Das Crew Space Transportation System (CSTS) war eine Studie für ein bemanntes Raumfahrzeug, das gemeinsam von Roskosmos und der ESA entwickelt werden sollte und 2009 endgültig eingestellt wurde.
Das CSTS war bis Mitte 2006 unter dem Namen Advanced Crew Transportation System (ACTS) bekannt. Ein erstes Konzept sollte bis Juni 2007 vorliegen. Ein Jahr später sollte dann auf der ESA-Ministerkonferenz über den eigentlichen Bau des CSTS entschieden werden.[1]
Mit dem CSTS sollte es möglich sein, ähnlich wie mit dem geplanten US-amerikanischen Raumschiff Orion, sowohl im niedrigen Erdorbit zu operieren, als auch Flüge zum Mond durchzuführen. Geplant war eine Neuentwicklung auf Basis des Sojus-Raumschiffs, die von einer bestehenden oder in Planung befindlichen Trägerrakete (z. B. Sojus 2-3) ins All befördert werden sollte.
Die japanische Raumfahrtagentur JAXA hätte sich unter Umständen auch an dem Projekt beteiligt.[1]
Ende Januar 2009 wurden Unstimmigkeiten zwischen Roskosmos und der ESA publik. Am 18. März 2009 stellten die Vertragspartner in einer gemeinsamen Erklärung die Beendigung des Programmes fest. Als Grund wurde angegeben, dass es nicht gelang, die finanziellen Vorstellungen Moskaus mit den Interessen Europas auf eine gleichberechtigte Partnerschaft in Einklang zu bringen. Roskosmos entwickelte das Projekt zunächst unter dem PPTS weiter.[2] Später wurde daraus ein „Bemanntes Transportschiff neuer Generation“ (PTK NP), das schließlich den Namen Federazija bekam.[3]
Im Januar 2004 kündigte US-Präsident Bush seine „Vision for Space Exploration“ an. Das Programm sah unter anderem vor, dass die Vereinigten Staaten von Amerika ab dem Jahr 2020 wieder bemannte Flüge zum Mond und ab 2030 auch bemannte Flüge zum Mars durchführen sollten.
Eine internationale Zusammenarbeit an dem für diesen Zweck zu entwickelnden Raumschiff Orion lehnte NASA-Administrator Michael Griffin jedoch 2006 offiziell ab.
Bereits seit 2004 liefen bei Roskosmos Planungen für einen Nachfolger des Sojus-Raumschiffs names Kliper. Trotz positiver Haltung des ESA-Managements lehnte die ESA-Ministerkonferenz 2005 in Berlin eine Beteiligung an Kliper ab, aus Sorge, die ESA könnte bei der Entwicklung lediglich eine Nebenrolle spielen. Die Ausschreibung für Kliper wurde im Sommer 2006 auch von russischer Seite ohne Zuschlag beendet, offiziell mit der Begründung, dass kein Vorschlag den Kriterien entsprochen habe.
Am 25. Juli 2006 kündigte ESA-Direktor Jean-Jacques Dordain auf der Farnborough Flugshow an, dass die Studie über das CSTS Anfang September 2006 beginnen und etwa 18 Monate (bis Anfang 2008) dauern sollte. Die Kosten auf Seite der ESA beliefen sich für die Studie auf 15 Millionen Euro, die von sieben europäischen Staaten, darunter Deutschland, Frankreich und Italien, aufgebracht wurden. Das Budget der russischen Seite wurde nicht bekannt gegeben.
Die ESA hatte mehrfach verlauten lassen, dass die Studie zum eigenen Raumschiffsystem kein Konkurrenzprogramm zum US-amerikanischen Orion-Raumschiff darstellen sollte, vielmehr hatte etwa Marco Caporicci, Teammitglied im bemannten ESA-Programm, klargestellt:
„Wir wollen kein Wettrennen mit den Amerikanern, die Systeme sollen sich vielmehr ergänzen.“[1]
Andererseits hatte etwa Daniel Sacotte, Direktor für den bemannten Raumflug bei der ESA, über die Ziele der ESA gesagt:
„Wir werden versuchen, unsere Abhängigkeit von anderen Partnern nicht zu stark werden zu lassen. Das ist unsere Priorität.“
Manuel Valls, ESA-Stratege mit Bezug zum bemannten Raumflug der ESA, ergänzte diese Aussage mit Bezug auf die russische Kooperation:
„Unser langfristiges Ziel ist es, dieses neue System gemeinsam mit den Russen zu entwickeln und zu betreiben.“
Das fertige Schiff sollte "gemeinsames Eigentum" von Russen und Europäern werden.
Zu den Teilgebieten der Studie gehörten laut Aussage von Jean-Jacques Dordain:
Nach Medienangaben sollte der Kern von CSTS ein Raumschiff sein, das auf dem Grundprinzip des Sojus-Raumschiffes basiert. Es sollte Stauraum für mehr Vorräte für längere Missionen, einen verbesserten Hitzeschild für eine höhere Wiedereintrittsgeschwindigkeit in die Erdatmosphäre, ein neues interplanetarisches Navigationssystem und Platz für eine drei- oder vierköpfige Besatzung haben. Die Missionsdauer sollte mindestens 18 Tage betragen. Die Leermasse hätte, insbesondere aufgrund der längeren Missionsdauer und der Vergrößerung für vier Personen, bei mindestens 10 t gelegen (Sojus-TMA: 7,2 t).
Das CSTS-Raumschiff sollte, wie das Sojus-Raumschiff, aus drei Teilen bestehen:
Vorteile eines dreiteiligen Konzeptes gegenüber dem zweiteiligen CEV- bzw. Apollokonzept:
Nach einem Arbeitspapier der ESA zum Status des europäischen strategischen Programms zur Weltraumerforschung vom 12. September 2006[5] beschäftigte sich die CSTS-Studie auch mit anderen Varianten, wie etwa Lifting-Body-Konzepten, bei denen der Flugkörper selbst mit Auftrieb erzeugt, und sogenannten „Advanced capsules“, also Wiedereintrittskapseln mit neuen Außenabmessungen.
Die wahrscheinlichste Trägerrakete für das etwa zehn Tonnen schwere CSTS-Raumschiff war eine Weiterentwicklung der russischen Sojus-Rakete. Ab 2010 sollten Sojus-Raketen sowohl vom kasachischen Baikonur als auch vom Weltraumbahnhof Kourou gestartet werden können. Manuel Valls (ESA) hoffte dabei auf den Bau der Sojus-2-3, eine Weiterentwicklung der Sojus-Rakete, die ab 2010/2011 zur Verfügung stehen und elf Tonnen von Baikonur sowie 12,7 Tonnen von Kourou starten könnte. Der Einsatz von sogenannten „Heavy Liftern“ wie Ariane 5 oder Proton wurde hingegen nicht in Erwägung gezogen, da diese nicht für den bemannten Raumflug zugelassen sind und somit zusätzliche Kosten entstehen würden.
Bei einem Flug zum Mond kämen jedoch noch einmal mindestens 115 % (sofern eine Stufe mit flüssigem Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff (LH2/LOX) verwendet würde) der Masse des CSTS-Raumschiffes für ein Mondflugmodul (Earth-Departure-Stage) hinzu. Dieses Modul sollte das Raumfahrzeug auf die für einen Mondflug erforderliche Fluchtgeschwindigkeit beschleunigen. Danach müsste das CSTS-Raumschiff alle weiteren Beschleunigungsschübe bzw. Kurskorrekturen selbst durchführen. Zusätzlich würde der Bedarf an Vorräten (Nahrung, Wasser, Sauerstoff usw.) steigen.
Da weder die ESA noch Roskosmos die nötigen Mittel für eine neue Schwerlastrakete der Größe einer Saturn V, einer Ares V oder einer Energija aufbringen wollten, lag es nahe, das CSTS auf zwei oder mehr Raketenstarts aufzuteilen und die Teile im Erdorbit zu koppeln.
Da das CSTS-Programm inzwischen beendet ist, bleiben die folgenden Missionsszenarien reine Planung.
Ein CSTS-Raumschiff sollte 2012 bzw. nach anderen Presseartikeln 2014 als erste funktionsfähige Version des CSTS für LEO-Flüge (z. B. zur ISS) genutzt werden. (Vor-)Planungen der ESA für eine bemannte Mondmission im Rahmen des Aurora-Programms gingen dagegen von einem möglichen Start zwischen 2020 und 2025 aus.
Eine weiterentwickelte Version des CSTS sollte sowohl bemannte Mondflüge ermöglichen, bei denen der Mond nur einmal umrundet und kein stabiler Mondorbit (LLO) erreicht wird, als auch bemannte Mondflüge, bei denen eine stabile Mondumlaufbahn erreicht wird.
In einer Variante würde das CSTS von Kourou oder Baikonur aus starten und an die ISS andocken. Die Raumfahrer verbleiben auf der ISS, bis eine zusätzliche Antriebsstufe in eine Erdumlaufbahn gestartet würde. Anschließend würde das CSTS-Raumschiff von der ISS ab- und an die Antriebsstufe ankoppeln, bevor diese das System in eine Mondtransferbahn beschleunigt.
Eine bemannte Mondlandung würde anders als ein Mondvorbeiflug ablaufen, da das CSTS-Raumschiff in den Mondorbit eintreten und ihn am Ende der Mission auch wieder verlassen müsste, was mehr Treibstoff erfordert. Zusätzlich würde mindestens ein dritter Raketenstart für ein Mondlandemodul benötigt.