Weinbergwinkel: Unterschied zwischen den Versionen

Weinbergwinkel: Unterschied zwischen den Versionen

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Der '''Weinbergwinkel''' (nach [[Steven Weinberg]]) oder '''[[elektroschwache Wechselwirkung|elektroschwache]] Mischungswinkel''' <math>\theta_W</math> ist definiert durch das Massenverhältnis der [[W-Boson]]en <math>W^\pm</math> zu den [[Z-Boson]]en <math>Z^0</math>:
Der '''Weinberg-Winkel''', nach [[Steven Weinberg]], oder '''elektroschwache Mischungswinkel''' <math>\theta_\text{W}</math> ist eine Größe in der Theorie der [[Elektroschwache Wechselwirkung|elektroschwachen Wechselwirkung]], die dort in verschiedenen Zusammenhängen auftritt. Er ist eine der Größen, die im [[Standardmodell]] nicht vorhergesagt werden, sondern experimentell bestimmt werden müssen.
<ref>
{{Literatur
|Autor = S. Weinberg
|Titel =A Model of Leptons
|Sammelwerk = Phys. Rev. Lett.
|Band = 19
|Jahr = 1967
|Seiten = 1264 ff
}}
</ref>


:<math>\cos \theta_W = \frac{m_W}{m_Z}</math>
Der [[Kosinus]] des Weinberg-Winkels tritt als Quotient der Massen des [[W-Boson|W-]] und des [[Z-Boson]]s auf:
:<math>\cos \theta_\text{W} = \frac{m_W}{m_Z}</math>


Nach der Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung beschreibt er den Zusammenhang zwischen den [[Kopplungskonstante|Kopplungsstärken]] – also den Einheiten der [[elektrische Ladung|elektrischen Ladung]] <math>e</math> ([[Elementarladung]]) und der [[schwache Ladung|schwachen Ladung]] <math>g</math>:
== Hintergrund ==
In der elektroschwachen Wechselwirkung sind [[elektromagnetische Wechselwirkung|elektromagnetische]] und [[schwache Wechselwirkung]] vereinigt und werden durch vier masselose Bosonen vermittelt:
* <math>W^{1,2,3}</math>; sie koppeln jeweils mit der Stärke <math>g T_3</math> an andere Teilchen (<math>T_3</math> ist der [[Schwacher Isospin|schwache Isospin]])
* <math>B</math>; es koppelt mit der Stärke <math>g' Y_\text{W}</math> an andere Teilchen (<math>Y_\text{W}</math> ist die [[schwache Hyperladung]]).


:<math>\sin \theta_W = \frac e g</math>
Durch den [[Higgs-Mechanismus]] wird die elektroschwache Wechselwirkung [[Spontane Symmetriebrechung|spontan gebrochen]] in
* die elektromagnetische Wechselwirkung mit dem masselosen [[Photon]] <math>\gamma</math> als [[Austauschboson]] und
* die schwache Wechselwirkung mit den massiven <math>W^\pm</math> und <math>Z</math> als Austauschbosonen.
Dabei vermischen sich die neutralen Teichen <math>B</math> und <math>W^3</math> zum <math>\gamma</math> und zum <math>Z</math>:


Weiter gilt:
:<math>\begin{pmatrix} \cos \theta_\text{W}& \sin \theta_\text{W} \\ - \sin \theta_\text{W} & \cos \theta_\text{W} \end{pmatrix}\begin{pmatrix} B \\ W^3 \end{pmatrix} = \begin{pmatrix}\gamma \\ Z \end{pmatrix}</math>


<math>\begin{align}
Die [[Drehmatrix|Transformationsmatrix]] zwischen diesen Zuständen kann aufgefasst werden als Rotation um den elektroschwachen Mischungswinkel <math>\theta_\text{W}</math> in zwei Dimensionen.
                                & \sin^2 \theta_W = \frac{\alpha_{em}}{\alpha_{W}}\\
\Leftrightarrow \alpha_{W} \cdot & \sin^2 \theta_W =      \alpha_{em} = 0{,}0072973525664
\end{align}</math><!-- Quelle für diesen Zahlenwert?-->


Hierbei bezeichnet
[[Datei:Weinberg angle (relation between coupling constants).svg|mini|Zusammenhang der verschiedenen Kopplungs&shy;konstanten <math>e,g,g'</math> und des elektroschwachen Mischungswinkels <math>\theta_\text{W}</math>]]
* <math>\alpha_{em}</math> die [[Kopplungskonstante #Feinstrukturkonstante|elektromagnetische Kopplungskonstante]] (auch als [[Feinstrukturkonstante]] bekannt)
* <math>\alpha_{W}</math> die [[Kopplungskonstante #Elektroschwache_Wechselwirkung|schwache Kopplungskonstante]].
Der aktuelle Wert ([[CODATA]] 2014) beträgt


:<math>\begin{align}
Als Resultat dieser Mischung ergibt sich, dass
        \sin^2 \theta_W & = 0{,}2223(21)\\
* das Photon mit einer Stärke <math>g Q\sin \theta_\text{W} </math> an Fermionen koppelt, wobei <math>Q</math> die [[elektrische Ladung]] (in Einheiten der [[Elementarladung]] <math>e</math>) bezeichnet
\Leftrightarrow \theta_W & \approx 28{,}13^\circ
* das Z-Boson mit einer Stärke <math>\textstyle \frac{g}{\cos \theta_\text{W}} \left(T_3 - Q \sin^2 \theta_\text{W}\right)</math> an Fermionen koppelt.
\end{align}</math>


Näherungsweise erhält man somit, dass die schwache Kopplungsstärke in etwa doppelt so groß ist wie die elektrische Kopplungsstärke:
Daraus folgt, dass gelten muss:


:<math>\Rightarrow \frac g e = \frac 1 {\sqrt{\sin^2 \theta_W}} \approx \frac 1 {0{,}47} \approx 2{,}118</math>
:<math>e = g \sin \theta_\text{W}</math>


und dass die schwache Kopplungskonstante etwa vier bis fünf Mal so groß ist wie die elektrische Kopplungskonstante:
Außerdem gilt:


:<math>\Rightarrow \frac{\alpha_{W}}{\alpha_{em}} = \frac 1 {\sin^2 \theta_W} \approx \frac 1 {0{,}2223(21)} \approx 4{,}498</math>
:<math>e = g' \cos \theta_\text{W}</math>
::<math>\alpha_W = \frac{\alpha_W \cdot \sin^2 \theta_W}{\sin^2 \theta_W} \approx \frac{0{,}0072973525664}{0{,}2223(21)} \approx 0{,}032</math>


Die Schwäche der [[schwache Wechselwirkung|schwachen Wechselwirkung]] erklärt sich somit nicht über eine geringe Kopplungsstärke oder eine geringe Kopplungskonstante, sondern über den [[Propagator]]term, in dem die hohe Masse der [[Austauschboson]]en (W-&nbsp;und Z-Bosonen, s.o.) quadratisch in den Nenner eingeht.
Demgegenüber koppeln die geladenen W-Bosonen weiterhin mit einer Stärke <math>g T_3</math>, da sie nicht von der Mischung betroffen sind.


== Ursprung ==
Die unterschiedlichen Kopplungen an das [[Higgs-Feld]] führen auch dazu, dass die Bosonen nicht dieselbe Masse besitzen. Das Photon ist masselos:
Experimentell ([[Wu-Experiment]]) stellt man bei der [[schwache Wechselwirkung|schwachen Wechselwirkung]] eine [[Paritätsverletzung]] fest, die durch die [[V-A-Theorie]] erklärt wird: die geladenen [[Austauschboson]]en <math>W^+</math> und <math>W^-</math> der schwachen Wechselwirkung koppeln nur an [[Helizität|linkshändige]] [[Fermion]]en, aber nicht an rechtshändige. Weiterhin stellt man fest, dass [[Neutrino]]s, die zu den Fermionen gehören, in der Natur nur linkshändig vorkommen ([[Goldhaber-Experiment]]). Führt man nun einen [[schwacher_Isospin|schwachen Isospin]] ein, so bilden das linkshändige [[Elektron]] und das (linkshändige) Neutrino ein [[Dublett]] bezüglich des schwachen Isospins (<math>T_z = \pm 1/2</math>), das rechtshändige Elektron dagegen ein [[Singulett]] bezüglich dieser Größe (<math>T_z = 0</math>).


Betrachtet man nun eine Reaktion vom Typ
:<math>m_\gamma = 0</math>,


::<math>\nu_e + X \rightarrow e^- + Y</math>
und das <math>Z</math> ist um einen Faktor <math>(\cos\theta_\text{W})^{-1}</math> schwerer als die <math>W^\pm</math>:


und fordert eine [[Erhaltungssatz|Erhaltung]] des schwachen Isospins, so muss das ausgetauschte [[Boson]] – hier ein <math>W^-</math> – ebenfalls einen Isospin tragen: <math>T_z(W^-) = -1</math>. Als Konsequenz ergibt sich bezüglich des schwachen Isospins
:<math>m_Z = \frac{m_W}{\cos \theta_\text{W}}</math>.
* ein [[Multiplizität|Triplett]], bestehend aus <math>W^0</math> (manchmal auch als <math>W^3</math> bezeichnet), <math>W^1</math> und <math>W^2</math> mit [[Kopplungskonstante|Kopplungsstärke]] <math>g</math>
* ein Singulett <math>B^0</math> mit Kopplungsstärke <math>g'</math>.
<math>W^0</math>, <math>W^1</math>, <math>W^2</math> und <math>B^0</math> sind rechnerisch existierende, aber nicht beobachtbare [[Elektroschwache Wechselwirkung #Eichbosonen|Eichbosonen der elektroschwachen Wechselwirkung]].


Elektromagnetische und schwache Wechselwirkung werden zur elektroschwachen Wechselwirkung vereinheitlicht, indem ihre elektrisch ungeladenen Austauschteilchen <math>\gamma</math> ([[Photon]]) und <math>Z^0</math> dargestellt werden als [[Zustand (Quantenmechanik) #Superposition von Zuständen|Überlagerungs]]- bzw. [[Reiner und gemischter Zustand #Zustandsgemische|Mischzustände]] der Teilchen <math>W^0</math> und <math>B^0</math>:
Die Schwäche der schwachen Wechselwirkung gegenüber der elektromagnetischen bei niedrigen Energien erklärt sich somit nicht – wie früher angenommen – über eine kleine Kopplungskonstante (e und&nbsp;g bzw.&nbsp;g' liegen jeweils in derselben Größenordnung, s.&nbsp;o.). Sie stammt stattdessen aus dem [[Propagator]]term, in dessen Nenner die große Masse der W- bzw. Z-Bosonen quadratisch eingeht, während die Masse des Photons Null ist.
 
:<math>{\Psi_{\gamma} \choose \Psi_{Z^0}} = \begin{pmatrix} \cos \theta_W & \sin \theta_W \\ -\sin \theta_W & \cos \theta_W \end{pmatrix} {\Psi_{B^0} \choose \Psi_{W^0}}</math>
 
Die <math>\Psi_x</math> bezeichnen hier die [[Wellenfunktion]]en der einzelnen Teilchen, die durch den Weinbergwinkel [[Drehmatrix|verknüpft]] sind. In dieser Beziehung findet der Weinbergwinkel seine Definition.
 
Hieraus ergeben sich auch die Zusammenhänge der Kopplungsstärken:
 
:<math>e = g \cdot\sin \theta_W</math>
:<math>e = g'\cdot\cos \theta_W</math>.
 
Die elektrisch geladenen <math>W^+</math> und <math>W^-</math> werden dargestellt als [[komplexe Zahl|komplexe]] Überlagerung der Teilchen <math>W^1</math> und <math>W^2</math>:
 
:<math>{\Psi_{W^+} \choose \Psi_{W^-}} = \frac{1}{\sqrt 2} \begin{pmatrix} 1 & i \\ 1 & -i \end{pmatrix} {\Psi_{W^1} \choose \Psi_{W^2}}</math>
 
== Konsequenzen ==
 
Als Konsequenz des Mischzustandes und des Weinbergwinkels ergibt sich u.&nbsp;a., dass die Kopplungsstärke der Z-Bosonen nicht mit der der W-Bosonen identisch ist.
 
Die Kopplungsstärke des W<sup>+</sup> an ein Fermion&nbsp;f ist gegeben durch
 
:<math>Q_W(f) = g \cdot T_z \;</math> ,
 
diejenige des <math>Z_0</math> dagegen durch
 
:<math>Q_Z(f) = \frac{g}{\cos \theta_W} \cdot \left( T_z - z_f \cdot \sin^2 \theta_W \right)</math>
 
wobei
* <math>z_f</math> die elektrische Ladung des Fermions in Einheiten der [[Elementarladung]] <math>e</math> ist
* <math>T_z</math> die 3.&nbsp;Komponente des [[Isospin #Erweiterung auf schwachen Isospin|schwachen Isospins]]; für linkshändige Neutrinos gilt beispielsweise <math>T_z = 1/2</math>. Rechtshändige Neutrinos haben <math>T_z = z_{\nu} = Q_Z(\nu_R)=0</math> und unterliegen somit nicht den Wechselwirkungen des [[Standardmodell]]s. Sie sind daher (im Rahmen des Standardmodells) nicht beobachtbar, deshalb wird oft gesagt, sie kämen in der Natur nicht vor (was, so lange wir im Standardmodell bleiben, keinen Unterschied ergibt). Siehe auch [[Schwache Ladung]].


== Experimentelle Bestimmung ==
== Experimentelle Bestimmung ==
Der elektroschwache Mischungswinkel ist nicht direkt messbar, kann aber auf verschiedene Weise indirekt bestimmt werden. Da er in verschiedenen Zusammenhängen auftritt, ist die unabhängige Messung des Weinberg-Winkels ein wichtiger Präzisionstest für die Gültigkeit des Standardmodells.


Der Weinbergwinkel lässt sich experimentell z.&nbsp;B. entsprechend der obigen Definition aus dem Massenverhältnis der W- und Z-Bosonen bestimmen. Andere Bestimmungsmöglichkeiten sind die Neutrino-Elektron-Streuung und die elektroschwache Interferenz bei [[Elektron-Positron-Streuung]], d.&nbsp;h. die Vermischung des Austausches virtueller Photonen <math>\gamma</math> und virtueller <math>Z^0</math>-Teilchen.
Eine Möglichkeit ist beispielsweise, die Massen der W- und Z-Bosonen zu messen und daraus den Mischungswinkel zu berechnen. Präziser sind hingegen Streuexperimente, die sich die Mischung der Z-Bosonen und des Photons zunutze machen und die eine Asymmetrie im [[Differentieller Wirkungsquerschnitt|differentiellen Wirkungsquerschnitt]] messen.


== Siehe auch ==
Da die Kopplungskonstanten [[Laufende Kopplung|laufen]], ist auch der Weinbergwinkel abhängig von der betrachteten Energieskala. Des Weiteren ist aufgrund von Effekten höherer Ordnung in [[Störungstheorie (Quantenfeldtheorie)|quantenfeldtheoretischer Störungstheorie]] der Weinberg-Winkel abhängig vom verwendeten [[Renormierung]]s<nowiki/>schema.
* [[Cabibbo-Winkel]]


== Literatur ==
Der aktuelle Wert für den effektiven Weinberg-Winkel beträgt nach der [[Particle Data Group]] im [[MS-bar-Schema]]<ref>{{Literatur |Autor=Particle Data Group |Titel=Particle Physics Booklet |Datum=2018-11-15 |Seiten=7}}</ref>
* {{Literatur|Titel=Leptons and Quarks|Autor=Lev Borisovich Okun|Jahr=1982|ISBN=0-444-86924-7|Verlag=[[North-Holland Physics Publishing]]|Seiten=214|Ort=Amsterdam, Netherlands}}
:<math>\sin^2 \theta_\text{W}(m_Z) = 0{,}23122(4)</math>
 
und nach [[CODATA]] im [[On-shell-Schema]]<ref>{{Literatur |Autor=Peter Mohr, Barry Taylor und David Newell |Titel=CODATA recommended values of the fundamental physical constants: 2010 |Sammelwerk=Rev. Mod. Phys. |Band=84 |Nummer=4 |Datum=2012 |Seiten=1587}}</ref>
== Weblinks ==
:<math>\sin^2 \theta_\text{W} = 0{,}2223(21)</math>.
 
{{Wikibooks|Teilchenphysik: Teilcheneigenschaften#Schwache Ladung|Teilcheneigenschaften}}
* [http://www.wernerschneider.de/grundl_d_tph/msm_verei/msm_verei_00.html German Hacker, Hilmar Vogel: Lernprogramm: Die Vereinigung der Wechselwirkungen (WW) – Einführung in die Theorie der elektroschwachen WW (2003)]
* [http://www.slac.stanford.edu/exp/e158/ E158: A Precision Measurement of the Weak Mixing Angle in Møller Scattering]
* [http://www.jlab.org/qweak/ Q-weak: A Precision Test of the Standard Model and Determination of the Weak Charges of the Quarks through Parity-Violating Electron Scattering]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />
== Literatur ==
* {{Literatur |Autor=Mattew D. Schwartz |Titel=Quantum Field Theory and the Standard Model |Verlag=Cambridge University Press |Ort=Cambridge |Datum=2014 |ISBN=978-1-107-03473-0 |Sprache=en}}
* {{Literatur |Autor=The ALEPH, DELPHI, L3, OPAL, SLD Collaborations, the LEP Electroweak Working Group und the SLD Electroweak and Heavy Flavour Groups |Titel=Precision Electroweak Measurements on the Z Resonance |Sammelwerk=Phys. Rept. |Band=427 |Nummer=5 – 6 |Datum=2006 |Seiten=257 – 451 |Sprache=en |arXiv=hep-ex/0509008 |DOI=10.1016/j.physrep.2005.12.006}}


[[Kategorie:Teilchenphysik]]
[[Kategorie:Teilchenphysik]]
[[Kategorie:Physikalische Konstante]]

Aktuelle Version vom 7. Mai 2021, 20:46 Uhr

Der Weinberg-Winkel, nach Steven Weinberg, oder elektroschwache Mischungswinkel $ \theta _{\text{W}} $ ist eine Größe in der Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung, die dort in verschiedenen Zusammenhängen auftritt. Er ist eine der Größen, die im Standardmodell nicht vorhergesagt werden, sondern experimentell bestimmt werden müssen.

Der Kosinus des Weinberg-Winkels tritt als Quotient der Massen des W- und des Z-Bosons auf:

$ \cos \theta _{\text{W}}={\frac {m_{W}}{m_{Z}}} $

Hintergrund

In der elektroschwachen Wechselwirkung sind elektromagnetische und schwache Wechselwirkung vereinigt und werden durch vier masselose Bosonen vermittelt:

  • $ W^{1,2,3} $; sie koppeln jeweils mit der Stärke $ gT_{3} $ an andere Teilchen ($ T_{3} $ ist der schwache Isospin)
  • $ B $; es koppelt mit der Stärke $ g'Y_{\text{W}} $ an andere Teilchen ($ Y_{\text{W}} $ ist die schwache Hyperladung).

Durch den Higgs-Mechanismus wird die elektroschwache Wechselwirkung spontan gebrochen in

  • die elektromagnetische Wechselwirkung mit dem masselosen Photon $ \gamma $ als Austauschboson und
  • die schwache Wechselwirkung mit den massiven $ W^{\pm } $ und $ Z $ als Austauschbosonen.

Dabei vermischen sich die neutralen Teichen $ B $ und $ W^{3} $ zum $ \gamma $ und zum $ Z $:

$ {\begin{pmatrix}\cos \theta _{\text{W}}&\sin \theta _{\text{W}}\\-\sin \theta _{\text{W}}&\cos \theta _{\text{W}}\end{pmatrix}}{\begin{pmatrix}B\\W^{3}\end{pmatrix}}={\begin{pmatrix}\gamma \\Z\end{pmatrix}} $

Die Transformationsmatrix zwischen diesen Zuständen kann aufgefasst werden als Rotation um den elektroschwachen Mischungswinkel $ \theta _{\text{W}} $ in zwei Dimensionen.

Zusammenhang der verschiedenen Kopplungs­konstanten $ e,g,g' $ und des elektroschwachen Mischungswinkels $ \theta _{\text{W}} $

Als Resultat dieser Mischung ergibt sich, dass

  • das Photon mit einer Stärke $ gQ\sin \theta _{\text{W}} $ an Fermionen koppelt, wobei $ Q $ die elektrische Ladung (in Einheiten der Elementarladung $ e $) bezeichnet
  • das Z-Boson mit einer Stärke $ \textstyle {\frac {g}{\cos \theta _{\text{W}}}}\left(T_{3}-Q\sin ^{2}\theta _{\text{W}}\right) $ an Fermionen koppelt.

Daraus folgt, dass gelten muss:

$ e=g\sin \theta _{\text{W}} $

Außerdem gilt:

$ e=g'\cos \theta _{\text{W}} $

Demgegenüber koppeln die geladenen W-Bosonen weiterhin mit einer Stärke $ gT_{3} $, da sie nicht von der Mischung betroffen sind.

Die unterschiedlichen Kopplungen an das Higgs-Feld führen auch dazu, dass die Bosonen nicht dieselbe Masse besitzen. Das Photon ist masselos:

$ m_{\gamma }=0 $,

und das $ Z $ ist um einen Faktor $ (\cos \theta _{\text{W}})^{-1} $ schwerer als die $ W^{\pm } $:

$ m_{Z}={\frac {m_{W}}{\cos \theta _{\text{W}}}} $.

Die Schwäche der schwachen Wechselwirkung gegenüber der elektromagnetischen bei niedrigen Energien erklärt sich somit nicht – wie früher angenommen – über eine kleine Kopplungskonstante (e und g bzw. g' liegen jeweils in derselben Größenordnung, s. o.). Sie stammt stattdessen aus dem Propagatorterm, in dessen Nenner die große Masse der W- bzw. Z-Bosonen quadratisch eingeht, während die Masse des Photons Null ist.

Experimentelle Bestimmung

Der elektroschwache Mischungswinkel ist nicht direkt messbar, kann aber auf verschiedene Weise indirekt bestimmt werden. Da er in verschiedenen Zusammenhängen auftritt, ist die unabhängige Messung des Weinberg-Winkels ein wichtiger Präzisionstest für die Gültigkeit des Standardmodells.

Eine Möglichkeit ist beispielsweise, die Massen der W- und Z-Bosonen zu messen und daraus den Mischungswinkel zu berechnen. Präziser sind hingegen Streuexperimente, die sich die Mischung der Z-Bosonen und des Photons zunutze machen und die eine Asymmetrie im differentiellen Wirkungsquerschnitt messen.

Da die Kopplungskonstanten laufen, ist auch der Weinbergwinkel abhängig von der betrachteten Energieskala. Des Weiteren ist aufgrund von Effekten höherer Ordnung in quantenfeldtheoretischer Störungstheorie der Weinberg-Winkel abhängig vom verwendeten Renormierungsschema.

Der aktuelle Wert für den effektiven Weinberg-Winkel beträgt nach der Particle Data Group im MS-bar-Schema[1]

$ \sin ^{2}\theta _{\text{W}}(m_{Z})=0{,}23122(4) $

und nach CODATA im On-shell-Schema[2]

$ \sin ^{2}\theta _{\text{W}}=0{,}2223(21) $.

Einzelnachweise

  1. Particle Data Group: Particle Physics Booklet. 15. November 2018, S. 7.
  2. Peter Mohr, Barry Taylor und David Newell: CODATA recommended values of the fundamental physical constants: 2010. In: Rev. Mod. Phys. Band 84, Nr. 4, 2012, S. 1587.

Literatur