Mathematisch ist die Boltzmann-Verteilung eine univariate diskrete Verteilung einer unendlichen Menge. Auf ihr basiert zum Beispiel das künstliche neuronale Netz der Boltzmann-Maschine.
Definition
Mit Wahrscheinlichkeiten
Wir nehmen an, dass alle Energien $ E_{j} $, welche von Mikrozuständen angenommen werden können, mit $ j=1,2,...N $ durchnummeriert sind. Die Wahrscheinlichkeit $ p_{j} $, einen Mikrozustand mit Energie $ E_{j} $ zu messen, ist[1]:
der kanonischen Zustandssumme $ Z $ als Normierung,
dem Entartungsgrad$ g_{j} $ der Energie $ E_{j} $, also der Anzahl von Zuständen gleicher Energie $ E_{j} $,
der Energienormierung $ \beta =1/(k_{\rm {B}}\cdot T) $, d. h. dem Kehrwert der thermischen Energie. $ k_{\rm {B}} $ bezeichnet die Boltzmannkonstante und $ T $ die Temperatur.
Der Faktor $ {\rm {e}}^{-\beta \cdot E_{j}}={\rm {e}}^{-{\frac {E_{j}}{k_{\rm {B}}\cdot T}}} $
wird auch Boltzmann-Faktor genannt.
Man erhält die Boltzmann-Statistik aus der Annahme, dass alle Zustände im abgeschlossenen Gesamtsystem, welches das betrachtete System und das Wärmebad umfasst, a priori gleich wahrscheinlich sind.
Mit Teilchenzahlen
Die Boltzmann-Statistik lässt sich auch durch Teilchenzahlen ausdrücken. Die Zahl $ N_{j} $ der Teilchen, die den Zustand $ j $ besetzen, ist:
mit der Teilchenzahl $ N_{0} $ des $ 0 $-ten Zustands.
Gleichwertigkeit der beiden Definitionen
Die Formeln lassen sich ineinander überführen, da im Gleichgewicht die tatsächliche Besetzung jedes Zustands gerade proportional ist zur Wahrscheinlichkeit, dass der Zustand besetzt wird.
Beispiel: wird bei zehn Teilchen der obere Zustand jeweils mit Wahrscheinlichkeit 10 % besetzt, dann ist im Gleichgewicht eines der zehn Teilchen in diesem Zustand.
Mit der Gesamtzahl $ N $ aller Teilchen, d. h. der Summe aller einzelnen Besetzungszahlen $ N_{k} $, gilt:
Dabei wurde benutzt, dass $ \sum _{k=0}^{\infty }g_{k}\cdot {\rm {e}}^{-\beta \cdot E_{k}}=Z $ die Zustandssumme Z darstellt.
Simulation
Stichproben, die der Boltzmann-Verteilung genügen, werden standardmäßig mit Markov-Chain-Monte-Carlo-Verfahren erzeugt. Insbesondere wurde der Metropolisalgorithmus extra für diesen Zweck entwickelt.
Bedeutung
Die Boltzmann-Statistik ist anwendbar auf klassische und quantenmechanische Systeme: magnetische Eigenschaften von Festkörpern, Phononen, Gasen usw.
Bei klassischen Systemen (wie z. B. dem idealen Gas) bilden die System-Zustände ein Kontinuum. Das richtige Gewicht oder Maß für die Wahrscheinlichkeitsverteilung ist hier (bis auf einen für die klassische Physik irrelevanten Faktor) das Volumen im Phasenraum.
Gibbs gab den konstanten Faktor heuristisch mit $ 1/h^{3} $ pro Teilchen an, was erst im Rahmen der Quantenmechanik richtig eingeordnet werden konnte: die Konstante $ h $ ist mit dem Planckschen Wirkungsquantum zu identifizieren.
Der zu den Zuständen gehörige $ 6N $-dimensionale Phasenraum ist durch die Menge aller kontinuierlichen Orte und Impulse aller Gasteilchen gegeben. Das heißt, wird die Zustandssumme über ein Phasenraumintegral berechnet, so muss entsprechend die Vielfachheit des Zustandes berücksichtigt werden, was in einem Gas mit $ N $ununterscheidbaren Teilchen$ 1/N! $ ist. Dies nennt man auch die korrigierte Boltzmannabzählung.
Weblinks
Eintrag in Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.Vorlage:SEP/Wartung/Parameter 1 und weder Parameter 2 noch Parameter 3
Literatur
Achim Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2008, ISBN 978-3-540-76317-8
Gerd Wedler: Lehrbuch der Physikalischen Chemie. 4. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 1997, ISBN 3-527-29481-3, S. 93–102
Günther Harsch: Vom Würfelspiel zum Naturgesetz – Simulation und Modelldenken in der Physikalischen Chemie. VCH, Weinheim 1985, ISBN 3-527-26226-1, S. 41–98
Anmerkung
↑Anmerkung: Die Wahrscheinlichkeit, einen ganz bestimmten Mikrozustand $ \alpha $ zu finden, ist gegeben durch: $ p_{\alpha }={\frac {e^{-\beta {\tilde {E}}_{\alpha }}}{Z}} $, wobei $ {\tilde {E}}_{\alpha } $ die Energie dieses einen Mikrozustandes ist.