Als kosmologische Inflation wird eine Phase extrem rascher Expansion des Universums bezeichnet, von der man annimmt, dass sie unmittelbar nach dem Urknall stattgefunden hat. Dieser sehr kurze Zeitabschnitt wird auch GUT-Ära genannt.
In der Kosmologie wird für die allererste Zeit nach der Planck-Zeit ab 10−43 s der Begriff GUT-Ära[1] verwendet. Innerhalb dieser Ära begann die Inflation etwa bei 10−35 s und dauerte bis zu einem Zeitpunkt zwischen 10−33 s und 10−30 s nach dem Urknall. Dabei steht GUT für ‚Grand Unified Theory‘, auf Deutsch große vereinheitlichte Theorie. Diese würde die starke Kernkraft, die schwache Kernkraft und die elektromagnetische Kraft vereinigen. Hochenergie-Experimente an Teilchenbeschleunigern deuten darauf hin, dass bei einer Energie von etwa 2×1016 GeV die drei genannten Kräfte nicht mehr voneinander unterscheidbar sind. Oberhalb dieser Energie gäbe es daher nur eine Kraft, die als GUT-Kraft bezeichnet wird. Dies wäre ein Zustand höherer Symmetrie. Bei Energien unter diesem Wert bricht diese Symmetrie auf und die drei genannten Kräfte würden sichtbar.[2] Es wird davon ausgegangen, dass sich das Universum in dieser Zeit um mindestens den Faktor 1026 ausgedehnt hat. Anschließend setzte das Universum seine Expansion im Rahmen des Standard-Urknall-Modells fort, wie von den Friedmann-Gleichungen beschrieben.
Die Hypothese dieser inflationären Expansion wurde 1981 von Alan H. Guth vorgeschlagen und ist kein Element des ursprünglichen Urknallmodells. Anlass war die Feststellung, dass die relativistische Kosmologie zur Erklärung einiger fundamentaler Beobachtungen (siehe unten) eine Feinabstimmung („fine tuning“) von kosmologischen Parametern erfordert, die ihrerseits wiederum einer Erklärung bedurfte. Die Inflationshypothese bietet dafür einen physikalischen Mechanismus, aus dem sich einige grundlegende Eigenschaften des Universums direkt ergeben.
Danach ist die Ursache dieser Expansion die Zustandsänderung eines skalaren Feldes mit einem extrem flachen Potential. Dieses Inflatonfeld genannte skalare Feld hat eine Zustandsgleichung mit negativem Druck. Nach der allgemeinen Relativitätstheorie führt dies zu einer abstoßenden Kraft und damit zu einer Ausdehnung des Universums. Die Zustandsänderung des Feldes während der inflationären Phase ist mit einem Phasenübergang 1. Ordnung vergleichbar. Im Rahmen der großen vereinheitlichten Theorie werden die Bedingungen, unter denen der Phasenübergang auftritt, durch Higgs-Felder bestimmt.
Die Annahme einer derartigen inflationären Expansion erscheint einerseits willkürlich, andererseits löst sie elegant mehrere größere kosmologische Probleme:
Zur Erklärung der Dynamik der Inflation wird ein skalares Quantenfeld benötigt, das räumlich homogen ist und eine endliche Energiedichte aufweist. Wenn sich das Feld zeitlich genügend langsam ändert (nämlich in Richtung einer Verringerung der Energiedichte), so hat es negativen Druck und verhält sich effektiv wie eine kosmologische Konstante, führt also zu einer beschleunigten Expansion des Universums. Die Expansion ist exponentiell, wenn die Energiedichte des Quantenfeldes die dominante Komponente im Universum darstellt. Derzeit ist kein konkreter Kandidat für dieses Quantenfeld bekannt. Die Bezeichnung für ein Quantenfeld, das inflationäre Expansion bewirkt, ist Inflatonfeld mit dem Inflaton als Vermittlerteilchen.
Der niedrigste Energiezustand des Inflatonfeldes muss nicht, kann aber von Null verschieden sein. Das hängt von der als Parameter vorgegebenen Dichte der potentiellen Energie des Feldes ab. Vor der Expansionsperiode war das Inflatonfeld in einem höheren Energiezustand. Zufällige Quantenfluktuationen lösten einen Phasenübergang aus, wobei das Inflaton seine potentielle Energie in Form von Materie und Strahlung abgab, als es in den niedrigeren Energiezustand wechselte. Dieser Vorgang erzeugte eine abstoßende Kraft, die die Ausdehnung des Universums beschleunigte.
Ein einfaches Modell für ein Inflatonfeld $ \Phi $ ist durch das Potential
gegeben, wobei die Temperaturabhängigkeit durch die Wechselwirkung mit den thermischen Fluktuationen der übrigen Teilchen und Felder im Universum zustande kommt. Bei hoher Temperatur hat dieses Potential ein einziges Minimum bei $ |\Phi |=0 $. Sinkt die Temperatur durch die Expansion des Universums unter eine erste kritische Temperatur $ T_{1} $, so erscheint ein zweites lokales Minimum der Potentialfunktion bei $ |\Phi |\neq 0 $. Zunächst hat das Potential bei diesem sekundären Minimum einen höheren Wert als in dem globalen Minimum $ \Phi =0 $, in dem sich das Feld befindet. Wenn die Temperatur aber einen zweiten kritischen Wert $ T_{2} $ unterschreitet, so hat das Potential im sekundären Minimum einen niedrigeren Wert als im primären Minimum. Man bezeichnet das globale Minimum der Potentialfunktion als das wahre Vakuum und das lokale Minimum als das falsche Vakuum.
Um vom falschen in das energetisch bevorzugte wahre Vakuum überzugehen, muss das Feld eine Energiebarriere überwinden oder sie durchtunneln (dies ist durch den quantenmechanischen Tunneleffekt möglich). Da sich auch bei einer Expansion des Weltraums die Energiedichte des falschen Vakuums nicht ändert, vorausgesetzt der quantenmechanische Tunnelprozess läuft genügend langsam ab, muss der Druck des falschen Vakuums negativ sein und führt gemäß den Friedmann-Gleichungen zu einer exponentiellen Expansion.
Die Hypothese von einer inflationären Expansion ist ein Forschungsgebiet, auf dem noch zahlreiche Varianten diskutiert werden. Insbesondere ist die Natur der Teilchen bzw. Felder, die den erforderlichen Vakuumzustand verursacht haben könnten, noch völlig ungeklärt.
Ob es in der Frühzeit unseres Universums tatsächlich eine inflationäre Phase gab, muss durch Beobachtungen entschieden werden; dies ist Gegenstand aktueller Forschung. Derzeitige Beobachtungen etwa der Temperaturschwankungen in der kosmischen Hintergrundstrahlung durch die US-amerikanische Raumsonde WMAP sind mit der Inflationshypothese kompatibel, erlauben aber noch kein abschließendes Urteil.
Die derzeitige beschleunigte Expansion des Universums, auf die insbesondere aus Beobachtungen von weit entfernten Supernovae geschlossen wird, wird auf das Vorhandensein von Dunkler Energie mit negativem Druck zurückgeführt und damit auf einen physikalischen Mechanismus, der dem der eigentlichen Inflation in der Frühzeit des Universums verwandt ist.
Trotz der Komplexität dieser Theorie ist sie unter den meisten Wissenschaftlern weitgehend anerkannt, da sie eine erste logisch nachvollziehbare Hypothese bietet.
Gemäß dem aktuellen Modell entstanden kurz nach dem Urknall in der Inflationsphase Gravitationswellen, die der kosmischen Hintergrundstrahlung ein charakteristisches Polarisationsmuster aufprägten. Das würde prinzipiell eine experimentelle Überprüfbarkeit von Inflationstheorien ermöglichen, eine 2014 gemeldete Beobachtung bei BICEP2 erwies sich jedoch als voreilig.
Das Inflationsmodell benötigt ein eigenes Skalarfeld, das Inflaton. Dennoch kann es die Entwicklung des Universums zunächst nur unzureichend beschreiben. Es werden je nach Variante entweder weitere Felder oder zusätzliche Parameter benötigt. Das Problem der kleinen Kosmologischen Konstante $ \Lambda $ ist auch im Inflationsmodell unerklärt. Der heutige Wert weicht um 120 Größenordnungen von dem der Inflationphase ab.[3]
Big Bang und Inflation ermöglichen ein Multiversum mit über die Universen zufallsverteilten Eigenschaften. Steven Weinberg moniert, dass außer mit dem anthropischen Prinzip die Größe physikalischer Konstanten oder der Dunklen Energie in unserem Universum prinzipiell nicht mehr vernünftig erklärbar wäre.[4] Aus ähnlichen Gründen lehnt auch der Mitbegründer Paul Steinhardt die Inflationstheorie ab und hält sie aufgrund ihrer prognostischen Beliebigkeit für nicht falsifizierbar.[5]
Zur Inflationstheorie konkurrierende Modelle sind u. a.: