Lawson-Kriterium

Lawson-Kriterium

Das Lawson-Kriterium (nach John Lawson) ist eine physikalische Bedingung dafür, dass eine in einem Plasma ablaufende Kernfusionsreaktion sich selbst trägt, d. h. sich in einer makroskopischen Brennstoffmenge selbsttätig aufrechterhält. Vereinfacht gesagt muss der im Plasma bleibende Anteil der freigesetzten Fusionsleistung mindestens so groß sein wie die Verlustleistung des Plasmas.

Das Kriterium wurde ursprünglich für die Fusion von Deuterium und Tritium (DT) formuliert, kann aber grundsätzlich auch auf andere Fusionsbrennstoffe verallgemeinert werden. Die Art des Plasmaeinschlusses, etwa Fusion mittels magnetischen Einschlusses oder Trägheitsfusion, spielt dafür keine Rolle.[1]

Alle Versuche, das Lawson-Kriterium in einer kontrollierten Reaktion zu erreichen, scheiterten bisher (2016) daran, dass die Plasmavolumina zu klein waren und zu schnell abkühlten, um einen dauerhaft ablaufenden Fusionsprozess zu ermöglichen. Erreicht werden sollte es mit dem Ursprungsentwurf für ITER, der in dieser Größe jedoch nicht bewilligt wurde. Bei seinem Nachfolger DEMO soll es möglich werden. Auch bei Trägheitsfusionsexperimenten wurde die Erfüllung des Kriteriums, die Zündung, noch nicht erreicht.

DT-Plasma im Gleichgewicht

Das Kriterium ergibt sich aus einem Gleichgewicht. In einem DT-Plasma muss der von den entstehenden Alphateilchen getragene Anteil Pf,α der Fusionsleistung gleich der Verlustleistung Pv des Plasmas sein.

Die bei der Fusionsreaktion freigesetzten Neutronen verlassen, da sie elektrisch neutral sind, das Plasma sofort und ihre kinetische Energie von 14,1 MeV dient dann der Energiegewinnung. Die elektrisch geladenen Alphateilchen geben dagegen durch Stöße ihre Bewegungsenergie von 3,5 MeV noch im Plasma ab, sie heizen also das Plasma mit einer Leistung Pf,α. Gleichzeitig verliert das Plasma Energie durch Bremsstrahlung und Transport; dies ist die Verlustleistung Pv. Im Gleichgewicht ist Pf,α=Pv. Erfüllt ein DT-Plasma diese Bedingung, „zündet“ es, „brennt“ dann ohne Energiezufuhr weiter und liefert seinerseits Energie als kinetische Neutronenenergie. In Kernwaffen und auch in Trägheitsfusions-Reaktoren muss das Kriterium erfüllt sein. In Magneteinschluss-Fusionsreaktoren muss es dagegen nicht vollständig erfüllt werden; eine gewisse ständig nötige Fremdheizung (mit z. B. einigen Prozent der gewonnenen Neutronenenergie) hätte sogar den Vorteil, eine zusätzliche Steuermöglichkeit der Reaktion zu bieten.[2]

Die Alphateilchen-Leistung beträgt bei einem DT-Plasma

Pf,α=n1n2σvϵV

mit den Teilchendichten ni der beiden Reaktionspartner, der über die Geschwindigkeitsverteilung der Teilchen gemittelten Kernreaktionsrate σv (Teilchengeschwindigkeit multipliziert mit dem geschwindigkeitsabhängigen Wirkungsquerschnitt), dem auf das Alphateilchen entfallenden Teil der freiwerdenden Energie pro Fusion ϵ und dem Plasmavolumen V.

Die im Plasma enthaltene thermische Energie ist

W=3 nekBTV

mit der Elektronendichte ne, der Boltzmannkonstante kB und der Temperatur T.

Strahlungs- und Teilchentransportvorgänge bewirken eine Verlustleistung Pv. Der Quotient aus der thermischen Energie und der Verlustleistung hat die Dimension einer Zeit und wird als Energieeinschlusszeit τE bezeichnet:

τE=WPv.

Zum Erreichen des selbsttätigen Brennens muss gelten:

Pf,αPv.

Mit der Annahme, dass beide Reaktionspartner in gleichen Mengen vorhanden sind, also die gleiche Teilchendichte haben und quasi vollständig ionisiert sind

n1=n212nen1n2=ne24

folgt das Lawson-Kriterium:

neτE12 kBTσvϵ.

Bei vorgegebener Temperatur ergibt sich also der Mindestwert des Produkts aus Teilchendichte n und Energieeinschlusszeit τE für die selbsttätig brennende Fusionsreaktion. Dieses Produkt ist eine Funktion der Temperatur, die für jede Fusionsreaktion etwas anders verläuft, aber immer ein absolutes Minimum hat. Für die DT-Reaktion beispielsweise erhält man

neτE1,51020m3s

wobei das Minimum bei einer Temperatur von ungefähr 25 keV liegt.

Das Tripelprodukt

Anstelle von neτE wird meistens das sogenannte Tripelprodukt neτET als Maß für das Erreichen der Zündbedingung verwendet. Das Lawson-Kriterium lautet dann

neτET12kBT2σvϵ.

Dieses hat den Vorteil, dass das Minimum von neτET als Funktion der Temperatur bei ca. 14 keV liegt (mit neτET=2,81021m3skeV), dem Wert, der ungefähr notwendig ist, um einen Fusionsreaktor zu betreiben.

Verluste durch Bremsstrahlung

Insbesondere hoch ionisierte Verunreinigungen im Plasma (z. B. C6+,Fe20+) führen zu einem Energieverlust durch Bremsstrahlung. Der für eine Zündung notwendige Wert des Tripelproduktes liegt dadurch höher.

Die Bremsstrahlungsverluste sind gegeben durch

PB=c1ne2ZeffTV

mit der Konstanten c1=1,591040Wm3K12 und der effektiven Ladung Zeff=1nesZs2ns (die Summe läuft über alle Ionenspezies des Plasmas).

Für eine selbstständig ablaufende Fusionsreaktion ergibt sich damit aus der Bedingung Pf,αPv+PB (wobei Pv hier nur den Verlust durch Transportvorgänge beschreibt) das Kriterium

neτET12kBT2σvϵ4c1ZeffT.

Ohne Verunreinigungen, d. h. Zeff=1, ergibt sich damit am Minimum der Wert neτET=31021m3skeV. Enthält das Plasma z. B. 0,5 % Verunreinigung durch Fe20+, d. h. Zeff=2,9, so erhöht sich der Wert des Tripelproduktes am Minimum auf neτET=3,31021m3skeV. Es wird also schwieriger, die für eine Zündung notwendigen Bedingungen zu erreichen.

Literatur

  • J D Lawson: Some Criteria for a Power Producing Thermonuclear Reactor. In: Proceedings of the Physical Society. Section B. 70, 1957, S. 6–10, doi:10.1088/0370-1301/70/1/303. Erweiterte Version des A.E.R.E. report GP/R 1807, December 1955, declassified April 9th 1957

Einzelnachweise

  1. T. J. M. Boyd, J. J. Sanderson: The Physics of Plasmas. Cambridge University Press, 2003, ISBN 0-521-45290-2, Seite 3–4
  2. Weston M. Stacey: Fusion. An Introduction to the Physics and Technology of Magnetic Confinement Fusion. Wiley-VCH, 2010, ISBN 978-3-527-40967-9, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche, Seite 8–9