Josephson-Effekt

Josephson-Effekt

Der Josephson-Effekt ist ein physikalischer Effekt, der den Tunnelstrom zwischen zwei Supraleitern beschreibt. Er wurde von Brian D. Josephson 1962 theoretisch vorhergesagt und später in zahlreichen Experimenten verifiziert, zuerst 1962 von John Rowell an den Bell Laboratories (teilweise mit Philip Warren Anderson). Josephson erhielt 1973 den Nobelpreis für Physik.

Zwar wurde der Josephson-Effekt als erstes in Supraleitern gemessen, der Begriff wurde jedoch verallgemeinert: Man spricht von dem Josephson-Effekt, falls zwei makroskopische Wellenfunktionen schwach miteinander gekoppelt sind (Kopplung über eine Tunnelbarriere).[1]

Anschauliche Beschreibung

Der elektrische Strom in Supraleitern wird nicht, wie es in Normalleitern der Fall ist, von einzelnen Elektronen getragen, sondern von Elektronenpaaren, den so genannten Cooper-Paaren, wie sie von der BCS-Theorie postuliert werden.

Werden zwei Supraleiter durch eine wenige Nanometer dünne, nicht-supraleitende Barriere getrennt, so können Cooper-Paare von einem Supraleiter durch die Barriere in den anderen tunneln. Eine derartige Supraleiter-Normalleiter-Supraleiter (SNS)- oder Supraleiter-Isolator-Supraleiter (SIS)-Anordnung nennt man Josephson-Kontakt. Wird nun eine Stromquelle an den Josephson-Kontakt angeschlossen und ein geringer elektrischer Strom durch den Kontakt geleitet, verhält er sich weiterhin wie ein Supraleiter ohne Unterbrechung, da die Cooper-Paare durch die Barriere tunneln.

Die Josephson-Gleichungen

In einem Supraleiter befinden sich alle Cooper-Paare im gleichen quantenmechanischen Zustand, lassen sich also durch ein und dieselbe Wellenfunktion beschreiben (siehe BCS-Theorie). In einem Josephson-Kontakt sind die Wellenfunktionen der beiden Supraleiter durch die dünne, nicht-supraleitende Schicht gekoppelt. Die Größe der Kopplung wird im Wesentlichen durch die Dicke der Schicht bestimmt. Der Suprastrom (von Cooper-Paaren getragene Strom) durch diese Schicht $ I_{\mathrm {J} } $ hat die Größe

$ I_{\mathrm {J} }=I_{\mathrm {c} }\sin \Delta \varphi \quad $ (1. Josephson-Gleichung),

wobei $ \Delta \varphi $ die Phasendifferenz der supraleitenden Wellenfunktionen beiderseits der Barriere darstellt und $ I_{\mathrm {c} } $ der kritische Strom der Barriere ist.

Dabei gilt:

$ {\frac {\partial \Delta \varphi }{\partial t}}={\frac {2\pi }{\Phi _{0}}}U\quad $mit$ \quad \Phi _{0}={\frac {h}{2e}}\quad $ (2. Josephson-Gleichung),

wobei $ \Phi _{0} $ das magnetische Flussquantum ist. Diese Gleichung wird 2. Josephson-Gleichung genannt. Aufgrund der sich ändernden Phasendifferenz tritt ein ständig wechselnder Suprastrom auf. Durch Einsetzen der 2. Josephson-Gleichung in die 1. Josephson-Gleichung erhält man die entsprechende Frequenz (Josephson-Frequenz) zu

$ f_{\mathrm {J} }={\frac {2\;\!e\;\!U}{h}}=K_{\mathrm {J} }\cdot U\;\;\; $ bzw. $ \;\;\omega _{\mathrm {J} }={\frac {2\;\!e\;\!U}{\hbar }}=2\pi K_{\mathrm {J} }\cdot U $ .

Hierbei ist[2]

$ K_{\mathrm {J} }={\frac {1}{\Phi _{0}}}={\frac {2\,e}{h}}=4{,}835\;978\;484\ldots \cdot 10^{14}\,{\frac {\mathrm {Hz} }{\mathrm {V} }} $

die Josephson-Konstante. Sie ist exakt bekannt, weil e (Elementarladung) und h (plancksches Wirkungsquantum) seit 2019 zur Definition der SI-Einheiten dienen und ihnen ein fester Wert zugewiesen wurde. Da Frequenzen sehr präzise messbar sind, eignet sich der Josephson-Effekt als Spannungsnormal zur präzisen Darstellung der Einheit Volt. Für die (sehr geringe) Spannung von 1 µV ergibt sich beispielsweise die Frequenz von 483,5978… MHz.

Es bleibt noch zu erwähnen, dass der Strom durch einen Josephson-Kontakt abhängig von äußeren Magnetfeldern ist. Genaugenommen lautet die 1. Josephson-Gleichung:

$ I_{\mathrm {J} }=I_{\mathrm {c} }\sin \left(\Delta \varphi -{\frac {2\pi }{\Phi _{0}}}\int _{\mathrm {Supraleiter} 1}^{\mathrm {Supraleiter} 2}{\textbf {A}}d{\textbf {l}}\right) $

Hierbei ist $ {\textbf {A}} $ das magnetische Vektorpotential und das Integral ein Wegintegral, das von dem 1. Supraleiter über die Barriere zu dem 2. Supraleiter reicht.

Kennlinie eines Josephson-Kontaktes

Strom-Spannungs-Kennlinie eines nicht hysteretischen Josephson-Kontaktes

An einem Josephson-Kontakt finden mehrere Prozesse statt (nicht-hysteresischer Fall ohne Magnetfeld):[3]

  • Tunneln von Cooper-Paaren durch die Barriere (Josephson-Effekt)
  • Tunneln einzelner Elektronen durch die Barriere
  • Zerbrechen von Cooper-Paaren und Tunneln der entstehenden Einzelelektronen durch die Barriere (bei im Vergleich zur Bandlücke des Supraleiters hohen Spannungen)
  • Ohmsche Leitung durch die Barriere bei SNS-Kontakten (nicht bei SIS-Kontakten)
  • Die beiden Supraleiter mit der Barriere dazwischen verhalten sich wie die Platten eines Plattenkondensators.

Da alle diese Prozesse parallel stattfinden, gilt

  • Die gemessene Spannung ist die Spannung des Josephson-Effektes; aus ihr lässt sich mittels der 2. Josephson-Gleichung $ {\textstyle {\frac {\partial \Delta \varphi }{\partial t}}} $ direkt berechnen.
  • Der gemessene Strom ist der Gesamtstrom aller stattfindenden Prozesse, also im Wesentlichen die Summe aus dem Strom der Cooper-Paare und dem Strom der Einzelelektronen, zeitlich geglättet durch die Kondensatorwirkung des Kontaktes.

Gleichstrom-Josephsoneffekt: Ist die Spannung klein, d. h. die Energie der Cooper-Paare im elektrischen Feld gegenüber $ k_{B}T $ vernachlässigbar, ergibt die Minimierung der freien Energie des Systems, dass sich im Gleichgewicht $ {\textstyle \Delta \varphi =(2z+1){\frac {\pi }{2}}} $ mit $ {\textstyle z\in \mathbb {Z} } $ einstellt. D.h.

$ I_{\mathrm {J} }=\pm I_{\mathrm {c} } $

Ist keine äußere Spannungsquelle angeschlossen, also $ I_{\mathrm {gesamt} }=0 $, wird dieser Josephson-Strom durch Tunneln von Einzelelektronen in Gegenrichtung kompensiert, sodass sich keine Spannung aufbaut. Ist eine (geringe) Spannung angelegt, fließt der Josephson-Strom dagegen auf Grund des elektrischen Feldes durch die Spannungsquelle ab, sodass für den gemessenen Strom im Wesentlichen gilt:

$ I_{\mathrm {gesamt} }=I_{\mathrm {J} }=\pm I_{\mathrm {c} } $

Wechselstrom-Josephsoneffekt: Ist die Spannung so groß, dass die thermischen Effekte vernachlässigbar sind, wird meist das Resistively and Capacitively Shunted Junction (RCSJ)-Modell verwendet, um eine DGL für $ \Delta \varphi $ aufzustellen. Dabei wird der Gesamtstrom als Summe von Josephson-Strom, Ohmschem Strom, Strom eines Kondensators angesetzt. Bei durch eine Spannungsquelle erzwungener konstanter Spannung ergibt sich eine Phase von

$ \Delta \varphi =\Delta \varphi _{\mathrm {0} }+\omega _{\mathrm {J} }t $

also ist der Josephson-Strom dann ein Wechselstrom mit Kreisfrequenz $ \omega _{\mathrm {J} } $.

Technische Realisierung von Josephson-Kontakten

Schematischer Aufbau eines Josephson-Kontaktes

Die Barriere zur Trennung der beiden Supraleiter darf nur wenige Nanometer dick sein, damit quantenmechanische Tunnelprozesse stattfinden können. Dies kann auf verschiedene Arten realisiert werden:

  • Aufbau einer SNS- oder SIS-Anordnung in Dünnfilmtechnik durch Sputtern oder Laserablation
  • Eine dünne Spitze aus supraleitendem Material, die auf einen Supraleiter gedrückt wird (Punktkontakt/Spitzenkontakt), wirkt ähnlich, da an den Seiten der Spitze Tunneleffekte auftreten (eventuell wird im normalleitenden Zustand einmalig ein so großer Strom durch die Anordnung geschickt, dass die dünnste Stelle der Einschnürung durch die Hitze oxidiert und so eine dünne isolierende Oxidschicht entsteht)
  • Eine sehr enge Einschnürung in einem supraleitenden Film (die Effekte sind die gleichen wie beim Spitzenkontakt)
  • In stark anisotropen Hochtemperatursupraleitern wie zum Beispiel Bi2212 oder dem Pnictid LaO0.9F0.1FeAs findet die Supraleitung nur in Ebenen statt, zwischen den Ebenen sind isolierende Schichten. Durch Strukturieren lassen sich daher aus Einkristallen intrinsische Josephson-Kontakte herstellen.

Anwendungen

Josephsonkontakte werden eingesetzt als extrem schnelle Schaltelemente und sehr genaue Spannungsstabilisatoren. Außerdem werden sie in Systemen zur Messung extrem kleiner magnetischer Flüsse (SQUIDs) eingesetzt.

Josephsonkontakte sind sehr genaue Frequenz-zu-Spannung-Konverter. Beim inversen Josephson-Effekt betreibt man den Josephsonkontakt mit einer Spannung der Form

$ U(t)={\frac {\hbar }{2e}}\omega (n+a\cos(\omega t)) $

Man kann zeigen, dass Ic dann konstant ist. Diese Anordnung wird in Eichämtern als sehr genauer Frequenz-zu-Spannung-Konverter für die Eichung von Spannungen benutzt und dann Josephson-Normal oder Josephson-Quantennormal genannt.

Begrenzungen

Da Josephsoneffekte nur in Verbindung mit Supraleitern auftreten, müssen sie auf sehr tiefe Temperaturen gekühlt werden, was den Betrieb technisch recht aufwändig und unter Umständen sehr kostspielig werden lässt. Ein häufig verwendetes supraleitendes Material zur Herstellung von derartigen Kontakten ist Niob, das bei 9,2 Kelvin supraleitend wird. Zur Kühlung auf diese Temperaturen wird flüssiges Helium (mit einer Temperatur von 4,2 Kelvin) verwendet. Josephson-Kontakte aus Hochtemperatursupraleitermaterialien können auch bei flüssig-Stickstoff-Temperatur (77,4 Kelvin) gekühlt werden. Flüssiger Stickstoff ist deutlich billiger und einfacher herzustellen als flüssiges Helium, allerdings ist der Herstellungsprozess für Josephsonkontakte aus Hochtemperatursupraleitern deutlich teurer.

Literatur

  • Brian D. Josephson: Possible New Effects in Superconducting Tunnelling. In: Physics Letters. Bd. 1, Nr. 7, 1962, S. 251–253, doi:10.1016/0031-9163(62)91369-0.
  • John M. Rowell, Philip Warren Anderson, Donald E. Thomas: Image of the Phonon Spectrum in the Tunneling Characteristic between Superconductors. In: Physical Review Letters. Bd. 10, Nr. 8, 1963, S. 334–336, doi:10.1103/PhysRevLett.10.334.
  • Sidney Shapiro: Josephson Current in Superconducting Tunneling: The Effect of Microwaves and other Observations. In: Physical Review Letters. Bd. 11, Nr. 2, 1963, S. 80–82, doi:10.1103/PhysRevLett.11.80.
  • Brian D. Josephson: The Discovery of Tunnelling Supercurrents. (PDF; 188 kB), Nobelpreisrede 1973.
  • Antonio Barone, Gianfranco Paternò: Physics and Applications of the Josephson effect. John Wiley & Sons, New York NY 1982, ISBN 0-471-01469-9.
  • Konstantin K. Likharev: Dynamics of Josephson Junctions and Circuits. 3rd printing. Gordon and Breach Science Publishers, New York NY u. a. 1986, ISBN 2-88124-042-9.
  • Charles Kittel: Einführung in die Festkörperphysik. 13., korrigierte Auflage. Oldenbourg, München u. a. 2002, ISBN 3-486-27219-5.
  • Werner Buckel, Reinhold Kleiner: Supraleitung. Grundlagen und Anwendungen. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2004, ISBN 3-527-40348-5.

Einzelnachweise

  1. Josephson effect in Bose-Einstein Condensates in "Nature 449, 579 (2007)"
  2. CODATA Recommended Values. National Institute of Standards and Technology, abgerufen am 6. Juni 2019. Wert für $ K_{\mathrm {J} } $.
  3. Josephson tunnel junctions with ferromagnetic interlayer. Eigenverlag Forschungszentrum Jülich, Jülich, 2006, abgerufen am 25. März 2014.