Foucaultsches Pendel

Foucaultsches Pendel

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Pendel am Nordpol der drehenden Erde[1]
Veranschaulichung der Pendelbahn

Ein foucaultsches (auch Foucault’sches) Pendel ist ein langes sphärisches Pendel mit einer großen Pendelmasse, mit dessen Hilfe ohne Bezug auf Beobachtungen am Himmel die Erdrotation anschaulich nachgewiesen werden kann.

Versuche und Beschreibung

Am 3. Januar 1851 führte der französische Physiker Léon Foucault im Keller seines Hauses einen Versuch durch, bei dem er ein zwei Meter langes Pendel dicht über dem Boden schwingen ließ und seine Bahn genau markierte. Er fand heraus, dass die Schwingungsebene des Pendels sich langsam drehte. Die Schwerkraft wirkt nur senkrecht und kann diese Drehung nicht verursachen. Da keine weitere äußere Kraft auf das Pendel einwirkte, war es nicht das Pendel, sondern der Boden (also die Erde), der seine Richtung änderte. Bezogen auf den mit der Erdrotation bewegten Boden unterliegt das Pendel nicht nur der Schwerkraft, sondern zusätzlich auch der Corioliskraft. Diese ist dafür verantwortlich, dass das Pendel genau genommen eine enge Rosettenbahn beschreibt (siehe nebenstehende Abbildung), womit sich die Schwingungsebene des Pendels gegenüber dem Boden langsam dreht.

Am 3. Februar 1851 führte Foucault den Versuch in der Pariser Sternwarte mit einem 12 Meter langen Pendel und am 26. März 1851 im Panthéon mit einem 67 Meter langen Pendel mit einem 28 Kilogramm schweren und 60 Zentimeter Durchmesser umfassenden Pendelkörper der Öffentlichkeit vor. Am unteren Ende des Pendelkörpers befand sich eine Spitze, die mit jeder Schwingung eine Spur in einem Sandbett auf dem Fußboden markierte. Dies war ein laientauglicher und daher aufsehenerregender Nachweis der Erdrotation. Seither wird dieser Versuch foucaultscher Pendelversuch genannt. Entsprechende Beobachtungen waren bereits um 1661 von dem italienischen Physiker Vincenzo Viviani gemacht worden, der sie aufgrund des damaligen Standes der Wissenschaft jedoch nicht mit der Erdrotation in Zusammenhang bringen konnte.

Die aufsehenerregenden Experimente wurden später von Garthe im Kölner Dom und von Schwerd im Dom zu Speyer wiederholt, allerdings mit qualitativ nicht zufrieden stellenden Ergebnissen. Heike Kamerlingh Onnes wies in seiner Dissertation von 1877 auf die Fehlerquellen hin, die bei diesen Versuchsanordnungen gestört hatten.

Foucaultsche Pendel hängen noch heute in verschiedenen naturwissenschaftlichen Museen. Die Eisenkugel des Original-Pendels wurde bis 1946 im Conservatoire National des Arts et Métiers aufbewahrt und dann dem Panthéon zurückgegeben.[2]

Bei einem Pendel am Nord- oder Südpol würde die Schwingungsebene pro Sterntag (23 Stunden, 56 Minuten, 4,091 Sekunden) eine volle Umdrehung zeigen. Dies erklärt sich daraus, dass sich an diesen Punkten die Erde einfach unter dem Pendel wegdreht, während dieses seine Schwingungsebene unverändert (abgesehen vom Umlauf um die Sonne) beibehält. Die beobachtete Drehung erfolgt entgegen dem Sinn der Erdrotation, am Nordpol also „rechts“ herum (d. h. im Uhrzeigersinn), am Südpol „links“. Am Äquator hingegen dreht sich die Schwingungsebene des Pendels gegenüber dem Erdboden überhaupt nicht. Je näher man den Polen kommt, desto stärker ist die Drehung.

Die physikalische Interpretation ist, dass im Bezug auf ein erdfestes Koordinatensystem – d. h. vom natürlichen Standort des Menschen aus betrachtet – auf den Pendelkörper quer zu seiner Bewegungsrichtung eine Corioliskraft einwirkt, die auf der nördlichen Halbkugel eine Abweichung nach rechts und auf der südlichen Halbkugel eine nach links bewirkt; nur am Äquator bleibt die ablenkende Kraft aus, denn hier hat die Corioliskraft keine zur Erdoberfläche parallele Komponente. Die Schwingungsebene dreht sich infolgedessen um die Senkrechte durch den Aufhängepunkt mit der Winkelgeschwindigkeit ωCoriolis = ωErde*sin φ, wobei ωErde die Winkelgeschwindigkeit der Erde und φ die geographische Breite des Aufhängepunktes ist. Entsprechend dauert eine volle Umdrehung an den Polen einen Sterntag, in München (φ etwa 48°) etwa 32,2 Stunden.

Die Aufhängung des Pendels kann elastisch, kardanisch oder steif erfolgen, sie darf nur im Mittel über eine Schwingung kein Drehmoment auf die Pendelmasse ausüben, um den verhältnismäßig schwachen Effekt der Corioliskraft nicht zu verdecken.

Berechnung der Drehbewegung der Pendelebene

Man betrachte ein mathematisches Pendel auf der Erdoberfläche in einem erdfesten Koordinatensystem x,y,z, das so ausgerichtet ist, dass e^x in Richtung Osten, e^y in Richtung Norden und e^z zum Zenit zeigt. Die Winkelgeschwindigkeit der Erde hat den Betrag Ω=360°/Tag=15°/Stunde und lautet dann in Vektorschreibweise, wobei ϕ die geographische Breite ist,

Ω=Ωsinϕe^z+Ωcosϕe^y=:Ωve^z+Ωhe^y.

(Indizes v,h für vertikal und horizontal.)

Für kleine Auslenkungen (Auslenkung viel kleiner als Pendellänge) gilt für die Höhe die Näherung zconst bzw. z˙0 und die Pendelmasse schwingt harmonisch in der x-y-Ebene; somit kann man die Bewegung zweidimensional betrachten und für die rücktreibende Kraft Fr=mω02x mit ω0=g/l ansetzen.

Somit lautet die Coriolisbeschleunigung

ac=2ω×v=2(0ΩhΩv)×(x˙y˙z˙)=2(Ωvy˙Ωhz˙Ωvx˙Ωhx˙).

Projiziert auf die x-y-Ebene wirkt die Corioliskraft Fc=2m(Ωvy˙Ωvx˙). Die Bewegungsgleichung der Pendelmasse lautet:

(x¨y¨)=ω02(xy)+2(Ωvy˙Ωvx˙)

Die zwei gekoppelten gewöhnlichen Differentialgleichungen zweiter Ordnung lassen sich einfach in der komplexen Darstellung lösen, wobei u:=x+iy definiert wird.

u¨=ω02ui2Ωvu˙

Diese Differentialgleichung hat die allgemeine Lösung

u(t)=eiΩvt(u1eiωt+u2eiωt)

Der Term in runden Klammern beschreibt die „normale“ Schwingung des Pendels mit der leicht verschobenen Frequenz ω:=ω02+Ωv2ω0. Im Allgemeinen ist die Bahnkurve dieser zweidimensionalen Schwingung eine Ellipse, die zu einer Gerade durch den Ursprung entartet, wenn aufgrund der Anfangsbedingungen u1=u2=:x0+iy0 gilt. Der Winkel in der x-y-Ebene wird durch das Verhältnis y0/x0 bestimmt. Zu dieser Schwingung tritt in komplexer Schreibweise als weiterer Faktor eiΩvt, der einer Drehung in der komplexen Ebene entspricht und damit eine Drehung der Schwingungsebene bewirkt. So kommen die bekannten Rosettenbahnen zustande. Die Periode dieser Drehung der Schwingungsebene um die vertikale z-Achse ist

TFoucaultpendel=2πΩsinϕ.

Sie entspricht genau der vertikalen Vektorkomponente der Winkelgeschwindigkeit Ω der Erde am betreffenden Ort.

In Deutschland mit ϕ50° nördlicher Breite dreht sich die Schwingungsebene im Uhrzeigersinn um etwa 11,5° pro Stunde.

Galerie

Weblinks

Commons: Foucault’sches Pendel – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Für die Darstellung des einfachen Falls mit gleich bleibender Schwingungsebene gehört der Aufhängungspunkt des Pendels genau über den Nordpol.
  2. History Of The Pantheon Paris auf pantheonparis.com