Das Noether-Theorem (formuliert 1918 von Emmy Noether) verknüpft elementare physikalische Größen wie Ladung, Energie und Impuls mit geometrischen Eigenschaften, nämlich der Invarianz (Unveränderlichkeit) der Wirkung unter Symmetrietransformationen:
Dabei ist eine Symmetrie eine Transformation (zum Beispiel eine Drehung oder Verschiebung), die das Verhalten des physikalischen Systems nicht ändert. Es gilt auch die Umkehrung:
Eine Erhaltungsgröße eines Systems von Teilchen ist eine Funktion der Zeit $ t $, der Orte $ x $ und der Geschwindigkeiten $ v $ der Teilchen, deren Wert sich auf jeder von ihnen im Laufe der Zeit durchlaufenen Bahn $ x(t) $ nicht ändert. So ist die Energie $ E(t,x,v)={\tfrac {1}{2}}\,m\,v^{2}+V(x) $ eines nichtrelativistischen Teilchens der Masse $ m $, das sich im Potential $ V $ bewegt, eine Erhaltungsgröße. Das heißt, für jede Bahn $ x(t) $, die der Bewegungsgleichung $ m{\tfrac {\mathrm {d} ^{2}x}{\mathrm {d} t^{2}}}+\mathrm {grad} \,V(x)=0 $ genügt, gilt zu jeder Zeit $ t $:
Die Symmetrien, die zur Erhaltung der elektrischen Ladung und anderer Ladungen von Elementarteilchen gehören, betreffen Wellenfunktionen von Elektronen, Quarks und Neutrinos. Jede solche Ladung ist ein lorentzinvarianter Skalar, das heißt, sie hat in allen Bezugssystemen denselben Wert, anders als beispielsweise der Drehimpuls, die Energie oder der Impuls.
Der im Noether-Theorem formulierte Zusammenhang von Symmetrien und Erhaltungsgrößen gilt für solche physikalischen Systeme, deren Bewegungs- oder Feldgleichungen aus einem Variationsprinzip abgeleitet werden können. Man verlangt hierbei, dass das sogenannte Wirkungsfunktional einen Extremwert annimmt (siehe auch Prinzip der kleinsten Wirkung).
Bei der Bewegung von Massepunkten ist dieses Wirkungsfunktional $ S $ durch eine Lagrangefunktion der Zeit $ t $, des Ortes $ x $ und der Geschwindigkeit $ {\dot {x}}={\tfrac {\mathrm {d} x}{\mathrm {d} t}} $
charakterisiert und ordnet jeder differenzierbaren Bahnkurve $ x\colon t\mapsto x(t) $ das Zeitintegral
zu. Beispielsweise ist in Newtonscher Physik die Lagrangefunktion eines Teilchens im Potential $ \Phi $ die Differenz von kinetischer Energie $ T={\tfrac {m}{2}}v^{2} $ und potentieller Energie $ V=\Phi q $:
Die physikalisch tatsächlich durchlaufene Bahn, die zur Anfangszeit $ t_{1} $ durch den Startpunkt $ x_{1}=x(t_{1}) $ und zur Endzeit $ t_{2} $ durch den Endpunkt $ x_{2}=x(t_{2}) $ geht, macht den Wert der Wirkung im Vergleich mit allen anderen (differenzierbaren) Bahnen, die durch denselben Start- bzw. Endpunkt gehen, stationär (oder extremal). Die physikalisch tatsächlich durchlaufene Bahn erfüllt daher die Bewegungsgleichung
(Herleitung siehe Variationsrechnung). Dies entspricht gerade der Newtonschen Bewegungsgleichung
Differentialgleichungen, die sich derart aus einem Wirkungsfunktional durch Variation ableiten lassen, nennt man variationell selbstadjungiert. Alle elementaren Feld- und Bewegungsgleichungen der Physik sind variationell selbstadjungiert.
Man sagt, dass eine Differentialgleichung eine Symmetrie besitzt, wenn es eine Transformation des Raumes der Kurven gibt, die die Lösungen der Differentialgleichungen auf Lösungen abbildet. Für variationell selbstadjungierte Differentialgleichungen erhält man eine solche Transformation, wenn die Transformation das Wirkungsfunktional bis auf Randterme invariant lässt. Das Noether-Theorem besagt, dass die Invarianz des Wirkungsfunktionals gegenüber einer einparametrigen stetigen Transformationsgruppe die Existenz einer Erhaltungsgröße zur Folge hat und dass umgekehrt jede Erhaltungsgröße die Existenz einer (mindestens infinitesimalen) Symmetrie der Wirkung zur Folge hat.
Wir beschränken uns hier auf Symmetrien in der klassischen Mechanik.
Sei $ \Phi _{s} $ eine einparametrige, differenzierbare Gruppe von Transformationen, die (genügend differenzierbare) Kurven $ \Gamma \colon t\mapsto x(t) $ auf Kurven $ \Gamma _{s}\colon t\mapsto x(s,t,\Gamma ) $ abbildet, und gehöre der Parameterwert $ s=0 $ zur identischen Abbildung, $ \Phi _{0}\Gamma \colon t\mapsto x(t) $.
Beispielsweise bildet $ \Phi _{s}\Gamma =\Gamma _{s} $ mit $ \Gamma _{s}\colon t\mapsto x(t+s) $ jede Kurve $ \Gamma $ auf die um $ s $ früher durchlaufene Kurve ab. Die Transformation $ \Phi _{s}\Gamma =\Gamma _{s} $ mit $ \Gamma _{s}\colon t\mapsto x(t)+s\,c $ verschiebt jede Kurve um eine Konstante $ s\,c $.
Die Transformationen $ \Phi _{s} $ heißen lokal, wenn sich die Ableitung bei der identischen Abbildung, die infinitesimale Transformation
für alle Kurven $ \Gamma $ als Funktion $ \delta x(t,x,v) $ der Zeit, des Ortes $ x $ und der Geschwindigkeit $ v $, ausgewertet auf der Kurve $ \Gamma $, schreiben lässt,
Beispielsweise sind die Verschiebungen von Zeit und Ort lokal und gehören zur infinitesimalen Transformation $ \delta x=v $ beziehungsweise zu $ \delta x=c $.
Sei nun $ {\mathcal {L}}(t,x,v) $ die Lagrangefunktion des mechanischen Systems. Dann heißen die lokalen Transformationen $ \Phi _{s} $ Symmetrien der Wirkung, wenn sich für alle Kurven $ \Gamma $ die Lagrangefunktion bei infinitesimalen Transformationen nur um die Zeitableitung einer Funktion $ K(t,x) $, ausgewertet auf $ \Gamma $, ändert:
Denn dann ändert sich die Wirkung nur um Randterme
Der Zusammenhang dieser Definition der Symmetrie der Wirkung mit der Erhaltungsgröße wird klar, wenn man die partiellen Ableitungen der Lagrangefunktion nach $ s $ ausführt, und dabei als Kurzschrift die Definition der infinitesimalen Transformation verwendet
Ergänzt man den ersten Term zu einem Vielfachen der Bewegungsgleichung und zieht man die Ergänzung beim zweiten Term ab, entsteht
und die Definitionsgleichung einer infinitesimalen Symmetrie einer Wirkung lautet
Da aber das $ \delta x $-Fache der Bewegungsgleichungen auf den physikalisch durchlaufenen Bahnen verschwindet, besagt diese Gleichung, dass die Funktion
die zur Symmetrie gehörige Noetherladung, sich auf den physikalisch durchlaufenen Bahnen nicht ändert:
Umgekehrt ist jede Erhaltungsgröße definitionsgemäß eine Funktion $ Q(t,x,v) $, deren Zeitableitung auf physikalischen Bahnen verschwindet, also ein Vielfaches (von Ableitungen) der Bewegungsgleichungen ist. Dieses Vielfache definiert die infinitesimale Symmetrie $ \delta x $.
Ist bekannt, wie die Energie von der Geschwindigkeit abhängt, so legt diese Gleichung die Lagrangefunktion bis auf einen Anteil fest, der linear in den Geschwindigkeiten ist und nicht zur Energie beiträgt. Denn zerlegt man die Lagrangefunktion beispielsweise in Anteile $ {\mathcal {L}}_{n}v^{n} $, die homogen vom Grad $ n $ in der Geschwindigkeit sind, dann tragen sie mit $ v{\tfrac {\partial }{\partial v}}{\mathcal {L}}_{n}v^{n}-{\mathcal {L}}_{n}v^{n}=(n-1){\mathcal {L}}_{n}v^{n} $ zur Energie bei. Ist also $ \textstyle E=\sum _{n}E_{n}(x)v^{n}\, $, so ist die Lagrangefunktion
Insbesondere besteht in Newtonscher Physik die Energie aus der kinetischen Energie, die quadratisch in der Geschwindigkeit ist, $ n=2 $, und der geschwindigkeitsunabhängigen potentiellen Energie, $ n=0 $. Daher ist die Lagrangefunktion $ {\tfrac {1}{2-1}} $-mal die kinetische Energie plus $ {\tfrac {1}{0-1}} $-mal potentielle Energie. In der relativistischen Physik gilt in Maßsystemen mit $ c=1 $ für die Lagrangefunktion und die Energie eines freien Teilchens der Masse $ m $: