Die Infrarot-Reflexions-Absorptions-Spektroskopie (kurz IRRAS) ist eine Probentechnik der Infrarotspektroskopie für die zerstörungsfreie Untersuchung von dünnen Schichten. Sie stellt eine Mischform der Transmission- und der Reflexionsinfrarotspektroskopie dar und wird daher (vor allem für dickere Proben) auch als Transflexion bezeichnet.[1][2]
Neben IRRAS werden noch eine Reihe weiterer Bezeichnungen synonym für diese Technik genutzt, so findet man seltener auch die Abkürzung IRAS oder abgewandelte Formen bei denen die Reihenfolge der Wortteile variiert wird (IRRS, RAIR, RAIRS, RAS usw.), darauf hingewiesen wird, dass ein Fourier-Transform-Infrarotspektrometer (FTIR-Spektrometer) eingesetzt wird (FT-IRRAS, FT-IRAS, FTIR/RA usw.), es sich um eine externe (äußere) Reflexion (IR-ERS, ERIR usw.; im Unterschied zur internen Reflexion, wie sie bei der ATR-Spektroskopie eingesetzt wird) oder streifenden Einfall handelt (GIR, G steht für engl. {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value) = ‚streifend‘).[3] Auch wenn die in englischsprachigen Publikationen anzutreffende Abkürzung RAIRS (englisch reflection–absorption infrared spectroscopy) von der die von der International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC)[4] empfohlen wird, soll in diesem Artikel ausschließlich die im deutschen Fachpublikationen häufiger verwendete Abkürzung IRRAS genutzt werden.
Die am häufigsten verwendete Technik bei der infrarotspektroskopische Untersuchungen von Proben ist die Messung in Transmission. Dabei wird eine Probe mit infrarotem Licht durchstrahlt. Das erhaltene Spektrum kann mit einem Referenzspektrum verglichen werden, und man erhält entweder ein in Transmission oder in Absorption dargestelltes Spektrum (man spricht von Transmission- bzw. Absorptionsspektrum), das in Form von einfachen Intensitätsverläufen Informationen zu den Absorptionszentren der Probe beinhaltet. Dabei ist der Transmissionsgrad direkt proportional zu durchstrahlten Stoffmenge (ergibt sich aus Konzentration und Dicke der Probe) Da bei der Durchstrahlung eine allgemeine Schwächung der Strahlungsintensität erfolgt, ist die Transmissionstechnik begrenzt auf transparente und schwach bis mittelstark absorbierende Materialien, da andernfalls nicht genug Infrarotlicht den Detektor erreicht.
Für die Messung „schwierigerer“ Proben, beispielsweise stark absorbierende Proben, müssen andere Probentechniken genutzt werden, wie die Messung der Probe in (gerichteter, äußerer) Reflexion. Reine Reflexionsspektren unterscheiden sich in ihrer Gestalt jedoch deutlich von den Transmissionsspektren. Sie zeigen im Bereich der Absorptionszentren komplexe Intensitätsverläufe, die vergleichbar sind mit Polstellen. Die Umrechnung zwischen Reflexions- und Transmissionsspektren ist mittels der Kramers-Kronig-Transformation möglich. Für einen direkten Vergleich der Spektren, beispielsweise für die Bestimmung einer Substanz durch eine Datenbankrecherche, eignen sich diese umgerechneten Spektren jedoch nur selten.
IRRAS ist eine Kombination aus Transmission- und Reflexionsmessung, bei der eine dünne Schicht oder ein Adsorbat auf einem spiegelnden, häufig metallischen Substrat gemessen wird, in dem die Infrarotstrahlung an dem Substrat reflektiert und dabei die Probenschicht zweimal durchstrahlt wird. Der dabei auftretenden zweifache Probendurchlauf und das damit verbundene größere Absorptionssignal ist jedoch eher als günstiger Nebeneffekt dieser Technik zu sehen. In Abhängigkeit von der Probe (Absorptionsgrad und Schichtdicke) ist es günstig, den Einfallswinkel anzupassen. Für 0,5–20 µm dicke Schichten liegt der Einfallswinkel meist zwischen 10° und 60°. Sehr dünne Schichten im Bereich weniger Nanometer lassen sich hingegen am besten unter streifenden Einfall (Einfallswinkel größer als 80°) messen.[5]
Wegen der geringen Schichtdicke der zu untersuchenden Substanzen, vor allem wenn diese im Bereich von wenigen Nanometer liegt, ist bei der IRRA-Spektroskopie in der Regel der Einsatz von sehr empfindlichen Halbleiterdetektoren (meist sogenannte MCT-Detektoren, von englisch {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value), dt. Quecksilber-Cadmium-Tellurid) notwendig.
Die IRRAS-Technik kann auch mit polarisierter Strahlung eingesetzt werden. Vorteilhaft hierbei ist die Tatsache, dass senkrecht zur Einfallsebene linear polarisierte Infrarotstrahlung im Bereich der Grenzfläche des metallischen Substrats eine verschwindend geringe Feldstärke aufweist und quasi nicht mit den Dipolen einer an der Oberfläche adsorbierten Substanz wechselwirkt.[6] Wird die Probe nun abwechselnd mit senkrecht und parallel linear polarisierter Strahlung bestrahlt (beispielsweise durch den Einsatz eines photoelastischen Modulators), zeigt sich im Spektrum ein Wechsel aus Referenzspektrum ohne Adsorbat (senkrecht polarisiert) und dem Spektrum mit Adsorbat (parallel polarisiert). Durch die zeitnahe Aufnahme von Referenz- und Probenspektrum lassen sich so Störungen durch Kohlendioxid (CO2) oder Wasserdampf (H2O) aus dem Strahlweg leicht minimieren. Das Spektrum des Adsorbat zeigt jedoch nur Wechselwirkungen mit Dipolen parallel zur Einfallsebene, da nur diese mit der parallel polarisierten Strahlung wechselwirken. Damit der Unterschied zwischen diesen beiden Zuständen deutlich hervortritt, wird die Probe unter streifendem Einfall (ca. 80°) gemessen. Mit dieser polarisationsmodulierte Infrarot-Reflexions-Absorptions-Spektroskopie (PM-IRRAS) genannten Technik lässt sich auf relativ einfache Art und Weise die Adsorption von Substanzen untersuchen.[7]
IRRA-Spektren haben in der Regel große Ähnlichkeit mit Transmissionsspektren, beide sind daher direkt vergleichbar. Dies ist in der Praxis ein wichtiger Vorteil, denn die Messung in Transmission war lange Zeit die dominierende Probentechnik, für die große Spektrenkataloge und -datenbanken existieren. Für andere Probentechniken wie Reflexion oder IRRAS sind solche Datenbanken kaum vorhanden. Durch die gute Vergleichbarkeit mit „Transmissionsspektren“ sind die umfangreichen Datenbanken auch für die IRRAS-Technik nutzbar.
Bei Schichtdicken im Bereich der eingesetzten Wellenlänge, kann es wie bei Transmissionsmessungen, zur Ausbildung von stehenden Wellen und Dünnschichtinterferenzeffekten kommen, die eine Spektrenauswertung beeinflussen, stark erschweren oder gar unmöglich machen. Bei dünneren Schichtdicken (unterhalb von einem Viertel der Wellenlänge) ist zu beachten, dass das Lambert-Beer-Gesetz nicht mehr gilt. Das heißt, die Transmission/Absorption ist nicht mehr nur abhängig vom Absorptionskoeffizient und der Schicht Dicke, sondern auch von Feldvariationen in der Nähe der reflektierenden, metallischen Oberfläche.[8] Wie bereits beschrieben kann dies aber auch ausgenutzt werden um eine Sub-Monolagen-Sensitivität zu erreichen, die im günstigsten Fall die Charakterisierung von Schichten kleiner 10−4 Monolagen ermöglicht.[4] Des Weiteren erhöht der Einsatz von polarisationsabhängigen Messungen die Komplexität die Untersuchung, zumal sie winkelabhängig sind. Dies kann für schnelle Standarduntersuchungen nachteilig sein, ermöglicht aber auch genauer Analysen bestimmte Vorgänge.
IRRAS wurde erstmals Ende der 1960er Jahre von Robert G. Greenler bei der Untersuchung organischer Schichten auf metallischen Spiegeln angewendet, dabei beschäftigte er sich auch mit dem theoretischen Hintergrund dieser Messtechnik.[4][9] Seitdem wurde die IRRAS-Technik in vielen Bereich verbessert. Vor allem aber hat die Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses der Infrarotspektrometer dazu beigetragen, dass IRRAS heute vielfältig zur Untersuchung von dünnen Schichten auf und Oberflächenreaktionen an glatten, meist metallischen Oberflächen eingesetzt wird; sowohl Metall-Gas- als auch Metall-Flüssigkeit-Grenzflächen.
Typische Anwendungen sind die Charakterisierung von adsorbierten Substanzen an Metalloberflächen, deren Veränderung und die Reaktionskinetik, beispielsweise für Kohlenmonoxid (CO). Auch die Analyse von katalytische Reaktionen oder Elektrode-Elektrolyt-Grenzfläche werden häufig mittels IRRAS durchgeführt, genauso wie die Untersuchung von dünnen, dielektrischen Schichten in der Halbleitertechnik.