Paradoxon der schwachen jungen Sonne: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Solar evolution de.svg|mini|Entwicklung von Leuchtkraft (rot), Radius (blau) und effektiver Temperatur (grün) der Sonne während ihres Daseins als Hauptreihenstern in Einheiten der heutigen Werte. Die Leuchtkraft war vor drei bis vier Milliarden Jahren 20 bis 25 % geringer als jetzt.]]
[[Datei:Solar evolution de.svg|mini|Entwicklung von Leuchtkraft (rot), Radius (blau) und effektiver Temperatur (grün) der Sonne während ihres Daseins als [[Hauptreihe]]nstern in Einheiten der heutigen Werte. Die Leuchtkraft war vor drei bis vier Milliarden Jahren 20 bis 25 % geringer als jetzt.]]
[[Datei:Erdgeschichte.svg|mini|Rekonstruktion des mittleren Temperatur- und Niederschlagverlaufs der Erde vom [[Archaikum]] bis zur Gegenwart]]
[[Datei:Erdgeschichte.svg|mini|Rekonstruktion des mittleren Temperatur- und Niederschlagverlaufs der Erde vom [[Archaikum]] bis zur Gegenwart]]


Unter dem '''Paradoxon der schwachen jungen Sonne''' versteht man den anscheinenden Widerspruch<!--[[Paradoxon]] lesen!--> zwischen der geringen Strahlungsleistung der jungen [[Sonne]] in der frühen Erdgeschichte und dem nicht entsprechend kälteren Klima zu dieser Zeit. Auf diese Diskrepanz wiesen die Astronomen [[Carl Sagan]] und George Mullen 1972 hin.<ref group="sm" name="SgM">Sagan und Mullen 1972.</ref>
Unter dem '''Paradoxon der schwachen jungen Sonne''' versteht man den noch nicht vollständig geklärten Widerspruch<!--[[Paradoxon]] lesen!--> zwischen der geringen Strahlungsleistung der jungen [[Sonne]] in der frühen [[Historische Geologie|Erdgeschichte]] und dem nicht entsprechend kälteren Klima zu jener Zeit. Auf diese Diskrepanz wiesen erstmals die Astronomen [[Carl Sagan]] und George Mullen 1972 hin.<ref group="sm" name="SgM">Sagan und Mullen 1972.</ref>


Sagan schlug eine vergleichsweise hohe Konzentration von [[Treibhausgas]]en als mögliche übergeordnete Erklärung vor, was sich aber für den fraglichen Zeitraum nicht bestätigt hat. Im Gegenteil, die im Archaikum stattfindenden bedeutenden Änderungen der Atmosphärenzusammensetzung und der in Vergleich zur Erdneuzeit nach einer globalen Vereisung vor 2,4 Milliarden Jahren erneut lange vergleichsweise gleichmäßige Klimaverlauf (''vgl. boring billion, dt.'' langweilige Milliarde<ref group="jko" name="kho">nach H. D. Holland: ''The oxygenation of the atmosphere and oceans.'' In: ''Phil. Trans. R. Soc.'' Band 361, 2006, S. 903–915. [[doi:10.1098/rstb.2006.1838]], zitiert bei Kasting und Ono 2006.</ref>) wirft eher zusätzliche Fragen auf. Jahrzehntelange kontroverse Diskussionen in [[Geologie]], [[Astrophysik]], [[Planetologie]], [[Klimatologie]] und [[Meteorologie|Atmosphärenphysik]] machten diese Frage zu einer „der großen offenen Fragen der [[Paläoklimatologie]]“.<ref>[https://www.pik-potsdam.de/aktuelles/pressemitteilungen/archiv/2012/warum-die-fruehe-erde-kein-schneeball-war-das-201eparadoxon-der-schwachen-jungen-sonne201c ''Warum die frühe Erde kein Schneeball war: das „Paradoxon der schwachen jungen Sonne“.''] Pressemitteilung vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (17.&nbsp;Dezember 2012). Zitat: „Das Paradoxon der schwachen jungen Sonne ist seit seiner Entdeckung vor vier Jahrzehnten eine der großen offenen Fragen der Paläoklimatologie“.</ref> Eine abschließende Deutung wird von manchen Autoren beansprucht,<ref>Minik T. Rosing, Dennis K. Bird, Norman H. Sleep, Christian J. Bjerrum: ''No climate paradox under the faint early sun.'' In: ''Nature.'' Band&nbsp;464, 1.&nbsp;April 2010, [[doi:10.1038/nature08955]], [http://www.nature.com/nature/journal/v464/n7289/full/nature08955.html abstract online], S.&nbsp;744–747.</ref> ist aber keineswegs unumstritten.<ref name="Feulner">Georg Feulner: ''The Faint Young Sun Problem.'' Reviews of Geophysics&nbsp;50, 2006, [[doi:10.1029/2011RG000375]] (freier Volltext).</ref>
Sagan schlug eine vergleichsweise hohe Konzentration von [[Treibhausgas]]en als mögliche übergeordnete Erklärung vor, was sich aber für den fraglichen Zeitraum nicht bestätigt hat. Im Gegenteil, die im Archaikum stattgefundenen bedeutenden Änderungen der Atmosphärenzusammensetzung und der in Vergleich zur jüngeren Erdgeschichte nach einer globalen Vereisung vor 2,4 Milliarden Jahren lange Zeit relativ gleichmäßige Klimaverlauf (''vgl. boring billion, dt.'' langweilige Milliarde<ref group="jko" name="kho">nach H. D. Holland: ''The oxygenation of the atmosphere and oceans.'' In: ''Phil. Trans. R. Soc.'' Band 361, 2006, S. 903–915. [[doi:10.1098/rstb.2006.1838]], zitiert bei Kasting und Ono 2006.</ref>) werfen eher zusätzliche Fragen auf. Über Jahrzehnte geführte kontroverse Diskussionen in [[Geologie]], [[Astrophysik]], [[Planetologie]], [[Klimatologie]] und [[Atmosphärenwissenschaften]] machten das [[Paradoxon]] zu einer „der großen offenen Fragen der [[Paläoklimatologie]]“.<ref>[https://www.pik-potsdam.de/aktuelles/pressemitteilungen/archiv/2012/warum-die-fruehe-erde-kein-schneeball-war-das-201eparadoxon-der-schwachen-jungen-sonne201c ''Warum die frühe Erde kein Schneeball war: das „Paradoxon der schwachen jungen Sonne“.''] Pressemitteilung vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (17.&nbsp;Dezember 2012). Zitat: „Das Paradoxon der schwachen jungen Sonne ist seit seiner Entdeckung vor vier Jahrzehnten eine der großen offenen Fragen der Paläoklimatologie“.</ref> Eine abschließende Deutung wird von manchen Autoren beansprucht,<ref>Minik T. Rosing, Dennis K. Bird, Norman H. Sleep, Christian J. Bjerrum: ''No climate paradox under the faint early sun.'' In: ''Nature.'' Band&nbsp;464, 1.&nbsp;April 2010, [[doi:10.1038/nature08955]], [http://www.nature.com/nature/journal/v464/n7289/full/nature08955.html abstract online], S.&nbsp;744–747.</ref> ist aber keineswegs unumstritten.<ref name="Feulner">Georg Feulner: ''The Faint Young Sun Problem.'' [[Reviews of Geophysics]]&nbsp;50, Juni 2012, [[doi:10.1029/2011RG000375]] (freier Volltext).</ref>


== Ausmaß des Problems ==
== Ausmaß des Problems ==
Das Standardsonnenmodell ergibt für die Zeit vor 4,4 Milliarden Jahren eine 25 bis 30 % geringere Strahlungsleistung.<ref>D. O. Gough: ''Solar Interior Structure and Luminosity Variations.'' In: ''Solar Physics.'' 74, 1981, S. 21–34, {{bibcode|1981SoPh...74...21G}}, [[doi:10.1007/BF00151270]].</ref> Gleichzeitig ist anhand geochemischer Analysen die Existenz von flüssigem Wasser an der Erdoberfläche bereits in der frühesten Erdgeschichte nachgewiesen.<ref name="Wilde">Simon A. Wilde u. a.: ''Evidence from detrital zircons for the existence of continental crust and oceans on the Earth 4.4 Gyr ago.'' In: ''Nature.'' 409, 2001, S. 175–178. [[doi:10.1038/35051550]]</ref> Ohne relativ milde klimatische Bedingungen hätte Wasser aber nur als Eis vorkommen können. Bereits in dieser frühen Zeit sind die ersten Lebensspuren nachgewiesen, die ebenso flüssiges Wasser voraussetzten. <!-- Zur späteren Verwendung aufbewahrt: <ref>Caldeira, K. & Kasting, J. F.: [http://www.nature.com/nature/journal/v359/n6392/abs/359226a0.html ''Susceptibility of the early Earth to irreversible glaciation caused by carbon dioxide clouds.''] Nature (1992), 359, 226–228; {{DOI|10.1038/359226a0}}.</ref>
Aus dem Standardsonnenmodell lässt sich für die Zeit vor 4,4 Milliarden Jahren eine 25 bis 30 % geringere Strahlungsleistung ableiten.<ref>D. O. Gough: ''Solar Interior Structure and Luminosity Variations.'' In: ''Solar Physics.'' 74, 1981, S. 21–34, {{bibcode|1981SoPh...74...21G}}, [[doi:10.1007/BF00151270]].</ref> Gleichzeitig wurde anhand geochemischer Analysen die Existenz von flüssigem Wasser an der Erdoberfläche bereits in der frühesten Erdgeschichte nachgewiesen.<ref name="Wilde">Simon A. Wilde u. a.: ''Evidence from detrital zircons for the existence of continental crust and oceans on the Earth 4.4 Gyr ago.'' In: ''Nature.'' 409, 2001, S. 175–178. [[doi:10.1038/35051550]]</ref> Ohne relativ milde klimatische Bedingungen hätte Wasser aber nur als Eis vorkommen können. Bereits in dieser frühen Zeit sind die ersten Lebensspuren nachgewiesen, die ebenso flüssiges Wasser voraussetzten. <!-- Zur späteren Verwendung aufbewahrt: <ref>Caldeira, K. & Kasting, J. F.: [http://www.nature.com/nature/journal/v359/n6392/abs/359226a0.html ''Susceptibility of the early Earth to irreversible glaciation caused by carbon dioxide clouds.''] Nature (1992), 359, 226–228; {{DOI|10.1038/359226a0}}.</ref>
-->Das Paradoxon setzt zu einer Zeit an, in der eine erste Atmosphäre gerade entstanden war, und dauert über mehrere Milliarden Jahre fort, während derer sich Kontinente und Ozeane bildeten. Dies gilt ebenso bei der Betrachtung der frühen Marsatmosphäre.<ref name=":2">{{Literatur |Titel=The Ancient Martian Climate System |Ort=Toronto, Canada |Datum=2014-05-14 |Online=http://ntrs.nasa.gov/search.jsp?R=20140008603 |Abruf=2015-05-14}}</ref>
-->Das Paradoxon setzt zu einer Zeit an, in der eine erste Atmosphäre gerade entstanden war, und dauert über mehrere Milliarden Jahre fort, während derer sich Kontinente und Ozeane bildeten. Dies gilt ebenso bei der Betrachtung der frühen Marsatmosphäre.<ref name=":2">{{Literatur |Titel=The Ancient Martian Climate System |Ort=Toronto, Canada |Datum=2014-05-14 |Online=http://ntrs.nasa.gov/search.jsp?R=20140008603 |Abruf=2015-05-14}}</ref>


== Überblick ==
== Überblick ==
[[Datei:Pinatubo ash plume 910612.jpg|mini|Vulkanausbruch des [[Pinatubo]]]]
[[Datei:Pinatubo ash plume 910612.jpg|mini|Vulkanausbruch des [[Pinatubo]]]]
Zur Erklärung des Paradoxons werden Faktoren herangezogen, die im Klimageschehen auf der Erde bis zur Gegenwart eine Rolle spielen.
Zur Erklärung des Paradoxons werden Faktoren berücksichtigt, die in der gesamten irdischen [[Klimageschichte]] eine Rolle spielten. Anfangs wurden für die Lösung des Problems hohe [[Treibhausgas]]konzentrationen in der frühen Atmosphäre vermutet. Die Kenntnisse über die damalige atmosphärische Beschaffenheit und die damit verknüpften Klimabedingungen haben seit den 1970er Jahren erheblich zugenommen.<ref name="JJFK93" /> So gilt eine ursprünglich sehr hohe Konzentration der heute relevanten Treibhausgase aufgrund geochemischer Beschränkungen als fraglich.<ref name="JJFK93">J. F. Kasting: [http://www.sciencemag.org/cgi/content/abstract/259/5097/920 ''Earth's early atmosphere.'' (Abstract online)] In: ''Science.'' Vol 259, Issue 5097, 1993, S. 920–926.</ref><ref name="VG63" />


In den frühen Studien wurden für die Lösung des Paradoxons hohe [[Treibhausgas]]konzentrationen bereits in der Frühzeit der Entwicklung von Erde und Atmosphäre als wesentlich angesehen. Die Kenntnisse über die Zusammensetzung der Atmosphäre und des Klimas der frühen Erde haben sich seit den 1970er Jahren erheblich weiterentwickelt.<ref name="JJFK93" /> Eine sehr hohe Konzentration an heute wirksamen Treibhausgasen ist aber aufgrund geochemischer Beschränkungen fraglich.<ref name="JJFK93">J. F. Kasting: [http://www.sciencemag.org/cgi/content/abstract/259/5097/920 ''Earth's early atmosphere.'' (Abstract online)] In: ''Science.'' Vol 259, Issue 5097, 1993, S. 920–926.</ref><ref name="VG63" />
2009 wurden [[Sulfide|sulfidische]] Treibhausgase identifiziert, die in der frühen [[Reduktion (Chemie)|reduzierenden]] Atmosphäre bis zur [[Große Sauerstoffkatastrophe|Großen Sauerstoffkatastrophe]] vor 2,4 Milliarden Jahren ein wirksamer Klimafaktor gewesen sein könnten. Eine 2003 vorgebrachte Erklärung des Paradoxons und der globalen Warm- und Kaltzeiten aufgrund einer [[Kosmische Strahlung#Möglicher Klimaeinfluss|Klimabeeinflussung durch kosmische Strahlung]] löste eine kontrovers geführte Debatte aus und intensivierte die Forschung auf diesem Sektor. Ein klimabestimmender Einfluss kosmischer Strahlung in der Gegenwart konnte in Folgestudien jedoch nicht bestätigt werden.


2009 wurden sulfidische, hochwirksame Treibhausgase identifiziert, die in der frühen [[Reduktion (Chemie)|reduzierenden]] Atmosphäre wirksam hätten sein können, sprich bis zum Beginn der [[Große Sauerstoffkatastrophe|Sauerstoffkatastrophe]] in einem Erdalter von 2,4 Milliarden Jahren. Eine 2003 vorgebrachte alternative Erklärung des Paradoxons und der globalen Warm- und Eiszeiten über einen [[Kosmische Strahlung#Möglicher Klimaeinfluss|Klimaeinfluss der kosmischen Strahlung]] hat eine kontrovers geführte Debatte hervorgerufen und die Forschung zu der zugrundeliegenden Hypothese intensiviert. Ein klimabestimmender Einfluss kosmischer Strahlung in der Gegenwart konnte in Folgestudien jedoch nicht bestätigt werden.
Gegenwärtig wird versucht, das archaische Erdklima mit vergleichsweise einfachen Klimamodellen zu simulieren. Unter den Voraussetzungen einer niedrigen [[Albedo]], eines hohen [[Stickstoff]]anteils und eines spärlichen Auftretens von [[Kondensationskern]]en für die Wolkenbildung wäre das Vorhandensein von flüssigem Wasser in den Tropenregionen auch damals möglich gewesen.<ref name="Feulner" /><ref>{{Literatur |Autor=Eric Theodore Wolf |Titel=Solutions to the faint young Sun paradox simulated by a general circulation model |TitelErg=[[Studienabschlussarbeit|Thesis]] |Datum=2014 |ISBN=978-1-303-92513-9 |Seiten=20 |bibcode=2014PhDT........20W}}</ref> Gleiches gilt für die Analyse der frühen [[Marsatmosphäre]].<ref name=":2" /> Weitere Nebenthesen behandeln unter anderem mögliche Abweichungen der Erdbahnparameter, eine Veränderung der physikalischen Konstanten und der solaren Strahlungsstärke über das Standardmodell hinaus, ebenso wird in einigen Studien eine Lebensentstehung auf der Erde und auf anderen Himmelskörpern unter vergleichsweise kalten Bedingungen diskutiert.<ref name="VG63" />
 
Gegenwärtig wird versucht, das frühe Erdklima mit vergleichsweise einfachen Klimamodellen zu simulieren. Unter der Voraussetzung einer geringen [[Albedo]], einem hohen Stickstoffanteil und einem geringen Anteil an Kondensationskeimen für die Wolkenbildung wäre das Vorhandensein von flüssigem Wasser in den Tropenregionen demnach auch damals möglich gewesen.<ref name="Feulner" /><ref>{{Literatur |Autor=Eric Theodore Wolf |Titel=Solutions to the faint young Sun paradox simulated by a general circulation model |TitelErg=[[Studienabschlussarbeit|Thesis]] |Datum=2014 |ISBN=978-1-303-92513-9 |Seiten=20 |bibcode=2014PhDT........20W}}</ref> Dies gilt ebenso bei der Betrachtung der frühen [[Marsatmosphäre]].<ref name=":2" />
 
Weitere Nebenthesen führen unter anderem Unterschiede in Bahnparametern der Erde oder physikalischen Konstanten wie auch der Sonnenleistung auf, ebenso halten manche die Entstehung des frühen Lebens auf der Erde und anderen Himmelskörpern unter vergleichsweise kalten Bedingungen für möglich.<ref name="VG63" />
 
Das Klima wie die Zusammensetzung und Reaktionen in den verschiedenen Atmosphären der frühen geologischen Vergangenheit ist nur mit großem methodischen Aufwand und hoher Messungenauigkeit nachzuvollziehen und stellt komplexe Anforderungen an die Durchführung und Interpretation von Messungen und Messdaten.


=== Erd- und klimageschichtlicher Hintergrund ===
=== Erd- und klimageschichtlicher Hintergrund ===
Vor der Hypothese eines [[Großes Bombardement|Großen Bombardements]] der Erde durch [[Asteroid]]en und [[Komet]]en zwischen 4,1 und 3,8 Milliarden wurde allgemein angenommen, die Erde sei zuvor generell glutflüssig gewesen. Zur [[Erdwärme]] und zur [[Tektonik|geologischen Dynamik]] der Erde tragen zu einem erheblichen Anteil [[Geothermie#Restwärme aus der Zeit der Erdentstehung|Restwärme aus der Zeit der Erdentstehung]] und radioaktive Zerfallsprozesse bei. Die [[Erdkruste]] und der [[Erdmantel]] wirken isolierend; die an den Weltraum abgegebene Energie ist heute um mehrere Größenordnungen kleiner als die Sonneneinstrahlung.
Nach der [[Entstehung des Mondes]] vor etwa 4,5 Milliarden Jahren, bei der der Erdmantel tief aufgeschmolzen war, dauerte es etwa 2 Millionen Jahre, bis die [[Erdwärme]] für die Oberflächentemperatur vernachlässigbar wurde. Verzögernde Faktoren waren eine isolierende Atmosphäre aus [[Wasserdampf]] (H<sub>2</sub>O) und die [[Dissipation]] von Rotationsenergie durch [[Gezeitenreibung]].<ref>Kevin J. Zahnle et al.: ''The Tethered Moon.'' Earth and Planetary Science Letters 427, 2015, [[doi:10.1016/j.epsl.2015.06.058]], [[arXiv:1508.01467]].</ref> Als das Wasser kondensierte, begann ein mindestens 10 Millionen Jahre währender [[galoppierender Treibhauseffekt]] (englisch ''runaway greenhouse effect'') auf der Basis von anfangs etwa 100&nbsp;bar [[Kohlendioxid]] (CO<sub>2</sub>), ehe das Gas großteils als Karbonat subduziert war<ref name="Habitable">Kevin J. Zahnle et al.: ''Emergence of a Habitable Planet.'' Space Science Reviews 129, 2007, [[doi:10.1007/s11214-007-9225-z]]</ref> (siehe auch [[Kohlenstoffzyklus]]).


Bei der ersten Atmosphäre vor über vier Milliarden Jahren wird angenommen, sie hätte ähnlich wie heutige Vulkanausgasungen größtenteils aus [[Wasserdampf]] (H<sub>2</sub>O) und zu kleineren Anteilen aus [[Kohlenstoffdioxid]] (CO<sub>2</sub>) und [[Schwefelwasserstoff]] (H<sub>2</sub>S) sowie kleineren Anteilen von [[Stickstoff]] (N<sub>2</sub>), Wasserstoff (H<sub>2</sub>), [[Kohlenmonoxid]] (CO), Helium, Methan und Ammoniak bestanden. Umstritten ist, wann es zur Bildung eines ersten Urozeans kam und die Erdoberfläche abgekühlt genug war, um [[Niederschlag|Niederschläge]] zuzulassen.
Nach aktueller Einschätzung, vorbehaltlich neuer [[Mondgestein]]proben, gab es kein [[Großes Bombardement]] der Erde durch [[Asteroid]]en und [[Komet]]en vor 4,1 bis 3,8 Milliarden Jahren, sondern eine allmähliche Abnahme der Einschläge,<ref>Adam Mann: ''Bashing holes in the tale of Earth’s troubled youth.'' Nature 553, 2018, [[doi:10.1038/d41586-018-01074-6]].</ref> die den Erdmantel lediglich lokal aufschmolzen und zwischen denen relativ  kühle Bereiche existierten, mit Wasser in flüssiger<ref>Elizabeth B. Watson, Theresa M. Harrison: ''Zircon thermometer reveals minimum melting conditions on earliest Earth.'' Science 308, 2005, [[doi:10.1126/science.1110873]].</ref> und fester Form.<ref name="Habitable" /> Vulkanausgasungen bestanden damals wie heute überwiegend aus Wasserdampf, Kohlendioxid und [[Schwefelwasserstoff]] (H<sub>2</sub>S) sowie kleineren Anteilen von [[Stickstoff]] (N<sub>2</sub>), Wasserstoff (H<sub>2</sub>), [[Kohlenmonoxid]] (CO), Helium, Methan und Ammoniak.
Möglicherweise stammen vorher gebildete Gesteine aus den bereits stärker abgekühlten fremden Himmelskörpern, diese stellen eine mögliche [[Herkunft des irdischen Wassers|Herkunftsquelle des irdischen Wassers]] dar. Bereits vor 3,8 Milliarden Jahren sind eindeutig Spuren flüssigen Wassers nachzuweisen.<ref>B. Windley: ''The Evolving Continents.'' Wiley Press, New York 1984.</ref> Hinweise auf Leben auf der Erde gibt es seit mindestens 3,5 Milliarden Jahren.


Einen wichtigen Einschnitt stellt eine weltweite Vereisung vor etwa 2,4 Milliarden Jahren dar. Die nach dem [[Huronsee]] benannte [[Huronische Eiszeit]] wurde wahrscheinlich durch die [[große Sauerstoffkatastrophe]] ausgelöst. Es folgte eine längere Warmzeit, scherzhaft als ''boring billion'' (langweilige Milliarde) bezeichnet.<ref group="jko" name="kho">nach H. D. Holland: ''The oxygenation of the atmosphere and oceans.'' In: ''Phil. Trans. R. Soc.'' Band 361, 2006, S. 903–915. [[doi:10.1098/rstb.2006.1838]], zitiert bei Kasting und Ono 2006.</ref> Erst danach, seit etwa einer Milliarde Jahren, wechseln sich bis zur Gegenwart globale Kalt- und Warmzeiten in regelmäßigen Abständen ab.
Eine vermutlich kurzzeitige Glazialphase in Form der [[Pongola-Vereisung]] ereignete sich vor etwa 2,9 Milliarden Jahren, auf die 500 Millionen Jahre später die [[Paläoproterozoische Vereisung]] folgte, wahrscheinlich verursacht durch die [[Große Sauerstoffkatastrophe]] und mit einer Dauer von ungefähr 300 Millionen Jahren das längste [[Eiszeitalter]] der Erdgeschichte. Daran schloss sich eine längere Warmzeit an, scherzhaft ''boring billion'' (langweilige Milliarde) genannt.<ref group="jko" name="kho">nach H. D. Holland: ''The oxygenation of the atmosphere and oceans.'' In: ''Phil. Trans. R. Soc.'' Band 361, 2006, S. 903–915. [[doi:10.1098/rstb.2006.1838]], zitiert bei Kasting und Ono 2006.</ref> Erst danach, seit etwa einer Milliarde Jahren, wechselten sich bis in die jüngste Erdgeschichte längere Warm- mit kürzeren Kaltzeiten ab.


Das Paradoxon wird unter anderem im Umfeld von [[Junge-Erde-Kreationismus|Junge-Erde-Kreationisten]] und Anhängern des sogenannten [[Intelligent Design]] als Argument
Das Paradoxon wird gelegentlich im Umfeld von [[Junge-Erde-Kreationismus|Junge-Erde-Kreationisten]] und Anhängern des sogenannten [[Intelligent Design]] als Argument gegen die übereinstimmenden wissenschaftlichen Datierungen herangezogen, die das [[Innerer Aufbau der Erde#Meteoriten, Alter der Erde|Alter der Erde]] auf etwa 4,6 Milliarden Jahre festlegen.<ref>Detaillierte Betrachtung im [[Usenet]] unter [[Talk.origins]] [http://www.talkorigins.org/faqs/faq-solar.html#_Toc430357878 Gegenargumente zu ''solarem Kreationismus''] [http://www.talkorigins.org/indexcc/CE/CE311.html Gegenargumente zu ''Faint young sun Kreationismus''].</ref>
gegen die vielfältigen wissenschaftlichen Datierungen herangezogen, die das [[Innerer Aufbau der Erde#Meteoriten, Alter der Erde|Alter der Erde]] auf etwa 4,6 Milliarden Jahre festlegen.<ref>Detaillierte Betrachtung im [[Usenet]] unter [[Talk.origins]] [http://www.talkorigins.org/faqs/faq-solar.html#_Toc430357878 Gegenargumente zu ''solarem Kreationismus''] [http://www.talkorigins.org/indexcc/CE/CE311.html Gegenargumente zu ''Faint young sun Kreationismus''].</ref>


==== Einfluss der Atmosphäre ====
==== Einfluss der Atmosphäre ====
{{Hauptartikel|Entwicklung der Erdatmosphäre|Treibhauseffekt}}
{{Hauptartikel|Entwicklung der Erdatmosphäre|Treibhauseffekt}}
[[Datei:Sun climate system alternative (German) 2008.svg|mini|Überblicksdarstellung des Treibhauseffekts. Kurzwellige Strahlung der Sonne trifft auf die Atmosphäre und Erdoberfläche. Langwellige Strahlung wird von der Erdoberfläche abgestrahlt und in der Atmosphäre fast vollständig absorbiert. Die Zahlen geben die aktuelle Leistung in Watt/Quadratmeter an]]
[[Datei:Sun climate system alternative (German) 2008.svg|miniatur|hochkant=2|Beispiel einer Modellrechnung von 2009 zur mittleren jährlichen [[Strahlungsbilanz]] der Erde für den Zeitraum von März 2000 bis Mai 2004. Die Berechnungen wurden erstellt teils aufgrund von Satellitendaten ([[Clouds and the Earth’s Radiant Energy System|CERES]]) und teils aufgrund von Annahmen ([[Hypothese]]n). Die Breite der breiten Pfeile deutet die Proportionen des Energieflusses an.<ref>{{Literatur | Autor=[[Kevin Trenberth|Kevin E. Trenberth]], John T. Fasullo, Jeffrey Kiehl | Titel=Earth's Global Energy Budget | Sammelwerk=[[Bulletin of the American Meteorological Society]] | Band=90 | Nummer=3 | Datum=2009 | Seiten=311–324 | DOI=10.1175/2008BAMS2634.1}}, Fig. 1, S. 314. </ref> Eine spätere Modellrechnung von 2013 ergab einen Energieüberschuss von 0,6 W/m², mit einem Unsicherheitsbereich von 0,2 bis 1,0 W/m².<ref name="DOI10.1007/s00382-012-1569-8">Martin Wild, Doris Folini, Christoph Schär, Norman Loeb, Ellsworth G. Dutton, Gert König-Langlo: ''The global energy balance from a surface perspective.'' In: ''Climate Dynamics.'' 40, 2013, S.&nbsp;3107, {{DOI|10.1007/s00382-012-1569-8}}, Fig. 1, S. 3108, [http://doc.rero.ch/record/321020/files/382_2012_Article_1569.pdf PDF].</ref>]]


Die Treibhauswirkung rührt von einer unterschiedlichen Durchlässigkeit für den kurzwelligen (vor allem ankommenden) Anteil der Sonnenstrahlung gegenüber der langwelligen (vor allem reflektierten) [[Wärmestrahlung]] her. In der [[Erdatmosphäre]] haben klimawirksame [[Treibhausgas]]e wie [[Wasserdampf]], [[Kohlenstoffdioxid]], [[Methan]] und [[Ozon]] seit Anbeginn zentralen Einfluss auf die [[Klimageschichte]] und das [[Klima]]. Der natürliche Treibhauseffekt hebt die durchschnittliche Temperatur an der Erdoberfläche heute um etwa 33&nbsp;°C auf +15&nbsp;[[Grad Celsius|°C]] an. Ohne diesen natürlichen Treibhauseffekt hätte die heutige untere [[Erdatmosphäre]] im globalen Mittel nur −18&nbsp;°C und wäre äußerst lebensfeindlich.
Die Treibhauswirkung beruht auf der unterschiedlichen Durchlässigkeit für den kurzwelligen (vor allem ankommenden) Anteil der Sonnenstrahlung gegenüber der langwelligen (vor allem reflektierten) [[Wärmestrahlung]]. In der [[Erdatmosphäre]] haben [[Treibhausgas]]e wie [[Wasserdampf]], [[Kohlenstoffdioxid]], [[Methan]] und [[Ozon]] seit Anbeginn zentralen Einfluss auf das [[Klima]]. Der natürliche Treibhauseffekt hebt die durchschnittliche Temperatur der Erdoberfläche gegenwärtig um etwa 33&nbsp;°C auf +15&nbsp;[[Grad Celsius|°C]] an. Ohne diesen Effekt würde die bodennahe Luftschicht im globalen Mittel nur lebensfeindliche −18&nbsp;°C aufweisen. Mit der gegenwärtigen Zusammensetzung der Atmosphäre wäre die Oberflächentemperatur am Beginn der Erdgeschichte bei sonst gleichen Bedingungen (Landverteilung, Albedo) global um ca. 20 °C kälter gewesen.<ref>S. Rahmstorf, H. J. Schellnhuber: ''Der Klimawandel.'' 6. Auflage. C.H. Beck, 2007, S. 14.</ref>
Mit der heutigen Zusammensetzung der Atmosphäre wäre die Oberflächentemperatur zu Anfang der Erdgeschichte bei sonst gleichen Bedingungen (Landverteilung, Albedo) global um ca. 20° kälter gewesen.<ref>S. Rahmstorf, H. J. Schellnhuber: ''Der Klimawandel.'' 6. Auflage. C.H. Beck, 2007, S. 14.</ref>


Ein über mehrere Milliarden Jahre weitgehend stabiles Klima setzt wirkungsvolle Regelmechanismen voraus.<ref group="jk" name="zit" /> Wasser in seinen verschiedenen Aggregatzuständen alleine wirkt einer Abkühlung durch eine geringere Strahlungsleistung der Sonne nicht entgegen.<ref group="jko" name="kg">Kasting und Ono 2006.</ref>
Ein über mehrere Milliarden Jahre weitgehend stabiles Klima setzt wirkungsvolle Regelmechanismen voraus.<ref group="jk" name="zit" /> Wasser in seinen verschiedenen Aggregatzuständen alleine wirkt einer Abkühlung durch eine geringere Strahlungsleistung der Sonne nicht entgegen.<ref group="jko" name="kg">Kasting und Ono 2006.</ref> Die beobachteten Klimaveränderungen müssen deshalb durch die Einwirkung anderer Faktoren, wie z.&nbsp;B. die [[Wolke]]nbildung, erklärt werden. So kühlen niedrige Wolken die Erdoberfläche durch ihre Sonnenreflexion, hohe Wolken wärmen hingegen. Die Wolkenbildung wird u.&nbsp;a. von Kondensationskernen, Schwebeteilchen und Spurengasen beeinflusst. Eine wichtige Rolle spielt hierbei der [[Vulkanismus]] durch die in die Atmosphäre emittierten Gase, [[Feinstaub|Staubpartikel]] und [[Aerosol]]e.


Die beobachteten Klimaveränderungen müssen deshalb durch die Einwirkung anderer Faktoren, wie z.&nbsp;B. die [[Wolke]]nbildung, erklärt werden. So kühlen niedrige Wolken die Erdoberfläche durch ihre Sonnenreflexion, hohe Wolken wärmen hingegen. Die Wolkenbildung wird u.&nbsp;a. von [[Kondensationskern|Kondensationskeimen]], feinen Partikeln und Spurengasen beeinflusst. Eine wichtige Rolle spielen hier der [[Vulkanismus]] und dabei die in die Atmosphäre verbrachten Gase, [[Feinstaub|Stäube]] und [[Aerosol]]e sowie die Folgen von Leben im weitesten Sinne.
Die über längere Zeiträume variierende [[Vegetation]]sausbreitung hat im Zusammenhang mit [[Erosion (Geologie)|Erosion]], [[Verwitterung]] und [[Boden (Bodenkunde)|Bodenstruktur]] Einfluss auf die [[Albedo|Reflexionseigenschaften]] der Erdoberfläche sowie auf die [[Verdunstung]] und damit auf Wolkenbildung und Klima.<ref name="change2007" group="ipcc">Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S.&nbsp;448.</ref> Ein signifikanter Faktor sind daneben die Erdbahnparameter ([[Exzentrizität (Astronomie)|Exzentrizität]], [[Präzessionskonstante|Präzession]] und [[Bahnneigung|Neigung der Erdachse]]). Die durch die sogenannten [[Milanković-Zyklen]] verursachte Verteilung und Schwankung der [[Insolation (Physik)|Sonneneinstrahlung]] ist relativ geringfügig, fungiert jedoch im Klimasystem als „Impulsgeber“ und gilt als Hauptursache für den Wechsel der Warm- und Kaltphasen innerhalb des gegenwärtigen [[Känozoisches Eiszeitalter|Eiszeitalters]].<ref group="ipcc" name="change2007" /> Nach neueren Erkenntnissen kann ein Teil der Zyklen als stabile Einflussgröße über mehrere hundert Millionen Jahre zurückverfolgt und chronologisch eingeordnet werden.<ref name="10.1073/pnas.1800891115">{{cite journal | author=Dennis V. Kent | coauthors=Paul E. Olsen, Cornelia Rasmussen, Christopher Lepre, Roland Mundil, Randall B. Irmis, George E. Gehrels, Dominique Giesler, John W. Geissman, William G. Parker | year=2018 | month=Juni | title=Empirical evidence for stability of the 405-kiloyear Jupiter–Venus eccentricity cycle over hundreds of millions of years | journal=PNAS | volume=115 | issue=24 | pages=6153–6158 | doi=10.1073/pnas.1800891115 | url=| language=en}}</ref>


Die Aktivität von [[Vegetation]], die Erosion und Verwitterung hat über die Bildung und Beschaffenheit von [[Locker-, Halbfest- und Festgestein|Lockergestein]] und [[Boden (Bodenkunde)|Böden]] Einfluss auf die [[Albedo|Reflexionseigenschaften]] der Erdoberfläche sowie die [[Verdunstung]] und damit auf Wolkenbildung und Klima.<ref name="change2007" group="ipcc">Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S.&nbsp;448.</ref>
==== Klimaeinfluss der Plattentektonik ====
{{Hauptartikel|Plattentektonik|Kontinentaldrift}}
Die [[Plattentektonik]] als Antrieb aller großräumigen Vorgänge in der äußeren Erdhülle ([[Lithosphäre]]) ist einer der wichtigsten Klimafaktoren mit einer Vielzahl von damit verbundenen Prozessen. Dazu zählen die Entstehung von [[Faltengebirge]]n ([[Orogenese]]), die verschiedenen Formen des [[Vulkanismus]], die Bildung [[Mittelozeanischer Rücken]], das „Abtauchen“ ozeanischer Kruste unter kontinentale [[Lithosphärenplatte]]n ([[Subduktion]]) sowie die [[Kontinentaldrift]], jeweils mit direkten Folgen auf den [[Klimazustand]] der Erde. Im Unterschied zu diesen Entwicklungen, die Millionen Jahre beanspruchten, kamen die biologischen und klimatischen Auswirkungen sogenannter [[Magmatische Großprovinz|Magmatischer Großprovinzen]] (englisch ''Large Igneous Provinces'') nach geologischen Maßstäben oftmals innerhalb eines relativ schmalen Zeitfensters zur Geltung. Es handelte sich dabei um den großvolumigen Ausfluss [[Magmatit|magmatischer Gesteine]] aus dem [[Erdmantel]], überwiegend in Form von [[Flutbasalt]]en, die vor allem an den „Nahtstellen“ kollidierender oder auseinanderdriftender Kontinentalplatten auftraten und sich im Verlauf von einigen Hunderttausend Jahren gelegentlich über Millionen km<sup>2</sup> ausbreiteten. In Abhängigkeit von Ausmaß und Dauer der Flutbasalt-Freisetzung gelangten erhebliche Mengen an Treibhausgasen und Schadstoffen in die Atmosphäre. Im Unterschied zum „normalen“ Vulkanismus bewirkten die Aktivitäten einer ''Magmatischen Großprovinz'' keine aerosolbedingte Abkühlung, sondern führten im Gegenteil zu einer weltweiten Temperaturzunahme, im Extremfall gekoppelt mit einer zusätzlichen Erwärmungsspirale unter Mitwirkung von [[Methan]] beziehungsweise [[Methanhydrat]] aus ozeanischen Lagerstätten. Sehr wahrscheinlich stehen die meisten [[Massenaussterben]] der Erdgeschichte mit der großflächigen [[Effusion (Vulkanismus)|Effusion]] von Flutbasalten und der anschließenden Destabilisierung terrestrischer und mariner Biotope in direkter Verbindung.<ref name="10.1130/2014.2505(02)">{{cite journal | author=David P. G. Bond | coauthors=Paul B. Wignall | year=2014 | month=September | title=Large igneous provinces and mass extinctions: An update | journal=The Geological Society of America (GSA) Special Paper | volume=505 | issue=| pages=29–55 | url=https://www.researchgate.net/profile/Paul_Wignall/publication/288489779_Large_igneous_provinces_and_mass_extinctions_An_update/links/56857e6708aebccc4e118163.pdf | doi=10.1130/2014.2505(02) | format=PDF | language=en}}</ref>


Klimaeinfluss haben daneben die Parameter der Erdbahn und der Erdachse in Bezug auf die Sonne. So werden Eis- und Warmzeiten der jüngeren Zeit bevorzugt über die im Rahmen der [[Milanković-Zyklen]] regelmäßig veränderte Erdbahngeometrie gedeutet.<ref group="ipcc" name="change2007" />
'''Verlauf '''<br />
[[Datei:Rodinia reconstruction.jpg|mini|hochkant=1.2|Eine mögliche hypothetische Rekonstruktion des Superkontinents Rodinia]]
Der erste Kontinent [[Ur (Kontinent)|Ur]], in seiner Größe vermutlich vergleichbar mit dem heutigen Australien, könnte bereits vor rund 3 Milliarden Jahren existiert haben, gilt jedoch als weitgehend hypothetisch. Besser belegt ist der erste [[Superkontinent]] [[Kenorland]], dessen Entstehung mit dem Beginn des [[Eiszeitalter#Paläoproterozoisches Eiszeitalter|Paläoproterozoischen Eiszeitalters]] (auch ''Huronische Eiszeit'') vor etwa 2,4 Milliarden Jahren korrespondiert. Vor 1,8 Milliarden Jahren entstand der Superkontinent [[Columbia (Kontinent)|Columbia]], der nach aktueller Forschungslage die Landmassen des ursprünglich als eigenständig geltenden [[Großkontinent]]s [[Nuna (Kontinent)|Nuna]] ganz oder zum Teil in sich vereinte. Im Zuge des als wahrscheinlich eingestuften [[Wilson-Zyklus]] bildeten sich in der Folge die Superkontinente [[Rodinia]] (1.100 bis 750 [[Mya (Zeitskala)|mya]] = ''million years ago'') und [[Pannotia]] (600 bis 550 mya), wobei verschiedene Studien das Resümee ziehen, dass ''Columbia'' in seiner Spätphase nur teilweise fragmentiert wurde und – unter entsprechend moderater Plattentektonik – gegen Ende des [[Mesoproterozoikum]]s einen „fließenden“ Übergang zum nachfolgenden ''Rodinia'' vollzog.<ref name="10.1016/j.gsf.2013.05.004">{{cite journal | author=Nick M. W. Roberts | coauthors= | year=2013 | month=November | title=The boring billion? – Lid tectonics, continental growth and environmental change associated with the Columbia supercontinent | journal=Geoscience Frontiers | volume=4 | issue=6 | pages=681–691 | doi=10.1016/j.gsf.2013.05.004 | url= | format= | language=en}}</ref> Diese Annahme entspricht der relativ ruhigen klimatischen und geologischen Entwicklung während der ''boring billion.''<ref name="10.1016/j.gsf.2012.07.003">{{cite journal | author=Grant M. Young | coauthors= | year=2013 | month=Mai | title=Precambrian supercontinents, glaciations, atmospheric oxygenation, metazoan evolution and an impact that may have changed the second half of Earth history | journal=Geoscience Frontiers | volume=4 | issue=3 | pages=247–261 | doi=10.1016/j.gsf.2012.07.003 | url= | format= | language=en}}</ref> Allerdings wirkte sich diese lange währende „Stillstandsphase“ auch auf die biologische Evolution aus. Es gibt Hinweise, dass die marinen Sauerstoff- und Sulfatkonzentrationen dauerhaft auf niedrigem Niveau stagnierten und die mittelproterozoischen Ozeane aufgrund anoxischer Bedingungen einschließlich des Auftretens von [[Schwefelwasserstoff]] ein eher lebensfeindliches Milieu für [[Aerobie|aerobe]] Lebensformen bildeten.<ref name="10.1038/nature04068">{{cite journal | author=Jochen J. Brocks | coauthors=Gordon D. Love, Roger E. Summons, Andrew H. Knoll, Graham A. Logan, Stephen A. Bowden | year=2005 | month=Oktober | title=Biomarker evidence for green and purple Sulphur bacteria in a stratified Palaeoproterozoic sea | journal=Nature | volume=437 | issue= | pages=866–870 | doi=10.1038/nature04068| url=http://people.rses.anu.edu.au/brocks_j/JJB%20publications/1017%20Brocks%20Nature%202005.pdf | format=PDF | language=en}}</ref>


==== Klimaeinfluss der Lage und Bildung von Ozeanen und Kontinenten ====
Durch die allmähliche Zunahme des Sauerstoffgehalts während des [[Neoproterozoikum]]s änderte sich die chemische Beschaffenheit der Meere, und gleichzeitig begann eine Periode umfangreicher plattentektonischer Prozesse und ausgeprägter Kaltzeiten, vermutlich verknüpft mit mehreren [[Schneeball Erde|Schneeball-Erde-Ereignissen]]. Während des bis heute andauernden [[Äon (Geologie)|Erdzeitalters]], dem [[Phanerozoikum]], traten in unregelmäßigen Abständen weitere Kalt- und Warmzeiten von unterschiedlicher Dauer auf. Eine deutliche Abkühlung ereignete sich ab der 2. Hälfte des [[Ordovizium]]s vor 460 bis 430 Millionen Jahren,<ref name="10.1038/ncomms12">{{cite journal | author=P. Porada | coauthors=T. M. Lenton, A. Pohl, B. Weber, L. Mander, Y. Donnadieu, C. Beer, U. Pöschl, A. Kleidon | year=2016 | month=August | title=High potential for weathering and climate effects of non-vascular vegetation in the Late Ordovician | journal=Nature Communications | volume=7 | issue= | pages= | url=https://www.nature.com/articles/ncomms12113.pdf?origin=ppub | doi=10.1038/ncomms12 | format=PDF | language=en}}</ref> gefolgt vom [[Eiszeitalter#Permokarbones Eiszeitalter|Permokarbonen Eiszeitalter]], das große Teile des Karbons umfasste und bis in das [[Perm (Geologie)|Mittlere Perm]] reichte.<ref name="10.1016/j.gr.2011.11.005">{{cite journal | author=John L. Isbell | coauthors=Lindsey C. Henry, Erik L. Gulbranson, Carlos O. Limarino, Margaret L. Fraiser, Zelenda J. Koch, Patricia L. Ciccioli, Ashley A. Dineen | year=2012 | month=Juli | title=Glacial paradoxes during the late Paleozoic ice age: Evaluating the equilibrium line altitude as a control on glaciation | journal=Gondwana Research | volume=22 | issue=1 | pages=1–19 | doi=10.1016/j.gr.2011.11.005 | url=https://www.researchgate.net/profile/Patricia_Ciccioli/publication/235909602_GR_focus_review_Glacial_paradoxes_during_the_late_Paleozoic_ice_age_Evaluating_the_equilibrium_line_altitude_as_a_control_on_glaciation/links/5a0dcf780f7e9b7d4dba5144/GR-focus-review-Glacial-paradoxes-during-the-late-Paleozoic-ice-age-Evaluating-the-equilibrium-line-altitude-as-a-control-on-glaciation.pdf | format=PDF | language=en}}</ref> Die oftmals sehr rasch verlaufenden Klimaschwankungen im [[Jura (Geologie)|Jura]] und in der [[Kreide (Geologie)|Unterkreide]] fallen mit dem fortschreitenden Zerfall des im späten Karbon (310 mya) entstandenen Superkontinents [[Pangaea]] zusammen.<ref name="10.1130/G31579.1">{{cite journal | author=Guillaume Dera | coauthors=Benjamin Brigaud, Fabrice Monna, Rémi Laffont, Emmanuelle Pucéat, Jean-François Deconinck, Pierre Pellenard, Michael M. Joachimski, Christophe Durlet | year=2011 | month=März | title=Climatic ups and downs in a disturbed Jurassic world | journal=Geology | volume=53 | issue=3 | pages=215–218 | doi=10.1130/G31579.1 | url=http://jurassic.ucoz.ru/_fr/12/Dera_et_al-2011.pdf | format=PDF | language=en}}</ref> Ein wichtiger [[Paläogeographie|paläogeographischer Faktor]] war dabei die Lage der Kontinente und größerer Festlandsbereiche im Umkreis der [[Polargebiet]]e, da polarnahe Landflächen aufgrund der [[Eis-Albedo-Rückkopplung]] schneller und stärker vereisen als offene Meereszonen.
Die [[Plattentektonik]] der Erde und die damit verbundene wechselnde Verteilung von Kontinenten und [[Gebirge]]n ist mitentscheidend für die dauerhafte Bildung von [[Gletscher]]n, die Auswirkungen und den Charakter von Niederschlägen und Meeresströmungen. Sie ist eine Besonderheit der Erde gegenüber Venus und Mars, die entsprechende tektonische Veränderungen nicht oder nur in der Vergangenheit aufgewiesen haben. Die Tektonik kann Klimawirkungen auslösen, etwa wenn erhöhte Temperaturen an einer Stelle zu mehr Verdunstung und andernorts zu mehr Niederschlag und Gletscherbildung beitragen oder vormals maritime oder trockenkalte Regionen von Land oder Gebirgen bedeckt werden und umgekehrt. Genauso trägt eine Verlagerung kontinentaler Platten in die Polarregionen samt Veränderungen bei Meeresströmungen wie etwa dem [[Golfstrom]] global und regional zu erheblichen Klimawirkungen bei. Bei keinen oder nur wenigen Landmassen wäre auf Basis eines einfachen Klimamodells eine zusätzliche Erwärmung von etwa 4&nbsp;°C anzunehmen.<ref>''A General Circulation Model Study of the Effects of Faster Rotation Rate, Enhanced CO 2 Concentration, and Reduced Solar Forcing: Implications for the Faint Young Sun Paradox.'' In: ''Journal of Geophysical Research.'' Vol 98, NO D11, 20. November 1993. [[doi:10.1029/93JD02056]]</ref>
 
'''Verlauf '''<br />
Unter Geowissenschaftlern umstritten ist nach wie vor die Bildung eines ersten Kontinents, [[Ur (Kontinent)|Ur]], der nur etwa so groß wie das heutige Australien gewesen sein soll, bereits vor etwa 3 Milliarden Jahren. Gesteine einzelner Inseln in einem durch die frühe [[Hydrosphäre]] gebildeten Urozean sind möglicherweise im [[Nuvvuagittuq-Grünsteingürtel]] auf Grönland erhalten. Etwas weniger fraglich ist die Bildung von [[Kenorland]] als erstem Superkontinent, die genau zur Zeit der archaischen Vereisung 2,45 Milliarden Jahre vor unserer Zeit begann. Erst vor einer Milliarde Jahren, mit dem [[Neoproterozoikum]], kam es zum Zusammenschluss des ersten [[Superkontinent]]s [[Rodinia]], ebenfalls in zeitlichem Zusammenhang mit einer bedeutenden Vereisung. Seit dem bis in das heute andauernde [[Äon (Geologie)|Erdzeitalter]], dem [[Phanerozoikum]], wechseln sich Kalt- und Warmzeiten regelmäßig ab. Kontinente und größere Inseln im Umfeld der [[Polargebiet]]e erscheinen dabei als wichtiger Faktor für stärkere Kaltzeiten. Eine bedeutende derartige Vereisung fand im mittleren [[Ordovizium]] statt, die moderate Kaltzeit zwischen [[Jura (Geologie)|Jura]] und [[Kreide (Geologie)|Kreide]] vor etwa 150 Millionen Jahren fällt mit dem Auseinanderbrechen des zuvor gebildeten Superkontinents [[Gondwana]] zusammen.


== Deutungen des Paradoxons über Treibhauseffekte ==
== Deutungen des Paradoxons über Treibhauseffekte ==
=== Überblick ===
=== Überblick ===
Sagan und Mullen<ref group="sm" name="SgM" /> schlugen zunächst eine klimaaktive Rolle von [[Ammoniak]] (=NH<sub>3</sub>) in der frühen Atmosphäre als Lösung des Paradoxons vor. Jedoch besitzt Ammoniak in der Erdatmosphäre nur eine geringe Verweildauer und wird unter anderem durch photochemische Vorgänge zersetzt. Sagan und Chyba postulierten daher eine organische Schutzschicht, ähnlich wie bei der Atmosphäre des Saturnmondes [[Titan (Mond)|Titan]],<ref>Vivien Gornitz (Hrsg.): ''Encyclopedia of Paleoclimatology and Ancient Environments.'' Springer, 2009, ISBN 978-1-4020-4551-6, S. 334–335.</ref> die die Stabilität des Ammoniaks erhöht haben könnte.<ref name="Saganchyba">Carl Sagan, Christopher Chyba: ''The Early Faint Sun Paradox: Organic Shielding of Ultraviolet-Labile Greenhouse Gases.'' In: ''Science.'' Band 276, Nr. 5316, 23. Mai 1997, S.&nbsp;1217–1221. [[doi:10.1126/science.276.5316.1217]]</ref> Eine stark ammoniakhaltige Atmosphäre wird auch bei einigen [[Extrasolarer Planet|Planeten außerhalb unseres Sonnensystems]] angenommen.
Sagan und Mullen<ref group="sm" name="SgM" /> schlugen zunächst eine klimaaktive Rolle von [[Ammoniak]] (NH<sub>3</sub>) in der frühen Atmosphäre als Lösung des Paradoxons vor. Jedoch besitzt Ammoniak in der Erdatmosphäre nur eine geringe Verweildauer und wird unter anderem durch photochemische Vorgänge zersetzt. Sagan und Chyba postulierten daher eine organische Schutzschicht, ähnlich wie bei der Atmosphäre des Saturnmondes [[Titan (Mond)|Titan]],<ref>Vivien Gornitz (Hrsg.): ''Encyclopedia of Paleoclimatology and Ancient Environments.'' Springer, 2009, ISBN 978-1-4020-4551-6, S. 334–335.</ref> die die Stabilität des Ammoniaks erhöht haben könnte.<ref name="Saganchyba">Carl Sagan, Christopher Chyba: ''The Early Faint Sun Paradox: Organic Shielding of Ultraviolet-Labile Greenhouse Gases.'' In: ''Science.'' Band 276, Nr. 5316, 23. Mai 1997, S.&nbsp;1217–1221. [[doi:10.1126/science.276.5316.1217]]</ref> Eine stark ammoniakhaltige Atmosphäre wird auch bei einigen [[Extrasolarer Planet|Planeten außerhalb unseres Sonnensystems]] angenommen.


Als Erklärung für das Paradoxon wurde die Ammoniakhypothese bald zugunsten eines erheblich höheren (Faktor Zehntausend) Anteils von CO<sub>2</sub> in frühester Zeit verdrängt. Diese Theorie war bis in die frühen 1990er Jahre vorherrschend.<ref group="jko" name="kg" /> Aufgrund von Widersprüchen mit geochemischen Erkenntnissen<ref>R. Rye, P. H. Kuo, H. D. Holland: ''Atmospheric carbondioxide concentrations before 2.2-billion years ago.'' In: ''Nature.'' 378, 1995, S. 603–605.</ref> wurde alsbald nach alternativen Ursachen gesucht. Andere Autoren schlugen für erhöhte Anteile und Mischungen weitere Klimagase vor, die unter anderem in Ausgasungen von Vulkanen bis in die Gegenwart vorkommen und sehr wirkungsvolle Treibhausgase sind. Dazu gehören [[Distickstoffmonoxid#Eigenschaften|Lachgas]] N<sub>2</sub>O oder insbesondere [[Methan#Biologie, Geologie, Klimatologie|Methan]], [[Ethan]] und andere Kohlenwasserstoffe<ref group="jh" name="ha">Haqq-Misra u. a.</ref> sowie verschiedene Schwefelverbindungen.<ref group="jko" name="kg" /> Die Frage der [[Photochemie|photochemischen]] Stabilität stellt sich bei den sehr klimawirksamen Kohlenwasserstoffen und Sulfiden ebenso. Die Stabilität der meisten Treibhausgase wurde dadurch begünstigt, dass die Atmosphäre der frühen Erde nahezu sauerstofffrei war. Insgesamt lassen die teilweise dramatischen Änderungen in der Zusammensetzung der frühen Atmosphäre,<ref group="vk">Überblicksabbildung, S. 16.</ref> insbesondere durch biotisch gebildeten Sauerstoff, angesichts des gleichmäßig moderaten warmen Klimaverlaufs über mehrere Milliarden Jahre und des periodischen Auf und Abs nach der ''boring billion'' zwischen 2,4 und 1 Milliarde vor unserer Zeit weiter Fragen offen.<ref group="jko" name="kg" />
Als Erklärung für das Paradoxon wurde die Ammoniakhypothese bald zugunsten eines erheblich höheren (Faktor Zehntausend) CO<sub>2</sub>-Anteils in frühester Zeit verdrängt. Diese Theorie war bis in die frühen 1990er Jahre vorherrschend.<ref group="jko" name="kg" /> Aufgrund von Widersprüchen mit geochemischen Erkenntnissen<ref>R. Rye, P. H. Kuo, H. D. Holland: ''Atmospheric carbondioxide concentrations before 2.2-billion years ago.'' In: ''Nature.'' 378, 1995, S. 603–605.</ref> begann die Suche nach alternativen Ursachen. Andere Autoren schlugen ein erhöhtes Auftreten weiterer Treibhausgase vor, die unter anderem in vulkanischen Emissionen bis in die Gegenwart vorkommen. Dazu zählen [[Distickstoffmonoxid#Eigenschaften|Lachgas]] (N<sub>2</sub>O) und insbesondere [[Methan]], [[Ethan]] und andere Kohlenwasserstoffe<ref group="jh" name="ha">Haqq-Misra u. a.</ref> sowie verschiedene Schwefelverbindungen.<ref group="jko" name="kg" /> Die Frage der [[Photochemie|photochemischen]] Stabilität betrifft auch die klimawirksamen Kohlenwasserstoffe und Sulfide. Die Verweildauer der meisten Treibhausgase wurde durch die nahezu sauerstofffreie Atmosphäre der frühen Erde gefördert. Insgesamt lassen die teilweise dramatischen Änderungen in der Zusammensetzung der frühen Atmosphäre,<ref group="vk">Überblicksabbildung, S. 16.</ref> vor allem durch biotisch gebildeten Sauerstoff, angesichts des relativ gleichmäßig warmen Klimaverlaufs über mehrere Milliarden Jahre und der ausgeprägten Temperaturschwankungen nach der ''boring billion'' vor 2,1 bis 1,0 Milliarden Jahren weiter Fragen offen.<ref group="jko" name="kg" />


{{Zitat|Für einen Klimatologen ist diese Zeit keineswegs langweilig, sie schreit nach einer Erklärung, insbesondere, weil die Sonne deutlich weniger hell war als heute. […] Die Frage warum das mittlere Proterozoikum warm war und wieso es sich um 750 Millionen Jahre vor unserer Zeit so dramatisch abkühlte, ist faszinierend, aber geht über den hier behandelten Forschungsgegenstand hinaus.|Quelle=Kasting und Ono 2006|ref=<ref group="jko" name="kg" />}}
{{Zitat|Für einen Klimatologen ist diese Zeit keineswegs langweilig, sie schreit nach einer Erklärung, insbesondere, weil die Sonne deutlich weniger hell war als heute. […] Die Frage, warum das mittlere Proterozoikum warm war und wieso es sich um 750 Millionen Jahre vor unserer Zeit so dramatisch abkühlte, ist faszinierend, aber geht über den hier behandelten Forschungsgegenstand hinaus.|Quelle=Kasting und Ono 2006|ref=<ref group="jko" name="kg" />}}


=== Deutung über extremes Kohlendioxidtreibhaus ===
=== Deutung über extremes Kohlendioxid-Treibhaus ===
[[Datei:Venuspioneeruv.jpg|mini|Wolkenbedeckung der [[Venus (Planet)|Venus]]]]
[[Datei:Venuspioneeruv.jpg|mini|Wolkenbedeckung der [[Venus (Planet)|Venus]]]]
[[Datei:Mars atmosphere.jpg|mini|Dünne Atmosphäre des [[Mars (Planet)|Mars]]]]
[[Datei:Mars atmosphere.jpg|mini|Dünne Atmosphäre des [[Mars (Planet)|Mars]]]]


Wenn das heute in [[Kalkstein]] gespeicherte CO<sub>2</sub> gänzlich in die Atmosphäre entlassen würde, wäre es in der Atmosphäre mit mehr als dem Zehntausendfachen des heutigen Wertes zu finden und würde mehrere Bar [[Partialdruck]] einnehmen.<ref group="jk" name="zit" />
Wenn das gegenwärtig in der Lithosphäre gespeicherte CO<sub>2</sub> in vollem Umfang in die Atmosphäre entweichen würde, hätte dies eine mehr als zehntausendfach über den heutigen Werten liegende Kohlendioxid-Konzentration mit mehreren Bar [[Partialdruck]] zur Folge.<ref group="jk" name="zit" />
Eine allmähliche Abnahme eines solchen extremen Treibhauses genau parallel der Zunahme der Sonnenleistung sollte das Paradoxon lösen; 1979 vermutete der Astrophysiker [[Michael H. Hart]], dass die Erde genau diesen Weg genommen hätte.<ref>Michael H. Hart: ''An explanation for the absence of extraterrestrials on Earth.'' In: ''Quarterly Journal of the Royal Astronomical Society.'' 16, 1975, S. 128–135, Reprint als Michael H. Hart: ''Atmospheric evolution, the Drake equation, and DNA: Sparse life in an infinite universe.'' In: Michael H. Hart, Ben Zuckerman (Hrsg.): ''Extraterrestrials, Where are They?'' Pergamon Press, Elmsford 1982, S. 154–165.</ref>
Eine allmähliche Abschwächung dieser extremen Treibhausbedingungen parallel zur Zunahme der solaren Strahlungsleistung sollte das Paradoxon lösen. 1979 vermutete der Astrophysiker [[Michael H. Hart]], dass die Erde genau diesen Weg genommen hatte.<ref>Michael H. Hart: ''An explanation for the absence of extraterrestrials on Earth.'' In: ''Quarterly Journal of the Royal Astronomical Society.'' 16, 1975, S. 128–135, Reprint als Michael H. Hart: ''Atmospheric evolution, the Drake equation, and DNA: Sparse life in an infinite universe.'' In: Michael H. Hart, Ben Zuckerman (Hrsg.): ''Extraterrestrials, Where are They?'' Pergamon Press, Elmsford 1982, S. 154–165.</ref>
Harts Berechnungen zufolge sei diese allmähliche Abnahme zwischen der ersten Bildung der Atmosphäre vor 4,6 Milliarden Jahren bis zum Einpendeln der Strahlungsleistung der Sonne auf heutigem Niveau extrem unwahrscheinlich und instabil. Die Erde hätte sich demnach bei nur wenigen Prozent Ab- oder Zunahme in ein überhitztes ''Runaway Greenhouse''<ref>J. F. Kasting: ''Runaway and Moist Greenhouse Atmospheres and the Evolution of Earth and Venus.'' In: ''Icarus.'' Band 74, 1988, S. 472–494. {{bibcode|1988Icar...74..472K}} [[doi:10.1016/0019-1035(88)90116-9]]</ref>
Nach Harts Berechnungen sei diese allmähliche Abnahme zwischen der Entstehung der [[Uratmosphäre]] vor 4,58 Milliarden Jahren bis zum Erreichen der heutigen Strahlungsstärke äußerst unwahrscheinlich und zudem instabil. Bei nur wenigen Prozent Abweichung nach oben oder unten würde entweder ein ''galoppierender Treibhauseffekt'' ähnlich dem der [[Venus (Planet)|Venus]] auftreten, oder der Planet hätte sich zu einem [[Schneeball Erde]] beziehungsweise zu einer marsähnlichen, lebensfeindlichen Wüstenwelt mit dünner Atmosphäre entwickelt.<ref>J. F. Kasting: ''Runaway and Moist Greenhouse Atmospheres and the Evolution of Earth and Venus.'' In: ''Icarus.'' Band 74, 1988, S. 472–494. {{bibcode|1988Icar...74..472K}} [[doi:10.1016/0019-1035(88)90116-9]]</ref>
wie bei der [[Venus (Planet)|Venus]] oder in einen komplett überfrorenen [[Schneeball Erde]] beziehungsweise einem marsähnlichen, für Leben zu kalten wüsten Planeten mit nur geringer Atmosphäre verwandelt.
 
Hart prägte dabei den Begriff der [[Habitable Zone|Continuously Habitable Zone]] (CHZ).<ref>Christine Bounama, Werner von Bloh, Siegfried Franck: [http://www.pik-potsdam.de/PLACES/publications/datenfiles/SuW_2004_1.htm ''Wo kann es Zwillinge der Erde geben? Das Habitabilitätskonzept und seine Anwendungen.''] In: ''Sterne und Weltraum.'' 1/2004, S. 30–36, Zusammenfassung des Stands der danach erfolgten Forschung zur CHZ auf dem Webserver des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung.</ref>
Hart prägte dabei den Begriff der [[Habitable Zone|Continuously Habitable Zone]] (CHZ).<ref>Christine Bounama, Werner von Bloh, Siegfried Franck: [http://www.pik-potsdam.de/PLACES/publications/datenfiles/SuW_2004_1.htm ''Wo kann es Zwillinge der Erde geben? Das Habitabilitätskonzept und seine Anwendungen.''] In: ''Sterne und Weltraum.'' 1/2004, S. 30–36, Zusammenfassung des Stands der danach erfolgten Forschung zur CHZ auf dem Webserver des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung.</ref> Die Entstehung und Fortdauer des Lebens war demnach nur deshalb möglich, weil sich die Erde während ihrer gesamten Geschichte stets in einer optimalen, aber räumlich sehr eng begrenzten „Lebenszone“ befand. Diesen unwahrscheinlichen Umstand nutzte Hart zu der vielbeachteten These (vgl. [[Fermi-Paradoxon]]), dass [[Außerirdisches Leben|extraterrestrisches Leben]] in der [[Milchstraße|Galaxis]] und womöglich auch im Universum äußerst selten vorkommen würde.<ref group="jk" name="zit">zitiert bei Kasting 1988.</ref>
Die Entstehung des Lebens war demnach nur möglich, weil sich die Erde genau in dem Abstand zur Sonne befand, der dies erlaubte. Er nahm an, dass die CHZ auf etwa den Abstand der Erde zur Sonne, also eine [[Astronomische Einheit]], begrenzt ist.
Die extreme Instabilität und Unwahrscheinlichkeit des Ablaufs wie des Standorts nutzte Hart zu der vielbeachteteten These (vgl. [[Fermi-Paradoxon]]), dass [[Außerirdisches Leben|Leben außerhalb der Erde]] in der gesamten Milchstraße und womöglich im ganzen Universum extrem unwahrscheinlich sei.<ref group="jk" name="zit">zitiert bei Kasting 1988.</ref>
Der These einer anfänglich extrem hohen, nur allmählichen Abnahme der Konzentration von CO<sub>2</sub> steht, worauf [[James F. Kasting]] und andere hinweisen, das in der frühen [[Klimageschichte]] einmalige „Archaische Eiszeitalter“<ref>in der amerikanischen Literatur [[Klimageschichte#Eiszeitalter|„huronische Vereisung“]].</ref> vor 2,4 Milliarden Jahren entgegen.<ref group="jh" name="ha" /> Den geologischen Ablagerungen und Klimazeigern zufolge blieb das verhältnismäßig warme Klima danach durchgehend bis etwa 1 Milliarde Jahre vor unserer Zeit erhalten. Erst danach wechselten sich globale Vereisungen und Warmzeiten periodisch ab.


2011 wurde in ''Nature'' erneut betont, dass das moderate Klima des [[Archaikum]]s nicht in Übereinstimmung mit dem angenommenen damaligem CO<sub>2</sub>-Gehalt der Atmosphäre ist.<ref>Colin Goldblatt, Kevin J. Zahnle: ''Faint young Sun paradox remains.'' In: ''Nature.'' 474, E1 (2. Juni 2011) [[doi:10.1038/nature09961]]</ref> Die Autoren sehen eine mögliche Lösung in einem durch andere Stoffe hervorgerufenen Treibhauseffekt.
[[James F. Kasting]] und andere wiesen darauf hin, dass der These einer anfänglich extrem hohen, nur allmählichen Abnahme der CO<sub>2</sub>-Konzentration das vor 2,4 Milliarden Jahren beginnende ''Paläoproterozoische Eiszeitalter'' entgegensteht.<ref group="jh" name="ha" /> Danach blieb das verhältnismäßig warme Klima geologischen Nachweisen und [[Klimaproxy]]s zufolge über eine 1 Milliarde Jahre stabil, ehe sich Vereisungsphasen und Warmzeiten abzuwechseln begannen.
 
In einer 2011 im Fachjournal [[Nature]] veröffentlichten Studie findet sich erneut das Fazit, dass das moderate Klima des [[Archaikum]]s nicht mit dem angenommenen damaligen CO<sub>2</sub>-Gehalt der Atmosphäre in Einklang steht.<ref>Colin Goldblatt, Kevin J. Zahnle: ''Faint young Sun paradox remains.'' In: ''Nature.'' 474, E1 (2. Juni 2011) [[doi:10.1038/nature09961]]</ref> Die Autoren sehen eine mögliche Lösung in einem durch andere Stoffe hervorgerufenen Treibhauseffekt.


=== Deutungen über Mischungen verschiedener Treibhausgase ===
=== Deutungen über Mischungen verschiedener Treibhausgase ===
Jacob D. Haqq-Misra und andere (inklusive Kasting) favorisierten statt eines reinen Kohlendioxidtreibhauses 2007 ein Gemisch aus Methan (CH<sub>4</sub>), Wasserdampf und Kohlendioxid.<ref group="jh" name="ha" /> 2000 hatte Kasting zusammen mit Pavlov die Rolle von CH<sub>4</sub> betont<ref>A. A. Pavlov, J. F. Kasting, L. L. Brown, K. A. Rages, R. Freedman: ''Greenhouse warming by CH4 in the atmosphere of early Earth.'' In: ''J. Geophys. Res.'' 105, 2000, S. 11981–11990.</ref> und hatten 2001 die Abschirmung von Ammoniak durch organische Spurengase in der Uratmosphäre bezweifelt.<ref>A. A. Pavlov, L. L. Brown, J. F. Kasting: ''UV shielding of NH3 and O2 by organic hazes in the Archean atmosphere.'' In: ''J. Geophys. Res.'' 106, 2001, S. 23267–23287.</ref>
Jacob D. Haqq-Misra und andere (inklusive Kasting) favorisierten statt eines reinen Kohlendioxid-Treibhauses 2007 ein Gemisch aus Methan (CH<sub>4</sub>), Wasserdampf und Kohlendioxid.<ref group="jh" name="ha" /> 2000 hatte Kasting zusammen mit Pavlov die Rolle von CH<sub>4</sub> betont<ref>A. A. Pavlov, J. F. Kasting, L. L. Brown, K. A. Rages, R. Freedman: ''Greenhouse warming by CH4 in the atmosphere of early Earth.'' In: ''J. Geophys. Res.'' 105, 2000, S. 11981–11990.</ref> und 2001 die Abschirmung von Ammoniak durch organische Spurengase in der Uratmosphäre bezweifelt.<ref>A. A. Pavlov, L. L. Brown, J. F. Kasting: ''UV shielding of NH3 and O2 by organic hazes in the Archean atmosphere.'' In: ''J. Geophys. Res.'' 106, 2001, S. 23267–23287.</ref>


Pavlov und Kasting hatten 2000 und 2003 eine methanreiche Atmosphäre nach 2,4 Milliarden Jahren in die Diskussion zum Paradoxon angeführt.<ref>A. A. Pavlov, M. T. Hurtgen, J. F. Kasting, M. A. Arthur: ''Methane-rich Proterozoic atmosphere?'' In: ''Geology.'' 31, 2003, S. 87–90. {{DOI|10.1130/0091-7613(2003)031<0087:MRPA>2.0.CO;2}}</ref> Diese setzt einen sulfidischen Ozean voraus, was von Holland 2006 geochemisch bestritten wird. Kasting spricht den Widerspruch an und resümiert {{"-en|We leave this issue to be sorted out elsewhere|Kasting und Ono 2006<ref group="jko" name="kg" />|Übersetzung=Diese Fragestellung überlassen wir einer Klärung anderenorts}}.
Pavlov und Kasting hatten 2000 und 2003 eine methanreiche Atmosphäre nach 2,4 Milliarden Jahren in die Diskussion zum Paradoxon angeführt.<ref>A. A. Pavlov, M. T. Hurtgen, J. F. Kasting, M. A. Arthur: ''Methane-rich Proterozoic atmosphere?'' In: ''Geology.'' 31, 2003, S. 87–90. {{DOI|10.1130/0091-7613(2003)031<0087:MRPA>2.0.CO;2}}</ref> Dies setzt einen sulfidischen Ozean voraus, was von Holland 2006 mit Verweis auf die geochemische Problematik bestritten wurde. Kasting erwähnte diesen Widerspruch und resümierte {{" |lang=en |Text=We leave this issue to be sorted out elsewhere |Autor=Kasting und Ono 2006<ref group="jko" name="kg" /> |Übersetzung=Diese Fragestellung überlassen wir einer Klärung anderenorts}}.


=== Deutung des Paradoxons über Carbonylsulfid ===
=== Deutung des Paradoxons über Carbonylsulfid ===
[[Yuichiro Ueno]], [[Matthew S. Johnson]] u.&nbsp;a. veröffentlichten im August 2009 Untersuchungen zum Verhältnis von Schwefelisotopen in Gesteinen des [[Pilbara]]-[[Kraton]]s, das aus der Frühzeit der Erde stammt.<ref group="UE" name="MJo">Ueno u. a. 2009.</ref> Die Gruppe untersuchte [[Spektroskopie|spektralanalytisch]] eine Reihe von Klimagasen, die in heutigen Vulkanausgasungen vorkommen, auf deren Verhalten im Bereich des [[Ultraviolettstrahlung|Ultraviolett]]. Demnach hätte sich speziell [[Carbonylsulfid]] COS in einer frühen, reduzierenden Erdatmosphäre ansammeln können und so das Paradoxon ausgleichen können. Die Verteilungsraten für verschiedene Schwefelisotope in Gesteinen konnten den Autoren zufolge als sehr guter Nachweis für die unterschiedliche Zusammensetzung der frühen Atmosphäre verwendet werden.
[[Yuichiro Ueno]], [[Matthew S. Johnson]] u.&nbsp;a. veröffentlichten im August 2009 Untersuchungen zum Verhältnis von Schwefelisotopen in Gesteinen des [[Pilbara]]-[[Kraton]]s, das aus der Frühzeit der Erde stammt.<ref group="UE" name="MJo">Ueno u. a. 2009.</ref> Die Gruppe untersuchte [[Spektroskopie|spektralanalytisch]] eine Reihe von Klimagasen, die in heutigen Vulkanausgasungen vorkommen, auf deren Verhalten im Bereich des [[Ultraviolettstrahlung|Ultraviolett]]. Demnach hätte sich speziell [[Carbonylsulfid]] (COS) in einer frühen, reduzierenden Erdatmosphäre ansammeln und so das Paradoxon ausgleichen können. Die Verteilungsraten für verschiedene Schwefelisotope in Gesteinen konnten den Autoren zufolge als sehr guter Nachweis für die unterschiedliche Zusammensetzung der frühen Atmosphäre verwendet werden.


Die photolytische Zersetzung von Schwefeldioxid war zuvor als begrenzender Faktor angenommen worden. COS als wirkungsvolles und stabiles Treibhausgas ist darüber hinaus im Gegensatz zu anderen in der Lage, die Zersetzung des ebenfalls klimawirksamen Schwefeldioxids zu verhindern.<ref group="UE" name="MJo" />
Die photolytische Zersetzung von Schwefeldioxid war zuvor als begrenzender Faktor angenommen worden. COS als wirkungsvolles und stabiles Treibhausgas ist darüber hinaus im Gegensatz zu anderen in der Lage, die Zersetzung des ebenfalls klimawirksamen Schwefeldioxids zu verhindern.<ref group="UE" name="MJo" />
Die Untersuchungen an den schwefelhaltigen Sedimenten wurden zu verschiedenen Szenarien der Abschirmung des ultravioletten Lichts in Bezug gesetzt. Den Autoren zufolge ist die in den Gesteinen aufgefundene auffällige Anreicherung des Schwefel[[isotop]]s<sup>33</sup>S nur mit der Anwesenheit von COS in der damaligen Atmosphäre und dessen spezifischer abschirmenden Wirkung zu erklären.<ref group="UE" name="MJo" />
Die Untersuchungen an den schwefelhaltigen Sedimenten wurden zu verschiedenen Szenarien der Abschirmung des ultravioletten Lichts in Bezug gesetzt. Den Autoren zufolge ist die in den Gesteinen aufgefundene auffällige Anreicherung des Schwefel[[isotop]]s<sup>33</sup>S nur mit der Anwesenheit von COS in der damaligen Atmosphäre und dessen spezifischer abschirmenden Wirkung zu erklären.<ref group="UE" name="MJo" />


Mit COS kann den Autoren nach das Paradoxon bis zur starken Abkühlung im späten [[Archaikum]] vor 2,4 Milliarden Jahren gedeutet werden.<ref group="UE" name="MJo" /> Dabei interpretieren die Autoren dieses „Archaische Eiszeitalter“ („huronische Vereisung“ wegen der insbesondere in Kanada vorgefundenen, vermutlich gletscherbedingten [[Diamiktit]]e) mit den von frühen Lebensformen damals zunehmenden freigesetzten Sauerstoff. Vor der globalen Eiszeit um 2,4 Milliarden Jahren gibt es nur einzelne Hinweise auf gelegentlich vorhandenen freien Sauerstoff.<ref group="jko" name="kg" /> In Übereinstimmung mit der COS-Hypothese wird der generelle Wechsel von reduzierender zu oxidierender Atmosphäre auf dieses zeitliche Umfeld gelegt.<ref group="jko" name="kg5">Eine detaillierte Diskussion der [[Stratigraphie|stratigraphischen Abfolge]] erfolgt in Abschnitt 5 ''Triggering of the Palaeoproterozoic glaciations''.</ref> Die für COS notwendige reduzierende Atmosphäre ist danach nicht mehr gegeben.
Mit Carbonylsulfid kann den Autoren zufolge das Paradoxon bis zur starken Abkühlung im späten [[Archaikum]] vor 2,4 Milliarden Jahren schlüssig gedeutet werden.<ref group="UE" name="MJo" /> Sie verknüpften dieses „Archaische Eiszeitalter“ mit dem hauptsächlich von [[Cyanobakterien]] produzierten freien Sauerstoff, der sich sowohl in der Atmosphäre als auch im Ozean anzureichern begann, nachdem er vorher bei der Oxidation von [[Organische Chemie|organischen]] Verbindungen und zweiwertigen Eisen-Ionen Fe<sup>2+</sup> in dreiwertige Eisen-Ionen Fe<sup>3+</sup> weitgehend verbraucht worden war.<ref group="jko" name="kg" /> In Übereinstimmung mit der COS-Hypothese wird der Wechsel von reduzierender zu oxidierender Atmosphäre auf dieses zeitliche Umfeld gelegt.<ref group="jko" name="kg5">Eine detaillierte Diskussion der [[Stratigraphie (Geologie)|stratigraphischen Abfolge]] erfolgt in Abschnitt 5 ''Triggering of the Palaeoproterozoic glaciations''.</ref> Die für COS notwendige reduzierende Atmosphäre ist danach nicht mehr gegeben.


Kasting diskutierte bereits 2006 differenzierte geochemische Befunde zur Rolle von Schwefelverbindungen in der archaischen Atmosphäre.<ref group="jko" name="kg" /> Er verwies dabei insbesondere auf die nur zeitweise (nach 2,4 und vor 3,2 Milliarden vor unserer Zeit) vorkommenden [[Baryt]]vorkommen. Demnach (Baryt ist ein extrem schwerlösliches Sulfat) wäre die Abscheidung von SO<sub>2</sub> zeitlich begrenzt nur zwischen 3,2 und 2.4Ga verhindert worden.
Kasting diskutierte bereits 2006 differenzierte geochemische Befunde zur Rolle von Schwefelverbindungen in der archaischen Atmosphäre.<ref group="jko" name="kg" /> Er verwies dabei insbesondere auf die nur zeitweise abgelagerten [[Baryt]]vorkommen. Da Baryt ein extrem schwerlösliches [[Bariumsulfat|Sulfat]] ist, wäre die Abscheidung von SO<sub>2</sub> zeitlich begrenzt nur zwischen 3,2 und 2,4 Milliarden Jahre verhindert worden.


=== Vorgeschlagene Regelmechanismen ===
=== Vorgeschlagene Regelmechanismen ===
Der [[Carbonat-Silicat-Zyklus]] gilt als zentraler negativer (im Sinne der Regelungstechnik) und gegensteuernder Regelmechanismus für die klimaaktiven Treibhausgase. Mit ihm wird die Verwitterung von Silikaten und die Kohlendioxidkonzentration in Ozeanen und Atmosphäre mit der Ablagerung und Wiederaufarbeitung von Karbonatgestein auf den Kontinenten wie in den Ozeanen verknüpft.<ref>J. C. G. Walker: [http://deepblue.lib.umich.edu/bitstream/2027.42/43349/1/11084_2005_Article_BF01809466.pdf ''Carbon Dioxide on the Early Earth.''] (PDF; 774&nbsp;kB). In: ''Origins of Life.'' Band 16, 1985, S. 117–127.</ref><ref>J. C. G. Walker, P. B. Hays, J. F. Kasting: {{Webarchiv | url=http://geosci.uchicago.edu/~archer/JournalClub/walker.1981.WHAK.pdf | wayback=20080920152250 | text=''A negative feedback mechanism for the long-term stabilization of the earth's surface temperature.'' (PDF, 182 kB)}} In: ''Journal of Geophysical Research.'' Band 86, 1981, S. 9776–9782.</ref> Nach Walker ist speziell in der Erdfrühgeschichte die anfänglich hohe Konzentration des Treibhausgases mit der Bildung von Kontinenten nach etwa einer Milliarde Jahren<ref>J. Veizer in B. F. Windley (Hrsg.): ''The Early History of the Earth.'' John Wiley and Sons, London 1976, S. 569.</ref> durch die Ablagerung großer Mengen Karbonate abgebaut worden. Anschließend wird eine Wechselwirkung zwischen Erwärmung durch den Treibhauseffekt von Kohlendioxid in der Atmosphäre, vermehrte Silikatverwitterung, anschließend erhöhte Abkühlung durch Bildung von Karbonaten und Erwärmung nach erneuter Ausgasung von Kohlendioxid durch vulkanische Vorgänge angenommen.
Der [[Carbonat-Silicat-Zyklus]] gilt als zentraler negativer (im Sinne der Regelungstechnik) und gegensteuernder Regelmechanismus für die klimaaktiven Treibhausgase. Mit ihm wird die Verwitterung von Silikaten und die Kohlendioxidkonzentration in Ozeanen und Atmosphäre mit der Ablagerung und Wiederaufarbeitung von Karbonatgestein auf den Kontinenten wie in den Ozeanen verknüpft.<ref>J. C. G. Walker: [http://deepblue.lib.umich.edu/bitstream/2027.42/43349/1/11084_2005_Article_BF01809466.pdf ''Carbon Dioxide on the Early Earth.''] (PDF; 774&nbsp;kB). In: ''Origins of Life.'' Band 16, 1985, S. 117–127.</ref><ref>J. C. G. Walker, P. B. Hays, J. F. Kasting: {{Webarchiv | url=http://geosci.uchicago.edu/~archer/JournalClub/walker.1981.WHAK.pdf | wayback=20080920152250 | text=''A negative feedback mechanism for the long-term stabilization of the earth's surface temperature.'' (PDF, 182 kB)}} In: ''Journal of Geophysical Research.'' Band 86, 1981, S. 9776–9782.</ref> Nach Walker ist speziell in der Erdfrühgeschichte die anfänglich hohe Treibhausgas-Konzentration mit der Bildung von Kontinenten nach etwa einer Milliarde Jahren<ref>J. Veizer in B. F. Windley (Hrsg.): ''The Early History of the Earth.'' John Wiley and Sons, London 1976, S. 569.</ref> durch die Ablagerung großer Mengen Karbonate abgebaut worden. Anschließend wird eine Wechselwirkung zwischen Erwärmung durch den Treibhauseffekt von Kohlendioxid in der Atmosphäre, vermehrte Silikatverwitterung, anschließend erhöhte Abkühlung durch Bildung von Karbonaten und Erwärmung nach erneuter Ausgasung von Kohlendioxid durch vulkanische Vorgänge angenommen.


== Veränderte Wolkenbildung ==
== Veränderte Wolkenbildung ==
Roberto Rondanelli und [[Richard S. Lindzen]] kamen 2010 zu dem Schluss, dass bereits eine moderate Wirkung von [[Cirrus (Wolke)|Zirruswolken]] (vergleiche auch [[Iris-Hypothese]]) in den tropischen Regionen der frühen Erde eine ausreichende Klimaerwärmung hervorrufen könnte.<ref>Roberto Rondanelli, [[Richard S. Lindzen]]: ''Can thin cirrus clouds in the tropics provide a solution to the faint young Sun paradox?'' Journal of geophysical research. Vol. 115, 2010. [[doi:10.1029/2009JD012050]] </ref>
Roberto Rondanelli und [[Richard S. Lindzen]] kamen 2010 zu dem Schluss, dass bereits eine moderate Wirkung von [[Cirrus (Wolke)|Zirruswolken]] in den Tropenregionen der frühen Erde eine ausreichende Klimaerwärmung hervorrufen könnte.<ref>Roberto Rondanelli, [[Richard S. Lindzen]]: ''Can thin cirrus clouds in the tropics provide a solution to the faint young Sun paradox?'' Journal of geophysical research. Vol. 115, 2010. [[doi:10.1029/2009JD012050]]</ref> Ihre Erklärung basiert auf der [[Iris-Hypothese]], die die Abnahme hoher tropischer Zirruswolken bei zunehmender globaler Erwärmung zum Inhalt hat. Diese Hypothese ist jedoch mit erheblichen Problemen behaftet. So lässt sich der Iris-Effekt in der Gegenwart nicht in Satellitendatenreihen nachweisen. Zudem impliziert Rondanellis und Lindzens Erklärung für das Archaikum eine unrealistisch dichte Bedeckung der gesamten Erde mit sehr kühlen Wolken. Als Teilerklärung des Paradoxons wird ihre Hypothese jedoch als weiterhin beachtenswert angesehen.<ref name="Feulner"/>


Nach einer im Jahr 2010 erschienenen Studie ist das Paradoxon für die junge Erde ohne stark erhöhte Treibhausgaskonzentrationen erklärbar. In der Frühphase der Erde waren die Ozeane um etwa 20 % größer als heute. Da es damals an Land jedoch weder Pflanzen noch Tiere gab, fehlten für die Wolkenbildung wichtige Kondensationskeime. Die Wolkenbedeckung und damit die [[Albedo]] der Erde war folglich erheblich geringer als bislang angenommen wurde.<ref>Minik T. Rosing, Dennis K. Bird, Norman H. Sleep, Christian J. Bjerrum: ''No climate paradox under the faint early sun.'' In: ''Nature.'' Band 464, 1. April 2010, S. 744–747. [[doi:10.1038/nature08955]] [http://www.nature.com/nature/journal/v464/n7289/full/nature08955.html (abstract online)]</ref>
Nach einer im Jahr 2010 erschienenen Studie ist das Paradoxon für die junge Erde ohne stark erhöhte Treibhausgas-Konzentrationen erklärbar. In der Frühphase der Erde waren die Ozeane um etwa 20 % größer als heute. Da es damals an Land jedoch weder Pflanzen noch Tiere gab, fehlten die für die Wolkenbildung wichtigen Kondensationskeime. Die Wolkenbedeckung der Erde war folglich erheblich geringer als ursprünglich angenommen. Sowohl das Fehlen von Kondensationskeimen als auch die geringere Ausdehnung kontinentaler Landmassen hätten über eine geringere [[Albedo]] zu Temperaturen oberhalb des Gefrierpunkts beigetragen.<ref>Minik T. Rosing, Dennis K. Bird, Norman H. Sleep, Christian J. Bjerrum: ''No climate paradox under the faint early sun.'' In: ''Nature.'' Band 464, 1. April 2010, S. 744–747. [[doi:10.1038/nature08955]] [http://www.nature.com/nature/journal/v464/n7289/full/nature08955.html (abstract online)]</ref> Diese Begründung geht davon aus, dass Kondensationskeime vorwiegend aus biogenem [[Dimethylsulfid]] (DMS) hätten bestehen müssen und dass DMS nur von [[Eukaryoten]] produziert wurde. Beide Annahmen sind umstritten.<ref name="Feulner"/>


== Astrophysikalische Deutungen ==
== Astrophysikalische Deutungen ==
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=== Möglicher Klimaeinfluss der galaktischen kosmischen Strahlung ===
=== Möglicher Klimaeinfluss der galaktischen kosmischen Strahlung ===
[[Datei:Milky Way Arms de.svg|mini|Spiralarme der [[Milchstraße]]]]
[[Datei:Milky Way Arms de.svg|mini|Spiralarme der [[Milchstraße]]]]
[[Datei:Paleo-cosmic flux.svg|mini|[[Kosmische Strahlung]] (rot) und über geochemische Befunde angenommene globale Temperatur (schwarz) bis 500 Millionen Jahre vor unsere Zeitrechnung]]
[[Datei:Paleo-cosmic flux.svg|mini|[[Kosmische Strahlung]] (rot) und über geochemische Befunde angenommene globale Temperatur (schwarz) bis 500 Millionen Jahre vor unserer Zeitrechnung, nach Shaviv (2003), in späteren Arbeiten nicht bestätigt]]
Der Geochemiker Jan Veizer und der israelische Astrophysiker [[Nir Shaviv]] deuten das Paradox durch die Einbeziehung von [[Sonnenwind]] und galaktischer [[Kosmische Strahlung|kosmischer Strahlung]] auf das frühe Erdklima.<ref group="ns" name="shav" /> Nach [[Henrik Svensmark]] führt weniger kosmische Strahlung über weniger Kondensationskeime zu geringerer Wolkenbildung und damit zu einer Erwärmung. Shaviv postuliert, der stärkere [[Sonnenwind]] der jungen Sonne hätte die Erde zunächst vor der galaktischen kosmischen Strahlung stärker abgeschirmt und die frühere lange Warmphase ermöglicht.<ref group="ns" name="shav" /> Die im obigen Diagramm abgebildete kalte Phase um 2,4 Milliarden Jahren stimmt mit einer Phase erhöhter Sternbildungsraten in der Milchstraße und entsprechend vermehrter Strahlung überein.<ref group="ns" name="shav" /> Für den Zeitverlauf danach nimmt die Strahlungsintensität langsam auf das heutige Niveau zu.
Der Geochemiker [[Jan Veizer]] und der israelische Astrophysiker [[Nir Shaviv]] deuten das Paradoxon durch die Einbeziehung von [[Sonnenwind]] und galaktischer [[Kosmische Strahlung|kosmischer Strahlung]] auf das frühe Erdklima.<ref group="ns" name="shav" /> Nach [[Henrik Svensmark]] könnte eine reduzierte kosmische Strahlung über weniger Kondensationskeime zu schwächerer Wolkenbildung und damit zu einer Erwärmung führen. Shaviv postulierte, dass der stärkere Sonnenwind die Erde zunächst vor der kosmischen Strahlung stärker abgeschirmt und die frühe lange Warmphase ermöglicht hatte.<ref group="ns" name="shav" /> Die vor 2,4 Millionen Jahren einsetzende Vereisungsphase soll demnach mit den zur selben Zeit erhöhten Sternbildungsraten in der Galaxis und entsprechend vermehrter Strahlung übereinstimmen.<ref group="ns" name="shav" /> Für die Zeit danach stieg die Strahlungsintensität nach diesem Modell allmählich auf das heutige Niveau.


Shaviv identifiziert dann vier Peaks im Fluss kosmischer Strahlung (CRF, Cosmic Ray Flux) auf die Erde in den letzten 500 Millionen Jahren. Diese treten mit einem Abstand von 143 plus/minus 10 Millionen Jahren auf, die er mit Durchgängen der Sonne durch [[Spiralarm]]e in unserer Galaxie korreliert. Shaviv arbeitete hier mit [[Jan Veizer]] zusammen und konnte dessen über Jahrzehnte zusammengetragene geochemische Daten mit seinen Meteroritendaten korrelieren. In der gemeinsamen Deutung des Paradoxons über den kosmischen Strahlungseinfluss sind Zeiten mit erhöhten Sternbildungsraten und entsprechend verstärkter kosmischer Strahlung mit verschiedenen globalen Eiszeiten korreliert, die Deutung erklärt so den Klimaverlauf im Präkambrium wie im gesamten Phanerozoikum.<ref group="nsna" name="njs2">Fig. 2. The history of the star formation rate (SFR), in Shaviv 2003, S. 50.</ref>
Shaviv fand anhand der Analyse von Meteoritenmaterial vier Peaks im kosmischen Strahlungsfluss (CRF, Cosmic Ray Flux) während der letzten 500 Millionen Jahre. Diese Peaks wären in einem Abstand von 143 ±10 Millionen Jahren aufgetreten und korrelierten mit [[Spiralarm]]-Durchgängen der Sonne. Shaviv arbeitete auf diesem Themenfeld mit [[Jan Veizer]] zusammen und konnte dessen über Jahrzehnte gesammelten geochemischen Aufzeichnungen mit seinen Meteroritendaten abgleichen. In ihrer gemeinsamen Deutung des Paradoxons korrelieren Zeiten erhöhter Sternbildungsraten und entsprechend verstärkter kosmischer Strahlung mit globalen Kaltzeiten, was den Klimaverlauf sowohl im ''Präkambrium'' als auch im gesamten ''Phanerozoikum'' erklären würde (siehe Abbildung rechts).<ref group="nsna" name="njs2">Fig. 2. The history of the star formation rate (SFR), in Shaviv 2003, S. 50.</ref> Die Peaks aus Shavivs Analyse konnten von späteren Arbeiten jedoch nicht bestätigt werden.<ref>{{Literatur |Autor=Thomas Smith, David L. Cook, Silke Merchel, Stefan Pavetich, Georg Rugel, Andreas Scharf, Ingo Leya |Titel=The constancy of galactic cosmic rays as recorded by cosmogenic nuclides in iron meteorites |Sammelwerk=Meteoritics and Planetary Science |Datum=2019-12 |DOI=10.1111/maps.13417}}</ref>


Neuere Arbeiten zu dem von Svensmark postulierten Zusammenhang, so im dänischen SKY Experiment, untersuchen speziell das Zusammenspiel von schwefelhaltigen Aerosolen mit kosmischer Strahlung in höheren Schichten der Atmosphäre.<ref>Hendrik Svensmark u. a.: ''Experimental evidence for the role of ions in particle nucleation under atmospheric conditions.'' In: ''Proceedings of the Royal Society.'' A 2007 463, 2007, S. 385–396. [[doi:10.1098/rspa.2006.1773]]</ref> Ähnliches geschieht beim [[CLOUD-Experiment]] des [[CERN]].<ref>{{Webarchiv | url= http://public.web.cern.ch/press/PressReleases/Releases2006/PR14.06E.html | archive-is= 20120716 | text=''New Experiment to Investigate the Effect of Galactic Cosmic Rays on Clouds and Climate.''}} Presseerklärung von CERN. PR14.06, 19. Oktober 2006.</ref> Allerdings ist eine gegenwärtige Klimawirkung durch diesen Effekt nicht nachweisbar: Die mit Satelliten gemessene Wolkenbedeckung korreliert nicht mit [[Forbush-Ereignis]]sen.<ref>J. Calogovic, C. Albert, F. Arnold, J. Beer, L. Desorgher, E. O. Flueckiger: ''Sudden cosmic ray decreases: No change of global cloud cover.'' In: ''Geophysical Research Letters.'' 37, 2010, L03802. [[doi:10.1029/2009GL041327]] (freier Volltext). Siehe auch: [http://idw-online.de/de/news359024 ''Wolkenbedeckung unbeeinflusst von kosmischer Strahlung.''] In: ''[[Informationsdienst Wissenschaft]].'' 9. März 2010 und [http://www.wissenschaft-online.de/artikel/1024560&_z=859070 ''Kosmische Strahlung macht keine Wolken.''] In: ''[[Spektrumdirekt]].'' 10. März 2010.</ref>
Einige Arbeiten zu dem von Svensmark postulierten Zusammenhang, so im dänischen SKY-Experiment, untersuchten speziell das Zusammenspiel von schwefelhaltigen Aerosolen mit kosmischer Strahlung in höheren Schichten der Atmosphäre.<ref>Hendrik Svensmark u. a.: ''Experimental evidence for the role of ions in particle nucleation under atmospheric conditions.'' In: ''Proceedings of the Royal Society.'' A 2007 463, 2007, S. 385–396. [[doi:10.1098/rspa.2006.1773]]</ref> Ähnliches geschieht beim [[CLOUD-Experiment]] des [[CERN]].<ref>{{Webarchiv | url= http://public.web.cern.ch/press/PressReleases/Releases2006/PR14.06E.html | archive-is= 20120716 | text=''New Experiment to Investigate the Effect of Galactic Cosmic Rays on Clouds and Climate.''}} Presseerklärung von CERN. PR14.06, 19. Oktober 2006.</ref> Allerdings ist die gegenwärtige Einwirkung durch diesen Effekt auf das Klima nicht nachweisbar: Die mit Satelliten gemessene Wolkenbedeckung korreliert nicht mit [[Forbush-Ereignis]]sen.<ref>J. Calogovic, C. Albert, F. Arnold, J. Beer, L. Desorgher, E. O. Flueckiger: ''Sudden cosmic ray decreases: No change of global cloud cover.'' In: ''Geophysical Research Letters.'' 37, 2010, L03802. [[doi:10.1029/2009GL041327]] (freier Volltext). Siehe auch: [http://idw-online.de/de/news359024 ''Wolkenbedeckung unbeeinflusst von kosmischer Strahlung.''] In: ''[[Informationsdienst Wissenschaft]].'' 9. März 2010 und [http://www.wissenschaft-online.de/artikel/1024560&_z=859070 ''Kosmische Strahlung macht keine Wolken.''] In: ''[[Spektrumdirekt]].'' 10. März 2010.</ref> Nach dem aktuellen [[Stand der Wissenschaft]] sind [[Periodizität|periodisch]] auftretende kosmische Einflüsse auf die biologische und klimatische Entwicklung mit Ausnahme der ''Milanković-Zyklen'' nur schwach belegt und spielen hinsichtlich ihrer [[Statistische Signifikanz|Signifikanz]] offenbar nur eine untergeordnete Rolle.<ref name="10.1111/pala.12283">{{cite journal | author=Anatoly D. Erlykin | coauthors=David A. T. Harper, Terry Sloan, Arnold W. Wolfendale | year=2017 | month=März | title=Mass extinctions over the last 500 myr: an astronomical cause? | journal=Palaeontology | volume=60 | issue=2 | pages=159–167 | doi=10.1111/pala.12283 | url= | format= | language=en}}</ref>
<ref name="Royer">{{cite journal | author=Dana L. Royer | coauthors=Robert A. Berner, Isabel P. Montañez, Neil J. Tabor, David J. Beerling | year=2004 | month=März | title=CO<sub>2</sub> as a primary driver of Phanerozoic climate | journal=GSA Today (American Geophysical Union) | volume=14 | issue=3 | pages=4–10 | doi=10.1130/1052-5173(2004)014<4:CAAPDO>2.0.CO;2 | url=https://www.geosociety.org/gsatoday/archive/14/3/pdf/i1052-5173-14-3-4.pdf | format=PDF | language=en}}</ref>


=== Bahnparameter und Erdrotation ===
=== Bahnparameter und Erdrotation ===
[[Datei:Rotating earth (large).gif|mini|Veranschaulichung der Erdrotation]]
Die sich über Jahrtausende verändernde Neigung der Erdachse zur [[Ekliptik]] von 22,1 bis 24,5° übt einen deutlichen Einfluss auf das Klima aus.<ref name="VG63" /> Eine darüber hinausgehende Neigung der Erdachse während des Archaikums wird von einigen Studien als mögliche Erklärung für höhere Temperaturen in der Frühzeit der Erde diskutiert.<ref name="VG63" />
[[Datei:Big Splash Theia.gif|mini|Entstehung des Mondes und Beschleunigung der Erdrotation durch eine mögliche Kollision zwischen der Erde und [[Theia (Protoplanet)|Theia]]. Sicht auf den Nordpol.]]
 
Die nach wie vor leicht variierende Neigung der Erdachse zur [[Ekliptik]] hat einen erheblichen Klimaeinfluss.<ref name="VG63" /> Eine stärkere Neigung der Erdachse in der Frühzeit wird von einigen Studien als mögliche Erklärung für höhere Temperaturen in der Frühzeit der Erde angegeben.<ref name="VG63" />


Weitere mögliche Einflussfaktoren sind eine ehemals schnellere Erdrotation. Mit einer Tageslänge von 14&nbsp;Stunden pro Tag wären 1,5&nbsp;°C Temperaturerhöhung anzunehmen.<ref group="ns" name="shav" /> Für das Paradoxon selbst<ref group="ns" name="shav" /> wie den gesamten Zeitverlauf in den ersten drei Milliarden Jahren und zur Deutung des regelmäßigen Wechsels von Eis- und Warmzeiten in der Folge genügen diese Einflüsse nicht.<ref group="vk">Vergleiche die Überblicksdarstellung S. 262.</ref> Einen möglichen Einfluss auf die [[Erdrotation]] wie auf Klima und Vulkanismus bis hin zur [[Entstehung des Mondes]] hatte einer vielbeachteten Hypothese zufolge der Einschlag von [[Theia (Protoplanet)]] in der Erdfrühzeit.
Ein weiterer möglicher Einflussfaktor ist eine ehemals schnellere Erdrotation, da eine Tageslänge von 14&nbsp;Stunden zu einem Temperaturanstieg von 1,5&nbsp;°C führen würde.<ref group="ns" name="shav" /> Für das Paradoxon selbst<ref group="ns" name="shav" /> sowie für den Verlauf der ersten drei Milliarden Jahre und zur Erklärung der sich anschließenden Kalt- und Warmzeiten ist dieser Erklärungsansatz jedoch nicht ausreichend.<ref group="vk">Vergleiche die Überblicksdarstellung S. 262.</ref>


==== Gravitationskonstante ====
==== Gravitationskonstante ====
Die [[Luminosität]] eines Sterns hängt aufgrund der Eddington-Grenze mit der Gravitationskonstante zusammen. Die Luminosität L ist extrem von der [[Gravitationskonstante]] G wie der Masse des Sterns wie der Sonne abhängig: <math>L \alpha G^7 M^5</math>.<ref name=":0">{{Literatur |Titel=Variations in the Gravitational Constant in General Theories of Gravitation |Sammelwerk=Measurement Techniques |Band=57 |Nummer=11 |Datum=2015-02-15 |Seiten=1255–1261 |DOI=10.1007/s11018-015-0615-4}}</ref>
Die [[Luminosität]] eines Sterns hängt aufgrund der [[Eddington-Grenze]] mit der Gravitationskonstante zusammen. Die Luminosität L ist extrem von der [[Gravitationskonstante]] G und der Masse des Sterns M abhängig: <math>L \propto G^7 M^5</math>.<ref name=":0">{{Literatur |Titel=Variations in the Gravitational Constant in General Theories of Gravitation |Sammelwerk=Measurement Techniques |Band=57 |Nummer=11 |Datum=2015-02-15 |Seiten=1255–1261 |DOI=10.1007/s11018-015-0615-4}}</ref> Kleinere Schwankungen der Konstante in der Anfangszeit würden das Phänomen erklären.<ref name=":1">{{Literatur |Titel=Can a variable gravitational constant resolve the faint young Sun paradox? |Sammelwerk=International Journal of Modern Physics D |Band=23 |Nummer=12 |Datum=2014-10-01 |Seiten=1442018 |DOI=10.1142/S0218271814420188}}</ref> Die entsprechenden Deutungen geben ebenso Hinweise auf die sogenannte [[Dunkle Energie]] und sind nach wie vor sehr spekulativ.<ref name=":0" /><ref name=":1" />
 
Kleinere Schwankungen der Konstante in der Anfangszeit würden das Phänomen erklären.<ref name=":1">{{Literatur |Titel=Can a variable gravitational constant resolve the faint young Sun paradox? |Sammelwerk=International Journal of Modern Physics D |Band=23 |Nummer=12 |Datum=2014-10-01 |Seiten=1442018 |DOI=10.1142/S0218271814420188}}</ref> Die entsprechenden Deutungen geben ebenso Hinweise auf die sogenannte [[Dunkle Energie]] und sind nach wie vor sehr spekulativ.<ref name=":0" /><ref name=":1" />


=== Vermutung einer starken, jungen Sonne ===
=== Vermutung einer starken, jungen Sonne ===
Im Zusammenhang mit dem Paradoxon wurde eine höhere frühe Strahlungsleistung der Sonne – abweichend von astrophysikalischem Standardmodell – diskutiert.<ref group="gr" name="gr">Graedel u. a., 1991.</ref> Eine moderat (10 %) schwerere Sonne reicht im Vergleich zum Standardmodell aus, um das Paradoxon in der unmittelbaren Frühzeit auszugleichen. Für eine solche Hypothese sprechen laut Thomas Graedel bei der Sonne und anderen Sternen auffällige Abreicherung von Spurenelementen wie [[Beryllium]].<ref group="gr" name="gr" /> Gegen die Annahme sprechen der lange und gleichmäßige Verlauf des frühen warmen Klimas über mehrere Milliarden Jahre. Ein höheres Anfangsgewicht hätte aufgrund der Standardannahmen zur Seismik der Sonne eine nur kurzzeitige, erheblich erhöhte Strahlungsleistung über nur wenige hundert Millionen Jahre zur Folge gehabt,<ref group="ns" name="shav" /> indirekt abgeschätzte Masseverluste der frühen Sonne sind anderen zufolge dafür zu klein.<ref>D. A. Minton, R. Malhotra: ''Assessing the massive young Sun hypothesis to solve the warm young Earth puzzle.'' In: ''Astrophysical Journal.'' Band 660, 2007, S. 1700–1706.</ref>
Im Zusammenhang mit dem Paradoxon wurde – abweichend vom astrophysikalischen Standardmodell – eine höhere Strahlungsleistung der Sonne in der Frühzeit diskutiert.<ref group="gr" name="gr">Graedel u. a., 1991.</ref> Eine moderat (10 %) schwerere Sonne reicht im Vergleich zum Standardmodell aus, um das Paradoxon auszugleichen. Für diese Hypothese sprechen laut Thomas Graedel die bei der Sonne und anderen Sternen auffällige Abreicherung von Spurenelementen wie [[Beryllium]],<ref group="gr" name="gr" /> gegen die Annahme der relativ gleichmäßige Klimaverlauf über mehrere Milliarden Jahre. Eine höhere Masse des Zentralgestirns hätte aufgrund der Standardannahmen zur Seismik der Sonne eine erheblich erhöhte Strahlungsleistung über nur wenige hundert Millionen Jahre gehabt,<ref group="ns" name="shav" /> indirekt abgeschätzte Masseverluste der frühen Sonne sind anderen Studien zufolge dafür zu klein.<ref>D. A. Minton, R. Malhotra: ''Assessing the massive young Sun hypothesis to solve the warm young Earth puzzle.'' In: ''Astrophysical Journal.'' Band 660, 2007, S. 1700–1706.</ref> Eine erhöhte Masse konnte durch den Abgleich mit heutigen jungen Sonnen in kosmischer Nachbarschaft nicht bestätigt werden.<ref>E. J. Gaidos, M. Güdel, G. A. Blake: ''The Faint Young Sun Paradox: An observational test of an alternative solar model.'' In: ''Geophysical Research Letters.'' Band 27, 2000, S. 501–503.</ref><ref>B. E. Wood, H.-R. Müller, G. P. Zank, J. L. Linsky: ''Measured mass-loss rates of solar-like stars as a function of age and activity.'' In: ''The Astrophysical Journal.'' Band 574, 2002, S. 412–425.</ref> Eine über Milliarden Jahre gleichmäßig starke junge Sonne steht zudem in Widerspruch zu gesicherten Erkenntnissen der Klimageschichte, vor allem zu den im Präkambrium auftretenden Kaltzeiten und Schneeball-Erde-Stadien,<ref group="JV" name="JVC">Veizer 2005.</ref> und kollidiert darüber hinaus mit dem astrophysikalischen Befund, dass der Masseverlust bei nahen Sonnen unterschiedlichen Alters kontinuierlich erfolgt.<ref group="ns" name="shav" />
Das erhöhte Anfangsgewicht konnte bei Vergleichsmessungen einzelner Indikatoren an benachbarten, heute jungen Sonnen nicht bestätigt werden.<ref>E. J. Gaidos, M. Güdel, G. A. Blake: ''The Faint Young Sun Paradox: An observational test of an alternative solar model.''
In: ''Geophysical Research Letters.'' Band 27, 2000, S. 501–503.</ref><ref>B. E. Wood, H.-R. Müller, G. P. Zank, J. L. Linsky: ''Measured mass-loss rates of solar-like stars as a function of age and activity.'' In: ''The Astrophysical Journal.'' Band 574, 2002, S. 412–425.</ref>
 
Wird dem [[Aktualismus (Geologie)|Aktualismusprinzip]] der Naturgeschichte zufolge die Geschichte der Sonne mit dem Verlauf bei anderen, benachbarten Sternen in verschiedenen Altersstufen gleichgesetzt, ergibt sich ein gleichmäßiger Masseverlust<!--(wörtlich benign, das mit ''gmiatlich'' oder ''gpflegt und no ned hudle'' sollte künftigem Lemmata bei [[bar.wikipedia.org]] [[als.wikipedia.org]] vorbehalten bleiben-->, der das Paradoxon zu keiner Phase erklären kann.<ref group="ns" name="shav" />
 
Eine über drei Milliarden Jahre gleichmäßig starke junge Sonne steht zudem mit der anderweitig gesicherten Klimageschichte, so den zeitweisen Vergletscherungen vor 2,4 Milliarden Jahren (vgl Abbildung) und zu Zeiten von [[Schneeball Erde]] vor etwa einer Milliarde Jahren nicht in Übereinstimmung.<ref group="JV" name="JVC">Veizer 2005.</ref>


== Biologische Deutungen ==
== Biologische Deutungen ==
=== Gaia-Hypothese und selbstregelnde Rolle des Lebens ===
=== Gaia-Hypothese und selbstregelnde Rolle des Lebens ===
Der [[Gaia-Hypothese]] von [[James Lovelock]] zufolge ist das Leben auf der Erde selbst der wesentliche Regelmechanismus,<ref group="jk" name="zit" /> ohne den die Erde möglicherweise das Schicksal von Mars oder Venus erfahren hätte. Der Hypothese zufolge kann die Erde und insbesondere die Biosphäre als ein lebender Organismus betrachtet werden, der sich selbst Bedingungen schafft, erhält und weiter entwickelt. Der Name leitet sich von [[Gaia (Mythologie)|Gaia]], der Erdgöttin der griechischen Mythologie ab. Dazu gehören die Rückkoppelung zwischen Vegetation, deren Wasserspeicherungsvermögen und Niederschlägen sowie der durch Vegetationsbedeckung und Landnutzung veränderten [[Albedo]]. Ein weiterer in dem Zusammenhang angeführter Rückkopplungseffekt ist die Aufnahme von Kohlendioxid durch kalkhaltiges Meeresplankton und Korallen wie die Freisetzung von Kohlendioxid im Laufe des [[Kreislauf der Gesteine|Kreislaufs der Gesteine]].
Der [[Gaia-Hypothese]] von [[James Lovelock]] zufolge ist das Leben auf der Erde selbst der wesentliche Regelmechanismus,<ref group="jk" name="zit" /> ohne den die Erde möglicherweise das Schicksal von Mars oder Venus erfahren hätte. Der Hypothese zufolge kann die Erde und insbesondere die Biosphäre als ein [[Selbstähnlichkeit|selbstähnlicher]] makroskopischer lebender Organismus mit Eigenschaften des Lebens wie [[Autopoiesis]] und [[Homöostase|Homöostasis]] betrachtet werden, der sich selbst Bedingungen schafft, erhält und weiter entwickelt. Der Name leitet sich von [[Gaia (Mythologie)|Gaia]], der Erdgöttin der griechischen Mythologie ab. Dazu gehören die Rückkoppelung zwischen Vegetation, deren Wasserspeicherungsvermögen und Niederschlägen sowie der durch Vegetationsbedeckung und Landnutzung veränderten [[Albedo]]. Ein weiterer in dem Zusammenhang angeführter Rückkopplungseffekt ist die Aufnahme von Kohlendioxid durch kalkhaltiges Meeresplankton und Korallen wie die Freisetzung von Kohlendioxid im Laufe des [[Kreislauf der Gesteine|Kreislaufs der Gesteine]]. Diese Funktionen werden zum großen Teil von "niederen" Lebensformen wie [[Einzeller]] oder [[Algen]] übernommen.


Im Widerspruch dazu lassen verschiedene [[Massenaussterben|Aussterbeereignisse]] die Erde gelegentlich als bösartige [[Medea]] oder [[Kali (Göttin)|Kali]] erscheinen. Wichtige Arten wie die riffbildenden [[Koralle]]n und eine Vielzahl weiterer Organismen traten erst nach der [[Kambrische Explosion|Kambrischen Explosion]] vor etwa 500 Millionen Jahren in Erscheinung. Für die nachweisliche Stabilität und die fast durchgehend lebensfreundlichen Temperaturen während der für das Paradoxon zentralen Jahrmilliarden zuvor kommen sie daher nicht in Frage.
[[Massenaussterben|Aussterbeereignisse]] betreffen dabei vor allem höhere und hochspezialisierte Lebensformen und stehen dazu nicht im Widerspruch. Wichtige Formen der [[Regelkreis#Biologische Regelkreise|biologischen Regelkreise]] wie die riffbildenden [[Koralle]]n und eine Vielzahl weiterer Organismen traten erst nach der [[Kambrische Explosion|Kambrischen Explosion]] vor mehr als 500 Millionen Jahren in Erscheinung. Für die nachgewiesene Stabilität und das fast durchgehend lebensfreundliche Klima während der für das Paradoxon zentralen Jahrmilliarden zuvor müssten demnach andere Organismen diese Funktion ausgeübt haben, ehe sie von evolutiven "Neuankömmlingen" verdrängt wurden.<ref>James Lovelock, "Gaia" </ref>


Jim Kasting stimmt einer wichtigen Rolle des Lebens beim [[Kohlenstoffzyklus]] wie dem Einfluss auf Verwitterung und Sauerstoffgehalt zu, dennoch blieben die wesentlichen Einflussfaktoren physikalischer wie abiotischer Natur.<ref group="jk" name="zit" /><ref group="vk">Detaillierte Darstellung des Kohlenstoffkreislaufs und der Interaktion mit anderen Faktoren S. 246–248.</ref>
Jim Kasting stimmt einer wichtigen Rolle des Lebens beim [[Kohlenstoffzyklus]] wie dem Einfluss auf Verwitterung und Sauerstoffgehalt zu, dennoch blieben die wesentlichen Einflussfaktoren physikalischer wie abiotischer Natur.<ref group="jk" name="zit" /><ref group="vk">Detaillierte Darstellung des Kohlenstoffkreislaufs und der Interaktion mit anderen Faktoren S. 246–248.</ref>
Der Annahme des irdischen Lebens als hochorganisierter Regelmechanismus widerspricht die von dem Paläontologen [[Peter Ward (Paläontologe)|Peter Ward]] formulierte [[Peter Ward (Paläontologe)#Medea-Hypothese|Medea-Hypothese]], nach der mehrzelliges Leben keine systembewahrenden Eigenschaften, sondern eine Tendenz zur Selbstzerstörung aufweist.


=== Leben auf einer jungen kalten Erde ===
=== Leben auf einer jungen kalten Erde ===
In den letzten Jahrzehnten gelang es, Lebensformen auf der Erde unter sehr kalten Umweltbedingungen nachzuweisen, so bei dem unter dem Eis der Antarktis befindlichen [[Wostoksee]]. [[John Priscu]] zufolge sollte dies ebenso beim Mars anzuwenden sein.<ref>J. C. Priscu, C. M. Foreman: ''Lakes of Antarctica. Encyclopedia of Inland Waters.'' Elsevier Press, 2007.</ref><ref>S. M. Jepsen, J. C. Priscu, R. E. Grimm, M. A. Bullock: ''The Potential for Lithoautotrophic Life on Mars: Application to Shallow Interfacial-Water Environments.'' In: ''Astrobiology.'' 7, 2007, S. 342–354.</ref> Im Gegensatz zu der Annahme von Hart wurde die [[Habitable Zone|Continuously Habitable Zone]] im Sonnensystem zwischenzeitlich bis nahe an den Mars ausgeweitet.
In den letzten Jahrzehnten wurden Lebensformen auf der Erde unter sehr kalten Umweltbedingungen entdeckt, wie bei dem unter dem [[Antarktischer Eisschild|Antarktischen Eisschild]] liegenden [[Wostoksee]]. [[John Priscu]] zufolge könnte dies ebenso auf dem Mars der Fall sein.<ref>J. C. Priscu, C. M. Foreman: ''Lakes of Antarctica. Encyclopedia of Inland Waters.'' Elsevier Press, 2007.</ref><ref>S. M. Jepsen, J. C. Priscu, R. E. Grimm, M. A. Bullock: ''The Potential for Lithoautotrophic Life on Mars: Application to Shallow Interfacial-Water Environments.'' In: ''Astrobiology.'' 7, 2007, S. 342–354.</ref> Im Gegensatz zu der Annahme von Hart wurde die [[Habitable Zone|Continuously Habitable Zone]] im Sonnensystem zwischenzeitlich bis in Marsnähe ausgeweitet.


Als mögliche Deutung des Paradoxons<ref>[http://solar.physics.montana.edu/SVECSE2008/pdf/martens_svecse.pdf so in einer Überblickspräsentation der Uni Montana 2008] (PDF; 1,6&nbsp;MB).</ref> spielt sie eher eine periphere Rolle. Das frühe Erdklima war allem Anschein nach wärmer als heute und geologische Hinweise auf die Anwesenheit von flüssigem Wasser sind im Gegensatz zu Vereisungen seit frühester Zeit weit verbreitet. Pointiert ausgedrückt gibt es Hinweise auf wasserbasiertes Leben ähnlich dem heutigen auf der Erde „seit es Steine gibt“.<ref group="JV" name="JVC" /> Für das Fortdauern von Leben auf der Erde während zwischenzeitlicher globaler Vereisungen wie bei der Betrachtung möglichen Lebens auf anderen Planeten und Monden ist Priscus Befund zentral.
Eine Deutung des Paradoxons auf dieser Grundlage<ref>[http://solar.physics.montana.edu/SVECSE2008/pdf/martens_svecse.pdf so in einer Überblickspräsentation der Uni Montana 2008] (PDF; 1,6&nbsp;MB).</ref> besitzt jedoch wenig Relevanz. Das archaische Erdklima war allem Anschein nach wärmer als heute, und geologische Spuren im Hinblick auf flüssiges Wasser sind im Gegensatz zu Vereisungsprozessen seit frühester Zeit weit verbreitet. Pointiert ausgedrückt gibt es Hinweise auf wasserbasiertes Leben auf der Erde „seit es Steine gibt“.<ref group="JV" name="JVC" /> Für den Fortbestand des irdischen Lebens während zwischenzeitlicher globaler Vereisungen (ebenso wie bei der Wahrscheinlichkeit von Leben auf anderen Planeten und Monden) ist Priscus Befund zentral.


== Einfluss von Messwertfehlern auf das Paradoxon ==
== Einfluss von Messwertfehlern auf das Paradoxon ==
Eine Reihe von älteren paläoklimatologischen Studien beschrieb das Klima im Archaikum, teilweise im gesamten Präkambrium als durchweg heiß, was von den meisten Geologen aufgrund der zwischenzeitlichen Vereisungen angezweifelt wurde.<ref group="jko" name="khv">Kasting und Ono 2006, 1. Introduction: the early climate record</ref> Die Aussagekraft von Messdaten, die eine enorm hohe Durchschnittstemperatur von 70&nbsp;°C im frühen Archaikum angeben, ist umstritten. Insgesamt gilt eine moderat größere Durchschnittstemperatur gegenüber heute als wahrscheinlich.<ref group="jko" name="khv" />
Ältere paläoklimatologische Studien beschrieben für das Archaikum und teilweise für das gesamte Präkambrium ein Heißklima mit Temperaturen bis 70&nbsp;°C. Diese Annahme wird von den meisten Geowissenschaftlern aufgrund der zwischenzeitlich aufgetretenen Kaltzeiten bezweifelt.<ref group="jko" name="khv">Kasting und Ono 2006, 1. Introduction: the early climate record</ref> Aktuell gilt eine moderat höhere Durchschnittstemperatur gegenüber heute als wahrscheinlich.<ref group="jko" name="khv" />


Untersuchungen von verschiedenen [[Isotopenuntersuchung|Isotopenverhältnissen]] zufolge waren die grundsätzlichen Elemente des Kohlenstoffzyklus bereits vor 4 Milliarden Jahren etabliert.<ref group="JV" name="JVC" /> Ein nur bis zu 100fach höherer Wert der CO<sub>2</sub>-Konzentration (wie anderer Treibhausgase) im Vergleich zu heute ist nicht weiter strittig, kann aber nach der Mehrzahl der älteren Autoren das Paradoxon nicht auflösen.<ref group="ns" name="shav">Shaviv 2003.</ref> Mit einem deutlich erhöhten Anteil von Kohlendioxid in der Atmosphäre hätte sich mit terrestrischem Eisen das Eisenkarbonatmineral [[Siderit]] in erheblicher Menge bilden müssen. Dies ist bislang nicht entsprechend nachgewiesen worden. Im Gegensatz dazu sehen Haqq-Misra u. a. das Fehlen von Siderit allein nicht als Ausschlusskriterium an.<ref group="jh" name="ha" /> Eine 2008 erschienene Studie von Phillip von Paris und anderen sieht für das späte Archaikum und frühe Proterozoikum aufgrund einer Modellierung mit erneuerten Absorptionsdaten nur eine Größenordnung geringere Kohlendioxidkonzentrationen notwendig. Für das späte Archaikum wären demnach für ein moderat warmes Klima nur 1,5 bis 5,5&nbsp;mbar (gegenüber vorindustriell 0,28&nbsp;mbar) Partialdruck Kohlendioxid notwendig gewesen.<ref>Philip Paris u. a.: ''Warming the early earth—CO2 reconsidered.'' In: ''Planetary and Space Science.'' Vol. 56, 2008, S. 1244–1259. [[doi:10.1016/j.pss.2008.04.008]]</ref>
Verschiedenen Analysen zufolge waren die grundsätzlichen Elemente des Kohlenstoffzyklus bereits vor 4 Milliarden Jahren etabliert.<ref group="JV" name="JVC" /> Ein maximal hundertfach höherer Wert der CO<sub>2</sub>-Konzentration und anderer Treibhausgase im Vergleich zur Gegenwart ist nicht weiter strittig, kann aber nach überwiegender Meinung das Paradoxon nicht auflösen.<ref group="ns" name="shav">Shaviv 2003.</ref> Mit einem deutlich erhöhten Anteil von Kohlendioxid in der Atmosphäre hätte sich das Eisenkarbonatmineral [[Siderit]] in erheblicher Menge bilden müssen, was bislang nicht nachgewiesen wurde. Im Gegensatz dazu sehen Haqq-Misra u. a. das Fehlen von Siderit nicht als alleiniges Ausschlusskriterium an.<ref group="jh" name="ha" /> Nach einer 2008 erschienenen Studie sind für das späte Archaikum und frühe Proterozoikum aufgrund eines Abgleichs mit neueren Absorptionsdaten eine geringere Kohlendioxidkonzentration um eine Größenordnung notwendig. Für das späte Archaikum wären demnach für ein moderat warmes Klima nur 1,5 bis 5,5&nbsp;mbar (gegenüber vorindustriell 0,28&nbsp;mbar) Partialdruck Kohlendioxid erforderlich.<ref>Philip Paris u. a.: ''Warming the early earth—CO2 reconsidered.'' In: ''Planetary and Space Science.'' Vol. 56, 2008, S. 1244–1259. [[doi:10.1016/j.pss.2008.04.008]]</ref>


=== Methodische Herausforderungen ===
=== Methodische Herausforderungen ===
[[Datei:Collenia undosa Minnesota.jpg|mini|Gestein aus dem Umfeld der Huronischen Vereisung mit Spuren frühen Lebens]]
[[Datei:Collenia undosa Minnesota.jpg|mini|Gestein aus dem zeitlichen Umkreis der Paläoproterozoischen Vereisung mit Spuren frühen Lebens]]
[[Datei:Stromatolites Cochabamba.jpg|mini|Feinlagiger Aufbau von [[Stromatolith]]en aus der Kreidezeit ([[Maastrichtium]])]]
[[Datei:Stromatolites Cochabamba.jpg|mini|Feinlagiger Aufbau von [[Stromatolith]]en aus der Kreidezeit ([[Maastrichtium]])]]


Bereits die Rekonstruktion der jüngeren Klimageschichte, für die es eine Vielzahl indirekter Klimazeiger (vgl. [[Proxy (Klimaforschung)]]) gibt, wurde von [[Hockeyschläger-Kontroverse|Kontroversen]] begleitet. Für die Deutung des Paradoxons sind jedoch paläoklimatische Bestimmungsmethoden notwendig. Diese werden umso schwieriger und weniger, je weiter in die geologische Vergangenheit zurückgegangen wird und je weniger [[fossil]]e Lebensspuren erhalten sind.
Bereits die Rekonstruktion der jüngeren Klimageschichte, basierend auf einer Vielzahl indirekter [[Proxy (Klimaforschung)|Klimaanzeiger]], wurde gelegentlich von Kontroversen begleitet. Für die Deutung des Paradoxons sind jedoch paläoklimatologische Bestimmungsmethoden notwendig. Ungeachtet der raschen Fortschritte der verschiedenen Analysetechniken wie der [[Isotopenuntersuchung]] sind Aussagen über weit zurückliegende Epochen immer mit gewissen Unsicherheiten behaftet, wobei auch der [[Fossilbericht]] mit zunehmenden zeitlichem Abstand größere Lücken aufweisen kann.


==== Frühes Leben ====
==== Frühes Leben ====
Indirekte Hinweise auf Leben bilden sich unter anderem in [[Chemofossil]]ien und Versteinerungen ab, in denen organisch gebildete Strukturen wie [[Stromatolith]]en gefunden oder vermutet werden.<ref>J. Schopf: ''Earth’s Earliest Biosphere: Its Origin and Evolution.'' Princeton University Press, Princeton, N.J. 1983.</ref><ref>S. J. Mojzsis, G. Arrhenius, K. D. McKeegan, T. M. Harrison, A. P. Nutman, C. R. L. Friend: ''Evidence for life on Earth before 3,800 million years ago.'' In: ''Nature.'' 384, 1996, S. 55–59. [[doi:10.1038/384055a0]]</ref> Der Nachweis von frühem Leben und die Abschätzung von Stoffflüssen in der Atmosphäre in verschiedenen geologischen Zeiten wurde über die hochauflösende Untersuchung feinster [[Graphit]]- und Gaseinschlüsse sowie Mikrofossilien in Mineralien erleichtert.<ref>{{Webarchiv | url=http://homepage.mac.com/yuee/H/research1.html | archive-is=20040815135852 | text=Forschungsaktivitäten von Yuichiro Ueno}}</ref>
Indirekte Hinweise auf frühes Leben sind unter anderem in [[Chemofossil]]ien und Versteinerungen zu finden, in denen [[biogen]]e Strukturen wie [[Stromatolith]]en gefunden werden.<ref>J. Schopf: ''Earth’s Earliest Biosphere: Its Origin and Evolution.'' Princeton University Press, Princeton, N.J. 1983.</ref><ref>S. J. Mojzsis, G. Arrhenius, K. D. McKeegan, T. M. Harrison, A. P. Nutman, C. R. L. Friend: ''Evidence for life on Earth before 3,800 million years ago.'' In: ''Nature.'' 384, 1996, S. 55–59. [[doi:10.1038/384055a0]]</ref> Der Nachweis von Lebensspuren und die Abschätzung des Stoffkreislaufs in der Atmosphäre in verschiedenen geologischen Perioden geschieht dabei über die hochauflösende Untersuchung feinster [[Graphit]]- und Gaseinschlüsse sowie [[Mikrofossilien]] in Mineralien.<ref>{{Webarchiv | url=http://homepage.mac.com/yuee/H/research1.html | archive-is=20040815135852 | text=Forschungsaktivitäten von Yuichiro Ueno}}</ref>


==== Bildung von Ozean und Erdkruste ====
==== Bildung von Ozean und Erdkruste ====
Einleitend wurden verbreitete Belege auf eine frühe Kruste und Gewässer an der Oberfläche der Erde vor 3,8 Milliarden angeführt. Noch früher, vor 4,4 Milliarden Jahren, war dies bei [[Zirkon]]kristallen aus dem Pilbara-Kraton in [[Australien (Kontinent)|Westaustralien]] der Fall. Mit der [[Uran-Blei-Datierung]] wurden sie als bisher älteste Minerale auf der Erde identifiziert.<ref name="Wilde" /> Daneben wurden Hinweise auf bereits damals vorhandene Trennung von Kruste und Ozean gefunden.<ref name="Mj">S. J. Mojzsis, T. M. Harrison, R. T. Pidgeon: ''Oxygen-isotope evidence from ancient zircons for liquid water at the Earth’s surface 4300 Myr ago.'' In: ''Nature.'' Band 409, 2001, S. 178–181, [[doi:10.1038/35051557]].</ref> Zirkone können mehrfach den [[Kreislauf der Gesteine]] durchlaufen. Sie sind gegenüber geologischen Einflüssen wie Verwitterung und selbst hochgradiger [[Metamorphose (Geologie)|Gesteinsmetamorphose]] äußerst resistent und erlauben neben einer [[Radiometrische Datierung|radiometrischen]] [[Geochronologie|Altersbestimmung]] isotopengeochemisch Hinweise auf ihre Entstehungsbedingungen zu finden. Entsprechende Studien erfordern eine aufwendige Probennahme und Aufbereitung sowie eine hochauflösende komplexe Analytik wie [[Elektronenstrahlmikroanalyse]] und [[Massenspektrometrie]].
Belege für die Existenz eines Ozeans und einer festen Erdkruste für die Zeit vor 3,8 Milliarden Jahren sind relativ häufig zu finden. Das mit 4,4 Milliarden Jahren älteste bekannte Mineral sind [[Zirkon]]kristalle aus dem Pilbara-Kraton in [[Australien (Kontinent)|Westaustralien]].<ref name="Wilde" /> Daneben sprechen Indizien für eine bereits damals vorhandene Trennung von Kruste und Ozean.<ref name="Mj">S. J. Mojzsis, T. M. Harrison, R. T. Pidgeon: ''Oxygen-isotope evidence from ancient zircons for liquid water at the Earth’s surface 4300 Myr ago.'' In: ''Nature.'' Band 409, 2001, S. 178–181, [[doi:10.1038/35051557]].</ref> Zirkone können mehrfach den [[Kreislauf der Gesteine]] durchlaufen. Sie sind aufgrund ihrer stabilen Gitterstruktur resistent gegenüber Einflüssen wie Verwitterung und [[Metamorphose (Geologie)|Gesteinsmetamorphose]] und gestatten durch die in die Kristalle eingeschlossenen [[Nuklide]] neben einer [[Radiometrische Datierung|radiometrischen]] [[Geochronologie|Altersbestimmung]] isotopengeochemische Hinweise auf ihre Entstehungsbedingungen. Dies erfordert eine aufwendige Probennahme und Aufbereitung sowie hochauflösende Analyseverfahren wie die [[Massenspektrometrie]].


==== Rekonstruktion des Temperaturverlaufs ====
==== Rekonstruktion des Temperaturverlaufs ====
Ähnlich aufwendig gestalten sich Datenreihen zum Temperaturverlauf in der frühen geologischen Vergangenheit.<ref>Ján Veizer, Jochen Hoefs: ''The nature of O18/O16 and C13/C12 secular trends in sedimentary carbonate rocks.'' In: ''Geochimica et Cosmochimica Acta.'' 40, Nr. 11, November 1976, S. 1387–1395. [[doi:10.1016/0016-7037(76)90129-0]]</ref> Bei den Messungen der frühesten Durchschnittstemperaturen sind systematische Verschiebungen bei den zugrundeliegenden Sauerstoffisotopiemessungen möglich, auch eine Beeinflussung der heute gemessenen Messwerte durch zwischenzeitliche Einflüsse wird kritisiert. Insgesamt gilt während des Archaikums eine moderat wärmere Durchschnittstemperatur gegenüber heute als wahrscheinlich.<ref group="jko" name="khv" />
Ähnlich aufwendig gestalten sich Auswertungen des Temperaturverlaufs in der geologischen Vergangenheit.<ref>Ján Veizer, Jochen Hoefs: ''The nature of O18/O16 and C13/C12 secular trends in sedimentary carbonate rocks.'' In: ''Geochimica et Cosmochimica Acta.'' 40, Nr. 11, November 1976, S. 1387–1395. [[doi:10.1016/0016-7037(76)90129-0]]</ref> Bei den Messungen der frühesten Durchschnittstemperaturen sind systematische Verschiebungen bei den zugrundeliegenden Sauerstoff-Isotopenmessungen möglich, auch eine Beeinflussung der heute ermittelten Messwerte durch zwischenzeitliche Einflüsse muss in Betracht gezogen werden.


== Rolle des Paradoxons bei Mars und dem Saturnmond Titan ==
== Rolle des Paradoxons bei Mars und dem Saturnmond Titan ==
[[Datei:VallesMarinerisHuge.jpg|mini|hochkant=1.7|Panoramaaufnahme der 4000&nbsp;km langen [[Valles Marineris]]]]
[[Datei:VallesMarinerisHuge.jpg|mini|hochkant=1.7|Panoramaaufnahme der 4000&nbsp;km langen [[Valles Marineris]]]]
Das Paradoxon betrifft ebenfalls unseren Nachbarplaneten [[Mars (Planet)#Klima und Wetter|Mars]], auf dessen Oberfläche demnach flüssiges Wasser nicht hätte vorkommen sollen.<ref group="sm" name="SgM" /> Hingegen war nach den Ergebnissen der bisherigen Sondierungen die Marsatmosphäre in der Vergangenheit (vor Milliarden Jahren) wesentlich dichter. Auf der Oberfläche des Roten Planeten war reichlich flüssiges Wasser vorhanden. Regelmäßige, teilweise möglicherweise auf wasserbasierter [[Erosion (Geologie)|Erosion]] zurückgehende Großstrukturen wie bei den sogenannten [[Marskanäle]]n, in umfangreichen [[Grabenbruch]]systemen wie die [[Valles Marineris]] bis hin zur kleinräumigen [[Kryoturbation]]en gaben und geben daher nach wie vor Anlass zu unterschiedlichsten Spekulationen.
Das Paradoxon betrifft ebenfalls den Planeten [[Mars (Planet)#Klima und Wetter|Mars]], auf dessen Oberfläche demnach flüssiges Wasser nicht hätte vorkommen sollen.<ref group="sm" name="SgM" /> Hingegen war nach neueren Erkenntnissen die Marsatmosphäre in der Frühzeit des [[Sonnensystem]]s wesentlich dichter als heute. Zudem existierten auf dem Roten Planeten wahrscheinlich umfangreiche Wasservorkommen, eventuell sogar in Form relativ ausgedehnter [[Ozean]]e und [[Flusssystem]]e. Hinweise darauf liefern wasserbasierte [[Erosion (Geologie)|Erosionsstrukturen]] oder die Trockentäler ehemaliger Fließgewässer.


Bei dem Saturnmond [[Titan (Mond)|Titan]] wurde ein orangefarbener [[Nebel]] beobachtet, der aus organischen Verbindungen mit noch unbekannter Zusammensetzung besteht. Der Astrophysiker [[Carl Sagan]] prägte dafür den Begriff [[Tholine]]“. Sagan vermutete in einer ebensolchen Schicht bei der frühen Erde einen wesentlichen Beitrag zur Entstehung des Lebens. Mit diesen Vermutungen wurde der Titan zu einem der interessantesten Schauplätze im Sonnensystem. Sagan hatte zudem einen Erwärmungseffekt durch diesen Nebel angenommen. Andere Autoren widersprechen Sagans Theorie und formulieren einen „Anti-Treibhauseffekt“.<ref>Christopher P. McKaya, Ralph D. Lorenz, Jonathan I. Lunine: ''Analytic Solutions for the Antigreenhouse Effect: Titan and the Early Earth.'' In: ''Icarus.'' Band 137, Ausgabe 1, 1. Januar 1999, S. 56–61. [[doi:10.1006/icar.1998.6039]]</ref>
Auf dem Saturnmond [[Titan (Mond)|Titan]] wurde ein orangefarbener Nebel aus organischen Verbindungen mit noch unbekannter Zusammensetzung beobachtet. Der Astrophysiker Carl Sagan prägte dafür den Begriff [[Tholine]] und vermutete in einer ebensolchen Schicht der frühen Erde einen wesentlichen Faktor zur Lebensentstehung. Aufgrund dieser Eigenschaft wurde der Saturnmond zu einem der interessantesten Objekte im Sonnensystem. Sagan hatte zudem einen Erwärmungseffekt durch diesen Nebel angenommen. Andere Autoren widersprachen dieser Auffassung und postulierten einen „Anti-Treibhauseffekt“.<ref>Christopher P. McKaya, Ralph D. Lorenz, Jonathan I. Lunine: ''Analytic Solutions for the Antigreenhouse Effect: Titan and the Early Earth.'' In: ''Icarus.'' Band 137, Ausgabe 1, 1. Januar 1999, S. 56–61. [[doi:10.1006/icar.1998.6039]]</ref>


Neuesten Forschungsergebnissen zufolge könnte ein [[Aerosol]] aus verzweigten Kohlenwasserstoffen (anstatt kugelförmiger Tröpfchen - wie bisher angenommen) sehr wohl großen Einfluss auf das Absorptionsverhalten der Atmosphäre gehabt haben. Ein solches Aerosol absorbiert UV-Licht, ist aber für sichtbares Licht hinreichend transparent.<ref>E. T. Wolf, O. B. Toon: ''Fractal Organic Hazes Provided an Ultraviolet Shield for Early Earth.'' In: ''Science.'' 328, no. 5983, S. 1266–1268. [[doi:10.1126/science.1189196]]</ref>
Nach aktuellen Forschungsergebnissen könnte ein [[Aerosol]] aus verzweigten [[Kohlenwasserstoff]]en (anstatt wie bisher angenommen kugelförmiger Tröpfchen) großen Einfluss auf das Absorptionsverhalten der Atmosphäre ausgeübt haben. Ein derartiges Aerosol absorbiert UV-Licht, ist aber für sichtbares Licht weitgehend transparent.<ref>E. T. Wolf, O. B. Toon: ''Fractal Organic Hazes Provided an Ultraviolet Shield for Early Earth.'' In: ''Science.'' Juni 2010, Vol. 328, Nr. 5983, S. 1266–1268. [[doi:10.1126/science.1189196]]</ref>
 
== Weblinks ==
* [http://solarphysics.livingreviews.org/open?pubNo=lrsp-2007-3&page=articlesu23.html Living Reviews in Solar Physics zum Paradoxon] und [http://solarphysics.livingreviews.org/Articles/lrsp-2004-2/articlesu9.html Living Reviews in Solar Physics speziell zur Deutung von Shaviv], beide beim [[Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung]]
* [http://solar.physics.montana.edu/SVECSE2008/pdf/martens_svecse.pdf Überblick zum Paradoxon als Präsentation], Uni Montana ([[James F. Kasting]], [[Edward Guinan]], [[John Priscu]] und [[Richard Lindzen]]; PDF; 1,6&nbsp;MB)
* [http://www.ieap.uni-kiel.de/et/download/physik6/faint_young_sun.pdf Überblick zum Paradoxon], Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der Universität Kiel (PDF; 5,6&nbsp;MB)


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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* Jacob D. Haqq-Misra, Shawn D. Domagal-Goldman, Patrick J. Kasting, James F. Kasting: ''A Revised, Hazy Methane Greenhouse for the Archean Earth.'' In: ''Astrobiology.'' Volume 8, Number 6, 2008. [[doi:10.1089/ast.2007.0197]]
* Jacob D. Haqq-Misra, Shawn D. Domagal-Goldman, Patrick J. Kasting, James F. Kasting: ''A Revised, Hazy Methane Greenhouse for the Archean Earth.'' In: ''Astrobiology.'' Volume 8, Number 6, 2008. [[doi:10.1089/ast.2007.0197]]
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* E. Jansen, J. Overpeck, K. R. Briffa, J.-C. Duplessy, F. Joos, V. Masson-Delmotte, D. Olago, B. Otto-Bliesner, W. R. Peltier, S. Rahmstorf, R. Ramesh, D. Raynaud, D. Rind, O. Solomina, R. Villalba, D. Zhang: [http://www.ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar4/wg1/ar4-wg1-chapter6.pdf Frequently Asked Question 6.1, ''What Caused the Ice Ages and Other Important Climate Changes Before the Industrial Era?''] (PDF; 8,1&nbsp;MB). In: S. D. Qin, M. Manning, Z. Chen, M. Marquis, K.B. Averyt, M. Tignor, H.L. Miller (Hrsg.): ''Palaeoclimate in Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change Solomon.'' Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA.
* E. Jansen, J. Overpeck, K. R. Briffa, J.-C. Duplessy, F. Joos, V. Masson-Delmotte, D. Olago, B. Otto-Bliesner, W. R. Peltier, S. Rahmstorf, R. Ramesh, D. Raynaud, D. Rind, [[Olga Nikolajewna Solomina|O. Solomina]], R. Villalba, D. Zhang: [http://www.ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar4/wg1/ar4-wg1-chapter6.pdf Frequently Asked Question 6.1, ''What Caused the Ice Ages and Other Important Climate Changes Before the Industrial Era?''] (PDF; 8,1&nbsp;MB). In: S. D. Qin, M. Manning, Z. Chen, M. Marquis, K.B. Averyt, M. Tignor, H.L. Miller (Hrsg.): ''Palaeoclimate in Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change Solomon.'' Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA.
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* James F. Kasting u. a.: {{Webarchiv | url= http://www.geosc.psu.edu/~kasting/PersonalPage/Pdf/Scientific_American_88.pdf | wayback= 20100619121458 | text=''How Climate Evolved on the Terrestrial Planets''}} (PDF; 1,4&nbsp;MB). In: ''Scientific American.'' 256, 1988, S. 90–97.
* James F. Kasting u. a.: {{Webarchiv | url= http://www.geosc.psu.edu/~kasting/PersonalPage/Pdf/Scientific_American_88.pdf | wayback= 20100619121458 | text=''How Climate Evolved on the Terrestrial Planets''}} (PDF; 1,4&nbsp;MB). In: ''Scientific American.'' 256, 1988, S. 90–97.
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* C. Sagan, G. Mullen: [http://courses.washington.edu/bangblue/Sagan-Faint_Young_Sun_Paradox-Sci72.pdf ''Earth and Mars: Evolution of Atmospheres and Surface Temperatures.''] (PDF; 467&nbsp;kB). In: ''Science.'' 177, 1972, S. 52–56. [[doi:10.1126/science.177.4043.52]]
* C. Sagan, G. Mullen: [http://courses.washington.edu/bangblue/Sagan-Faint_Young_Sun_Paradox-Sci72.pdf ''Earth and Mars: Evolution of Atmospheres and Surface Temperatures.''] (PDF; 467&nbsp;kB). In: ''Science.'' 177, 1972, S. 52–56. [[doi:10.1126/science.177.4043.52]]
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* Nir J. Shaviv: [http://www.phys.huji.ac.il/~shaviv/articles/long-ice.pdf ''The spiral structure of the Milky Way, cosmic Rays, and ice age epochs on Earth''] (PDF; 1,7&nbsp;MB) In: ''New Astronomy.'' 8, 2003, S. 39–77.
* Nir J. Shaviv: [http://www.phys.huji.ac.il/~shaviv/articles/long-ice.pdf ''The spiral structure of the Milky Way, cosmic Rays, and ice age epochs on Earth.''] (PDF; 1,6&nbsp;MB). In: ''New Astronomy.'' 8, 2003, S. 39–77.
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* Nir J. Shaviv: ''Toward a solution to the early faint Sun paradox: A lower cosmic ray flux from a stronger solar wind.'' In: ''J. Geophys. Res.'' 108(A12), 2003, S. 1437. {{arXiv|astro-ph/0306477}}, [[doi:10.1029/2003JA009997]].
* Nir J. Shaviv: ''Toward a solution to the early faint Sun paradox: A lower cosmic ray flux from a stronger solar wind.'' In: ''J. Geophys. Res.'' 108(A12), 2003, S. 1437. {{arXiv|astro-ph/0306477}}, [[doi:10.1029/2003JA009997]].
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Vivien Gornitz: ''Encyclopedia of paleoclimatology and ancient environments''. (= Encyclopedia of earth sciences). Springer, 2009, ISBN 978-1-4020-4551-6, S. 63 {{Google Buch|BuchID=yRMgYc-8mTIC|Seite=63}}.</ref>
Vivien Gornitz: ''Encyclopedia of paleoclimatology and ancient environments''. (= ''Encyclopedia of earth sciences''). Springer, 2009, ISBN 978-1-4020-4551-6, S. 63 {{Google Buch |BuchID=yRMgYc-8mTIC |Seite=63}}.
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== Weblinks ==
* [http://solarphysics.livingreviews.org/open?pubNo=lrsp-2007-3&page=articlesu23.html Living Reviews in Solar Physics zum Paradoxon] und [http://solarphysics.livingreviews.org/Articles/lrsp-2004-2/articlesu9.html Living Reviews in Solar Physics speziell zur Deutung von Shaviv], beide beim [[Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung]]
* [http://solar.physics.montana.edu/SVECSE2008/pdf/martens_svecse.pdf Überblick zum Paradoxon als Präsentation], Uni Montana ([[James F. Kasting]], [[Edward Guinan]], [[John Priscu]] und [[Richard Lindzen]]; PDF; 1,6&nbsp;MB)
* [http://www.ieap.uni-kiel.de/et/download/physik6/faint_young_sun.pdf Überblick zum Paradoxon], Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der Universität Kiel (PDF; 5,6&nbsp;MB)


[[Kategorie:Wärmeanomalie|Junge Sonne]]
[[Kategorie:Wärmeanomalie|Junge Sonne]]

Aktuelle Version vom 14. Februar 2022, 07:44 Uhr

Entwicklung von Leuchtkraft (rot), Radius (blau) und effektiver Temperatur (grün) der Sonne während ihres Daseins als Hauptreihenstern in Einheiten der heutigen Werte. Die Leuchtkraft war vor drei bis vier Milliarden Jahren 20 bis 25 % geringer als jetzt.
Rekonstruktion des mittleren Temperatur- und Niederschlagverlaufs der Erde vom Archaikum bis zur Gegenwart

Unter dem Paradoxon der schwachen jungen Sonne versteht man den noch nicht vollständig geklärten Widerspruch zwischen der geringen Strahlungsleistung der jungen Sonne in der frühen Erdgeschichte und dem nicht entsprechend kälteren Klima zu jener Zeit. Auf diese Diskrepanz wiesen erstmals die Astronomen Carl Sagan und George Mullen 1972 hin.[sm 1]

Sagan schlug eine vergleichsweise hohe Konzentration von Treibhausgasen als mögliche übergeordnete Erklärung vor, was sich aber für den fraglichen Zeitraum nicht bestätigt hat. Im Gegenteil, die im Archaikum stattgefundenen bedeutenden Änderungen der Atmosphärenzusammensetzung und der in Vergleich zur jüngeren Erdgeschichte nach einer globalen Vereisung vor 2,4 Milliarden Jahren lange Zeit relativ gleichmäßige Klimaverlauf (vgl. boring billion, dt. langweilige Milliarde[jko 1]) werfen eher zusätzliche Fragen auf. Über Jahrzehnte geführte kontroverse Diskussionen in Geologie, Astrophysik, Planetologie, Klimatologie und Atmosphärenwissenschaften machten das Paradoxon zu einer „der großen offenen Fragen der Paläoklimatologie“.[1] Eine abschließende Deutung wird von manchen Autoren beansprucht,[2] ist aber keineswegs unumstritten.[3]

Ausmaß des Problems

Aus dem Standardsonnenmodell lässt sich für die Zeit vor 4,4 Milliarden Jahren eine 25 bis 30 % geringere Strahlungsleistung ableiten.[4] Gleichzeitig wurde anhand geochemischer Analysen die Existenz von flüssigem Wasser an der Erdoberfläche bereits in der frühesten Erdgeschichte nachgewiesen.[5] Ohne relativ milde klimatische Bedingungen hätte Wasser aber nur als Eis vorkommen können. Bereits in dieser frühen Zeit sind die ersten Lebensspuren nachgewiesen, die ebenso flüssiges Wasser voraussetzten. Das Paradoxon setzt zu einer Zeit an, in der eine erste Atmosphäre gerade entstanden war, und dauert über mehrere Milliarden Jahre fort, während derer sich Kontinente und Ozeane bildeten. Dies gilt ebenso bei der Betrachtung der frühen Marsatmosphäre.[6]

Überblick

Vulkanausbruch des Pinatubo

Zur Erklärung des Paradoxons werden Faktoren berücksichtigt, die in der gesamten irdischen Klimageschichte eine Rolle spielten. Anfangs wurden für die Lösung des Problems hohe Treibhausgaskonzentrationen in der frühen Atmosphäre vermutet. Die Kenntnisse über die damalige atmosphärische Beschaffenheit und die damit verknüpften Klimabedingungen haben seit den 1970er Jahren erheblich zugenommen.[7] So gilt eine ursprünglich sehr hohe Konzentration der heute relevanten Treibhausgase aufgrund geochemischer Beschränkungen als fraglich.[7][8]

2009 wurden sulfidische Treibhausgase identifiziert, die in der frühen reduzierenden Atmosphäre bis zur Großen Sauerstoffkatastrophe vor 2,4 Milliarden Jahren ein wirksamer Klimafaktor gewesen sein könnten. Eine 2003 vorgebrachte Erklärung des Paradoxons und der globalen Warm- und Kaltzeiten aufgrund einer Klimabeeinflussung durch kosmische Strahlung löste eine kontrovers geführte Debatte aus und intensivierte die Forschung auf diesem Sektor. Ein klimabestimmender Einfluss kosmischer Strahlung in der Gegenwart konnte in Folgestudien jedoch nicht bestätigt werden.

Gegenwärtig wird versucht, das archaische Erdklima mit vergleichsweise einfachen Klimamodellen zu simulieren. Unter den Voraussetzungen einer niedrigen Albedo, eines hohen Stickstoffanteils und eines spärlichen Auftretens von Kondensationskernen für die Wolkenbildung wäre das Vorhandensein von flüssigem Wasser in den Tropenregionen auch damals möglich gewesen.[3][9] Gleiches gilt für die Analyse der frühen Marsatmosphäre.[6] Weitere Nebenthesen behandeln unter anderem mögliche Abweichungen der Erdbahnparameter, eine Veränderung der physikalischen Konstanten und der solaren Strahlungsstärke über das Standardmodell hinaus, ebenso wird in einigen Studien eine Lebensentstehung auf der Erde und auf anderen Himmelskörpern unter vergleichsweise kalten Bedingungen diskutiert.[8]

Erd- und klimageschichtlicher Hintergrund

Nach der Entstehung des Mondes vor etwa 4,5 Milliarden Jahren, bei der der Erdmantel tief aufgeschmolzen war, dauerte es etwa 2 Millionen Jahre, bis die Erdwärme für die Oberflächentemperatur vernachlässigbar wurde. Verzögernde Faktoren waren eine isolierende Atmosphäre aus Wasserdampf (H2O) und die Dissipation von Rotationsenergie durch Gezeitenreibung.[10] Als das Wasser kondensierte, begann ein mindestens 10 Millionen Jahre währender galoppierender Treibhauseffekt (englisch runaway greenhouse effect) auf der Basis von anfangs etwa 100 bar Kohlendioxid (CO2), ehe das Gas großteils als Karbonat subduziert war[11] (siehe auch Kohlenstoffzyklus).

Nach aktueller Einschätzung, vorbehaltlich neuer Mondgesteinproben, gab es kein Großes Bombardement der Erde durch Asteroiden und Kometen vor 4,1 bis 3,8 Milliarden Jahren, sondern eine allmähliche Abnahme der Einschläge,[12] die den Erdmantel lediglich lokal aufschmolzen und zwischen denen relativ kühle Bereiche existierten, mit Wasser in flüssiger[13] und fester Form.[11] Vulkanausgasungen bestanden damals wie heute überwiegend aus Wasserdampf, Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff (H2S) sowie kleineren Anteilen von Stickstoff (N2), Wasserstoff (H2), Kohlenmonoxid (CO), Helium, Methan und Ammoniak.

Eine vermutlich kurzzeitige Glazialphase in Form der Pongola-Vereisung ereignete sich vor etwa 2,9 Milliarden Jahren, auf die 500 Millionen Jahre später die Paläoproterozoische Vereisung folgte, wahrscheinlich verursacht durch die Große Sauerstoffkatastrophe und mit einer Dauer von ungefähr 300 Millionen Jahren das längste Eiszeitalter der Erdgeschichte. Daran schloss sich eine längere Warmzeit an, scherzhaft boring billion (langweilige Milliarde) genannt.[jko 1] Erst danach, seit etwa einer Milliarde Jahren, wechselten sich bis in die jüngste Erdgeschichte längere Warm- mit kürzeren Kaltzeiten ab.

Das Paradoxon wird gelegentlich im Umfeld von Junge-Erde-Kreationisten und Anhängern des sogenannten Intelligent Design als Argument gegen die übereinstimmenden wissenschaftlichen Datierungen herangezogen, die das Alter der Erde auf etwa 4,6 Milliarden Jahre festlegen.[14]

Einfluss der Atmosphäre

Beispiel einer Modellrechnung von 2009 zur mittleren jährlichen Strahlungsbilanz der Erde für den Zeitraum von März 2000 bis Mai 2004. Die Berechnungen wurden erstellt teils aufgrund von Satellitendaten (CERES) und teils aufgrund von Annahmen (Hypothesen). Die Breite der breiten Pfeile deutet die Proportionen des Energieflusses an.[15] Eine spätere Modellrechnung von 2013 ergab einen Energieüberschuss von 0,6 W/m², mit einem Unsicherheitsbereich von 0,2 bis 1,0 W/m².[16]

Die Treibhauswirkung beruht auf der unterschiedlichen Durchlässigkeit für den kurzwelligen (vor allem ankommenden) Anteil der Sonnenstrahlung gegenüber der langwelligen (vor allem reflektierten) Wärmestrahlung. In der Erdatmosphäre haben Treibhausgase wie Wasserdampf, Kohlenstoffdioxid, Methan und Ozon seit Anbeginn zentralen Einfluss auf das Klima. Der natürliche Treibhauseffekt hebt die durchschnittliche Temperatur der Erdoberfläche gegenwärtig um etwa 33 °C auf +15 °C an. Ohne diesen Effekt würde die bodennahe Luftschicht im globalen Mittel nur lebensfeindliche −18 °C aufweisen. Mit der gegenwärtigen Zusammensetzung der Atmosphäre wäre die Oberflächentemperatur am Beginn der Erdgeschichte bei sonst gleichen Bedingungen (Landverteilung, Albedo) global um ca. 20 °C kälter gewesen.[17]

Ein über mehrere Milliarden Jahre weitgehend stabiles Klima setzt wirkungsvolle Regelmechanismen voraus.[jk 1] Wasser in seinen verschiedenen Aggregatzuständen alleine wirkt einer Abkühlung durch eine geringere Strahlungsleistung der Sonne nicht entgegen.[jko 2] Die beobachteten Klimaveränderungen müssen deshalb durch die Einwirkung anderer Faktoren, wie z. B. die Wolkenbildung, erklärt werden. So kühlen niedrige Wolken die Erdoberfläche durch ihre Sonnenreflexion, hohe Wolken wärmen hingegen. Die Wolkenbildung wird u. a. von Kondensationskernen, Schwebeteilchen und Spurengasen beeinflusst. Eine wichtige Rolle spielt hierbei der Vulkanismus durch die in die Atmosphäre emittierten Gase, Staubpartikel und Aerosole.

Die über längere Zeiträume variierende Vegetationsausbreitung hat im Zusammenhang mit Erosion, Verwitterung und Bodenstruktur Einfluss auf die Reflexionseigenschaften der Erdoberfläche sowie auf die Verdunstung und damit auf Wolkenbildung und Klima.[ipcc 1] Ein signifikanter Faktor sind daneben die Erdbahnparameter (Exzentrizität, Präzession und Neigung der Erdachse). Die durch die sogenannten Milanković-Zyklen verursachte Verteilung und Schwankung der Sonneneinstrahlung ist relativ geringfügig, fungiert jedoch im Klimasystem als „Impulsgeber“ und gilt als Hauptursache für den Wechsel der Warm- und Kaltphasen innerhalb des gegenwärtigen Eiszeitalters.[ipcc 1] Nach neueren Erkenntnissen kann ein Teil der Zyklen als stabile Einflussgröße über mehrere hundert Millionen Jahre zurückverfolgt und chronologisch eingeordnet werden.[18]

Klimaeinfluss der Plattentektonik

Die Plattentektonik als Antrieb aller großräumigen Vorgänge in der äußeren Erdhülle (Lithosphäre) ist einer der wichtigsten Klimafaktoren mit einer Vielzahl von damit verbundenen Prozessen. Dazu zählen die Entstehung von Faltengebirgen (Orogenese), die verschiedenen Formen des Vulkanismus, die Bildung Mittelozeanischer Rücken, das „Abtauchen“ ozeanischer Kruste unter kontinentale Lithosphärenplatten (Subduktion) sowie die Kontinentaldrift, jeweils mit direkten Folgen auf den Klimazustand der Erde. Im Unterschied zu diesen Entwicklungen, die Millionen Jahre beanspruchten, kamen die biologischen und klimatischen Auswirkungen sogenannter Magmatischer Großprovinzen (englisch Large Igneous Provinces) nach geologischen Maßstäben oftmals innerhalb eines relativ schmalen Zeitfensters zur Geltung. Es handelte sich dabei um den großvolumigen Ausfluss magmatischer Gesteine aus dem Erdmantel, überwiegend in Form von Flutbasalten, die vor allem an den „Nahtstellen“ kollidierender oder auseinanderdriftender Kontinentalplatten auftraten und sich im Verlauf von einigen Hunderttausend Jahren gelegentlich über Millionen km2 ausbreiteten. In Abhängigkeit von Ausmaß und Dauer der Flutbasalt-Freisetzung gelangten erhebliche Mengen an Treibhausgasen und Schadstoffen in die Atmosphäre. Im Unterschied zum „normalen“ Vulkanismus bewirkten die Aktivitäten einer Magmatischen Großprovinz keine aerosolbedingte Abkühlung, sondern führten im Gegenteil zu einer weltweiten Temperaturzunahme, im Extremfall gekoppelt mit einer zusätzlichen Erwärmungsspirale unter Mitwirkung von Methan beziehungsweise Methanhydrat aus ozeanischen Lagerstätten. Sehr wahrscheinlich stehen die meisten Massenaussterben der Erdgeschichte mit der großflächigen Effusion von Flutbasalten und der anschließenden Destabilisierung terrestrischer und mariner Biotope in direkter Verbindung.[19]

Verlauf

Datei:Rodinia reconstruction.jpg
Eine mögliche hypothetische Rekonstruktion des Superkontinents Rodinia

Der erste Kontinent Ur, in seiner Größe vermutlich vergleichbar mit dem heutigen Australien, könnte bereits vor rund 3 Milliarden Jahren existiert haben, gilt jedoch als weitgehend hypothetisch. Besser belegt ist der erste Superkontinent Kenorland, dessen Entstehung mit dem Beginn des Paläoproterozoischen Eiszeitalters (auch Huronische Eiszeit) vor etwa 2,4 Milliarden Jahren korrespondiert. Vor 1,8 Milliarden Jahren entstand der Superkontinent Columbia, der nach aktueller Forschungslage die Landmassen des ursprünglich als eigenständig geltenden Großkontinents Nuna ganz oder zum Teil in sich vereinte. Im Zuge des als wahrscheinlich eingestuften Wilson-Zyklus bildeten sich in der Folge die Superkontinente Rodinia (1.100 bis 750 mya = million years ago) und Pannotia (600 bis 550 mya), wobei verschiedene Studien das Resümee ziehen, dass Columbia in seiner Spätphase nur teilweise fragmentiert wurde und – unter entsprechend moderater Plattentektonik – gegen Ende des Mesoproterozoikums einen „fließenden“ Übergang zum nachfolgenden Rodinia vollzog.[20] Diese Annahme entspricht der relativ ruhigen klimatischen und geologischen Entwicklung während der boring billion.[21] Allerdings wirkte sich diese lange währende „Stillstandsphase“ auch auf die biologische Evolution aus. Es gibt Hinweise, dass die marinen Sauerstoff- und Sulfatkonzentrationen dauerhaft auf niedrigem Niveau stagnierten und die mittelproterozoischen Ozeane aufgrund anoxischer Bedingungen einschließlich des Auftretens von Schwefelwasserstoff ein eher lebensfeindliches Milieu für aerobe Lebensformen bildeten.[22]

Durch die allmähliche Zunahme des Sauerstoffgehalts während des Neoproterozoikums änderte sich die chemische Beschaffenheit der Meere, und gleichzeitig begann eine Periode umfangreicher plattentektonischer Prozesse und ausgeprägter Kaltzeiten, vermutlich verknüpft mit mehreren Schneeball-Erde-Ereignissen. Während des bis heute andauernden Erdzeitalters, dem Phanerozoikum, traten in unregelmäßigen Abständen weitere Kalt- und Warmzeiten von unterschiedlicher Dauer auf. Eine deutliche Abkühlung ereignete sich ab der 2. Hälfte des Ordoviziums vor 460 bis 430 Millionen Jahren,[23] gefolgt vom Permokarbonen Eiszeitalter, das große Teile des Karbons umfasste und bis in das Mittlere Perm reichte.[24] Die oftmals sehr rasch verlaufenden Klimaschwankungen im Jura und in der Unterkreide fallen mit dem fortschreitenden Zerfall des im späten Karbon (310 mya) entstandenen Superkontinents Pangaea zusammen.[25] Ein wichtiger paläogeographischer Faktor war dabei die Lage der Kontinente und größerer Festlandsbereiche im Umkreis der Polargebiete, da polarnahe Landflächen aufgrund der Eis-Albedo-Rückkopplung schneller und stärker vereisen als offene Meereszonen.

Deutungen des Paradoxons über Treibhauseffekte

Überblick

Sagan und Mullen[sm 1] schlugen zunächst eine klimaaktive Rolle von Ammoniak (NH3) in der frühen Atmosphäre als Lösung des Paradoxons vor. Jedoch besitzt Ammoniak in der Erdatmosphäre nur eine geringe Verweildauer und wird unter anderem durch photochemische Vorgänge zersetzt. Sagan und Chyba postulierten daher eine organische Schutzschicht, ähnlich wie bei der Atmosphäre des Saturnmondes Titan,[26] die die Stabilität des Ammoniaks erhöht haben könnte.[27] Eine stark ammoniakhaltige Atmosphäre wird auch bei einigen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems angenommen.

Als Erklärung für das Paradoxon wurde die Ammoniakhypothese bald zugunsten eines erheblich höheren (Faktor Zehntausend) CO2-Anteils in frühester Zeit verdrängt. Diese Theorie war bis in die frühen 1990er Jahre vorherrschend.[jko 2] Aufgrund von Widersprüchen mit geochemischen Erkenntnissen[28] begann die Suche nach alternativen Ursachen. Andere Autoren schlugen ein erhöhtes Auftreten weiterer Treibhausgase vor, die unter anderem in vulkanischen Emissionen bis in die Gegenwart vorkommen. Dazu zählen Lachgas (N2O) und insbesondere Methan, Ethan und andere Kohlenwasserstoffe[jh 1] sowie verschiedene Schwefelverbindungen.[jko 2] Die Frage der photochemischen Stabilität betrifft auch die klimawirksamen Kohlenwasserstoffe und Sulfide. Die Verweildauer der meisten Treibhausgase wurde durch die nahezu sauerstofffreie Atmosphäre der frühen Erde gefördert. Insgesamt lassen die teilweise dramatischen Änderungen in der Zusammensetzung der frühen Atmosphäre,[vk 1] vor allem durch biotisch gebildeten Sauerstoff, angesichts des relativ gleichmäßig warmen Klimaverlaufs über mehrere Milliarden Jahre und der ausgeprägten Temperaturschwankungen nach der boring billion vor 2,1 bis 1,0 Milliarden Jahren weiter Fragen offen.[jko 2]

„Für einen Klimatologen ist diese Zeit keineswegs langweilig, sie schreit nach einer Erklärung, insbesondere, weil die Sonne deutlich weniger hell war als heute. […] Die Frage, warum das mittlere Proterozoikum warm war und wieso es sich um 750 Millionen Jahre vor unserer Zeit so dramatisch abkühlte, ist faszinierend, aber geht über den hier behandelten Forschungsgegenstand hinaus.“

– Kasting und Ono 2006[jko 2]

Deutung über extremes Kohlendioxid-Treibhaus

Wolkenbedeckung der Venus
Dünne Atmosphäre des Mars

Wenn das gegenwärtig in der Lithosphäre gespeicherte CO2 in vollem Umfang in die Atmosphäre entweichen würde, hätte dies eine mehr als zehntausendfach über den heutigen Werten liegende Kohlendioxid-Konzentration mit mehreren Bar Partialdruck zur Folge.[jk 1] Eine allmähliche Abschwächung dieser extremen Treibhausbedingungen parallel zur Zunahme der solaren Strahlungsleistung sollte das Paradoxon lösen. 1979 vermutete der Astrophysiker Michael H. Hart, dass die Erde genau diesen Weg genommen hatte.[29] Nach Harts Berechnungen sei diese allmähliche Abnahme zwischen der Entstehung der Uratmosphäre vor 4,58 Milliarden Jahren bis zum Erreichen der heutigen Strahlungsstärke äußerst unwahrscheinlich und zudem instabil. Bei nur wenigen Prozent Abweichung nach oben oder unten würde entweder ein galoppierender Treibhauseffekt ähnlich dem der Venus auftreten, oder der Planet hätte sich zu einem Schneeball Erde beziehungsweise zu einer marsähnlichen, lebensfeindlichen Wüstenwelt mit dünner Atmosphäre entwickelt.[30]

Hart prägte dabei den Begriff der Continuously Habitable Zone (CHZ).[31] Die Entstehung und Fortdauer des Lebens war demnach nur deshalb möglich, weil sich die Erde während ihrer gesamten Geschichte stets in einer optimalen, aber räumlich sehr eng begrenzten „Lebenszone“ befand. Diesen unwahrscheinlichen Umstand nutzte Hart zu der vielbeachteten These (vgl. Fermi-Paradoxon), dass extraterrestrisches Leben in der Galaxis und womöglich auch im Universum äußerst selten vorkommen würde.[jk 1]

James F. Kasting und andere wiesen darauf hin, dass der These einer anfänglich extrem hohen, nur allmählichen Abnahme der CO2-Konzentration das vor 2,4 Milliarden Jahren beginnende Paläoproterozoische Eiszeitalter entgegensteht.[jh 1] Danach blieb das verhältnismäßig warme Klima geologischen Nachweisen und Klimaproxys zufolge über eine 1 Milliarde Jahre stabil, ehe sich Vereisungsphasen und Warmzeiten abzuwechseln begannen.

In einer 2011 im Fachjournal Nature veröffentlichten Studie findet sich erneut das Fazit, dass das moderate Klima des Archaikums nicht mit dem angenommenen damaligen CO2-Gehalt der Atmosphäre in Einklang steht.[32] Die Autoren sehen eine mögliche Lösung in einem durch andere Stoffe hervorgerufenen Treibhauseffekt.

Deutungen über Mischungen verschiedener Treibhausgase

Jacob D. Haqq-Misra und andere (inklusive Kasting) favorisierten statt eines reinen Kohlendioxid-Treibhauses 2007 ein Gemisch aus Methan (CH4), Wasserdampf und Kohlendioxid.[jh 1] 2000 hatte Kasting zusammen mit Pavlov die Rolle von CH4 betont[33] und 2001 die Abschirmung von Ammoniak durch organische Spurengase in der Uratmosphäre bezweifelt.[34]

Pavlov und Kasting hatten 2000 und 2003 eine methanreiche Atmosphäre nach 2,4 Milliarden Jahren in die Diskussion zum Paradoxon angeführt.[35] Dies setzt einen sulfidischen Ozean voraus, was von Holland 2006 mit Verweis auf die geochemische Problematik bestritten wurde. Kasting erwähnte diesen Widerspruch und resümierte Lua-Fehler in Modul:Text, Zeile 56: attempt to index field 'wikibase' (a nil value) (Die Seite Vorlage:Person/styles.css hat keinen Inhalt.Kasting und Ono 2006[jko 2], deutsch: „Diese Fragestellung überlassen wir einer Klärung anderenorts“).

Deutung des Paradoxons über Carbonylsulfid

Yuichiro Ueno, Matthew S. Johnson u. a. veröffentlichten im August 2009 Untersuchungen zum Verhältnis von Schwefelisotopen in Gesteinen des Pilbara-Kratons, das aus der Frühzeit der Erde stammt.[UE 1] Die Gruppe untersuchte spektralanalytisch eine Reihe von Klimagasen, die in heutigen Vulkanausgasungen vorkommen, auf deren Verhalten im Bereich des Ultraviolett. Demnach hätte sich speziell Carbonylsulfid (COS) in einer frühen, reduzierenden Erdatmosphäre ansammeln und so das Paradoxon ausgleichen können. Die Verteilungsraten für verschiedene Schwefelisotope in Gesteinen konnten den Autoren zufolge als sehr guter Nachweis für die unterschiedliche Zusammensetzung der frühen Atmosphäre verwendet werden.

Die photolytische Zersetzung von Schwefeldioxid war zuvor als begrenzender Faktor angenommen worden. COS als wirkungsvolles und stabiles Treibhausgas ist darüber hinaus im Gegensatz zu anderen in der Lage, die Zersetzung des ebenfalls klimawirksamen Schwefeldioxids zu verhindern.[UE 1] Die Untersuchungen an den schwefelhaltigen Sedimenten wurden zu verschiedenen Szenarien der Abschirmung des ultravioletten Lichts in Bezug gesetzt. Den Autoren zufolge ist die in den Gesteinen aufgefundene auffällige Anreicherung des Schwefelisotops33S nur mit der Anwesenheit von COS in der damaligen Atmosphäre und dessen spezifischer abschirmenden Wirkung zu erklären.[UE 1]

Mit Carbonylsulfid kann den Autoren zufolge das Paradoxon bis zur starken Abkühlung im späten Archaikum vor 2,4 Milliarden Jahren schlüssig gedeutet werden.[UE 1] Sie verknüpften dieses „Archaische Eiszeitalter“ mit dem hauptsächlich von Cyanobakterien produzierten freien Sauerstoff, der sich sowohl in der Atmosphäre als auch im Ozean anzureichern begann, nachdem er vorher bei der Oxidation von organischen Verbindungen und zweiwertigen Eisen-Ionen Fe2+ in dreiwertige Eisen-Ionen Fe3+ weitgehend verbraucht worden war.[jko 2] In Übereinstimmung mit der COS-Hypothese wird der Wechsel von reduzierender zu oxidierender Atmosphäre auf dieses zeitliche Umfeld gelegt.[jko 3] Die für COS notwendige reduzierende Atmosphäre ist danach nicht mehr gegeben.

Kasting diskutierte bereits 2006 differenzierte geochemische Befunde zur Rolle von Schwefelverbindungen in der archaischen Atmosphäre.[jko 2] Er verwies dabei insbesondere auf die nur zeitweise abgelagerten Barytvorkommen. Da Baryt ein extrem schwerlösliches Sulfat ist, wäre die Abscheidung von SO2 zeitlich begrenzt nur zwischen 3,2 und 2,4 Milliarden Jahre verhindert worden.

Vorgeschlagene Regelmechanismen

Der Carbonat-Silicat-Zyklus gilt als zentraler negativer (im Sinne der Regelungstechnik) und gegensteuernder Regelmechanismus für die klimaaktiven Treibhausgase. Mit ihm wird die Verwitterung von Silikaten und die Kohlendioxidkonzentration in Ozeanen und Atmosphäre mit der Ablagerung und Wiederaufarbeitung von Karbonatgestein auf den Kontinenten wie in den Ozeanen verknüpft.[36][37] Nach Walker ist speziell in der Erdfrühgeschichte die anfänglich hohe Treibhausgas-Konzentration mit der Bildung von Kontinenten nach etwa einer Milliarde Jahren[38] durch die Ablagerung großer Mengen Karbonate abgebaut worden. Anschließend wird eine Wechselwirkung zwischen Erwärmung durch den Treibhauseffekt von Kohlendioxid in der Atmosphäre, vermehrte Silikatverwitterung, anschließend erhöhte Abkühlung durch Bildung von Karbonaten und Erwärmung nach erneuter Ausgasung von Kohlendioxid durch vulkanische Vorgänge angenommen.

Veränderte Wolkenbildung

Roberto Rondanelli und Richard S. Lindzen kamen 2010 zu dem Schluss, dass bereits eine moderate Wirkung von Zirruswolken in den Tropenregionen der frühen Erde eine ausreichende Klimaerwärmung hervorrufen könnte.[39] Ihre Erklärung basiert auf der Iris-Hypothese, die die Abnahme hoher tropischer Zirruswolken bei zunehmender globaler Erwärmung zum Inhalt hat. Diese Hypothese ist jedoch mit erheblichen Problemen behaftet. So lässt sich der Iris-Effekt in der Gegenwart nicht in Satellitendatenreihen nachweisen. Zudem impliziert Rondanellis und Lindzens Erklärung für das Archaikum eine unrealistisch dichte Bedeckung der gesamten Erde mit sehr kühlen Wolken. Als Teilerklärung des Paradoxons wird ihre Hypothese jedoch als weiterhin beachtenswert angesehen.[3]

Nach einer im Jahr 2010 erschienenen Studie ist das Paradoxon für die junge Erde ohne stark erhöhte Treibhausgas-Konzentrationen erklärbar. In der Frühphase der Erde waren die Ozeane um etwa 20 % größer als heute. Da es damals an Land jedoch weder Pflanzen noch Tiere gab, fehlten die für die Wolkenbildung wichtigen Kondensationskeime. Die Wolkenbedeckung der Erde war folglich erheblich geringer als ursprünglich angenommen. Sowohl das Fehlen von Kondensationskeimen als auch die geringere Ausdehnung kontinentaler Landmassen hätten über eine geringere Albedo zu Temperaturen oberhalb des Gefrierpunkts beigetragen.[40] Diese Begründung geht davon aus, dass Kondensationskeime vorwiegend aus biogenem Dimethylsulfid (DMS) hätten bestehen müssen und dass DMS nur von Eukaryoten produziert wurde. Beide Annahmen sind umstritten.[3]

Astrophysikalische Deutungen

Möglicher Klimaeinfluss der galaktischen kosmischen Strahlung

Spiralarme der Milchstraße
Kosmische Strahlung (rot) und über geochemische Befunde angenommene globale Temperatur (schwarz) bis 500 Millionen Jahre vor unserer Zeitrechnung, nach Shaviv (2003), in späteren Arbeiten nicht bestätigt

Der Geochemiker Jan Veizer und der israelische Astrophysiker Nir Shaviv deuten das Paradoxon durch die Einbeziehung von Sonnenwind und galaktischer kosmischer Strahlung auf das frühe Erdklima.[ns 1] Nach Henrik Svensmark könnte eine reduzierte kosmische Strahlung über weniger Kondensationskeime zu schwächerer Wolkenbildung und damit zu einer Erwärmung führen. Shaviv postulierte, dass der stärkere Sonnenwind die Erde zunächst vor der kosmischen Strahlung stärker abgeschirmt und die frühe lange Warmphase ermöglicht hatte.[ns 1] Die vor 2,4 Millionen Jahren einsetzende Vereisungsphase soll demnach mit den zur selben Zeit erhöhten Sternbildungsraten in der Galaxis und entsprechend vermehrter Strahlung übereinstimmen.[ns 1] Für die Zeit danach stieg die Strahlungsintensität nach diesem Modell allmählich auf das heutige Niveau.

Shaviv fand anhand der Analyse von Meteoritenmaterial vier Peaks im kosmischen Strahlungsfluss (CRF, Cosmic Ray Flux) während der letzten 500 Millionen Jahre. Diese Peaks wären in einem Abstand von 143 ±10 Millionen Jahren aufgetreten und korrelierten mit Spiralarm-Durchgängen der Sonne. Shaviv arbeitete auf diesem Themenfeld mit Jan Veizer zusammen und konnte dessen über Jahrzehnte gesammelten geochemischen Aufzeichnungen mit seinen Meteroritendaten abgleichen. In ihrer gemeinsamen Deutung des Paradoxons korrelieren Zeiten erhöhter Sternbildungsraten und entsprechend verstärkter kosmischer Strahlung mit globalen Kaltzeiten, was den Klimaverlauf sowohl im Präkambrium als auch im gesamten Phanerozoikum erklären würde (siehe Abbildung rechts).[nsna 1] Die Peaks aus Shavivs Analyse konnten von späteren Arbeiten jedoch nicht bestätigt werden.[41]

Einige Arbeiten zu dem von Svensmark postulierten Zusammenhang, so im dänischen SKY-Experiment, untersuchten speziell das Zusammenspiel von schwefelhaltigen Aerosolen mit kosmischer Strahlung in höheren Schichten der Atmosphäre.[42] Ähnliches geschieht beim CLOUD-Experiment des CERN.[43] Allerdings ist die gegenwärtige Einwirkung durch diesen Effekt auf das Klima nicht nachweisbar: Die mit Satelliten gemessene Wolkenbedeckung korreliert nicht mit Forbush-Ereignissen.[44] Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft sind periodisch auftretende kosmische Einflüsse auf die biologische und klimatische Entwicklung mit Ausnahme der Milanković-Zyklen nur schwach belegt und spielen hinsichtlich ihrer Signifikanz offenbar nur eine untergeordnete Rolle.[45] [46]

Bahnparameter und Erdrotation

Die sich über Jahrtausende verändernde Neigung der Erdachse zur Ekliptik von 22,1 bis 24,5° übt einen deutlichen Einfluss auf das Klima aus.[8] Eine darüber hinausgehende Neigung der Erdachse während des Archaikums wird von einigen Studien als mögliche Erklärung für höhere Temperaturen in der Frühzeit der Erde diskutiert.[8]

Ein weiterer möglicher Einflussfaktor ist eine ehemals schnellere Erdrotation, da eine Tageslänge von 14 Stunden zu einem Temperaturanstieg von 1,5 °C führen würde.[ns 1] Für das Paradoxon selbst[ns 1] sowie für den Verlauf der ersten drei Milliarden Jahre und zur Erklärung der sich anschließenden Kalt- und Warmzeiten ist dieser Erklärungsansatz jedoch nicht ausreichend.[vk 2]

Gravitationskonstante

Die Luminosität eines Sterns hängt aufgrund der Eddington-Grenze mit der Gravitationskonstante zusammen. Die Luminosität L ist extrem von der Gravitationskonstante G und der Masse des Sterns M abhängig: $ L\propto G^{7}M^{5} $.[47] Kleinere Schwankungen der Konstante in der Anfangszeit würden das Phänomen erklären.[48] Die entsprechenden Deutungen geben ebenso Hinweise auf die sogenannte Dunkle Energie und sind nach wie vor sehr spekulativ.[47][48]

Vermutung einer starken, jungen Sonne

Im Zusammenhang mit dem Paradoxon wurde – abweichend vom astrophysikalischen Standardmodell – eine höhere Strahlungsleistung der Sonne in der Frühzeit diskutiert.[gr 1] Eine moderat (10 %) schwerere Sonne reicht im Vergleich zum Standardmodell aus, um das Paradoxon auszugleichen. Für diese Hypothese sprechen laut Thomas Graedel die bei der Sonne und anderen Sternen auffällige Abreicherung von Spurenelementen wie Beryllium,[gr 1] gegen die Annahme der relativ gleichmäßige Klimaverlauf über mehrere Milliarden Jahre. Eine höhere Masse des Zentralgestirns hätte aufgrund der Standardannahmen zur Seismik der Sonne eine erheblich erhöhte Strahlungsleistung über nur wenige hundert Millionen Jahre gehabt,[ns 1] indirekt abgeschätzte Masseverluste der frühen Sonne sind anderen Studien zufolge dafür zu klein.[49] Eine erhöhte Masse konnte durch den Abgleich mit heutigen jungen Sonnen in kosmischer Nachbarschaft nicht bestätigt werden.[50][51] Eine über Milliarden Jahre gleichmäßig starke junge Sonne steht zudem in Widerspruch zu gesicherten Erkenntnissen der Klimageschichte, vor allem zu den im Präkambrium auftretenden Kaltzeiten und Schneeball-Erde-Stadien,[JV 1] und kollidiert darüber hinaus mit dem astrophysikalischen Befund, dass der Masseverlust bei nahen Sonnen unterschiedlichen Alters kontinuierlich erfolgt.[ns 1]

Biologische Deutungen

Gaia-Hypothese und selbstregelnde Rolle des Lebens

Der Gaia-Hypothese von James Lovelock zufolge ist das Leben auf der Erde selbst der wesentliche Regelmechanismus,[jk 1] ohne den die Erde möglicherweise das Schicksal von Mars oder Venus erfahren hätte. Der Hypothese zufolge kann die Erde und insbesondere die Biosphäre als ein selbstähnlicher makroskopischer lebender Organismus mit Eigenschaften des Lebens wie Autopoiesis und Homöostasis betrachtet werden, der sich selbst Bedingungen schafft, erhält und weiter entwickelt. Der Name leitet sich von Gaia, der Erdgöttin der griechischen Mythologie ab. Dazu gehören die Rückkoppelung zwischen Vegetation, deren Wasserspeicherungsvermögen und Niederschlägen sowie der durch Vegetationsbedeckung und Landnutzung veränderten Albedo. Ein weiterer in dem Zusammenhang angeführter Rückkopplungseffekt ist die Aufnahme von Kohlendioxid durch kalkhaltiges Meeresplankton und Korallen wie die Freisetzung von Kohlendioxid im Laufe des Kreislaufs der Gesteine. Diese Funktionen werden zum großen Teil von "niederen" Lebensformen wie Einzeller oder Algen übernommen.

Aussterbeereignisse betreffen dabei vor allem höhere und hochspezialisierte Lebensformen und stehen dazu nicht im Widerspruch. Wichtige Formen der biologischen Regelkreise wie die riffbildenden Korallen und eine Vielzahl weiterer Organismen traten erst nach der Kambrischen Explosion vor mehr als 500 Millionen Jahren in Erscheinung. Für die nachgewiesene Stabilität und das fast durchgehend lebensfreundliche Klima während der für das Paradoxon zentralen Jahrmilliarden zuvor müssten demnach andere Organismen diese Funktion ausgeübt haben, ehe sie von evolutiven "Neuankömmlingen" verdrängt wurden.[52]

Jim Kasting stimmt einer wichtigen Rolle des Lebens beim Kohlenstoffzyklus wie dem Einfluss auf Verwitterung und Sauerstoffgehalt zu, dennoch blieben die wesentlichen Einflussfaktoren physikalischer wie abiotischer Natur.[jk 1][vk 3]

Der Annahme des irdischen Lebens als hochorganisierter Regelmechanismus widerspricht die von dem Paläontologen Peter Ward formulierte Medea-Hypothese, nach der mehrzelliges Leben keine systembewahrenden Eigenschaften, sondern eine Tendenz zur Selbstzerstörung aufweist.

Leben auf einer jungen kalten Erde

In den letzten Jahrzehnten wurden Lebensformen auf der Erde unter sehr kalten Umweltbedingungen entdeckt, wie bei dem unter dem Antarktischen Eisschild liegenden Wostoksee. John Priscu zufolge könnte dies ebenso auf dem Mars der Fall sein.[53][54] Im Gegensatz zu der Annahme von Hart wurde die Continuously Habitable Zone im Sonnensystem zwischenzeitlich bis in Marsnähe ausgeweitet.

Eine Deutung des Paradoxons auf dieser Grundlage[55] besitzt jedoch wenig Relevanz. Das archaische Erdklima war allem Anschein nach wärmer als heute, und geologische Spuren im Hinblick auf flüssiges Wasser sind im Gegensatz zu Vereisungsprozessen seit frühester Zeit weit verbreitet. Pointiert ausgedrückt gibt es Hinweise auf wasserbasiertes Leben auf der Erde „seit es Steine gibt“.[JV 1] Für den Fortbestand des irdischen Lebens während zwischenzeitlicher globaler Vereisungen (ebenso wie bei der Wahrscheinlichkeit von Leben auf anderen Planeten und Monden) ist Priscus Befund zentral.

Einfluss von Messwertfehlern auf das Paradoxon

Ältere paläoklimatologische Studien beschrieben für das Archaikum und teilweise für das gesamte Präkambrium ein Heißklima mit Temperaturen bis 70 °C. Diese Annahme wird von den meisten Geowissenschaftlern aufgrund der zwischenzeitlich aufgetretenen Kaltzeiten bezweifelt.[jko 4] Aktuell gilt eine moderat höhere Durchschnittstemperatur gegenüber heute als wahrscheinlich.[jko 4]

Verschiedenen Analysen zufolge waren die grundsätzlichen Elemente des Kohlenstoffzyklus bereits vor 4 Milliarden Jahren etabliert.[JV 1] Ein maximal hundertfach höherer Wert der CO2-Konzentration und anderer Treibhausgase im Vergleich zur Gegenwart ist nicht weiter strittig, kann aber nach überwiegender Meinung das Paradoxon nicht auflösen.[ns 1] Mit einem deutlich erhöhten Anteil von Kohlendioxid in der Atmosphäre hätte sich das Eisenkarbonatmineral Siderit in erheblicher Menge bilden müssen, was bislang nicht nachgewiesen wurde. Im Gegensatz dazu sehen Haqq-Misra u. a. das Fehlen von Siderit nicht als alleiniges Ausschlusskriterium an.[jh 1] Nach einer 2008 erschienenen Studie sind für das späte Archaikum und frühe Proterozoikum aufgrund eines Abgleichs mit neueren Absorptionsdaten eine geringere Kohlendioxidkonzentration um eine Größenordnung notwendig. Für das späte Archaikum wären demnach für ein moderat warmes Klima nur 1,5 bis 5,5 mbar (gegenüber vorindustriell 0,28 mbar) Partialdruck Kohlendioxid erforderlich.[56]

Methodische Herausforderungen

Gestein aus dem zeitlichen Umkreis der Paläoproterozoischen Vereisung mit Spuren frühen Lebens
Feinlagiger Aufbau von Stromatolithen aus der Kreidezeit (Maastrichtium)

Bereits die Rekonstruktion der jüngeren Klimageschichte, basierend auf einer Vielzahl indirekter Klimaanzeiger, wurde gelegentlich von Kontroversen begleitet. Für die Deutung des Paradoxons sind jedoch paläoklimatologische Bestimmungsmethoden notwendig. Ungeachtet der raschen Fortschritte der verschiedenen Analysetechniken wie der Isotopenuntersuchung sind Aussagen über weit zurückliegende Epochen immer mit gewissen Unsicherheiten behaftet, wobei auch der Fossilbericht mit zunehmenden zeitlichem Abstand größere Lücken aufweisen kann.

Frühes Leben

Indirekte Hinweise auf frühes Leben sind unter anderem in Chemofossilien und Versteinerungen zu finden, in denen biogene Strukturen wie Stromatolithen gefunden werden.[57][58] Der Nachweis von Lebensspuren und die Abschätzung des Stoffkreislaufs in der Atmosphäre in verschiedenen geologischen Perioden geschieht dabei über die hochauflösende Untersuchung feinster Graphit- und Gaseinschlüsse sowie Mikrofossilien in Mineralien.[59]

Bildung von Ozean und Erdkruste

Belege für die Existenz eines Ozeans und einer festen Erdkruste für die Zeit vor 3,8 Milliarden Jahren sind relativ häufig zu finden. Das mit 4,4 Milliarden Jahren älteste bekannte Mineral sind Zirkonkristalle aus dem Pilbara-Kraton in Westaustralien.[5] Daneben sprechen Indizien für eine bereits damals vorhandene Trennung von Kruste und Ozean.[60] Zirkone können mehrfach den Kreislauf der Gesteine durchlaufen. Sie sind aufgrund ihrer stabilen Gitterstruktur resistent gegenüber Einflüssen wie Verwitterung und Gesteinsmetamorphose und gestatten durch die in die Kristalle eingeschlossenen Nuklide neben einer radiometrischen Altersbestimmung isotopengeochemische Hinweise auf ihre Entstehungsbedingungen. Dies erfordert eine aufwendige Probennahme und Aufbereitung sowie hochauflösende Analyseverfahren wie die Massenspektrometrie.

Rekonstruktion des Temperaturverlaufs

Ähnlich aufwendig gestalten sich Auswertungen des Temperaturverlaufs in der geologischen Vergangenheit.[61] Bei den Messungen der frühesten Durchschnittstemperaturen sind systematische Verschiebungen bei den zugrundeliegenden Sauerstoff-Isotopenmessungen möglich, auch eine Beeinflussung der heute ermittelten Messwerte durch zwischenzeitliche Einflüsse muss in Betracht gezogen werden.

Rolle des Paradoxons bei Mars und dem Saturnmond Titan

Panoramaaufnahme der 4000 km langen Valles Marineris

Das Paradoxon betrifft ebenfalls den Planeten Mars, auf dessen Oberfläche demnach flüssiges Wasser nicht hätte vorkommen sollen.[sm 1] Hingegen war nach neueren Erkenntnissen die Marsatmosphäre in der Frühzeit des Sonnensystems wesentlich dichter als heute. Zudem existierten auf dem Roten Planeten wahrscheinlich umfangreiche Wasservorkommen, eventuell sogar in Form relativ ausgedehnter Ozeane und Flusssysteme. Hinweise darauf liefern wasserbasierte Erosionsstrukturen oder die Trockentäler ehemaliger Fließgewässer.

Auf dem Saturnmond Titan wurde ein orangefarbener Nebel aus organischen Verbindungen mit noch unbekannter Zusammensetzung beobachtet. Der Astrophysiker Carl Sagan prägte dafür den Begriff Tholine und vermutete in einer ebensolchen Schicht der frühen Erde einen wesentlichen Faktor zur Lebensentstehung. Aufgrund dieser Eigenschaft wurde der Saturnmond zu einem der interessantesten Objekte im Sonnensystem. Sagan hatte zudem einen Erwärmungseffekt durch diesen Nebel angenommen. Andere Autoren widersprachen dieser Auffassung und postulierten einen „Anti-Treibhauseffekt“.[62]

Nach aktuellen Forschungsergebnissen könnte ein Aerosol aus verzweigten Kohlenwasserstoffen (anstatt wie bisher angenommen kugelförmiger Tröpfchen) großen Einfluss auf das Absorptionsverhalten der Atmosphäre ausgeübt haben. Ein derartiges Aerosol absorbiert UV-Licht, ist aber für sichtbares Licht weitgehend transparent.[63]

Weblinks

Einzelnachweise

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  1. 1,0 1,1 Graedel u. a., 1991.
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  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Haqq-Misra u. a.
  • E. Jansen, J. Overpeck, K. R. Briffa, J.-C. Duplessy, F. Joos, V. Masson-Delmotte, D. Olago, B. Otto-Bliesner, W. R. Peltier, S. Rahmstorf, R. Ramesh, D. Raynaud, D. Rind, O. Solomina, R. Villalba, D. Zhang: Frequently Asked Question 6.1, What Caused the Ice Ages and Other Important Climate Changes Before the Industrial Era? (PDF; 8,1 MB). In: S. D. Qin, M. Manning, Z. Chen, M. Marquis, K.B. Averyt, M. Tignor, H.L. Miller (Hrsg.): Palaeoclimate in Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change Solomon. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA.
  1. 1,0 1,1 Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 448.
  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 zitiert bei Kasting 1988.
  1. 1,0 1,1 nach H. D. Holland: The oxygenation of the atmosphere and oceans. In: Phil. Trans. R. Soc. Band 361, 2006, S. 903–915. doi:10.1098/rstb.2006.1838, zitiert bei Kasting und Ono 2006.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 Kasting und Ono 2006.
  3. Eine detaillierte Diskussion der stratigraphischen Abfolge erfolgt in Abschnitt 5 Triggering of the Palaeoproterozoic glaciations.
  4. 4,0 4,1 Kasting und Ono 2006, 1. Introduction: the early climate record
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  1. Überblicksabbildung, S. 16.
  2. Vergleiche die Überblicksdarstellung S. 262.
  3. Detaillierte Darstellung des Kohlenstoffkreislaufs und der Interaktion mit anderen Faktoren S. 246–248.
  1. 1,0 1,1 1,2 Sagan und Mullen 1972.
  1. Fig. 2. The history of the star formation rate (SFR), in Shaviv 2003, S. 50.
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  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 Shaviv 2003.
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  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Ueno u. a. 2009.
  1. 1,0 1,1 1,2 Veizer 2005.
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