Das Relativitätsprinzip besagt, dass die Naturgesetze für alle Beobachter dieselbe Form haben. Einfache Überlegungen zeigen, dass es aus diesem Grund unmöglich ist, einen bevorzugten oder absoluten Bewegungszustand irgendeines Beobachters oder Objekts festzustellen. Das heißt, es können nur die Bewegungen der Körper relativ zu anderen Körpern, nicht jedoch die Bewegungen der Körper relativ zu einem bevorzugten Bezugssystem festgestellt werden.
In der klassischen Physik wie auch in der 1905 von Albert Einstein entworfenen speziellen Relativitätstheorie (SRT) galt dieses Prinzip vorerst nur in Inertialsystemen für die Beschreibung von gleichförmigen und unbeschleunigten Bewegungen. Beschleunigte Bezugssysteme können zwar auch verwendet werden, jedoch haben Naturgesetze nicht dieselbe einfache Form wie in Inertialsystemen und sind folglich nicht gleichberechtigt mit Letzteren. In der allgemeinen Relativitätstheorie (ART) wird das Relativitätsprinzip auf beschleunigte Bezugssysteme erweitert, wodurch die Gravitation als Folge von Trägheitskräften interpretiert werden kann. Gemäß dieser modernen Sichtweise ist die SRT der Spezialfall der ART, wenn der Einfluss der Gravitation vernachlässigt werden kann, und ist nun ebenfalls gleichermaßen für Inertialsysteme und beschleunigte Bezugssysteme gültig.
Galileo Galilei (1632) wird als der Erste angesehen, der dieses Prinzip formuliert hat.[1] Er hatte ausschließlich mechanische Vorgänge im Blick und argumentierte damit, dass ein unter Deck eines unbeschleunigten Schiffes befindlicher Beobachter aus den Vorgängen um ihn herum nicht erschließen kann, ob sich das Schiff in Bewegung befindet oder nicht.
In einem anderen Sinn wird die Relativität der Wahrnehmungen verschiedener Personen in der Ästhetik als Relativitätsprinzip bezeichnet.[2]
Isaac Newton folgend wurde in der klassischen Mechanik jahrhundertelang die Existenz eines absoluten Raums vorausgesetzt. Das in dieser Mechanik implizit enthaltene Relativitätsprinzip besagte, dass in gleichförmig bewegten Inertialsystemen die gleichen Gesetze (Kovarianz) der Mechanik gelten wie im absoluten Raum selbst, und dass es nicht möglich sei zu bestimmen, welches System tatsächlich ruhe oder bewegt sei. Das heißt, die Formeln der klassischen Mechanik behalten ihre Gültigkeit, wenn man ein relativ zum absoluten Raum bewegtes System der sogenannten Galilei-Transformation unterzieht.[3] Newton schrieb in seinen Principia:
„Die Bewegungen von Körpern in einem gegebenen Raum sind untereinander die gleichen, ob sich der Raum in Ruhe befindet oder ob er sich konstant auf einer geraden Linie bewegt.“[4]
Eine innovative Anwendung des Galileischen Relativitätsprinzips machte Christiaan Huygens bei der Ableitung der Stoßgesetze (siehe auch Galilei-Transformation).
Im 19. Jahrhundert mündete die klassische Physik nach Aufstellung der Maxwellschen Theorie der Elektrodynamik in die Theorie des ruhenden Äthers, der als Übertragungsmedium für das Licht gedacht war und schließlich mit dem absoluten Raum Newtons identifiziert wurde. Es wurde jetzt versucht, den Bewegungszustand der Erde relativ zum Äther nachzuweisen, womit auch das Relativitätsprinzip widerlegt worden wäre. Jedoch blieben alle entsprechenden Experimente − wie das Michelson-Morley-Experiment − erfolglos.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts führten diese erfolglosen Experimente dazu, dass dem Relativitätsprinzip eine immer größere Bedeutung eingeräumt wurde, was auch zu klareren Begriffsdefinitionen führte. Henri Poincaré schrieb beispielsweise 1904 in „dem ersten Text, in dem nicht nur die Sache, sondern auch das Wort erscheint“[5]:
„Das Prinzip der Relativität, nach dem die Gesetze der physikalischen Vorgänge für einen feststehenden Beobachter die gleichen sein sollen wie für einen in gleichförmiger Translation fortbewegten, so daß wir gar keine Mittel haben oder haben können, zu unterscheiden, ob wir in einer derartigen Bewegung begriffen sind oder nicht.“[6]
Und Albert Einstein definierte 1905 das Relativitätsprinzip so:
„Die Gesetze, nach denen sich die Zustände der physikalischen Systeme ändern, sind unabhängig davon, auf welches von zwei relativ zueinander in gleichförmiger Translationsbewegung befindlichen Koordinatensystemen diese Zustandsänderungen bezogen werden.“[7]
Hendrik Antoon Lorentz, Poincaré, und Einstein forderten weiter die Kovarianz nicht nur der Mechanik, sondern auch der Elektrodynamik. Dies konnte erreicht werden, indem die Galilei-Transformation durch die Lorentz-Transformation ersetzt wurde. Der Hauptunterschied besteht darin, dass in der neuen Transformation die Lichtgeschwindigkeit eine unüberschreitbare Grenzgeschwindigkeit darstellt. Für Geschwindigkeiten, die klein gegenüber der Lichtgeschwindigkeit sind, geht das spezielle Relativitätsprinzip in dasjenige von Galilei über. Newtons absoluter Raum steht jedoch in Widerspruch zum Relativitätsprinzip. Einstein zog deshalb mit der speziellen Relativitätstheorie den Schluss, dass es kein absolutes Bezugsystem gibt. Das bezieht sich sowohl auf den Raum als auch auf die Zeit. Hermann Minkowski führte dies weiter, indem er Raum und Zeit zur vierdimensionalen Raumzeit zusammenfasste.
Das Relativitätsprinzip gilt in der SRT vorerst nur in Inertialsystemen, denn ausschließlich in ihnen nehmen die Naturgesetze dieselbe einfache Form an. Der Formalismus der SRT kann zwar darüber hinaus erweitert werden, sodass auch beschleunigte Bezugssysteme behandelt werden können, jedoch sind diese Systeme nicht gleichberechtigt mit Inertialsystemen.
Zusätzlich zum speziellen Relativitätsprinzip führte Einstein die Forderung ein, dass in allen Bezugssystemen, egal ob beschleunigt oder unbeschleunigt, die Gesetze dieselbe Form annehmen müssen (allgemeine Kovarianz). Dies war motiviert durch die Gültigkeit des Äquivalenzprinzips, das besagt, dass kein Experiment feststellen kann, ob man sich in Schwerelosigkeit fernab von Massen befindet oder im freien Fall nahe einer Masse. Einstein nahm zusätzlich an, dass dies in Verbindung mit dem Machschen Prinzip steht, wonach Trägheit und Beschleunigung nur relativ zu den Massen des Universums auftreten. Er schrieb 1916:
„Die Gesetze der Physik müssen so beschaffen sein, daß sie in Bezug auf beliebig bewegte Bezugssysteme gelten. […] Die allgemeinen Naturgesetze sind durch Gleichungen auszudrücken, die für alle Koordinatensysteme gelten, d. h. die beliebigen Substitutionen gegenüber kovariant (allgemein kovariant) sind.“[8]
Tatsächlich wird allgemeine Kovarianz in der allgemeinen Relativitätstheorie (ART) erreicht. Dabei war die Vorstellung aufzugeben, dass der Raum euklidisch ist, denn die Gravitation wird als Prozess in der gekrümmten Raumzeit aufgefasst, zu deren Beschreibung eine nichteuklidische Geometrie verwendet werden muss. Zum Verständnis der allgemeinen Kovarianz sind jedoch folgende Umstände zu berücksichtigten:[9][10]
Allgemein betrachtet hat das „Gravito-Inertialfeld“, also das Feld, mit dem in der allgemeinen Relativitätstheorie sowohl Beschleunigungs- als auch Gravitationswirkungen beschrieben werden, eine von Körpern unabhängige Existenz. Anhand dieses Feldes kann festgelegt werden, welcher von zwei relativ zueinander beschleunigten Beobachtern sich nun „wirklich“ oder „absolut“ ungleichförmig bewegt. Aufgabe vollständiger Relativierung der Beschleunigung beweist jedoch keineswegs die Existenz eines absoluten Raumes, denn obwohl das „Gravito-Inertialfeld“ wie erwähnt auch ohne Materie existiert, ist es bei Anwesenheit der Materie trotzdem deren Einfluss unterworfen – im Gegensatz zum absoluten Raum Newtons, der von der Materie unbeeinflusst bleibt.[10]
Hier ein Auszug aus der Beschreibung, S. 197 ff., von Galilei:
„Schließt Euch in Gesellschaft eines Freundes in einen möglichst großen Raum unter dem Deck eines großen Schiffes ein. Verschafft Euch dort Mücken, Schmetterlinge und ähnliches fliegendes Getier; sorgt auch für ein Gefäß mit Wasser und kleinen Fischen darin; hängt ferner oben einen kleinen Eimer auf, welcher tropfenweise Wasser in ein zweites enghalsiges darunter gestelltes Gefäß träufeln läßt. Beobachtet nun sorgfältig, solange das Schiff stille steht, wie die fliegenden Tierchen mit der nämlichen Geschwindigkeit nach allen Seiten des Zimmers fliegen. Man wird sehen, wie die Fische ohne irgend welchen Unterschied nach allen Richtungen schwimmen; die fallenden Tropfen werden alle in das untergestellte Gefäß fließen. Wenn Ihr Euerem Gefährten einen Gegenstand zuwerft, so braucht Ihr nicht kräftiger nach der einen als nach der anderen Richtung zu werfen, vorausgesetzt, daß es sich um gleiche Entfernungen handelt. Wenn Ihr, wie man sagt, mit gleichen Füßen einen Sprung macht, werdet Ihr nach jeder Richtung hin gleichweit gelangen. Achtet darauf, Euch aller dieser Dinge sorgfältig zu vergewissern, wiewohl kein Zweifel obwaltet, daß bei ruhendem Schiffe alles sich so verhält. Nun laßt das Schiff mit jeder beliebigen Geschwindigkeit sich bewegen: Ihr werdet – wenn nur die Bewegung gleichförmig ist und nicht hier- und dorthin schwankend – bei allen genannten Erscheinungen nicht die geringste Veränderung eintreten sehen. Aus keiner derselben werdet Ihr entnehmen können, ob das Schiff fährt oder stille steht. […] Die Ursache dieser Übereinstimmung aller Erscheinungen liegt darin, daß die Bewegung des Schiffes allen darin enthaltenen Dingen, auch der Luft, gemeinsam zukommt. Darum sagte ich auch, man solle sich unter Deck begeben, denn oben in der freien Luft, die den Lauf des Schiffes nicht begleitet, würden sich mehr oder weniger deutliche Unterschiede bei einigen der genannten Erscheinungen zeigen.“[1]