Das Wu-Experiment wurde 1956 von der chinesisch-amerikanischen Physikerin Chien-Shiung Wu in Zusammenarbeit mit der Tieftemperaturgruppe des National Bureau of Standards durchgeführt, um die Paritätserhaltung bei der schwachen Wechselwirkung experimentell zu überprüfen.[1] Festgestellt wurde, wie es von Tsung-Dao Lee und Chen Ning Yang im Gegensatz zur herrschenden Lehre vermutet worden war, dass bei der schwachen Wechselwirkung die Paritätserhaltung nicht gilt (Paritätsverletzung).
1927 wurde von Eugene Paul Wigner die Paritätsquantenzahl als Symmetrieeigenschaft der Wellenfunktionen der Zustände des Atoms eingeführt. Bei physikalischen Vorgängen, die in gespiegelter Form genau so ablaufen würden, bleibt diese Quantenzahl erhalten. Dabei galt als sicher, dass es davon überhaupt keine Ausnahme gibt.
1956 veröffentlichten Tsung-Dao Lee und Chen Ning Yang die Vermutung, dass bei der schwachen Wechselwirkung im Gegensatz zur Gravitation, zur starken und zur elektromagnetischen Wechselwirkung, die Parität nicht erhalten bleibt. Dabei hatten sie auch mehrere spezielle Experimente vorgeschlagen.[2]
60Co-Atomkerne werden bei einer Temperatur von etwa 10 mK magnetisch so ausgerichtet, dass ihre Spins in eine Vorzugsrichtung zeigen (nämlich parallel zum Magnetfeld, also in positive z-Richtung). Das betrachtete Cobalt-Isotop zerfällt in einem Beta-Minus-Zerfall zu Nickel-60:
Der Mutterkern hat die z-Komponente des Spins Sz = +5, der (angeregte) Tochterkern Sz = +4. Das entstehende Elektron und das Antineutrino tragen jeweils Spin S = 1/2. Wegen der Drehimpulserhaltung zeigen ihre Spins also beide in die Spinrichtung des Cobaltkerns und liegen damit parallel zum Magnetfeld.
Die experimentelle Herausforderung bei diesem Experiment lag im Erzielen eines möglichst hohen Polarisationsgrades der 60Co-Kerne. Aufgrund des – im Vergleich zu Elektronen – sehr geringen magnetischen Moments der Kerne sind extrem niedrige Temperaturen und hohe Magnetfelder notwendig, die durch ausschließliche Kühlung mit flüssigem Helium und Einsatz einer Spule nicht zu erzielen waren. Dies gelang aber mit Hilfe der Gorter-Rose-Methode.[3][4] Dazu wurden 60Co-Kerne in ein paramagnetisches Salz (CeMg-Nitrat) eingelagert, das einen stark anisotropen g-Faktor hat und in einem Kryostaten durch flüssiges Helium und Abpumpen von gasförmigem Helium bei einer Temperatur von ca. 1,2 Kelvin gehalten wurde.
Zunächst wurde das Salz durch ein Magnetfeld entlang der Achse mit dem größeren g-Faktor magnetisiert und anschließend adiabatisch entmagnetisiert, woraus eine Temperatursenkung auf ca. 0,003 Kelvin resultierte. Anschließend wurde das Salz entlang der Richtung des niedrigen g-Faktors (z-Richtung) magnetisiert, wodurch nur ein vernachlässigbarer Temperaturanstieg hervorgerufen wurde. Aufgrund der Polarisation der Elektronenhülle der Cobalt-Ionen und des damit verbundenen Magnetfeldes liegt ein deutlich höheres Magnetfeld in Kernnähe vor, so dass ein Polarisationsgrad der 60Co-Kerne von ca. 60 % erreicht wurde. Der 60Co-Polarisationsgrad kann über die Anisotropie der vom angeregten Tochterkern 60Ni emittierten Photonen (Zerfallskaskade: 4+ → 2+ → 0+ ) ermittelt werden. Die Gorter-Rose-Methode war bereits 1953 erfolgreich mit 60Co-Kernen demonstriert worden.[5]
Es wird nun die Anzahl der in negativer z-Richtung emittierten Elektronen gemessen. Aus Drehimpulserhaltungsgründen müssen die Spins von Elektron und Neutrino in Richtung des ursprünglichen 60Co-Spins zeigen. Damit legt das äußere Magnetfeld auch die Spin-Richtung der emittierten Elektronen und Neutrinos fest – allerdings nur zu einem gewissen Grad, der dem Polarisationsgrad der Cobalt-Kerne entspricht. Man muss hier die beiden folgenden Szenarien unterscheiden:
Wäre die Parität erhalten, wären beide Szenarien gleich wahrscheinlich: Es würden genauso viele Elektronen in Richtung des Kernspins wie in Gegenrichtung emittiert. Wu stellte jedoch experimentell fest, dass fast alle Elektronen entgegen der Spinrichtung der Kerne emittiert werden, was einer maximalen Paritätsverletzung entspricht.
Der Grund ist, dass die Austauschbosonen der schwachen Wechselwirkung nur an linkshändige Teilchen (bzw. rechtshändige Antiteilchen) koppeln.
Die Verletzung der Parität ist keine kleine Korrektur, sondern maximal bei der schwachen Wechselwirkung. Sie ist sozusagen eines ihrer Kennzeichen.
Später zeigte das Goldhaber-Experiment, dass es nur linkshändige Neutrinos und rechtshändige Antineutrinos gibt.
Nachdem die Verletzung der Raumspiegelungssymmetrie P gezeigt worden war, nahm man noch an, dass der Operator CP, die Kombination aus Raumspiegelung und Ladungsvertauschung, eine ungebrochene Symmetrie ist, bis auch hier eine Verletzung festgestellt wurde, die CP-Verletzung beim Kaon-Zerfall. Die kombinierte Symmetrie CPT hingegen (T für Time bezeichnet die Zeitumkehr) ist in allen Wechselwirkungen erhalten. So lautet die Aussage des CPT-Theorems, das im Rahmen der Quantenfeldtheorie bewiesen werden kann.