Pirouetteneffekt: Unterschied zwischen den Versionen

Pirouetteneffekt: Unterschied zwischen den Versionen

imported>Alturand
K (Änderungen von Werren (Diskussion) auf die letzte Version von KaiMartin zurückgesetzt)
 
imported>Bubo bubo
 
Zeile 1: Zeile 1:
[[File:Cup_of_Russia_2010_-_Yuko_Kawaguti_(2).jpg|thumb|upright|Beim Eiskunstlauf wird der Pirouetteneffekt genutzt, um eine schnelle Rotation um die Körperachse zu erzielen.]]
[[Datei:Cup of Russia 2010 - Yuko Kawaguti (2).jpg|mini|hochkant|Beim Eiskunstlauf wird der Pirouetteneffekt genutzt, um eine schnelle Rotation um die Körperachse zu erzielen.]]
Der '''Pirouetteneffekt''' ist die Steigerung der Rotationsgeschwindigkeit, die sich ergibt, wenn bei einem sich drehenden Objekt die [[Masse (Physik)|Masse]] näher zur Rotationsachse gezogen wird. Im Alltag erfahrbar ist der Effekt bei der namensgebenden [[Pirouette]] im [[Eislauf|Eiskunstlauf]]. Dabei versetzen sich Eiskunstläufer zunächst bei zur Seite ausgestreckten Armen in Rotation. Wenn die Arme eng an den Körper angelegt werden, verringert sich dadurch das [[Trägheitsmoment]] <math>\Theta</math> der Läufer. Da dabei der [[Drehimpuls]] <math>L=\Theta\cdot\omega</math> näherungsweise erhalten bleibt, nimmt die [[Winkelgeschwindigkeit]] <math>\omega</math> der Rotation zu.
Der '''Pirouetteneffekt''' ist die Steigerung oder Verlangsamung der Rotationsgeschwindigkeit, die sich ergibt, wenn bei einem sich drehenden Objekt die [[Masse (Physik)|Masse]] näher zur [[Drehachse|Rotationsachse]] gezogen oder von dieser weiter entfernt wird. Im Alltag erfahrbar ist der Effekt bei der namensgebenden [[Pirouette]] im [[Eislauf|Eiskunstlauf]]. Dabei versetzen sich Eiskunstläufer zunächst bei zur Seite ausgestreckten Armen in Rotation. Wenn die Arme eng an den Körper angelegt werden, verringert sich dadurch das [[Trägheitsmoment]] <math>\Theta</math> der Läufer. Da dabei der [[Drehimpuls]] <math>L=\Theta\cdot\omega</math> erhalten bleibt, nimmt die [[Winkelgeschwindigkeit]] <math>\omega</math> der Rotation zu. Umgekehrt verringert sich die Rotationsgeschwindigkeit, wenn die Arme ausgestreckt werden.


Das gleiche Prinzip nutzen Turner und Turmspringer beim [[Salto (Sprung)|Salto]]<ref>Sportmechanik, Abschnitt „Drehimpuls und Drehimpulserhaltung“, Abb. 70 auf S.&nbsp;78.</ref> oder bei [[Schraube (Figur)|Schrauben]]. In der Luft werden Arme und Beine angezogen, um so aus dem beim Absprung erhaltenen Drehimpuls eine möglichst schnelle Drehung zu gewinnen. Eine Öffnung der Haltung vor dem Auftreffen auf den Boden verringert die Drehgeschwindigkeit und erlaubt eine stehende Landung.
Das gleiche Prinzip nutzen Turner und Turmspringer beim [[Salto (Sprung)|Salto]]<ref>Sportmechanik, Abschnitt „Drehimpuls und Drehimpulserhaltung“, Abb. 70 auf S.&nbsp;78.</ref> oder bei [[Schraube (Figur)|Schrauben]]. In der Luft werden Arme und Beine angezogen, um so aus dem beim Absprung erhaltenen Drehimpuls eine möglichst schnelle Drehung zu gewinnen. Eine Öffnung der Haltung vor dem Auftreffen auf den Boden verringert die Drehgeschwindigkeit und erlaubt eine stehende Landung.


Der Pirouetteneffekt tritt auch bei anderen Drehbewegungen auf. Beispielsweise bei einem [[Tornado]] in der Entstehungsphase. Bei einer [[Supernova]] bricht der Innenbereich des [[Stern]]s zusammen, der entstehende [[Neutronenstern]] hat dann Umdrehungszeiten im Millisekundenbereich.
Der Pirouetteneffekt tritt auch bei anderen Drehbewegungen auf, beispielsweise bei einem [[Tornado]] in der Entstehungsphase. Bei einer [[Supernova]] bricht der Innenbereich des [[Stern]]s zusammen, der entstehende [[Neutronenstern]] hat dann Umdrehungszeiten im Millisekundenbereich.


== Physikalische Grundlagen des Pirouetteneffekts ==
== Physikalische Grundlagen des Pirouetteneffekts ==
Zeile 11: Zeile 11:
! Physikalische Größe !! Formelzeichen !! SI-Einheiten
! Physikalische Größe !! Formelzeichen !! SI-Einheiten
|-
|-
| Drehimpuls || ''<math>L</math>'' ||N·m·s, kg·m<sup>2</sup>/s
| [[Drehimpuls]] || ''<math>L</math>'' ||N·m·s, kg·m<sup>2</sup>/s
|-
|-
| Geschwindigkeit || ''<math>v</math>'' || m/s
| [[Geschwindigkeit]] || ''<math>v</math>'' || m/s
|-
|-
| Masse || ''<math>m</math>'' || kg
| [[Masse (Physik)|Masse]] || ''<math>m</math>'' || kg
|-
|-
| Winkelgeschwindigkeit || ''<math>{\omega}</math>''|| rad/s
| [[Winkelgeschwindigkeit]] || ''<math>{\omega}</math>''|| rad/s
|-
|-
| [[Trägheitsradius]]|| ''<math>i</math>'' || m
| [[Trägheitsradius]]|| ''<math>i</math>'' || m
Zeile 25: Zeile 25:
| Hubarbeit || ''<math>W_\mathrm{Diff}</math>'' || N·m, kg·m<sup>2</sup>/s<sup>2</sup>
| Hubarbeit || ''<math>W_\mathrm{Diff}</math>'' || N·m, kg·m<sup>2</sup>/s<sup>2</sup>
|}
|}
[[Datei:Pirouette1.png|mini|Massenpunktes der von einer Kreisbahn mit Radius <math>i_1</math> auf eine Bahn mit größerem Radius <math>i_2</math> wechselt.]]
[[Datei:Pirouette1.png|mini|Massenpunkt, der von einer Kreisbahn mit Radius <math>i_1</math> auf eine Bahn mit größerem Radius <math>i_2</math> wechselt.]]


Der Drehimpuls <math>\vec{L}</math> lässt sich ausdrücken als Produkt von [[Trägheitsradius]] <math>i</math>, Masse <math>m</math> und Winkelgeschwindigkeit <math>\vec{\omega}</math>:
Der [[Drehimpuls]] <math>\vec{L}</math> lässt sich ausdrücken als Produkt von [[Trägheitsradius]] <math>i</math>, [[Masse (Physik)|Masse]] <math>m</math> und [[Winkelgeschwindigkeit]] <math>\vec{\omega}</math>:
:<math>\vec{L} = i^2\, m\, \vec{\omega} </math>
:<math>\vec{L} = i^2\, m\, \vec{\omega} </math>
Aufgrund der [[Drehimpulserhaltung]] gilt für ein System ohne äußere Einflüsse und unveränderter Masse, wobei die Indizes <math>1</math> und <math>2</math> zwei Zustände des Systems bezeichnen:
Aufgrund der [[Drehimpulserhaltung]] gilt für ein System ohne äußere Einflüsse und unveränderter Masse, wobei die Indizes <math>1</math> und <math>2</math> zwei Zustände des Systems bezeichnen:
:<math>L_1 = m \cdot i_1^2 \cdot \omega_1 = m\cdot i_2^2\cdot \omega_2 = L_2</math>
:<math>L_1 = m \cdot i_1^2 \cdot \omega_1 = m\cdot i_2^2\cdot \omega_2 = L_2</math>


Daraus ergibt sich, dass die Winkelgeschwindigkeiten sich antiproportional zu den Quadraten der Trägheitsradien verhalten:
Daraus ergibt sich, dass die Winkelgeschwindigkeiten sich antiproportional zu den Quadraten der Trägheitsradien verhalten:
:<math>\frac{i_1^2}{i_2^2} = \frac{\omega_2}{\omega_1}</math>
:<math>\frac{i_1^2}{i_2^2} = \frac{\omega_2}{\omega_1}</math>


Für Punktmassen im Abstand <math>i</math> kann die Umfangsgeschwindigkeit <math>v_{1,2}=i_{1,2}\cdot\omega_{1,2}</math> an Stelle der Winkelgeschwindigkeit genutzt werden, sodass gilt:
Für Punktmassen im Abstand <math>i</math> kann die Umfangsgeschwindigkeit <math>v_{1,2}=i_{1,2}\cdot\omega_{1,2}</math> an Stelle der Winkelgeschwindigkeit genutzt werden, sodass gilt:
:<math>\frac{i_1}{i_2} = \frac{v_2}{v_1}.</math>
:<math>\frac{i_1}{i_2} = \frac{v_2}{v_1}.</math>


Zeile 41: Zeile 41:
:<math>\frac{W_1}{W_2}=\frac{\omega_1}{\omega_2}=\frac{i_2^2}{i_1^2}.</math>
:<math>\frac{W_1}{W_2}=\frac{\omega_1}{\omega_2}=\frac{i_2^2}{i_1^2}.</math>


Bei konstanter Masse <math>m_1=m_2</math> kann, wenn beispielsweise Trägheitsradien und eine der Winkelgeschwindigkeiten bekannt sind mit obiger Formel die andere Winkelgeschwindigkeit, die Rotationsenergien sowie die Hubarbeit <math>W_\mathrm{Diff}=W_1-W_2</math> berechnet werden.
Bei konstanter Masse <math>m_1=m_2</math> können, wenn beispielsweise Trägheitsradien und eine der Winkelgeschwindigkeiten bekannt sind, mit obiger Formel die andere Winkelgeschwindigkeit, die Rotationsenergien sowie die Hubarbeit <math>W_\mathrm{Diff}=W_1-W_2</math> berechnet werden.


[[Datei:Pirouette2.png|mini|Ermittlung der Hubarbeit <math>W_\mathrm{Diff}</math> als Produkt aus Kraft und Weg. Die [[Zentrifugalkraft]] <math>F_\mathrm{Zf}=m\omega^2 i</math> wird über die Änderung des Radius <math>i</math> integriert.]]
[[Datei:Pirouette2.png|mini|Ermittlung der Hubarbeit <math>W_\mathrm{Diff}</math> als Produkt aus Kraft und Weg. Die [[Zentrifugalkraft]] <math>F_\mathrm{Zf}=m\omega^2 i</math> wird über die Änderung des Radius <math>i</math> integriert.]]
Zeile 49: Zeile 49:
\end{align}</math>
\end{align}</math>


Der Pirouetteneffekt ist ein Wechselspiel zwischen Hubenergie und Rotationsenergie. Die Differenz der Rotationsenergien ist die Hubarbeit, die beim Wechsel auf einen kleineren Radius wieder in Rotationsenergie zurück verwandelt werden kann. D.&nbsp;h. die Verringerung des Radius` erfordert einen wachsenden Kraftaufwand über die Distanz <math>i_2 - i_1 </math>. Bei der Vergrößerung des Radius wird die in der Rotation gebundene Energie frei.
Der Pirouetteneffekt ist ein Wechselspiel zwischen Hubenergie und Rotationsenergie. Die Differenz der Rotationsenergien ist die Hubarbeit, die beim Wechsel auf einen kleineren Radius wieder in Rotationsenergie zurückverwandelt werden kann; d.&nbsp;h., die Verringerung des Radius erfordert einen wachsenden Kraftaufwand über die Distanz <math>i_2 - i_1 </math>. Bei der Vergrößerung des Radius wird die in der Rotation gebundene Energie frei.


Der Trägheitsradius von einem Massenpunkt ist sein Abstand von der Rotationsachse. Bei mehreren Massepunkten wird dieser effektive Abstand bestimmt, indem die Beiträge alle Massen <math>m_l</math> mit ihren jeweiligen Radien <math>r_l</math> aufsummiert werden:
Der Trägheitsradius eines Massenpunkt ist sein Abstand von der Rotationsachse. Bei mehreren Massepunkten wird dieser effektive Abstand bestimmt, indem die Beiträge alle Massen <math>m_l</math> mit ihren jeweiligen Radien <math>r_l</math> aufsummiert werden:
:<math>i^2\sum_l m_l=\sum_l r_l^2 \cdot m_l</math>
:<math>i^2\sum_l m_l=\sum_l r_l^2 \cdot m_l</math>
Für [[Starrer Körper|starre Körper]], die nicht um eine [[Hauptträgheitsachse]] rotieren, was bei Massenpunkten die untereinander wechselwirken und sich nicht in einer Ebene senkrecht zur Drehachse befinden im Allgemeinen der Fall ist, muss die Drehimpulserhaltung  
Für [[Starrer Körper|starre Körper]], die nicht um eine [[Hauptträgheitsachse]] rotieren, was bei Massenpunkten, die untereinander wechselwirken und sich nicht in einer Ebene senkrecht zur Drehachse befinden, im Allgemeinen der Fall ist, muss die Drehimpulserhaltung
:<math>\begin{align} \vec L_1 &= \vec L_2\\
:<math>\begin{align} \vec L_1 &= \vec L_2\\
\mathbf\Theta_1\vec \omega_1 &= \mathbf\Theta_2\vec \omega_2
\mathbf\Theta_1\vec \omega_1 &= \mathbf\Theta_2\vec \omega_2
Zeile 60: Zeile 60:


== [[Trigonometrie|Trigonometrische]] Erklärung ==
== [[Trigonometrie|Trigonometrische]] Erklärung ==
[[File:Pirouette3.png|thumb|upright=1.5|Pirouette3]]
[[Datei:Pirouette3.png|mini|hochkant=1.5|Geschwindigkeits- und Energieberechnung mit Winkelfunktionen]]
Der rotierende Massenpunkt wird vom Radius <math>i_1</math> zum Radius <math>i_2</math> versetzt, etwa durch Verlängern der Verbindung mit dem Drehpunkt. Die Masse bewegt sich tangential geradlinig weiter bis zur äußeren Bahn. Dabei nimmt sie die Geschwindigkeit <math>v_1</math> und die Rotationsenergie aus dem inneren Radius als kinetische Energie bis zum Radius <math>i_2</math> mit:  
Der rotierende Massenpunkt wird vom Radius <math>i_1</math> zum Radius <math>i_2</math> versetzt, etwa durch Verlängern der Verbindung mit dem Drehpunkt. Die Masse bewegt sich tangential geradlinig weiter bis zur äußeren Bahn. Dabei nimmt sie die Geschwindigkeit <math>v_1</math> und die Rotationsenergie aus dem inneren Radius als kinetische Energie bis zum Radius <math>i_2</math> mit:
: <math> W_1 = \frac{1}{2}m \, v_1^2</math>
: <math> W_1 = \frac{1}{2}m \, v_1^2</math>
Auf dem äußeren Radius kann die Geschwindigkeit <math>v_1</math> in die Komponenten <math>v_2</math> und <math>v_\mathrm R</math> zerlegt werden. <math>v_2</math> ist die neue Umfangsgeschwindigkeit, und <math>v_\mathrm R</math> ist die gedachte Radialgeschwindigkeit, die jedoch, weil sie auf dem neuen Radius = Null ist, in Hubarbeit umgerechnet werden kann.
Auf dem äußeren Radius kann die Geschwindigkeit <math>v_1</math> in die Komponenten <math>v_2</math> und <math>v_\mathrm R</math> zerlegt werden. <math>v_2</math> ist die neue Umfangsgeschwindigkeit, und <math>v_\mathrm R</math> ist die gedachte Radialgeschwindigkeit, die jedoch, weil sie auf dem neuen Radius = Null ist, in Hubarbeit umgerechnet werden kann.


{{Tabellenstile}}
{| class="wikitable mw-datatable"
{| class="wikitable mw-datatable"
|+ <small>Die im Bild verwendeten Variablen</small>
|+ <small>Die im Bild verwendeten Variablen</small>
! Physikalische Größe || Formel  
! Physikalische Größe || Formel
|-
|-
| ||<math> \cos(\alpha) = \sqrt{1 - ( i_1/i_2 )^2}</math>
| ||<math> \cos(\alpha) = \sqrt{1 - ( i_1/i_2 )^2}</math>
Zeile 78: Zeile 79:
|}
|}
Die Art des Übergangs auf einen anderen Radius spielt für den Endzustand keine Rolle. In der Praxis wird die Bewegung spiralförmig verlaufen, im Ergebnis entsprechen aber die Werte für Energie und Geschwindigkeit dem vereinfachten Beispiel.
Die Art des Übergangs auf einen anderen Radius spielt für den Endzustand keine Rolle. In der Praxis wird die Bewegung spiralförmig verlaufen, im Ergebnis entsprechen aber die Werte für Energie und Geschwindigkeit dem vereinfachten Beispiel.
 
<!--
== Einschränkung ==
== Einschränkung ==


Dieses Schema ist auf himmelsmechanische Vorgänge nicht anwendbar, weil die Gravitation in Richtung Schwerezentrum quadratisch zunimmt. In Planetensystemen liegen die Verhältnisse anders:
Dieses Schema ist auf Planetensysteme nicht anwendbar. Die Verhältnisse zwischen den einzeln Umlaufradien liegen anders:
* Die Rotationsenergien verhalten sich antiproportional zu den Radien.
* Die Rotationsenergien verhalten sich antiproportional zu den Radien.
* Die Kuben der Radien verhalten sich antiproportional zu den Quadraten der Winkelgeschwindigkeiten.
* Die Kuben der Radien verhalten sich antiproportional zu den Quadraten der Winkelgeschwindigkeiten.
* Die Kuben der Rotationsenergien verhalten sich proportional zu den Quadraten der Winkelgeschwindigkeiten.
* Die Kuben der Rotationsenergien verhalten sich proportional zu den Quadraten der Winkelgeschwindigkeiten.


<<  Hier sollte auch erklärt werden, warum "das Schema" nicht anwendbar ist und was mit "dem Schema" genau gemeint ist. Die dargestellten "Proportionalitäten" scheinen auf den Pirouetteneffekt zumindest ihrem Vorzeichen nach auch zuzutreffen. Der Unterschied in den "Verhältnissen" liegt dann offenbar in den Größenverhältnissen.
Wenn ich richtig liege und die folgende Darstellungen auf den "Pirouetteneffekt" zutreffen, so sollten sie den obigen Aussagen zu den "Planetensystemen" vielleicht entgegengestellt werden, damit der Leser den Unterschied versteht. Denn ohne solchen Referenzpunkt sind die obigen Angaben kaum nachzuvollziehbar:
* Die Rotationsenergien verhalten sich antiproportional zu den Quadraten der Radien.
* Die Radien verhalten sich antiproportional zu den Winkelgeschwindigkeiten.
* Die Rotationsenergien verhalten sich proportional zu den Quadraten der Winkelgeschwindigkeiten.
Die Frage ist aber, ob der Abschnitt nicht eigentlich sinnvoller in einem anderen Artikel unterzubringen wäre ..
-->
== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references/>
<references/>


== Literatur ==
== Literatur ==
* {{Literatur |Autor=G. Bäumler |Titel=Sportmechanik: Grundlagen für Studium und Praxis |Verlag=BLV Verlagsgesellschaft |Ort=München Wien Zürich |Jahr=1981 |ISBN=3-405-12435-2}}
* {{Literatur |Autor=Günther Bäumler |Titel=Sportmechanik: Grundlagen für Studium und Praxis |Verlag=BLV Verlagsgesellschaft |Ort=München Wien Zürich |Jahr=1981 |ISBN=3-405-12435-2}}
* {{Literatur |Autor=D. Halliday, R. Resnick, J. Walker |Titel=Physik |Auflage=2. Auflage |Verlag=WILEY-VCH Verlag GmbH & co. KGaA |Jahr=2009 |Ort=Berlin |ISBN=978-3-527-40645-6}}
* {{Literatur |Autor=David Halliday, Robert Resnick, Jearl Walker |Titel=Physik |Auflage=2. Auflage |Verlag=WILEY-VCH Verlag GmbH & co. KGaA |Jahr=2009 |Ort=Berlin |ISBN=978-3-527-40645-6}}


[[Kategorie:Klassische Mechanik]]
[[Kategorie:Klassische Mechanik]]

Aktuelle Version vom 27. Dezember 2021, 19:07 Uhr

Beim Eiskunstlauf wird der Pirouetteneffekt genutzt, um eine schnelle Rotation um die Körperachse zu erzielen.

Der Pirouetteneffekt ist die Steigerung oder Verlangsamung der Rotationsgeschwindigkeit, die sich ergibt, wenn bei einem sich drehenden Objekt die Masse näher zur Rotationsachse gezogen oder von dieser weiter entfernt wird. Im Alltag erfahrbar ist der Effekt bei der namensgebenden Pirouette im Eiskunstlauf. Dabei versetzen sich Eiskunstläufer zunächst bei zur Seite ausgestreckten Armen in Rotation. Wenn die Arme eng an den Körper angelegt werden, verringert sich dadurch das Trägheitsmoment $ \Theta $ der Läufer. Da dabei der Drehimpuls $ L=\Theta \cdot \omega $ erhalten bleibt, nimmt die Winkelgeschwindigkeit $ \omega $ der Rotation zu. Umgekehrt verringert sich die Rotationsgeschwindigkeit, wenn die Arme ausgestreckt werden.

Das gleiche Prinzip nutzen Turner und Turmspringer beim Salto[1] oder bei Schrauben. In der Luft werden Arme und Beine angezogen, um so aus dem beim Absprung erhaltenen Drehimpuls eine möglichst schnelle Drehung zu gewinnen. Eine Öffnung der Haltung vor dem Auftreffen auf den Boden verringert die Drehgeschwindigkeit und erlaubt eine stehende Landung.

Der Pirouetteneffekt tritt auch bei anderen Drehbewegungen auf, beispielsweise bei einem Tornado in der Entstehungsphase. Bei einer Supernova bricht der Innenbereich des Sterns zusammen, der entstehende Neutronenstern hat dann Umdrehungszeiten im Millisekundenbereich.

Physikalische Grundlagen des Pirouetteneffekts

Physikalische Größe Formelzeichen SI-Einheiten
Drehimpuls $ L $ N·m·s, kg·m2/s
Geschwindigkeit $ v $ m/s
Masse $ m $ kg
Winkelgeschwindigkeit $ {\omega } $ rad/s
Trägheitsradius $ i $ m
Rotationsenergie $ W $ N·m, kg·m2/s2
Hubarbeit $ W_{\mathrm {Diff} } $ N·m, kg·m2/s2
Massenpunkt, der von einer Kreisbahn mit Radius $ i_{1} $ auf eine Bahn mit größerem Radius $ i_{2} $ wechselt.

Der Drehimpuls $ {\vec {L}} $ lässt sich ausdrücken als Produkt von Trägheitsradius $ i $, Masse $ m $ und Winkelgeschwindigkeit $ {\vec {\omega }} $:

$ {\vec {L}}=i^{2}\,m\,{\vec {\omega }} $

Aufgrund der Drehimpulserhaltung gilt für ein System ohne äußere Einflüsse und unveränderter Masse, wobei die Indizes $ 1 $ und $ 2 $ zwei Zustände des Systems bezeichnen:

$ L_{1}=m\cdot i_{1}^{2}\cdot \omega _{1}=m\cdot i_{2}^{2}\cdot \omega _{2}=L_{2} $

Daraus ergibt sich, dass die Winkelgeschwindigkeiten sich antiproportional zu den Quadraten der Trägheitsradien verhalten:

$ {\frac {i_{1}^{2}}{i_{2}^{2}}}={\frac {\omega _{2}}{\omega _{1}}} $

Für Punktmassen im Abstand $ i $ kann die Umfangsgeschwindigkeit $ v_{1,2}=i_{1,2}\cdot \omega _{1,2} $ an Stelle der Winkelgeschwindigkeit genutzt werden, sodass gilt:

$ {\frac {i_{1}}{i_{2}}}={\frac {v_{2}}{v_{1}}}. $

Da die Rotationsenergien $ \textstyle W={\frac {m}{2}}\cdot v^{2} $ ist, gilt

$ {\frac {W_{1}}{W_{2}}}={\frac {\omega _{1}}{\omega _{2}}}={\frac {i_{2}^{2}}{i_{1}^{2}}}. $

Bei konstanter Masse $ m_{1}=m_{2} $ können, wenn beispielsweise Trägheitsradien und eine der Winkelgeschwindigkeiten bekannt sind, mit obiger Formel die andere Winkelgeschwindigkeit, die Rotationsenergien sowie die Hubarbeit $ W_{\mathrm {Diff} }=W_{1}-W_{2} $ berechnet werden.

Ermittlung der Hubarbeit $ W_{\mathrm {Diff} } $ als Produkt aus Kraft und Weg. Die Zentrifugalkraft $ F_{\mathrm {Zf} }=m\omega ^{2}i $ wird über die Änderung des Radius $ i $ integriert.

Die Hubarbeit kann auch direkt ermittelt werden:

$ {\begin{aligned}W_{\mathrm {Diff} }&={\frac {m}{2}}\cdot \left(\omega _{1}^{2}\cdot i_{1}^{2}-\omega _{2}^{2}\cdot i_{2}^{2}\right)\\&={\frac {m}{2}}\cdot \omega _{1}^{2}\cdot i_{1}^{2}\left(1-{\frac {i_{1}^{2}}{i_{2}^{2}}}\right)\end{aligned}} $

Der Pirouetteneffekt ist ein Wechselspiel zwischen Hubenergie und Rotationsenergie. Die Differenz der Rotationsenergien ist die Hubarbeit, die beim Wechsel auf einen kleineren Radius wieder in Rotationsenergie zurückverwandelt werden kann; d. h., die Verringerung des Radius erfordert einen wachsenden Kraftaufwand über die Distanz $ i_{2}-i_{1} $. Bei der Vergrößerung des Radius wird die in der Rotation gebundene Energie frei.

Der Trägheitsradius eines Massenpunkt ist sein Abstand von der Rotationsachse. Bei mehreren Massepunkten wird dieser effektive Abstand bestimmt, indem die Beiträge alle Massen $ m_{l} $ mit ihren jeweiligen Radien $ r_{l} $ aufsummiert werden:

$ i^{2}\sum _{l}m_{l}=\sum _{l}r_{l}^{2}\cdot m_{l} $

Für starre Körper, die nicht um eine Hauptträgheitsachse rotieren, was bei Massenpunkten, die untereinander wechselwirken und sich nicht in einer Ebene senkrecht zur Drehachse befinden, im Allgemeinen der Fall ist, muss die Drehimpulserhaltung

$ {\begin{aligned}{\vec {L}}_{1}&={\vec {L}}_{2}\\\mathbf {\Theta } _{1}{\vec {\omega }}_{1}&=\mathbf {\Theta } _{2}{\vec {\omega }}_{2}\end{aligned}} $

mit den Trägheitstensoren $ \mathbf {\Theta } _{1} $ und $ \mathbf {\Theta } _{2} $ angenommen werden.

Trigonometrische Erklärung

Geschwindigkeits- und Energieberechnung mit Winkelfunktionen

Der rotierende Massenpunkt wird vom Radius $ i_{1} $ zum Radius $ i_{2} $ versetzt, etwa durch Verlängern der Verbindung mit dem Drehpunkt. Die Masse bewegt sich tangential geradlinig weiter bis zur äußeren Bahn. Dabei nimmt sie die Geschwindigkeit $ v_{1} $ und die Rotationsenergie aus dem inneren Radius als kinetische Energie bis zum Radius $ i_{2} $ mit:

$ W_{1}={\frac {1}{2}}m\,v_{1}^{2} $

Auf dem äußeren Radius kann die Geschwindigkeit $ v_{1} $ in die Komponenten $ v_{2} $ und $ v_{\mathrm {R} } $ zerlegt werden. $ v_{2} $ ist die neue Umfangsgeschwindigkeit, und $ v_{\mathrm {R} } $ ist die gedachte Radialgeschwindigkeit, die jedoch, weil sie auf dem neuen Radius = Null ist, in Hubarbeit umgerechnet werden kann.

Vorlage:Tabellenstile

Die im Bild verwendeten Variablen
Physikalische Größe Formel
$ \cos(\alpha )={\sqrt {1-(i_{1}/i_{2})^{2}}} $
Umfangsgeschwindigkeit2 $ v_{2}=\sin(\alpha )\,v_{1} $
Radialvektor $ v_{\mathrm {R} }=\cos(\alpha )\,v_{1} $
Rotationsenergiedifferenz $ W_{\mathrm {Diff} }={\frac {1}{2}}m\,v_{\mathrm {R} }^{2} $

Die Art des Übergangs auf einen anderen Radius spielt für den Endzustand keine Rolle. In der Praxis wird die Bewegung spiralförmig verlaufen, im Ergebnis entsprechen aber die Werte für Energie und Geschwindigkeit dem vereinfachten Beispiel.

Einzelnachweise

  1. Sportmechanik, Abschnitt „Drehimpuls und Drehimpulserhaltung“, Abb. 70 auf S. 78.

Literatur

  • Günther Bäumler: Sportmechanik: Grundlagen für Studium und Praxis. BLV Verlagsgesellschaft, München Wien Zürich 1981, ISBN 3-405-12435-2.
  • David Halliday, Robert Resnick, Jearl Walker: Physik. 2. Auflage. WILEY-VCH Verlag GmbH & co. KGaA, Berlin 2009, ISBN 978-3-527-40645-6.