In der Teilchenphysik werden Elementarteilchen, die an der schwachen Wechselwirkung teilnehmen, als mit einer schwachen Ladung behaftet angesehen (englisch: weak charge, auch $ Q_{\text{weak}} $). Dies geschieht in Analogie zur elektromagnetischen Wechselwirkung (elektrische Ladung) und zur starken Wechselwirkung (Farbladung).
Anhand eines Vergleichs mit der elektromagnetischen Wechselwirkung wird der Begriff schwache Ladung anschaulich.
Die Ladung der elektromagnetischen Wechselwirkung ist die Elementarladung e. Alle in der Natur vorkommenden elektrischen Ladungen Q sind ein ganzzahliges Vielfaches dieser Elementarladung, nur bei den nicht frei vorkommenden Quarks gibt es Ladungen von (±2/3)e und (±1/3)e, bei den hypothetischen Leptoquarks (±4/3)e (X-Bosonen) und (±1/3)e (Y-Bosonen). Allgemein gilt für die elektrische Ladung
wobei z die dimensionslose Ladungsquantenzahl (auch Ladungszahl) gerade die Anzahl der Teilchen mit positiver Elementarladung minus die negativer Elementarladung ist. Bei Atomkernen ist z identisch mit der Protonenzahl Z und bei Ionen aus der Differenz der Protonen und Elektronen.
Die elektromagnetische Kraft zwischen zwei Elementarteilchen, aber auch zwischen zwei makroskopischen Körpern ist proportional zum Produkt der elektrischen Ladungen:
Bei der schwachen Ladung liegen nun die Verhältnisse entsprechend: Elementarteilchen können positive oder negative schwache Ladung tragen oder bzgl. der schwachen Wechselwirkung neutral sein. Die aus der schwachen Wechselwirkung resultierende Kraft zwischen ihnen ist proportional zum Produkt der schwachen Ladungen.
Allerdings besteht ein gravierender Unterschied hinsichtlich der Reichweite. Da die Wechselwirkungen über virtuelle Eichbosonen vermittelt werden, kann man die beschränkte Reichweite der schwachen Wechselwirkung über die Heisenbergsche Unschärferelation mit der großen Masse der W und Z-Bosonen ($ m_{Z}\approx m_{W}\approx 1{,}5\cdot 10^{-25}\,\mathrm {kg} $) erklären:
mit der reduzierten Compton-Wellenlänge rC. Die elektromagnetische Wechselwirkung kann dank der masselosen Photonen beliebig kleine Photonenenergien bei entsprechend kleiner Frequenz $ E_{\gamma }=\nu \hbar >0 $ haben und hat daher eine unendliche Reichweite:
Die Kopplungsstärke g der schwachen Wechselwirkung ist mit der Elementarladung e über
verknüpft; dabei ist ΘW der sogenannte Weinbergwinkel, der mit CODATA 2014 als 28,13° ermittelt wurde, sowie das Quadrat des Sinus mit sw² = 0,2223(21). Daraus berechnet sich
Die Kopplungen der schwachen Wechselwirkung sind abhängig von der Chiralität (Links- oder Rechtshändigkeit) der beteiligten Teilchen.
Die linkshändigen Fermionen (und rechtshändigen Anti-Fermionen) ordnen sich zu Dubletts wie z. B. das Elektron und das zugehörige Neutrino (e, νe)L oder die Quarks Up und Down (u, d)L; genaueres findet sich im Artikel über den 'schwachen Isospin'.
Die rechtshändigen Fermionen (und linkshändigen Anti-Fermionen) treten in Singuletts auf wie z. B. eR, νeR, uR, dR. Bei ihnen ist der schwache Isospin T = 0 und damit auch dessen dritte Komponente Tz = 0.
Rechtshändige Neutrinos (und linkshändige Antineutrinos) kommen im Standardmodell nicht vor. Als 'real neutral particles' würden sie nur über ihre Masse wechselwirken; im 'reinen' Standardmodell haben die Neutrinos jedoch auch keine Masse. Die beobachteten Neutrinooszillationen sind allerdings ein Hinweis, dass Neutrinos doch eine (sehr kleine) Masse haben, was zu Spekulationen über rechtshändige Neutrinos und linkshändige Antineutrinos Anlass gibt.
Die W-Bosonen sind selbst elektrisch geladen und haben einen schwachen Isospin (W−: Ladungszahl = −1, Tz = −1, W+ umgekehrt). Daher sind die W-Bosonen selbst an der elektromagnetischen wie auch an der schwachen Wechselwirkung beteiligt. Das Z-Boson hat wie das Photon keine Ladung und Tz = 0.
Näheres über die Kopplung der Austauschbosonen der elektroschwachen Wechselwirkung an Fermionen steht im Artikel Weinbergwinkel[1]
Kopplung der Photonen (Lichtquanten) γ an Fermionen f:
Das ist der rein elektromagnetische Fall. Die Händigkeit der Fermionen ist hier ohne Belang.
Kopplung der W-Bosonen W± an Fermionen f:
Dabei ist Tz die dritte Komponente des schwachen Isospins T (oder IW). Wegen der formalen Ähnlichkeit kann dieses Produkt als 'schwache Ladung' QW bezeichnet werden. Analog zum elektromagnetischen Fall misst Tz die schwache Ladung in Einheiten von g (Kopplungsstärke oder 'schwache Elementarladung'). Für rechtshändige Fermionen (und linkshändige Anti-Fermionen) ist Tz = 0, d. h. es gibt keine solche Kopplung[2][3][4][5][6]
Besonders im deutschsprachigen Raum wird dagegen gelegentlich die Kopplungsstärke g (oder auch g ' mit e = g ' cos ΘW) selbst als schwache Ladung bezeichnet.[7][8][9]
Kopplung der Z-Bosonen Z0 an Fermionen f:
wobei zf wieder für die Ladungszahl steht. Für rechtshändige Fermionen (und linkshändige Antifermionen) mit Tz = 0 vereinfacht sich der obige Ausdruck zu:
Die schwachen Ladungen QZ setzen sich also aus einem Produkt der Kopplungsstärke g/cos θW und der schwachen Ladungszahl Tz - zfsin2θW zusammen. Dabei wird letztere oft selbst als 'schwache Ladung' bezeichnet. Mit der Abkürzung x = sin2θW ist diese für die einzelnen Fermionen:
(νe, νμ, ντ)L | 1/2 |
(e, μ, τ)L | −1/2 + x |
(e, μ, τ)R | x |
(u, c, t)L | 1/2 − 2/3 x |
(d, s, b)L | −1/2 + 1/3 x |
(u, c, t)R | −2/3 x |
(d, s, b)R | 1/3 x |
Dabei sind e, μ, τ die massiven Leptonen; νe, νμ, ντ die Neutrinos; u, c, t die Up-ähnlichen Quarks (Ladungszahl +2/3); d, s, b die Down-ähnlichen Quarks (Ladungszahl −1/3). Für die Antiteilchen gilt jeweils dasselbe mit vertauschtem Vorzeichen und vertauschter Händigkeit (L,R).