Boltzmann-Statistik

Boltzmann-Statistik

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Die Boltzmann-Statistik der Thermodynamik (auch Boltzmann-Verteilung oder Gibbs-Boltzmann-Verteilung, nach Josiah Willard Gibbs und Ludwig Boltzmann) gibt die Wahrscheinlichkeit eines Zustandes eines Systems an, welches im thermodynamischen Gleichgewicht an ein Wärmebad der absoluten Temperatur T gekoppelt ist, also ein kanonisches Ensemble repräsentiert (dort auch die Herleitung).

In der Quantenstatistik gehen die Fermi-Dirac-Statistik und die Bose-Einstein-Statistik bei großen Energien bzw. hohen Temperaturen jeweils in die Boltzmann-Statistik über.

Mathematisch ist die Boltzmann-Verteilung eine univariate diskrete Verteilung einer unendlichen Menge. Auf ihr basiert zum Beispiel das künstliche neuronale Netz der Boltzmann-Maschine.

Definition

Mit Wahrscheinlichkeiten

Wir nehmen an, dass alle Energien Ej, welche von Mikrozuständen angenommen werden können, mit j=1,2,...N durchnummeriert sind. Die Wahrscheinlichkeit pj, einen Mikrozustand mit Energie Ej zu messen, ist[1]:

pj=gjeβEjZ

mit

  • der kanonischen Zustandssumme Z als Normierung,
  • dem Entartungsgrad gj der Energie Ej, also der Anzahl von Zuständen gleicher Energie Ej,
  • der Energienormierung β=1/(kBT), d. h. dem Kehrwert der thermischen Energie. kB bezeichnet die Boltzmannkonstante und T die Temperatur.

Der Faktor eβEj=eEjkBT wird auch Boltzmann-Faktor genannt.

Man erhält die Boltzmann-Statistik aus der Annahme, dass alle Zustände im abgeschlossenen Gesamtsystem, welches das betrachtete System und das Wärmebad umfasst, a priori gleich wahrscheinlich sind.

Mit Teilchenzahlen

Die Boltzmann-Statistik lässt sich auch durch Teilchenzahlen ausdrücken. Die Zahl Nj der Teilchen, die den Zustand j besetzen, ist:

Nj=N0gjeβEj

mit der Teilchenzahl N0 des 0-ten Zustands.

Gleichwertigkeit der beiden Definitionen

Die Formeln lassen sich ineinander überführen, da im Gleichgewicht die tatsächliche Besetzung jedes Zustands gerade proportional ist zur Wahrscheinlichkeit, dass der Zustand besetzt wird.
Beispiel: wird bei zehn Teilchen der obere Zustand jeweils mit Wahrscheinlichkeit 10 % besetzt, dann ist im Gleichgewicht eines der zehn Teilchen in diesem Zustand.

Mit der Gesamtzahl N aller Teilchen, d. h. der Summe aller einzelnen Besetzungszahlen Nk, gilt:

pj=NjN=Njk=0Nk=N0gjeβEjk=0N0gkeβEk=gjeβEjk=0gkeβEk=1ZgjeβEj

Dabei wurde benutzt, dass k=0gkeβEk=Z die Zustandssumme Z darstellt.

Simulation

Stichproben, die der Boltzmann-Verteilung genügen, werden standardmäßig mit Markov-Chain-Monte-Carlo-Verfahren erzeugt. Insbesondere wurde der Metropolisalgorithmus extra für diesen Zweck entwickelt.

Bedeutung

Die Boltzmann-Statistik ist anwendbar auf klassische und quantenmechanische Systeme: magnetische Eigenschaften von Festkörpern, Phononen, Gasen usw.

Bei klassischen Systemen (wie z. B. dem idealen Gas) bilden die System-Zustände ein Kontinuum. Das richtige Gewicht oder Maß für die Wahrscheinlichkeitsverteilung ist hier (bis auf einen für die klassische Physik irrelevanten Faktor) das Volumen im Phasenraum.

Gibbs gab den konstanten Faktor heuristisch mit 1/h3 pro Teilchen an, was erst im Rahmen der Quantenmechanik richtig eingeordnet werden konnte: die Konstante h ist mit dem Planckschen Wirkungsquantum zu identifizieren.

Der zu den Zuständen gehörige 6N-dimensionale Phasenraum ist durch die Menge aller kontinuierlichen Orte und Impulse aller Gasteilchen gegeben. Das heißt, wird die Zustandssumme über ein Phasenraumintegral berechnet, so muss entsprechend die Vielfachheit des Zustandes berücksichtigt werden, was in einem Gas mit N ununterscheidbaren Teilchen 1/N! ist. Dies nennt man auch die korrigierte Boltzmannabzählung.

Weblinks

  • Eintrag in Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.Vorlage:SEP/Wartung/Parameter 1 und weder Parameter 2 noch Parameter 3

Literatur

  • Achim Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2008, ISBN 978-3-540-76317-8
  • Gerd Wedler: Lehrbuch der Physikalischen Chemie. 4. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 1997, ISBN 3-527-29481-3, S. 93–102
  • Günther Harsch: Vom Würfelspiel zum Naturgesetz – Simulation und Modelldenken in der Physikalischen Chemie. VCH, Weinheim 1985, ISBN 3-527-26226-1, S. 41–98

Anmerkung

  1. Anmerkung: Die Wahrscheinlichkeit, einen ganz bestimmten Mikrozustand α zu finden, ist gegeben durch: pα=eβE~αZ, wobei E~α die Energie dieses einen Mikrozustandes ist.