Die Galilei-Transformation, benannt nach Galileo Galilei, ist die einfachste Koordinatentransformation, mit der physikalische Aussagen von einem Bezugssystem in ein anderes umgerechnet werden können. Sie ist anwendbar, wenn die beiden Bezugssysteme sich durch eine geradlinig-gleichförmige Bewegung, Drehung und/oder eine Verschiebung in Raum oder Zeit unterscheiden. Alle Beobachtungen von Strecken, Winkeln und Zeitdifferenzen stimmen in beiden Bezugssystemen überein; alle beobachteten Geschwindigkeiten unterscheiden sich um die konstante Relativgeschwindigkeit der beiden Bezugssysteme.
Die Galilei-Transformation ist grundlegend für die klassische Mechanik, denn sie beschreibt dort die Transformation zwischen zwei Inertialsystemen. Bezüglich der Hintereinanderausführung bilden die Galilei-Transformationen eine Gruppe, die Galilei-Gruppe. Nach dem Relativitätsprinzip der klassischen Mechanik müssen die Naturgesetze bezüglich dieser Gruppe kovariant sein.
Im Bereich des Elektromagnetismus ist die Galilei-Transformation nicht anwendbar, sondern muss durch die Lorentz-Transformation ersetzt werden. Dies bildete historisch den Ausgangspunkt für die spezielle Relativitätstheorie.
Die Galilei-Transformation besteht aus folgenden Einzeltransformationen, die miteinander kombiniert werden können:
Hierbei wurde die Vektor-Schreibweise verwendet:
Für
Die Unabhängigkeit der Gesetze der Mechanik vom Bewegungszustand bei gleichförmiger Bewegung wurde zuerst von Galileo Galilei erkannt und von Isaac Newton in seinem Buch Principia formuliert. Kräfte sind bei Newton nur von den Beschleunigungen abhängig, und Beschleunigungen ändern sich unter Galilei-Transformationen nicht. Geschwindigkeiten transformieren sich nach dem üblichen vektoriellen Additionsgesetz. Die Gesetze der klassischen Mechanik sind unter Galilei-Transformationen invariant oder kovariant (Galileisches Relativitätsprinzip). Man hielt dies lange Zeit für a priori gegeben und unangreifbar.
Die Elektrodynamik ging bis zum Ende des 19. Jahrhunderts von einem Äther als Träger elektromagnetischer Wellen, einschließlich des Lichts, aus. Die Maxwellschen Gleichungen und die daraus resultierende konstante Lichtgeschwindigkeit
Ein weiteres Beispiel ist ein geladener Körper, der an einem stromdurchflossenen Leiter vorbeifliegt:
Ladung und Leiter |
---|
Ladung q und Leiter mit Strom j. Diese Konfiguration ist nicht Galilei-transformierbar. |
Hendrik Antoon Lorentz, Joseph Larmor und Henri Poincaré untersuchten Ende des 19. Jahrhunderts die Elektrodynamik bewegter Körper und erkannten, dass man diese Probleme lösen könne, indem man die Galilei-Transformation durch die Lorentz-Transformation ersetzt. Dies führte schließlich zur speziellen Relativitätstheorie von Albert Einstein, welche allerdings eine Modifikation der Vorstellungen von Zeit und Raum erforderte.
Für Geschwindigkeiten, die sehr viel kleiner als die Lichtgeschwindigkeit von ca. 300.000 km/s sind, ist die Galilei-Transformation in der Praxis oft eine gute Näherung der Lorentz-Transformation. Für
Im Alltagsleben kann bei mechanischen Problemen fast immer die Galilei-Transformation angewendet werden, da die Korrektur in der Lorentz-Transformation bei irdischen Geschwindigkeiten sehr klein ist. Der Korrekturfaktor liegt oft unterhalb der Messbarkeitsgrenze; selbst in der Himmelsmechanik unseres Planetensystems liegt er z. B. unter 10−8 für die schon recht große Umlaufgeschwindigkeit der Erde um die Sonne (etwa 30 km/s).
Daher gilt die Galilei-Transformation beispielsweise beim Berechnen der Abdrift eines Schiffs oder Flugzeugs. Auch bei den in der Kernphysik betrachteten Stoßprozessen genügt sie zur Umrechnung zwischen Labor- und Schwerpunktsystem meistens (siehe Kinematik (Teilchenprozesse)). Nicht anwendbar ist sie jedoch auf elektrodynamische Phänomene.
Eine historisch wichtige Anwendung der Galileischen Relativitätstheorie, also der Nutzung der Tatsache, dass die physikalische Beschreibung in unterschiedlichen, durch Galilei-Transformation verbundenen Bezugssystemen gleich ist, ist die korrekte Ableitung der Gesetze des Elastischen Stosses von Christian Huygens (1650er Jahre, veröffentlicht 1669 und 1703 in seinem De Motu Corporum). Er korrigierte dabei die überwiegend falsche Darstellung bei René Descartes, der aber immerhin die richtige Idee hatte, bei der Analyse von Erhaltungsgrößen auszugehen (bei Descartes noch fälschlich
Seine übrigen Ergebnisse waren falsch.[3] Huygens brachte als wesentliches neues Element die Betrachtung von einem anderen, mit konstanter Geschwindigkeit
Wählt man z. B.
wofür Descartes das falsche Ergebnis
Multipliziert man aus und verwendet den Energiesatz im ruhenden System
folgt der Impuls-Erhaltungssatz:
Huygens Verwendung des Relativitätsprinzips ist in dem Buch von Ernst Mach über die Entwicklung der Mechanik herausgestellt, das Albert Einstein nachweislich stark beeinflusste und hat so möglicherweise dessen Verwendung von Bezugssystemen angeregt.[5]
Die Naturgesetze ändern sich nicht unter Galilei-Transformation. Der Ausgang eines Experiments bleibt gleich, wenn man seinen Ort einer Galilei-Transformation unterzieht. Eine Verschiebung des Orts, oder in der Zeit, oder auch der Ausrichtung ändern nichts. Eine solche Invarianz wird auch Symmetrie genannt. Nach dem Noether-Theorem ist jede solche Symmetrie mit einem Erhaltungssatz verknüpft. Aus der Invarianz der Naturgesetze unter Galilei-Transformation folgen damit die Erhaltungssätze der klassischen Mechanik. Im Einzelnen:
Betrachtet man ein quantenmechanisches System, das in einer Darstellung der Galilei-Gruppe realisiert ist, gibt es im Gegensatz zur üblichen Behandlung als Darstellung der Poincaré-Gruppe der speziellen Relativitätstheorie eine exakte Erhaltung der Masse (sog. Superauswahlregel), das heißt, es gibt keine instabilen Teilchen.[6][7]
In der Quantenmechanik werden unitäre, projektive Darstellungen im Hilbertraum betrachtet. Bei der in der Elementarteilchenphysik üblicherweise verwendeten Poincaré-, Lorentz- oder der Rotationsgruppe erhält man nach Valentine Bargmann treue Darstellungen durch Betrachtung der universellen Überlagerungsgruppe. Bei der Galileigruppe ist das nicht der Fall. Man erhält nur treue Darstellungen bis auf einen Vorfaktor, in den die Masse als Parameter eingeht. Es gibt eine eindimensional-unendliche Menge nicht äquivalenter Klassen projektiver Darstellungen (parametrisiert durch die Masse), alle nicht-äquivalent zu treuen Darstellungen, und sie sind gerade die physikalisch relevanten Darstellungen.
Weiter lässt sich ableiten, dass auch die innere Energie
Ein Beispiel der Anwendung ist der Lichtfrontformalismus (Infinite Momentum Frame)[8] in der Elementarteilchenphysik, bei dem man zu einem Bezugssystem mit im Grenzfall unendlich hoher Geschwindigkeit übergeht (wie in typischen Hochenergie-Streuexperimenten). Da man dabei näherungsweise zu einem System mit Galilei-Symmetrie übergeht gibt es erhebliche Vereinfachungen wie Ähnlichkeiten mit der nichtrelativistischen Störungstheorie, Wegfall von Feynmandiagrammen mit Paarerzeugung und -vernichtung und neue Erhaltungsgrößen.