
mit der [[Lagrange-Funktion]] <math>L</math>. Die totale Zeitableitung hiervon gibt die Lagrange-Funktion zurück, d.h.
: <math>\frac{dS}{dt}=L</math>.
Sieht man <math>S</math> jedoch als Funktion der Koordinaten <math>q</math> und <math>t</math> an, so ergibt sich für das totale Zeit-Differential
: <math>\frac{dS}{dt}=\frac{\partial S}{\partial t}+\sum \frac{\partial S}{\partial q_k}\frac{dq_k}{dt}=\frac{\partial S}{\partial t}+\sum \frac{\partial S}{\partial q_k}\dot{q_k}</math>.
Die partielle Koordinatenableitung ergibt zusammen mit den [[Lagrange-Formalismus|Euler-Lagrange-Gleichungen]]
: <math>\frac{\partial S}{\partial q_k}=\int_0^t \frac{\partial L}{\partial q_k}ds=\int_0^t \frac{d}{ds}\frac{\partial L}{\partial \dot{q_k}}ds=\frac{\partial L}{\partial \dot{q_k}}=p_k</math>
mit den [[Generalisierter Impuls|kanonischen Impulsen]] <math>p_k</math>. Durch Vergleich der totalen Zeitableitungen von <math>S</math> erhält man somit
: <math>\frac{dS}{dt}=L=\frac{\partial S}{\partial t}+\sum p_k\dot{q_k}</math>,
woraus nach der Definition der [[Hamilton-Funktion]] die behauptete Gleichung sofort folgt.


== Hamilton-Jacobi-Formalismus für nicht explizit zeitabhängige Hamilton-Funktion ==
== Hamilton-Jacobi-Formalismus für nicht explizit zeitabhängige Hamilton-Funktion ==
Für [[Konservatives System|konservative Systeme]] (d.&nbsp;h. <math>H</math> nicht explizit zeitabhängig: <math>H(q, p) \neq H(t)</math>) wird zur ursprünglichen Hamilton-Funktion, die von den alten Impulsen und Orten abhängt, eine erzeugende Funktion <math>S(q,p')</math> konstruiert, die sie in eine neue Hamilton-Funktion transformiert, welche nur noch von den neuen (konstanten) Impulsen abhängt
Für [[Konservatives System|konservative Systeme]] (d.&nbsp;h. <math>H</math> nicht explizit zeitabhängig: <math>H(q, p) \neq H(t)</math>) wird zur ursprünglichen Hamilton-Funktion, die von den alten Impulsen und Orten abhängt, eine erzeugende Funktion <math>S(q,p')</math> konstruiert, die sie in eine neue Hamilton-Funktion transformiert, welche nur noch von den neuen (konstanten) Impulsen abhängt


:<math>H(p,q) \Rightarrow \tilde{H}(p')</math>
:<math>H(q,p) \Rightarrow \tilde{H}(p')</math>


Dabei sind die neuen Impulse Konstanten der Bewegung:
Dabei sind die neuen Impulse Konstanten der Bewegung:
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Benutzt man nun die [[Lagrange-Formalismus|Lagrange´schen Bewegungsgleichungen]] (mit [[Lagrangefunktion]] <math>L = T-V</math>, wobei <math>T</math> die kinetische Energie ist, <math>V(q)</math> das Potential):
Benutzt man nun die [[Lagrange-Formalismus|lagrangeschen Bewegungsgleichungen]] (mit [[Lagrangefunktion]] <math>L = T-V</math>, wobei <math>T</math> die kinetische Energie ist, <math>V(q)</math> das Potential):


:<math>\frac {\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}S(q,p') = \frac {\partial L}{\partial \dot q}\dot q = \frac {\partial T}{\partial \dot q}\dot q = 2T</math>.
:<math>\frac {\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}S(q,p') = \frac {\partial L}{\partial \dot q}\dot q = \frac {\partial T}{\partial \dot q}\dot q = 2T</math>.
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:<math>\frac {1}{2m} \left(\frac{\partial S(q,p')}{\partial q}\right)^2 + U(q) = \tilde H = E.</math>
:<math>\frac {1}{2m} \left(\frac{\partial S(q,p')}{\partial q}\right)^2 + U(q) = \tilde H = E.</math>


Beim eindimensionalen Oszillator ist <math>\tilde H</math> die einzige Konstante der Bewegung. Da <math>p'</math> ebenfalls konstant sein muss, setzt man <math>p' = \tilde H = E</math>, was für alle konservativen Systeme möglich ist.  
Beim eindimensionalen Oszillator ist <math>\tilde H</math> die einzige Konstante der Bewegung. Da <math>p'</math> ebenfalls konstant sein muss, setzt man <math>p' = \tilde H = E</math>, was für alle konservativen Systeme möglich ist.


:<math>\left(\frac{\partial S(q,p')}{\partial q}\right)^2 + 2mU(q) = 2mp'</math>
:<math>\left(\frac{\partial S(q,p')}{\partial q}\right)^2 + 2mU(q) = 2mp'</math>
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Durch Integrieren folgt
Durch Integrieren folgt


:<math>S(q,p') = \sqrt {2m} \int_{q_0}^q \sqrt {(p' - U(\tilde{q}))} \mathrm{d}\tilde q,</math>
:<math>S(q,p') = \sqrt {2m} \int_{q_0}^q \sqrt {(p' - U(\tilde{q}))}\,\mathrm{d}\tilde q,</math>


mit <math>q' = \frac{\partial S(q,p')}{\partial p'}</math>
mit <math>q' = \frac{\partial S(q,p')}{\partial p'}</math>


:<math>q' = \frac {m}{\sqrt{2m}} \int_{q_0}^q \frac {d\tilde q}{\sqrt {p' - U(\tilde q)}}.</math>
:<math>q' = \frac {m}{\sqrt{2m}} \int_{q_0}^q \frac {\mathrm d\tilde q}{\sqrt {p' - U(\tilde q)}}.</math>


Wegen der Hamiltonschen Bewegungsgleichung gilt außerdem
Wegen der Hamiltonschen Bewegungsgleichung gilt außerdem
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:<math>p(t) = \frac {\partial S(q,p')}{\partial q} = \sqrt {2m(p'-U(q))},</math>
:<math>p(t) = \frac {\partial S(q,p')}{\partial q} = \sqrt {2m(p'-U(q))},</math>


:<math>q' = t - {t_0} = \frac {m}{\sqrt {2m}} \int_{q_0}^q \frac {d \tilde q}{\sqrt {E - U(\tilde q)}}.</math>
:<math>q' = t - {t_0} = \frac {m}{\sqrt {2m}} \int_{q_0}^q \frac {\mathrm d \tilde q}{\sqrt {E - U(\tilde q)}}.</math>


Für den Spezialfall des harmonischen Oszillators ergibt sich mit <math>U(q) = \frac {1}{2}aq^2</math>
Für den Spezialfall des harmonischen Oszillators ergibt sich mit <math>U(q) = \frac {1}{2}aq^2</math>
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:<math>p(t) = \sqrt {2m \left( E-\frac {1}{2}aq^2 \right)},</math>
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:<math>q' = t - {t_0} = \frac {m}{\sqrt {2m}} \int_{q_0}^q \frac {d \tilde q}{\sqrt {E - \frac {1}{2}a \tilde {q}^2}}.</math>
:<math>q' = t - {t_0} = \frac {m}{\sqrt {2m}} \int_{q_0}^q \frac {\mathrm d \tilde q}{\sqrt {E - \frac {1}{2}a \tilde {q}^2}}.</math>


Somit
Somit (für den Fall <math>q_0 = 0</math>)
:<math>t - {t_0} = \sqrt {\frac {m}{a}}\arcsin \sqrt {\frac {a}{2E}}q</math>
:<math>t - {t_0} = \sqrt {\frac {m}{a}}\arcsin \sqrt {\frac {a}{2E}}q</math>


und letztlich  
und letztlich


:<math>q(t) = \sqrt{\frac {2E}{a}}\sin \sqrt{\frac {a}{m}}(t-{t_0)},</math>
:<math>q(t) = \sqrt{\frac {2E}{a}}\sin \sqrt{\frac {a}{m}}(t-{t_0)},</math>
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* {{Literatur
* {{Literatur
  | Autor=Herbert Goldstein; Charles P. Poole, Jr; John L. Safko  
  | Autor=Herbert Goldstein; Charles P. Poole, Jr; John L. Safko
  | Titel=Klassische Mechanik
  | Titel=Klassische Mechanik
  | Auflage= 3
  | Auflage= 3

Aktuelle Version vom 28. September 2021, 15:53 Uhr

Ziel des Hamilton-Jacobi-Formalismus (benannt nach den Mathematikern William Rowan Hamilton und Carl Gustav Jakob Jacobi) der Klassischen Mechanik ist es, die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen mittels einer besonderen kanonischen Transformation

$ (q,p)\rightarrow (q',p') $

zu vereinfachen. Dadurch wird eine neue Hamilton-Funktion erzeugt, die identisch Null ist:

$ {\tilde {H}}(q',p',t)=0 $

Dies hat zur Folge, dass sowohl die transformierten generalisierten Ortskoordinaten $ q' $, als auch ihre kanonisch konjugierten Impulskoordinaten $ p' $ Erhaltungsgrößen sind, dass also alle dynamischen Größen in der neuen Hamilton-Funktion zyklische Koordinaten sind:

$ {\begin{aligned}{\frac {\partial {\tilde {H}}}{\partial p'_{k}}}&={\dot {q}}'_{k}=0\quad \Leftrightarrow \quad q'_{k}=\mathrm {const} \\-{\frac {\partial {\tilde {H}}}{\partial q'_{k}}}&={\dot {p}}'_{k}=0\quad \Leftrightarrow \quad p'_{k}=\mathrm {const} .\end{aligned}} $

Diese transformierten Bewegungsgleichungen sind trivial, das Problem verlagert sich stattdessen auf das Finden einer passenden Erzeugenden $ S $. Indem man ihre partielle Ableitung nach der Zeit zur untransformierten Hamilton-Funktion addiert, erhält man die transformierte Hamilton-Funktion:

$ {\tilde {H}}(q',p',t)=H(q,p,t)+{\frac {\partial S}{\partial t}}=0. $

Dabei wird speziell eine erzeugende Funktion $ S(q,p',t) $ gewählt, die von den alten Ortskoordinaten $ q $ und den neuen (konstanten) Impulsen $ p' $ abhängt, so dass

$ p_{k}={\frac {\partial S(q_{k},p'_{k},t)}{\partial q_{k}}}\ ,\quad q'_{k}={\frac {\partial S(q_{k},p'_{k},t)}{\partial p'_{k}}}. $

Eingesetzt in $ {\tilde {H}}=0 $ ergibt sich die Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung für $ S $:

$ H\!\left(q_{k},{\frac {\partial {S}}{\partial q_{k}}},t\right)+{\frac {\partial S}{\partial t}}=0 $

Sie ist eine partielle Differentialgleichung in den Variablen $ q_{k} $ und $ t $ für die Hamiltonsche Wirkungsfunktion $ S $ (die Verwendung des Begriffs „Wirkung“ wird weiter unten begründet).

Herleitung der Hamilton-Jacobi-Gleichung aus dem Wirkungsintegral

Zur konkreten Herleitung dieser Differentialgleichung betrachtet man das Wirkungsfunktional

$ S[q](t)=\int _{0}^{t}L(s,q(s),{\dot {q}}(s))ds $

mit der Lagrange-Funktion $ L $. Die totale Zeitableitung hiervon gibt die Lagrange-Funktion zurück, d.h.

$ {\frac {dS}{dt}}=L $.

Sieht man $ S $ jedoch als Funktion der Koordinaten $ q $ und $ t $ an, so ergibt sich für das totale Zeit-Differential

$ {\frac {dS}{dt}}={\frac {\partial S}{\partial t}}+\sum {\frac {\partial S}{\partial q_{k}}}{\frac {dq_{k}}{dt}}={\frac {\partial S}{\partial t}}+\sum {\frac {\partial S}{\partial q_{k}}}{\dot {q_{k}}} $.

Die partielle Koordinatenableitung ergibt zusammen mit den Euler-Lagrange-Gleichungen

$ {\frac {\partial S}{\partial q_{k}}}=\int _{0}^{t}{\frac {\partial L}{\partial q_{k}}}ds=\int _{0}^{t}{\frac {d}{ds}}{\frac {\partial L}{\partial {\dot {q_{k}}}}}ds={\frac {\partial L}{\partial {\dot {q_{k}}}}}=p_{k} $

mit den kanonischen Impulsen $ p_{k} $. Durch Vergleich der totalen Zeitableitungen von $ S $ erhält man somit

$ {\frac {dS}{dt}}=L={\frac {\partial S}{\partial t}}+\sum p_{k}{\dot {q_{k}}} $,

woraus nach der Definition der Hamilton-Funktion die behauptete Gleichung sofort folgt.

Hamilton-Jacobi-Formalismus für nicht explizit zeitabhängige Hamilton-Funktion

Für konservative Systeme (d. h. $ H $ nicht explizit zeitabhängig: $ H(q,p)\neq H(t) $) wird zur ursprünglichen Hamilton-Funktion, die von den alten Impulsen und Orten abhängt, eine erzeugende Funktion $ S(q,p') $ konstruiert, die sie in eine neue Hamilton-Funktion transformiert, welche nur noch von den neuen (konstanten) Impulsen abhängt

$ H(q,p)\Rightarrow {\tilde {H}}(p') $

Dabei sind die neuen Impulse Konstanten der Bewegung:

$ {\dot {p}}'=-{\frac {\partial {\tilde {H}}(p')}{\partial q'}}=0\Leftrightarrow p'=\mathrm {const} , $

die neuen Orte ändern sich nur linear mit der Zeit:

$ {\dot {q}}'={\frac {\partial {\tilde {H}}(p')}{\partial p'}}=C\Leftrightarrow q'=Ct+b $ mit $ C,b=\mathrm {const} . $

Für $ S(q,p') $ muss gelten

$ p={\frac {\partial S(q,p')}{\partial q}}, $
$ q'={\frac {\partial S(q,p')}{\partial p'}} $

Eingesetzt in die Hamilton-Funktion ergibt sich die Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung für $ S(q,p') $ für konservative Systeme:

$ H(q,p)\Rightarrow H\left(q,{\frac {\partial S(q,p')}{\partial q}}\right)={\tilde {H}}(p'). $

Zur Veranschaulichung von $ S $ wird die totale Ableitung nach der Zeit berechnet

$ {\begin{aligned}{\frac {\mathrm {d} }{\mathrm {d} t}}\,S(q,p')&={\frac {\partial S}{\partial q}}{\dot {q}}+{\frac {\partial S}{\partial p'}}{\dot {p}}'\\&=p{\dot {q}}+q'{\dot {p}}'\\&=p{\dot {q}}\quad \quad \quad \mathrm {wegen} \;{\dot {p}}'=0.\end{aligned}} $

Benutzt man nun die lagrangeschen Bewegungsgleichungen (mit Lagrangefunktion $ L=T-V $, wobei $ T $ die kinetische Energie ist, $ V(q) $ das Potential):

$ {\frac {\mathrm {d} }{\mathrm {d} t}}S(q,p')={\frac {\partial L}{\partial {\dot {q}}}}{\dot {q}}={\frac {\partial T}{\partial {\dot {q}}}}{\dot {q}}=2T $.

Die zeitliche Integration liefert

$ S=\int _{t_{1}}^{t_{2}}2T\ \mathrm {d} t=W, $

also ist $ S(q,p') $ mit dem Wirkungsintegral identisch.

Beispiel: Der eindimensionale harmonische Oszillator

Sei $ U=U(q) $ ein beliebiges Potential. Die Hamilton-Funktion lautet

$ H(p,q)={\frac {p^{2}}{2m}}+U(q), $

die Hamilton-Jacobi-Gleichung

$ {\frac {1}{2m}}\left({\frac {\partial S(q,p')}{\partial q}}\right)^{2}+U(q)={\tilde {H}}=E. $

Beim eindimensionalen Oszillator ist $ {\tilde {H}} $ die einzige Konstante der Bewegung. Da $ p' $ ebenfalls konstant sein muss, setzt man $ p'={\tilde {H}}=E $, was für alle konservativen Systeme möglich ist.

$ \left({\frac {\partial S(q,p')}{\partial q}}\right)^{2}+2mU(q)=2mp' $

Durch Integrieren folgt

$ S(q,p')={\sqrt {2m}}\int _{q_{0}}^{q}{\sqrt {(p'-U({\tilde {q}}))}}\,\mathrm {d} {\tilde {q}}, $

mit $ q'={\frac {\partial S(q,p')}{\partial p'}} $

$ q'={\frac {m}{\sqrt {2m}}}\int _{q_{0}}^{q}{\frac {\mathrm {d} {\tilde {q}}}{\sqrt {p'-U({\tilde {q}})}}}. $

Wegen der Hamiltonschen Bewegungsgleichung gilt außerdem

$ {\dot {q}}'={\frac {\partial {\tilde {H}}(p')}{\partial p'}}={\frac {\partial E}{\partial p'}}={\frac {\partial p'}{\partial p'}}=1, $
$ \Rightarrow q'=t-{t_{0}}. $

Um die Bewegung in $ p(t) $ und $ q(t) $ darstellen zu können, muss zu den alten Koordinaten zurücktransformiert werden

$ p(t)={\frac {\partial S(q,p')}{\partial q}}={\sqrt {2m(p'-U(q))}}, $
$ q'=t-{t_{0}}={\frac {m}{\sqrt {2m}}}\int _{q_{0}}^{q}{\frac {\mathrm {d} {\tilde {q}}}{\sqrt {E-U({\tilde {q}})}}}. $

Für den Spezialfall des harmonischen Oszillators ergibt sich mit $ U(q)={\frac {1}{2}}aq^{2} $

$ p(t)={\sqrt {2m\left(E-{\frac {1}{2}}aq^{2}\right)}}, $
$ q'=t-{t_{0}}={\frac {m}{\sqrt {2m}}}\int _{q_{0}}^{q}{\frac {\mathrm {d} {\tilde {q}}}{\sqrt {E-{\frac {1}{2}}a{\tilde {q}}^{2}}}}. $

Somit (für den Fall $ q_{0}=0 $)

$ t-{t_{0}}={\sqrt {\frac {m}{a}}}\arcsin {\sqrt {\frac {a}{2E}}}q $

und letztlich

$ q(t)={\sqrt {\frac {2E}{a}}}\sin {\sqrt {\frac {a}{m}}}(t-{t_{0})}, $
$ p(t)={\sqrt {2mE}}\cos {\sqrt {\frac {a}{m}}}(t-{t_{0}}). $

Literatur

  • Herbert Goldstein; Charles P. Poole, Jr; John L. Safko: Klassische Mechanik. 3. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2006, ISBN 3-527-40589-5.
  • Wolfgang Nolting: Grundkurs Theoretische Physik 2 Analytische Mechanik. 7. Auflage. Springer, Heidelberg 2006, ISBN 3-540-30660-9.