Als Ortsvektor (auch Radiusvektor oder Positionsvektor) eines Punktes bezeichnet man in der Mathematik und in der Physik einen Vektor, der von einem festen Bezugspunkt zu diesem Punkt (Ort) zeigt.[1] In der elementaren und in der synthetischen Geometrie können diese Vektoren als Klassen von verschiebungsgleichen Pfeilen oder gleichwertig als Parallelverschiebungen definiert werden.
Ortsvektoren ermöglichen es, für die Beschreibung von Punkten, von Punktmengen und von Abbildungen die Vektorrechnung zu benutzen. Legt man ein kartesisches Koordinatensystem zugrunde, dann wählt man in der Regel den Koordinatenursprung als Bezugspunkt für die Ortsvektoren der Punkte. In diesem Fall stimmen die Koordinaten eines Punktes bezüglich dieses Koordinatensystems mit den Koordinaten seines Ortsvektors überein.
In der analytischen Geometrie werden Ortsvektoren verwendet, um Abbildungen eines affinen oder euklidischen Raums zu beschreiben und um Punktmengen (wie zum Beispiel Geraden und Ebenen) durch Gleichungen und Parameterdarstellungen zu beschreiben.
In der Physik werden Ortsvektoren verwendet, um die Bewegung eines Körpers in einem euklidischen Raum zu beschreiben. Ortsvektoren zeigen bei Koordinatentransformationen ein anderes Transformationsverhalten als kovariante Vektoren.
In der Geometrie wird der Bezugspunkt (Ursprung) in der Regel mit
Gelegentlich werden auch die Kleinbuchstaben mit Vektorpfeil benutzt, die den Großbuchstaben entsprechen, mit denen die Punkte bezeichnet werden, zum Beispiel:
In der Physik wird der Ortsvektor auch Radiusvektor genannt und mit Vektorpfeil als
Für den Verbindungsvektor
Für die Koordinaten des Ortsvektors
Eine Verschiebung um den Vektor
Eine Drehung in der Ebene mit Drehzentrum
Eine allgemeine affine Abbildung, die den Punkt
Hierbei ist
Im dreidimensionalen Raum ergibt dies:
Entsprechende Darstellungen gibt es auch für andere Dimensionen.
Die Gerade durch die Punkte
besitzt. Man spricht hier auch von der Parameterform einer Geradengleichung.
Die Ebene durch den Punkt
erfüllt. Dabei ist
Der durch einen Ortsvektor beschriebene Punkt kann durch die Koordinaten eines Koordinatensystems ausgedrückt werden, wobei der Bezugspunkt des Ortsvektors normalerweise in den Koordinatenursprung gelegt wird.
Üblicherweise wird der Ortsvektor in kartesischen Koordinaten in der Form
definiert. Daher sind die kartesischen Koordinaten gleichzeitig die Komponenten des Ortsvektors.
Der Ortsvektor als Funktion von Zylinderkoordinaten ergibt sich durch Umrechnen der Zylinderkoordinaten in die entsprechenden kartesischen Koordinaten zu
Hier bezeichnet
Mathematisch gesehen wird hier die Abbildung (Funktion) betrachtet, die den Zylinderkoordinaten
Der Ortsvektor als Funktion von Kugelkoordinaten ergibt sich durch Umrechnen der Kugelkoordinaten in die entsprechenden kartesischen Koordinaten zu
Hierbei bezeichnet
In der Physik wird der Ort eines Punktes (zum Beispiel eines Massenpunkts oder des Schwerpunkts eines Körpers) häufig durch seinen Ortsvektor angegeben. Die Bewegung eines Punktes wird dann durch eine Funktion beschrieben, die jedem Zeitpunkt
Die Ableitung dieser vektorwertigen Funktion
Durch nochmalige Ableitung ergibt sich der Beschleunigungsvektor
Für die Länge des zwischen den Zeitpunkten
Um die Position eines Himmelskörpers, der sich auf einer Umlaufbahn um ein Schwerezentrum bewegt, anzugeben, wird in der Himmelsmechanik als Ursprung des Orts- oder Radiusvektors dieses Schwerezentrum gewählt. Der Radiusvektor liegt dann stets in Richtung der Gravitationslinie. Die Strecke des Ortsvektors wird Fahrstrahl genannt. Der Fahrstrahl spielt eine zentrale Rolle beim zweiten Keplerschen Gesetz (Flächensatz).
Ein Wegelement oder Linienelement
Mit der obenstehenden Gleichung für die Basisvektoren kann man auch
schreiben. Die Beträge der Ableitungen des Ortsvektors
Damit kann man das vektorielle Wegelement in der Form
darstellen. Für die bisher betrachteten Koordinatensysteme ergeben sich daraus die folgenden Darstellungsformen:
In der speziellen Relativitätstheorie (SRT) werden Raum und Zeit als eine flache, zusammenhängende, vierdimensionale pseudoriemannsche Mannigfaltigkeit, die sogenannte Raumzeit, beschrieben. Ein Punkt auf dieser Mannigfaltigkeit, der durch drei Raumkoordinaten und eine Zeitkoordinate festgelegt wird, wird als Ereignis bezeichnet. Für jeweils zwei Ereignisse kann durch die Minkowski-Metrik ein Linienelement
Hierbei bezeichnet
In der allgemeinen Relativitätstheorie (ART) wird die Raumzeit durch eine gekrümmte Mannigfaltigkeit beschrieben, die sich im Allgemeinen nicht in den euklidischen Raum einbetten lässt. Den Koordinaten von Ereignissen lassen sich daher keine Vektoren zuordnen. Die lokal kürzeste Verbindung zweier Ereignisse ist eine Geodäte. Der Paralleltransport von Vektoren zwischen zwei Ereignissen ist abhängig vom gewählten Weg.