Die Abraham-Lorentz-Gleichung (benannt nach den Physikern Max Abraham und Hendrik Antoon Lorentz) ist ein Ergebnis der klassischen Elektrodynamik. Sie stellt eine Bewegungsgleichung für Punktladungen unter Berücksichtigung der Rückwirkung des Teilchens auf sich selbst dar, führt bei ihrer Lösung jedoch zu fundamentalen Problemen im Rahmen der klassischen Theorie.
Im Rahmen der kovarianten Formulierung der Elektrodynamik wird die Bewegung eines Teilchens der Masse $ m $ und Ladung $ q $ in einem Feld (Feldstärketensor $ F $) beschrieben durch die Einstein-Lorentz-Gleichung:
mit
Berücksichtigt man, dass das Teilchen nicht nur durch das mit $ F $ beschriebene externe Feld beeinflusst wird, sondern auch selbst bei seiner Bewegung ein Feld ausstrahlt, das auf es selbst zurückwirkt, ergibt sich daraus die Abraham-Lorentz-Gleichung:
Ein Problem in der Herleitung der Rechnung ist, dass auf der linken Seite eigentlich ein Faktor $ m-\beta $ steht, wobei $ \beta $ unendlich werden kann. Deshalb muss man eine Massen-Renormierung durchführen. Das bedeutet, erst diesen gesamten Faktor als die messbare Masse aufzufassen und wieder in obiger Form $ m $ zu schreiben.
Selbst dieser (im klassischen Rahmen bereits fragwürdige) Trick reicht jedoch nicht aus, die physikalische Aussagekraft der Gleichung zu retten: Die rechte Seite enthält eine dritte Ableitung der Bahnkurve, was nach den üblichen Prinzipien der Mechanik in einer Bewegungsgleichung nicht passieren darf. Tatsächlich erlaubt die Gleichung dadurch sogenannte run-away solutions (weglaufende Lösungen), bei denen ein Teilchen nur kurz beschleunigt wird (Anfangsbedingung $ x'''(0)\neq 0 $) und danach ohne weitere äußere Einwirkung auf unendliche Geschwindigkeit beschleunigt, was offenbar keine physikalische Realität beschreibt.
Diese Paradoxa zeigen die Unvollständigkeit der klassischen Elektrodynamik. Die Strahlungsrückwirkung bewegter Teilchen wird durch die Quantenelektrodynamik zwar besser beschrieben, doch auch hier finden sich die Probleme mit Unendlichkeiten.
Skript Elektrodynamik, Prof. Petry, Universität Bonn (.pdf-Datei, S. 115ff; 648 kB)