Landésche Intervallregel: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Landé’sche Intervallregel''' (nach dem deutschen Physiker [[Alfred Landé]]) ermöglicht in der [[Atomphysik]] die Abschätzung der Energiedifferenz zweier benachbarter [[Feinstruktur (Physik)|Feinstruktur]]- oder [[Hyperfeinstruktur]]-[[Energieniveau]]s. Sie besagt, dass der Energieunterschied der Niveaus mit
Die '''Landé’sche Intervallregel''' (nach dem deutschen Physiker [[Alfred Landé]]) ermöglicht in der [[Atomphysik]] die Abschätzung der Energiedifferenz zweier benachbarter [[Feinstruktur (Physik)|Feinstruktur]]- oder [[Hyperfeinstruktur]]-[[Energieniveau]]s. Sie besagt, dass:
[[Quantenzahl]]en <math>J</math> und <math>J-1</math> im Fall der Feinstruktur bzw. <math>F</math> und <math>F-1</math> im Fall der Hyperfeinstruktur proportional zu <math>J</math> bzw. <math>F</math> ist.
* im Fall der Feinstruktur der Energieunterschied der Niveaus mit [[Quantenzahl]]en <math>J</math> und <math>J-1</math> proportional zu <math>J</math> ist
[[Datei:Hydrogen-Fine-Hyperfine-Levels.svg|mini|In der Hyperfeinaufspaltung (rechts) des Wasserstoff-Atoms ist zu erkennen, dass die Energiedifferenz zwischen den Niveaus <math>F=2</math> und <math>F-1=1</math> zweimal größer ist, als die zwischen <math>F=1</math> und <math>F-1=0</math>.]]
* im Fall der Hyperfeinstruktur der Energieunterschied der Niveaus mit Quantenzahlen <math>F</math> und <math>F-1</math> proportional zu <math>F</math> ist.
[[Datei:Hydrogen-Fine-Hyperfine-Levels.svg|mini|In der Hyperfeinaufspaltung (rechts) des Wasserstoff-Atoms ist zu erkennen, dass die Energiedifferenz zwischen den Niveaus <math>F=2</math> und <math>F-1=1</math> zweimal größer ist als die zwischen <math>F=1</math> und <math>F-1=0</math>.]]


== Feinstruktur ==
== Feinstruktur ==
In einem Feinstruktur-Multiplett ist die Energie eines Niveaus mit Hauptquantenzahl <math>n</math>, Bahndrehimpuls <math>L</math>, Elektronen-Spin <math>S</math> und gesamtem Hüllendrehimpuls <math>J</math> durch folgende Formel gegeben:
In einem Feinstruktur-[[Multiplett]] ist die Energie eines Niveaus mit [[Hauptquantenzahl]] <math>n</math>, [[Bahndrehimpuls]] <math>L</math>, [[Elektronenspin]] <math>S</math> und [[Gesamtdrehimpulsquantenzahl|gesamtem Hüllendrehimpuls]] <math>J</math> gegeben durch folgende Formel:


:<math>\Delta E_{n,L,J}=\frac{a}{2}\left(J(J+1)-L(L+1)-S(S+1)\right)</math>
::<math>\Delta E_{n,L,J} = \frac a 2 \left( J(J+1) - L(L+1) - S(S+1) \right)</math>


Dabei ist <math>a</math> die [[Spin-Bahn-Kopplung|LS-Kopplungs]]-Konstante, die atomspezifisch ist. Daraus folgt für die Energiedifferenz zweier Niveaus mit Gesamtdrehimpuls <math>J</math> und  <math>J-1</math>: <ref>{{Literatur | Autor=Ingolf V. Hertel, Claus-Peter Schulz | Titel=Atome, Moleküle und optische Physik 1 – Atomphysik und Grundlagen der Spektroskopie |  Verlag=Springer | Ort=Berlin/Heidelberg | Jahr=2008 | ISBN=978-3-540-30613-9 | Seiten=223f.}}</ref>
Dabei ist <math>a</math> die atomspezifische [[Spin-Bahn-Kopplung|LS-Kopplungs]]-Konstante.


:<math>\Delta E_\mathrm{FS}=\Delta E_{n,L,J}-\Delta E_{n,L,J-1}=a\cdot J</math>
Daraus folgt für die Energiedifferenz zweier Niveaus mit Gesamtdrehimpuls <math>J</math> und  <math>J-1</math>: <ref>{{Literatur | Autor=Ingolf V. Hertel, Claus-Peter Schulz | Titel=Atome, Moleküle und optische Physik 1 – Atomphysik und Grundlagen der Spektroskopie |  Verlag=Springer | Ort=Berlin/Heidelberg | Jahr=2008 | ISBN=978-3-540-30613-9 | Seiten=223f.}}</ref>
 
:<math>\Rightarrow \Delta E_\mathrm{FS} = \Delta E_{n,L,J} - \Delta E_{n,L,J-1} = a \cdot J</math>


== Hyperfeinstruktur ==
== Hyperfeinstruktur ==
Für die Hyperfeinstruktur gilt Analoges, nur dass statt des Hüllendrehimpulses <math>J</math> der Gesamtdrehimpuls <math>F</math> betrachtet wird, der den [[Kernspin]] <math>I</math> mit einbezieht.<ref>{{Literatur | Autor=Ingolf V. Hertel, Claus-Peter Schulz | Titel=Atome, Moleküle und optische Physik 1 – Atomphysik und Grundlagen der Spektroskopie | Auflage=1 | Verlag=Springer | Ort=Berlin, Heidelberg | Jahr=2008 | ISBN=978-3-540-30613-9 | Seiten=352}}</ref>
Für die Hyperfeinstruktur gilt Analoges, nur dass statt des Hüllendrehimpulses <math>J</math> der [[Quantenzahl #Gesamtdrehimpulsquantenzahl_des_Atoms|Gesamtdrehimpuls]] <math>F</math> betrachtet wird, der den [[Kernspin]] <math>I</math> mit einbezieht:<ref>{{Literatur | Autor=Ingolf V. Hertel, Claus-Peter Schulz | Titel=Atome, Moleküle und optische Physik 1 – Atomphysik und Grundlagen der Spektroskopie | Auflage=1 | Verlag=Springer | Ort=Berlin, Heidelberg | Jahr=2008 | ISBN=978-3-540-30613-9 | Seiten=352}}</ref>


:<math>\Delta E_\mathrm{HFS}=\Delta E_{n,J,I,F}-\Delta E_{n,J,I,F-1}=A\cdot F</math>
:<math>\Delta E_\mathrm{HFS} = \Delta E_{n,J,I,F} - \Delta E_{n,J,I,F-1} = A \cdot F</math>


Dabei ist <math>A</math> die [[Hyperfeinstruktur#Mathematische Formulierung|Hyperfeinstruktur]]-Kopplungskonstante.
Dabei wird <math>A</math> als [[Hyperfeinstruktur#Mathematische Formulierung|Hyperfeinstruktur]]-[[Kopplungskonstante]] oder auch Intervallfaktor bezeichnet.<ref>{{Literatur | Autor=Theo Mayer-Kuckuk | Titel=Atomphysik | Auflage=5 | Verlag=B.G. Teubner | Ort=Stuttgart | Jahr=1997 | ISBN=978-3-519-43042-1 | Seiten=196}}</ref>


== Gültigkeit ==
== Gültigkeit ==
Die Intervallregel ist für leichte Atome meist in guter Näherung erfüllt. Sie verliert ihre Gültigkeit generell sobald die Kopplung der beteiligten Drehimpulse nicht mehr als kleine Störung behandelt werden kann. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die obige Formel für die Lage der Energieniveaus LS-Kopplung voraussetzt.<ref>{{Literatur | Autor=Gerhard Herzberg | Titel=Atomic Spectra and Atomic Structure | Auflage=2 | Verlag=Dower Publications | Ort=New York | Jahr=1944 | Seiten=178f.}}</ref> Die LS-Kopplung ist bei schweren Atomen nicht mehr gegeben.
Die Intervallregel ist für leichte Atome meist in guter Näherung erfüllt. Sie verliert ihre Gültigkeit generell, sobald die Kopplung der beteiligten [[Drehimpuls]]e nicht mehr als kleine Störung behandelt werden kann. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die obige Formel für die Lage der Energieniveaus LS-Kopplung voraussetzt,<ref>{{Literatur | Autor=Gerhard Herzberg | Titel=Atomic Spectra and Atomic Structure | Auflage=2 | Verlag=Dower Publications | Ort=New York | Jahr=1944 | Seiten=178f.}}</ref> die bei schweren Atomen nicht mehr gegeben ist.
Aber auch bei leichten Atomen, wie beispielsweise dem Triplett-Zustand des leichtesten Mehrelektronen-Atoms [[Helium]], kann die die Intervallregel aufgrund der Spin-Spin-Wechselwirkung der Elektronen verletzt sein.<ref>{{Literatur | Autor=Wolfgang Demtröder | Titel=Experimentalphysik 3 – Kern-, Teilchen- und Astrophysik | Auflage=4 | Verlag=Springer | Ort=Berlin/Heidelberg | Jahr=2010 | ISBN=978-3-642-03910-2 | Seiten=215}}</ref> Die Wechselwirkung des elektrischen Feldes der Hüllenelektronen mit einem nicht verschwindenen Quadropolmoments des Atomkerns kann ebenfalls Abweichungen von der Intervallregel hervorrufen.<ref>{{Literatur | Autor=Hermann Haken, Hans Christoph Wolf | Titel=Atom- und Quantenphysik – Einführung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen | Auflage=7 | Verlag=Springer | Ort=Berlin | Jahr=2001 | ISBN=3-540-67453-5 | Seiten=379}}</ref>
 
Auch bei leichten Atomen, wie beispielsweise dem Triplett-Zustand des leichtesten Mehrelektronen-Atoms [[Helium]], kann die die Intervallregel aufgrund der [[Drehimpulsoperator#Spin-Spin-Kopplung|Spin-Spin-Wechselwirkung]] der [[Elektron]]en verletzt sein.<ref>{{Literatur | Autor=Wolfgang Demtröder | Titel=Experimentalphysik 3 – Kern-, Teilchen- und Astrophysik | Auflage=4 | Verlag=Springer | Ort=Berlin/Heidelberg | Jahr=2010 | ISBN=978-3-642-03910-2 | Seiten=215}}</ref>
 
Die Wechselwirkung des [[elektrisches Feld|elektrischen Feldes]] der Hüllenelektronen mit einem nicht verschwindenden [[Quadrupol]]<nowiki/>moment des [[Atomkern]]s kann ebenfalls Abweichungen von der Intervallregel hervorrufen.<ref>{{Literatur | Autor=Hermann Haken, Hans Christoph Wolf | Titel=Atom- und Quantenphysik – Einführung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen | Auflage=7 | Verlag=Springer | Ort=Berlin | Jahr=2001 | ISBN=3-540-67453-5 | Seiten=379}}</ref>


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Aktuelle Version vom 4. August 2020, 05:33 Uhr

Die Landé’sche Intervallregel (nach dem deutschen Physiker Alfred Landé) ermöglicht in der Atomphysik die Abschätzung der Energiedifferenz zweier benachbarter Feinstruktur- oder Hyperfeinstruktur-Energieniveaus. Sie besagt, dass:

  • im Fall der Feinstruktur der Energieunterschied der Niveaus mit Quantenzahlen $ J $ und $ J-1 $ proportional zu $ J $ ist
  • im Fall der Hyperfeinstruktur der Energieunterschied der Niveaus mit Quantenzahlen $ F $ und $ F-1 $ proportional zu $ F $ ist.
In der Hyperfeinaufspaltung (rechts) des Wasserstoff-Atoms ist zu erkennen, dass die Energiedifferenz zwischen den Niveaus $ F=2 $ und $ F-1=1 $ zweimal größer ist als die zwischen $ F=1 $ und $ F-1=0 $.

Feinstruktur

In einem Feinstruktur-Multiplett ist die Energie eines Niveaus mit Hauptquantenzahl $ n $, Bahndrehimpuls $ L $, Elektronenspin $ S $ und gesamtem Hüllendrehimpuls $ J $ gegeben durch folgende Formel:

$ \Delta E_{n,L,J}={\frac {a}{2}}\left(J(J+1)-L(L+1)-S(S+1)\right) $

Dabei ist $ a $ die atomspezifische LS-Kopplungs-Konstante.

Daraus folgt für die Energiedifferenz zweier Niveaus mit Gesamtdrehimpuls $ J $ und $ J-1 $: [1]

$ \Rightarrow \Delta E_{\mathrm {FS} }=\Delta E_{n,L,J}-\Delta E_{n,L,J-1}=a\cdot J $

Hyperfeinstruktur

Für die Hyperfeinstruktur gilt Analoges, nur dass statt des Hüllendrehimpulses $ J $ der Gesamtdrehimpuls $ F $ betrachtet wird, der den Kernspin $ I $ mit einbezieht:[2]

$ \Delta E_{\mathrm {HFS} }=\Delta E_{n,J,I,F}-\Delta E_{n,J,I,F-1}=A\cdot F $

Dabei wird $ A $ als Hyperfeinstruktur-Kopplungskonstante oder auch Intervallfaktor bezeichnet.[3]

Gültigkeit

Die Intervallregel ist für leichte Atome meist in guter Näherung erfüllt. Sie verliert ihre Gültigkeit generell, sobald die Kopplung der beteiligten Drehimpulse nicht mehr als kleine Störung behandelt werden kann. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die obige Formel für die Lage der Energieniveaus LS-Kopplung voraussetzt,[4] die bei schweren Atomen nicht mehr gegeben ist.

Auch bei leichten Atomen, wie beispielsweise dem Triplett-Zustand des leichtesten Mehrelektronen-Atoms Helium, kann die die Intervallregel aufgrund der Spin-Spin-Wechselwirkung der Elektronen verletzt sein.[5]

Die Wechselwirkung des elektrischen Feldes der Hüllenelektronen mit einem nicht verschwindenden Quadrupolmoment des Atomkerns kann ebenfalls Abweichungen von der Intervallregel hervorrufen.[6]

Einzelnachweise

  1. Ingolf V. Hertel, Claus-Peter Schulz: Atome, Moleküle und optische Physik 1 – Atomphysik und Grundlagen der Spektroskopie. Springer, Berlin/Heidelberg 2008, ISBN 978-3-540-30613-9, S. 223 f.
  2. Ingolf V. Hertel, Claus-Peter Schulz: Atome, Moleküle und optische Physik 1 – Atomphysik und Grundlagen der Spektroskopie. 1. Auflage. Springer, Berlin, Heidelberg 2008, ISBN 978-3-540-30613-9, S. 352.
  3. Theo Mayer-Kuckuk: Atomphysik. 5. Auflage. B.G. Teubner, Stuttgart 1997, ISBN 978-3-519-43042-1, S. 196.
  4. Gerhard Herzberg: Atomic Spectra and Atomic Structure. 2. Auflage. Dower Publications, New York 1944, S. 178 f.
  5. Wolfgang Demtröder: Experimentalphysik 3 – Kern-, Teilchen- und Astrophysik. 4. Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg 2010, ISBN 978-3-642-03910-2, S. 215.
  6. Hermann Haken, Hans Christoph Wolf: Atom- und Quantenphysik – Einführung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen. 7. Auflage. Springer, Berlin 2001, ISBN 3-540-67453-5, S. 379.