Der Gleichraumprozess ist ein thermodynamischer Vergleichsprozess für Wärmekraftmaschinen, bei denen die Wärmezufuhr überwiegend bei gleichem Volumen (isochor) erfolgt (für einen Hubkolbenmotor also praktisch im oberen Totpunkt), wobei speziell der technische Gleichraumprozess eines Verbrennungsmotors mit Ladungswechsel und Ausstoß von Abgas als Otto-Kreisprozess bezeichnet wird.
Dazu im Gegensatz steht der Gleichdruckprozess (technisch für Kolbenmotoren als Diesel-Kreisprozess bezeichnet), bei dem Wärmezufuhr bzw. Verbrennung überwiegend bei konstantem Druck stattfindet (isobar; bei Kolbenmotoren also überwiegend erst nach dem Totpunkt, während einer bereits beginnenden Expansion).
Reale Motoren arbeiten technisch meist im Übergangsbereich zwischen idealem Gleichraum- und Gleichdruckprozess, für den speziell der gemischte Seiliger-Kreisprozess eine bessere Näherung liefert, der sich sowohl für Diesel- als auch Otto-Motoren anwenden lässt.
Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte Hans Holzwarth Gleichraum-Gasturbinen, die den Gleichraumprozess mit zyklischer Verbrennung des Kraftstoff-Luft-Gemischs einsetzten und keinen Verdichter brauchen. Sie wurden jedoch durch kontinuierlich arbeitende Gasturbinen mit Verdichter verdrängt, die eher den Gleichdruckprozess implementieren.
Eine weitere ältere Anwendung mit zyklischer Verbrennung ist das Pulsstrahltriebwerk mit Flatterventilen am Lufteinlass. Eine neuere Entwicklung ist das Staustrahltriebwerk mit diskontinuierlichem Betrieb ohne bewegliche mechanische Teile.
Thermodynamische Zustandsdiagramme eines idealen Gleichraumprozesses (Otto-Kreisprozess) | |
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Der theoretisch ideale Gleichraumprozess umfasst weder chemische Umsetzung (Verbrennung) noch Ladungswechsel mit Ausstoß von Abgas und besteht streng aus vier Zustandsänderungen eines idealen Gases innerhalb eines geschlossenen Systems:
Die durch den Linienzug 1-2-3-4 umschlossene Fläche im p-V-Diagramm entspricht der spezifischen Prozessarbeit w.
Zur Vereinfachten Berechnung der Zustandsgrößen wird als Arbeitsmedium ein ideales Gas mit temperaturunabhängiger spezifischer Wärmekapazität angenommen. Im Unterschied zum Gleichdruckprozess hängt beim Gleichraumprozess der thermische Wirkungsgrad $ \eta _{th\,\mathrm {Gleichraum} } $ nicht von der zugeführten Wärmemenge ab:
Je höher das Expansionsverhältnis (geometrisches Verdichtungsverhältnis) $ \varepsilon $ und der Isentropenexponent $ \kappa $, desto höher ist der Wirkungsgrad.
Der Isentropenexponent $ \kappa $ sinkt stark bei hohen Temperaturen. Brenngas bzw. Abgas von Verbrennungsmotoren hat bei 1000 °C einen Isentropenexponent $ \kappa $ von ca. 1,3
Die Spezifische Gaskonstante $ R_{s}=c_{p}-c_{V} $ bleibt hingegen über einen großen Temperaturbereich konstant und beträgt für Frischgas und für Abgas ca. 0,295 kJ/(kg·K).
Rechnerisch ist bei gleichem Verdichtungsverhältnis $ \epsilon $ der thermische Wirkungsgrad des Gleichraumprozesses höher als beim Gleichdruckprozess. Technisch ist aber insbesondere der Diesel-Kreisprozess in modernen Motoren besser kontrollierbar als der Gleichraumprozess (speziell Otto-Kreisprozess), so dass er mit höher tolerierten Prozess-Parametern in der Praxis letztlich einen besserer Wirkungsgrad erreicht.
Die spezifische Wärmezufuhr oder Heizenergie des Treibstoffes bestimmt die Druck- bzw. Temperaturzunahme und somit die Verhältniszahl $ \xi $. Beim reinen Gleichraumprozess spielt diese Zahl für den Wirkungsgrad keine Rolle.
Hu ist der untere spezifische Heizwert (kJ/kg), z. B. 42'000 kJ/kg für Benzin oder Diesel. mH ist die spezifische Heizmasse zur Brennstoffmasse (kg/kg), z. B. 18 kg Luft und Restabgas pro kg Benzin. Die spezifische Wärmekapazität cV von Abgas bei 1000 °C beträgt ca. 0,95 kJ/(kg K).
Ergänzt um einen Ladungswechsel mit Verbrennung und Ausstoß von Abgas wird der Gleichraumprozess für Kolbenmotoren als Otto-Kreisprozess bezeichnet. Dazu zählen sowohl Zweitakt- als auch Viertakt-Hubkolbenmotoren, deren Takt jeweils aus einem Kolbenhub bzw. einer halben Kurbelwellenumdrehung besteht. Die Verhältnisse sind prinzipiell übertragbar auf Drehkolbenmotoren und Kreiskolbenmotoren wie den Wankelmotor.
Der theoretisch ideale Otto-Motor hat keine Dissipationsverluste, mechanische Reibungsverluste, Hilfsaggregate, Zylinderkühlung oder Dichtigkeitsverluste. Das Arbeitsgas hat über den gesamten Kreisprozess gleiche Eigenschaften und keine Strömungsverluste. Der ideale Ladungswechsel erfolgt ohne Vermischung von Frischladung mit Abgas.
Für den Viertakt-Ottomotor lassen sich die Kurvenzüge im Zustandsdiagramm den 4 Arbeitstakten wie folgt zuordnen (die Nummerierungen im Zustandsdiagramm sind nicht zu verwechseln mit den Arbeitstakten!):
Während der Viertakter eine komplette Kurbel-Umdrehung mit 2 Arbeitstakten für den Ladungswechsel benötigt, erfolgt dieser beim Zweitaktmotor sehr schnell komplett während dem Durchlaufen des unteren Totpunktes, so dass die Arbeitstakte "Ansaugen" (0➝1) und "Ausstoßen" (1➝0) einfach entfallen. Nicht dargestellt sind die technischen Vorgänge des Ladungswechsels im thermodynamischen Zustandsdiagramm für den idealen Gleichdruckprozess, wo sie praktisch im Punkt 1 kumulieren.
Vom idealen Verlauf des theoretischen Otto-Kreisprozesses weichen die Zustandsänderungen des realen Otto-Motor erheblich ab:
Zustandsdiagramm für einen realen Viertakt-Otto-Motor | |
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Für den Zweitaktmotor entfällt im Wesentlichen wiederum nur die Ladungswechselschleife der Arbeitstakte "Ausschieben" und "Ansaugen".
Aus diesen Gründen hat der Gleichraumprozess bzw. Otto-Kreisprozess wenig Vorhersagekraft für reale Motoren. Eine bessere Näherung speziell für den Übergangsbereich zwischen idealem Gleichraum- und Gleichdruckprozess liefert der gemischte Seiliger-Kreisprozess, der sich sowohl für Otto- als auch Diesel-Motoren anwenden lässt.
Gegenüber dem Vergleichsprozess liefert der reale Kreisprozess im Motor eine geringere Arbeit:
Das Verhältnis der im Motor freigesetzten zu theoretischer Arbeit des Kreisprozesses wird als Gütegrad bezeichnet. Reale Motoren haben zusätzlich eine mechanische Verlustleistung durch Reibung, Neben- und Hilfsantriebe, die mehr als 10 % der Nennleistung betragen kann und den Wirkungsgrad entsprechend mindert.
Der Humphrey-Kreisprozess unterscheidet sich vom Otto-Kreisprozess durch die unlimitierte Gasausdehnung und damit das Ausnützen des Abgasdrucks bis auf den Umgebungsdruck, so dass im Gegensatz zum Kolbenmotor am Ende des Arbeitstaktes kein Restdruck „verpufft“. Vom Joule-Kreisprozess unterscheidet er sich durch die höhere Spitzentemperatur und den damit entstehenden höheren Spitzendruck.
Thermodynamische Zustandsdiagramme für den idealen Humphrey-Vergleichsprozess | |
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Wie der theoretisch ideale Gleichraumprozess berücksichtigt auch der Humphrey-Vergleichsprozess keinen Ladungswechsel und besteht ideal aus vier Zustandsänderungen eines idealen Gases innerhalb eines geschlossenen Systems:
Mit pulsierender Verbrennung ist bei gleicher thermischer Belastung des Materials eine höhere Maximaltemperatur und damit ein höherer Maximaldruck möglich, als bei kontinuierlicher Verbrennung. Der Humphrey-Kreisprozess entspricht formal dem Carnot-Kreisprozess.
Durch die Verwendung der Gleichung für die Temperaturänderung bei isentroper Kompression ergibt sich:
Die Druckzunahme p3-p2 und die Temperaturzunahme T3-T2 rechnen sich gleich wie beim Ottoprozess. Je höher der Isentropenkoeffizient und das Druckverhältnis (großer p3, kleiner p41), desto höher der Wirkungsgrad.