Die Besselschen Elemente sind geometrische Größen, die Friedrich Wilhelm Bessel einführte, um die lokalen Gegebenheiten bei einer Sonnenfinsternis an einem Beobachtungsort auf der Erde zu beschreiben. Neben Sonnenfinsternissen kann das damit verbundene Prinzip auch bei Stern- oder Planetenbedeckungen durch den Mond sowie den Transiten von Venus und Merkur vor der Sonne verwendet werden. Die bei Mondfinsternissen vorgenommenen Berechnungen ähneln der Berechnung der Besselschen Elemente, wobei in diesem Fall der Schatten nicht auf die Erde, sondern auf den Mond fällt.
Bei Sonnenfinsternissen kann beispielsweise basierend auf den Besselschen Elementen die Bedeckungsdauer an einem bestimmten Ort ermittelt werden, oder es ist der Pfad bestimmbar, auf dem der Kernschatten des Mondes die Erdoberfläche überstreicht. Dieses Berechnungsverfahren wurde 1829 durch Bessel entwickelt und später von William Chauvenet verfeinert.
Die grundlegende Idee des Verfahrens ist, dass die Besselschen Elemente die Bewegung des Schattens wiedergeben, den der bedeckenden Himmelskörper – bei Sonnenfinsternissen ist dies der Mond – auf einer gedachten Fundamentalebene verursacht. Bei dieser handelt es sich um die geozentrische Normalebene der Schattenachse, in der der Erdmittelpunkt liegt und die senkrecht auf der Achse des Schattenkegels steht. Letzteres ist die Gerade, die durch die Zentren des bedeckten und des bedeckenden Himmelskörpers geht.[1]
Zur Beschreibung der Bewegung des Schattens in dieser geeignet gewählten Ebene ist die Angabe vergleichsweise weniger Größen ausreichend – bei hinreichender Genauigkeit. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der Schatten während des gesamten Finsternisverlaufs in dieser Ebene immer kreisförmig ist und keiner perspektivischen Verzerrung unterliegt.[2] In einem zweiten Schritt werden die Werte für die Erdoberfläche errechnet, in dem die Schnittkurven der Schattenkegel mit der Erdoberfläche bestimmt werden, wobei erst dann die annähernde Kugelform der Erde, die Erddrehung sowie die Lage und Höhe des Beobachtungsorts berücksichtigt werden müssen.
Dieses Verfahren, Stern- und Planetenbedeckungen sowie Sonnenfinsternisse zu beschreiben, wurde vom deutschen Wissenschaftler Friedrich Wilhelm Bessel in den 1820er Jahren ausgearbeitet. Die erste Arbeit Bessels zum Thema Sternbedeckungen findet sich in den Astronomischen Nachrichten Nr. 50 aus dem Jahre 1824, in der er einige Berechnungen auf Basis zuvor beobachteter Sternbedeckungen anstellte.[3] Im Jahr 1829 veröffentlichte er eine verallgemeinernde Arbeit Ueber die Vorausberechnung der Sternbedeckungen in den Astronomischen Nachrichten Nr. 145.[4] Noch im selben Jahr entwickelte er die Idee weiter, indem er das Verfahren mit dem Ziel der Anwendung für Planetenbedeckungen und Sonnenfinsternisse verallgemeinerte.[5][6]
Bis zu diesem Zeitpunkt wurden zur Berechnung zwei unabhängige Verfahren mit unterschiedlichen Zielen verwendet. Das erste Verfahren diente der Bestimmung der Gegebenheiten, wie sie sich einem Beobachter an einem konkreten Ort darstellten. Die hierbei verwendete Methode ging bereits auf Johannes Kepler zurück und war später von Jérôme Lalande und Johann Gottlieb Friedrich von Bohnenberger weiterentwickelt worden. Das zweite Verfahren, das auf Joseph-Louis Lagrange zurückzuführen ist, diente der Berechnung des Zeitpunktes der Konjunktion. Da sich dieses Verfahren auf den Erdmittelpunkt bezog und keine Aussage über lokale Gegebenheiten auf der Erdoberfläche machen konnte, wurde es zur Berechnung von Finsternissen weniger häufig angewandt als das erste. Es vereinfachte jedoch viele andere astronomische Berechnungen. Bessels Ansatz bestand nun darin, Lagranges Verfahren so weiterzuentwickeln, dass damit auch die Berechnung der lokalen Gegebenheiten möglich wurde, womit er eine Kombination beider Verfahren erreichte.[5]
Im zweiten Band seiner Astronomischen Untersuchungen veröffentlichte Bessel 1842 eine vier Abschnitte umfassende Abhandlung mit dem Titel Analyse der Finsternisse. Darin fasste er seine bisher veröffentlichten Arbeiten zu diesem Thema zusammen und rundete sie durch einige Ergänzungen ab.[7] Diese Veröffentlichung diente als Grundlage für viele Astronomen, die sich später mit diesem Thema auseinandersetzten. Peter Andreas Hansen verwendete in seinem 1858 veröffentlichten Werk Theorie der Sonnenfinsternisse und verwandter Erscheinungen abweichend von Bessel die Schnittgerade der Ekliptik mit der Fundamentalebene als
Wenn auch die Berechnungen von Finsternissen nicht mehr manuell, sondern elektronisch erfolgen, haben die Besselschen Elemente ihre Bedeutung nicht verloren. Im Gegenteil, sie stellen das Bindeglied zwischen den Berechnungen des Zeitpunkts des Auftretens einer Finsternis sowie den Berechnungen der lokalen Gegebenheiten dar. Viele Computerprogramme sind auf eine der beiden Berechnungen spezialisiert, wobei die Besselschen Elemente sozusagen als Schnittstelle fungieren.[9]
Die an einem Ort auf der Erdoberfläche beobachtbare gegenseitigen Bedeckung von Gestirnen hängt von den Bahndaten des bedeckten entfernteren sowie des bedeckenden näheren ab. Diese Daten (Ephemeriden) werden üblicherweise als Winkel Rektaszension und Deklination angegeben. Diese Winkel beziehen sich als geozentrische Koordinaten auf den Erdmittelpunkt, so dass aus ihnen nicht direkt die Gestirnsbedeckung zu entnehmen ist, die an einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche zu beobachten ist.
Um eine Bedeckung in einem Punkt auf der Erdoberfläche zu beschreiben, müssen die aus Tafeln entnommenen oder anderweitig bekannten Bahndaten der beiden Himmelskörper umgerechnet werden. Die Besselschen Elemente dienen der Beschreibung des Verlaufs sowie der Größe des Kern- und Halbschattens in der Fundamentalebene. Es ist einerseits nicht schwierig, den Verlauf des Schattens in dieser Ebene ausgehend von den Bahndaten der Himmelskörper zu beschreiben, zum anderen ist auch eine recht einfache Umrechnung auf einen Beobachtungspunkt möglich. Für letztere Umrechnung enthalten die Besselschen Elemente auch Angaben, wie die Fundamentalebene gegenüber dem Nullmeridian und der Äquatorebene verdreht ist.
Die Bedeckung der Sonne durch den Mond stellt im Hinblick auf die Beschreibung der Gegebenheiten auf der Erde den kompliziertesten Okkultationstyp dar, da sowohl der bedeckte Körper – die Sonne – als auch der bedeckende Körper – der Mond – nicht zu vernachlässigende Sehwinkel haben. Zudem muss die scheinbare Bewegung der Sonne während der Bedeckung berücksichtigt werden.[10]
Zunächst wird ein rechtwinkliges Koordinatensystem eingeführt, das als fundamentales oder Besselsches Koordinatensystem bezeichnet wird. Dabei wird von der Schattenachse ausgegangen, der Verbindungsgeraden des Zentrums von Sonne und Mond. Die Parallele der Schattenachse, die durch den Erdmittelpunkt geht, stellt die
Die ersten beiden Größen der Besselschen Elemente sind die Koordinaten
Neben diesen sechs Größen, die sich im Verlauf der Finsternis ändern, gibt es noch zwei weitere Größen, die als konstant betrachtet werden können: Die Größen
Die für Sonnenfinsternisse verwendeten Besselschen Elemente gehen aus vom zeitlichen Verlauf der geozentrischen Positionen von Sonne und Mond, die über deren Ephemeriden verfügbar sind.[A 1][11] Eine Möglichkeit zur Berechnung des Auftretens von Sonnenfinsternissen ist, die Positionen von Sonne und Mond sofort in das fundamentale Koordinatensystem umzurechnen.[12] Dann kann recht leicht ermittelt werden, ob und wann die Schattenachse die Fundamentalebene innerhalb des Erdglobus durchstößt – was bedeutet, dass sich eine zentrale, also totale oder ringförmige Finsternis ereignet.
Es gibt andere Möglichkeiten, das Auftreten von Sonnenfinsternissen zu berechnen, beispielsweise über die Finsternis-Limite. Aber auch in diesem Fall müssen die Positionen von Sonne und Mond für den Finsternisverlauf in das fundamentale Koordinatensystem umgerechnet werden, um auf Basis der Besselschen Elemente lokale Gegebenheiten an jedem Ort der Erde berechnen zu können.[13][14]
Basierend auf den geozentrischen Koordinaten und den Entfernungen von Sonne und Mond können die Besselschen Elemente für einen bestimmten Zeitpunkt berechnet werden. Aus Deklination
Als Einheit für die Entfernungen dient üblicherweise der Äquatorradius der Erde. In der Literatur wird die Entfernung häufig durch die Parallaxe ausgedrückt, die den Ephemeridentafeln entnommen werden kann. Da die Parallaxe
Im Folgenden werden als erste der Besselschen Elemente die Deklination
Zur Umrechnung in das fundamentale Koordinatensystem werden die Einheitsvektoren
Da die Richtung der
Durch Gleichsetzen der beiden Darstellungen von
Unter Verwendung dieser Einheitsvektoren können nun die Koordinaten von Sonne und Mond in diesem Koordinatensystem bestimmt werden. Aufgrund der Definition der Fundamentalebene sind die
Die Winkel zwischen der Schattenachse und den Tangenten an Sonne und Mond, die die Kegelmäntel des Halb- und Kernschattens bilden, können mittels eines Hilfsdreiecks ermittelt werden. Dabei werden die Tangenten parallel verschoben, so dass sie durch den Mondmittelpunkt gehen (siehe Abbildung rechts). Hypotenuse beider Dreiecke ist die Verbindungslinie des Sonnen- und Mondmittelpunkts, die Gegenkatheten der gesuchten Winkel bilden die auf den parallel verschobenen Tangenten rechtwinklig stehenden Strecken durch den Sonnenmittelpunkt. In diesen rechtwinkligen Dreiecken ist jeweils die Länge zweier Seiten bekannt, zum einen die Entfernung zwischen Sonne und Mond, zum anderen die Länge der Gegenkathete, die beim Halbschatten der Summe aus Sonnen- und Mondradius entspricht, beim Kernschatten der Differenz dieser beiden Größen. Somit gilt:[13]
Um die letzten beiden noch fehlenden Besselschen Elemente
Mittels dieser Abstände der Punkte
Wenn die Kegelspitze des Kernschattens vom Mond aus gesehen hinter die Fundamentalebene fällt, also eine totale Sonnenfinsternis vorliegt, ist
Zur Berechnung wird ein Mondradius gewählt, der eine Mittelung der Unregelmäßigkeiten des Mondrandes darstellt (
Die Besselschen Elemente sind zeitabhängig. Um eine Bedeckung zu beschreiben, müssen sie daher für einen Zeitraum angegeben werden, der beispielsweise zur vollständigen Beschreibung einer Sonnenfinsternis mehrere Stunden umfasst.
Es gibt verschiedene Varianten der Veröffentlichung der Besselschen Elemente einer Sonnenfinsternis. In manchen Fällen werden die Werte aller nicht als konstant anzusehenden Elemente (also
Eine andere Variante ist, die Besselschen Elemente für eine Referenzzeit (
Die Angabe in polynomialer Form ermöglicht eine etwas genauere Näherung gegenüber der linearen Interpolation. Dabei werden für die veränderlichen Größen zusätzlich zum Wert zum Zeitpunkt
Dabei entspricht
In der Praxis wird häufig auf die vom Goddard Space Flight Center der NASA[17] in polynomialer Form veröffentlichten Besselschen Elemente zurückgegriffen. Bei den im Astronomical Almanac veröffentlichten Besselschen Elementen wird der Wert für
In folgendem Beispiel werden zunächst die Besselschen Elemente für einen vorgegebenen Zeitpunkt berechnet, womit Position und Größe des Kern- und Halbschattenkegels in der Fundamentalebene zu diesem Zeitpunkt bekannt sind. Für praktische Anwendungen muss anschließend untersucht werden, wie Punkte an der Erdoberfläche relativ zu diesen Schattenkegeln liegen. Alle hierzu erforderlichen Größen sind durch die Geometrie der Erde vorgegeben. Im Beispiel wird untersucht, ob ein gegebener Ort innerhalb des Kernschattenkegels liegt.
0 | 0,070042 | 0,502841 | 15,32734 | 0,542469 | −0,003650 | 343,68741 |
1 | 0,5443035 | −0,1184929 | −0,012035 | 0,0001168 | 0,0001163 | 15,002982 |
2 | −0,0000406 | −0,0001158 | −0,000003 | −0,0000117 | −0,0000116 | |
3 | −0,0000081 | 0,0000017 | ||||
Die nebenstehende Tabelle enthält die Besselschen Elemente der Sonnenfinsternis vom 11. August 1999 in polynomialer Form.[19] Ziel sei es nun, für 12:34:03 MESZ (entspricht 10:34:03 UT) die Position des Kernschattens in der Fundamentalebene zu berechnen.
Zunächst ist die Differenz zur Referenzzeit (11:00:00 TT) zu ermitteln. Hierbei ist noch die Differenz
Die Koordinaten des Schnittpunkts der Schattenachse mit der Fundamentalebene für die gewünschte Zeit errechnen sich wie folgt:
Analog errechnen sich Deklination und Stundenwinkel (die in der Tabelle fehlenden Werte für
Ebenso lässt sich nun der Radius des Kernschattens in der Fundamentalebene für diesen Zeitpunkt berechnen:
Der Halbschattenradius kann auf die gleiche Weise berechnet werden, er wird allerdings für die folgende Berechnung nicht benötigt.
Im ersten Schritt wurden die Besselschen Elemente der Finsternis vom 11. August 1999 für 12:34:03 MESZ berechnet. Nun soll überprüft werden, ob der Stuttgarter Schloßplatz (48° 46′ 42,8″ N, 9° 10′ 47,7″ O ) zu diesem Zeitpunkt in der Totalitätszone lag. Hierzu werden die Koordinaten des Schloßplatzes in das fundamentale Koordinatensystem umgerechnet. Sind diese Koordinaten bestimmt, kann leicht ermittelt werden, ob dieser Punkt innerhalb des Schattenkegels liegt, da die Schattenachse ja per Definition senkrecht auf der Fundamentalebene steht.
Zunächst sind hierzu die gegebenen geodätischen Koordinaten des Schloßplatzes (
Mit dem Äquatorradius
Dabei drückt
Als Hilfsgröße wird nun der Stundenwinkel
Damit lassen sich die kartesischen Koordinaten
Der Radius der Schnittfläche des Kernschattenkegels in der durch den Schloßplatz gehenden, zur Fundamentalebene parallelen Ebene liegt näher an Sonne und Mond und ist deshalb etwas größer als der Kernschattenradius in der Fundamentalebene. Er lässt sich auf Basis des in den Besselschen Elementen angegebenen Konuswinkels des Schattenkegels (
Der Abstand
Da der Abstand des Schloßplatzes in dieser Ebene kleiner ist als der Radius des Schattenkegels, lag der Schloßplatz also zum gegebenen Zeitpunkt innerhalb des Kernschattens. Weil es zu dieser Zeit in Stuttgart regnete, war allerdings auf dem Schloßplatz keine Beobachtung der verfinsterten Sonne möglich.[21]
Durch iteratives Durchführen dieser Berechnungen für einen Zeitraum lassen sich prinzipiell die Kontaktzeiten an einem bestimmten Ort ermitteln. Es gibt aber auch direkte Verfahren, um die Kontaktzeiten zu berechnen.[1]
Bei Sternbedeckungen kann die Berechnung der Besselschen Elemente gegenüber Sonnenfinsternissen stark vereinfacht werden, da es ausreichend genau ist, den bedeckten Himmelskörper als unendlich weit entfernt anzusehen. Diese Annahme ermöglicht es, die Lichtstrahlen des entfernten Objekts, die das Erde-Mond-System erreichen, als parallel zu betrachteten. Damit ergibt sich, dass die Richtung der Schattenachse, also die
Eine weitere Vereinfachung gegenüber einer Sonnenfinsternis besteht darin, dass kein Kern- und Halbschattenkegel beschrieben werden muss, sondern dass es ausreicht, den „Schatten“ als senkrecht auf der Fundamentalebene stehenden Zylinder aufzufassen. Der Radius dieses Zylinders entspricht dem Mondradius, der 0,2725 des Äquatorradius der Erde entspricht. Die Angabe von variablen Schattenradien sowie Öffnungswinkeln erübrigt sich damit.[10][22]
Die Fundamentalebene wird analog zu den Sonnenfinsternissen gewählt, also die durch den Erdmittelpunkt gehende Normalebene dieser Schattenachse. Die Schnittlinie der Fundamentalebene mit der Äquatorebene ist die
Anders als bei der Sonnenfinsternis wird als Bezugszeitpunkt
Der Zeitpunkt der Konjunktion in Rektaszension, angegeben in Universal Time (UT) | |
Der Stundenwinkel des Sterns zum Zeitpunkt | |
Der Wert für | |
Die zeitliche Änderung von | |
Rektaszension und Deklination des Sterns (Sternort) und gleichzeitig Richtung der |
Für Prognosenberechnungen ist es ausreichend,
Das Verfahren der Besselschen Elemente lässt sich auf beliebige Gestirnsbedeckungen anwenden, wenn beide Gestirne hinreichend genau kugelförmig sind. Es sind lediglich die Position und Größe der Sonne durch die des betreffenden Planeten zu ersetzen. Als Ausnahmen gab Bessel 1842 lediglich die Planeten Jupiter und Saturn an, da deren Abweichung von der Kugelgestalt damals messbar war.[7] Um das Sichtbarkeitsgebiet für Bedeckungen von Planeten durch den Mond vorherzusagen, kann dasselbe vereinfachte Verfahren wie bei Sternbedeckungen angewandt werden (siehe oben).[22]
Sollen jedoch die Kontaktzeiten genau bestimmt werden, ist eine gegebenenfalls vorhandene Abweichung des Planeten von der Kugelform zu berücksichtigen und auch, welcher Teil der Planetenscheibe zum Zeitpunkt der Bedeckung von der Sonne angestrahlt wird. Dieses Verfahren wurde 1865 von Chauvenet beschrieben, da Bessels Verfahren für die zwischenzeitlich präziser gewordenen Beobachtungsmethoden nicht mehr genau genug war. Dabei wird der von der Sonne beschienene und von der Erde sichtbare Teil des Planeten direkt betrachtet und nicht in eine Fundamentalebene abgebildet.[23]
Beim Transit der unteren Planeten Venus und Merkur vor der Sonne ist der bedeckende Himmelskörper der Planet. Dieser kann die Sonne niemals vollständig bedecken, denn der Kernschatten ist viel zu kurz, um auf die Erde zu fallen. Auch für diese astronomischen Ereignisse werden Besselsche Elemente zur Berechnung der lokalen Gegebenheiten verwendet.[24] Es kann dabei genau dasselbe Berechnungsverfahren wie bei Sonnenfinsternissen verwendet werden, der Planet übernimmt dabei die Rolle des Mondes.[25]
Da die Entfernung der unteren Planeten von der Erde wesentlich größer ist als die des Mondes, besteht bei Transiten die Möglichkeit einer vereinfachten Berechnung der Zeitpunkte des Ein- und Austritts der Planetenscheibe vor der Sonne.[26] Dieses Verfahren kommt ohne die Umrechnung der Ephemeriden in das Besselsche fundamentale Koordinatensystem aus. Dabei macht man sich zu Nutze, dass die quadrierte oder zu höherer Potenz erhobene Parallaxe der Planeten so klein wird, dass sie vernachlässigt werden kann. Ausgehend von den auf den Erdmittelpunkt bezogenen Kontaktzeiten können auf diese Weise die entsprechenden Zeitpunkte an jedem Punkt der Erde berechnet werden. Das Prinzip dieser vereinfachten Berechnung geht auf Lagrange zurück und wurde von William Chauvenet verbessert, indem er die Erdabplattung berücksichtigte.[25]
Bei einer Mondfinsternis befindet sich ein irdischer Beobachter auf dem Himmelskörper, der den Schatten wirft. Somit sieht man von allen Orten auf der Erde genau denselben Finsternisverlauf, vorausgesetzt, der Mond ist sichtbar. Bei der Berechnung von Mondfinsternissen werden entsprechende Sehwinkel (polare Koordinaten) bestimmt, was der Ermittlung der Besselschen Elemente (kartesische Koordinaten in der Besselschen Fundamentalebene) ähnelt. Deshalb werden die für Mondfinsternisse benutzten Sehwinkel gelegentlich auch Besselsche Elemente genannt.[27] Eine Fundamentalebene wird aber weder für die Erde noch für den Mond benutzt, und es handelt sich bei der Beschreibung von Mondfinsternissen in der Regel ausschließlich um polare Koordinaten.
Wie bei Sonnenfinsternissen bezieht sich das fundamentale Koordinatensystem auf die Schattenachse, die bei Mondfinsternissen aber immer durch den Erdmittelpunkt geht. Die Berechnung ähnelt der bei Sonnenfinsternissen. Rektaszension und Deklination der Schattenachse ergeben sich in diesem Fall direkt aus den entsprechenden Werten der Sonne, die
Auf die gleiche Weise wie bei Sonnenfinsternissen kann der geozentrische Ortsvektor des Mondes in das fundamentale System umgerechnet werden. Über dessen
Daraus lässt sich der Winkelabstand des Mondmittelpunkts von der Schattenachse berechnen:[27]
Die Größe der Radien von Halb- und Kernschatten werden ebenfalls als geozentrische Sehwinkel angegeben. Die Größen
wobei
Aus beiden Winkelbeziehungen lässt sich nun durch Eliminierung des Konuswinkels
In analoger Weise kann auch der geozentrische Sehwinkel des Halbschattenradius im Mondorbit ermittelt werden. Für diesen ergibt sich folgende Beziehung:[28]
Um die Ermittlung der Kontaktzeiten der Finsternis zu unterstützen, werden aus den Größen des Kern- und Halbschattens und dem Mondradius drei weitere Hilfsgrößen abgeleitet. Dies sind die Sehwinkel für den Abstand des Mondmittelpunkts von der Schattenachse während eines bestimmten Kontakts, die aus den Sehwinkeln der Schattenradien und dem Sehwinkel
Die Größen
Die bisher dargestellten Berechnungen verwendeten nur Winkel zur Schattenachse und kamen ohne Definition der Fundamentalebene aus. Wenn berechnet werden soll, wann bestimmte Mondkrater – also markante Punkte der Mondoberfläche – in den Kernschatten ein- oder austreten, ist dies möglich, wenn man die Fundamentalebene so wählt, dass sie durch den Mondmittelpunkt geht – in ähnlicher Weise wie für Punkte der Erdoberfläche bei Sonnenfinsternissen.
Bei Überprüfung der berechneten Kontaktzeiten und insbesondere Ein- und Austrittszeitpunkte bestimmter Mondkrater in den bzw. aus dem Kernschatten zeigen die auf diese Weise berechneten Daten keine brauchbare Übereinstimmung mit der Realität. Dies liegt zum einen daran, dass die Erde aufgrund ihrer Abplattung keinen ausreichend kreisförmigen Schatten wirft. Zum zweiten liegt es an der Erdatmosphäre, durch die sich die Schattenkegel vergrößern. Um diese Effekte zu kompensieren, ist es üblich, in die Formeln zur Berechnung der Größe des Halb- und Kernschattenkegels zwei Korrekturfaktoren einzuführen,[29] wobei der Faktor 1,02 die Vergrößerung des Erdschattens durch die Wirkung der Erdatmosphäre um 1/50 und der Faktor 0,998340 die Abplattung der Erde im Mittelwert zwischen Äquator- und Poldurchmesser kompensieren soll:
André Danjon wies 1951 darauf hin, dass zur Berücksichtigung der Wirkung der Erdatmosphäre die beiden Schattenkegel nicht um den gleichen relativen Betrag von 1/50 zu vergrößern sind, sondern vielmehr eine Vergrößerung um denselben absoluten Betrag den tatsächlichen geometrischen Verhältnissen entspricht.[30] Danjon geht von einer 75 Kilometer hohen Schicht der Erdatmosphäre aus, die absorbierend wirkt, was einer Vergrößerung des Erdradius bzw. der Parallaxe des Mondes um 1/85 entspricht. Der Faktor 1,01 kombiniert diese Vergrößerung mit dem Faktor für die Erdabplattung:[A 4]
Finsternisgrößen für Kernschatten-Finsternisse, die nach der 1/50-Regel berechnet werden, sind im Vergleich zur Rechnung nach Danjon um etwa 0,005 zu groß, für Halbschatten-Finsternisse um rund 0,026.[31]
Aber auch auf diese Weise berechnete Daten zeigen noch keine besonders präzise Übereinstimmung mit der Realität. Dies wird vor allem darauf zurückgeführt, dass die Abplattung der Erdatmosphäre noch deutlich größer ist als die der Erdoberfläche. Es wird versucht, anhand der Beobachtungsdaten verschiedener Mondfinsternisse ein genaueres Korrekturverfahren zu entwickeln.[32]