Bei den Milanković-Zyklen (nach dem serbischen Mathematiker[2] Milutin Milanković, im deutschen Sprachraum auch Milankovic oder Milankowitsch, im englischen Sprachraum Milankovich oder Milankovitch geschrieben) handelt es sich um zeitvariante Muster, in welchen die auf die Erde auftreffende Sonnenstrahlung über die jährliche Schwankung hinaus variiert, also um langperiodische Variationen der Solarkonstante sowie der Ausprägung der Jahreszeiten. Sie erklären teilweise die natürlichen Klimaschwankungen der Erde und sind daher im Kontext der Klimatologie und der Paläoklimatologie von großer Bedeutung.
Auf der Erde kommen die Zyklen zum Ausdruck als langperiodische Änderungen der Solarkonstante und der Ausprägung der Jahreszeiten (extremer oder milder) auf der Nord- bzw. Südhalbkugel. Als himmelsmechanische Ursache für diese Schwankungen werden heute drei sich überlagernde säkulare Änderungen der Parameter der Erdbahn und der Erdachse unterschieden:
Dabei kommt es infolge der Exzentrizitätsschwankungen zu geringfügigen Änderungen der Energiemenge, die die gesamte Erde jährlich von der Sonne erhält (Größenordnung der Schwankung um 0,2 %[3]) und infolge der Präzession und der Änderung der Achsneigung zu beträchtlichen Änderungen der Energiemenge die die beiden Halbkugeln und insbesondere deren höhere geographische Breiten jeweils jährlich erhalten (Größenordnung der Schwankung auf 65° N zur Sommersonnenwende im Schnitt um 28 %[3]). Im Zusammenspiel mit beispielsweise der Verteilung der Landmassen über die Erdoberfläche oder dem globalen Meeresspiegelsstand, die Auswirkungen auf das Rückstrahlvermögen (Albedo) der Erdoberfläche haben und in geologischen Zeiträumen ebenfalls stark variieren (siehe → Kontinentaldrift, → Eustasie), kann dies zu erheblichen Schwankungen in der Strahlungsbilanz der Erde oder zumindest einer der beiden Hemisphären führen, mit entsprechenden Folgen für das globale Klima.
Die Erdachse ist nur im Erdmittelpunkt wirklich fix. Außerhalb des Erdmittelpunktes beschreibt sie mit einer Periode von 26.000 Jahren eine Kreisbewegung um die gedachte Senkrechtstellung zur Ekliptikebene (mit zunehmendem Radius des Kreises bei zunehmendem Abstand zu Erdmittelpunkt). Eine solche „Taumelbewegung“ wird Präzession genannt. Ursache für die Achsenpräzession der Erde sind die Kräfte von Sonne und Mond auf den Äquatorwulst des rotierenden Erdellipsoids. Die Achsenpräzession führt dazu, dass die Wechsel der Jahreszeiten nicht immer in den gleichen Bahnpunkten der Erdbahnellipse auftreten. Das bedeutet unter anderem auch, dass die Erde einen Viertelzyklus lang im Nordsommer ihren sonnennächsten Punkt (Perihel) passiert und einen Viertelzyklus lang, so wie es aktuell der Fall ist, im Nordwinter. Entsprechend fallen die Sommer und Winter auf der Nordhalbkugel in diesen beiden Abschnitten des Zyklus extremer bzw. gemäßigter aus.
Der Zyklus der Achsenpräzession wird überlagert vom Zyklus der Apsidenpräzession der Erdbahn, dessen Periode 112.000 Jahre beträgt. Bei der Apsidenpräzession der Erdbahn, auch Periheldrehung genannt, rotieren die Halbachsen in der Bahnebene in Umlaufrichtung um die Sonne. Auch dies beeinflusst die Zeitpunkte der Jahreszeitenwechsel relativ zur Bewegung der Erde auf ihrer Umlaufbahn und damit relativ zum sonnennächsten und sonnenfernsten Punkt.
Die Überlagerung der beiden Präzessionsbewegungen resultiert in der sogenannten tropischen Apsidendrehung, der zyklischen Veränderung der Stellung des Frühlingspunktes relativ zum Perihel. Die tropische Apsidendrehung entspricht einem Milanković-Zyklus von durchschnittlich rund 21.000 Jahren. So passiert die Erde zurzeit ihr Perihel um den 3. Januar, also mitten im Nordwinter, ihr Aphel (sonnenfernsten Punkt) um den 5. Juli.[4] In 11.000 Jahren wird das Perihel im Nordsommer durchlaufen, sodass dann die Jahreszeiten auf der Nordhalbkugel extremer ausfallen als heute.
Darüber hinaus wird unter „Präzession“ im Zusammenhang mit den Milanković-Zyklen auch der sogenannte Präzessionsindex verstanden. Dieser ist das mathematische Produkt aus Apsidenpräzession und den Schwankungen der Exzentrizität der Erdbahn (siehe unten).[1] An seiner folglich nicht konstanten Amplitude können die Exzentrizitätszyklen abgelesen werden.
Die Schiefe der Erdachse (Obliquität, Ekliptikschiefe) gegen die Normale zur Erdbahnebene ändert sich periodisch zwischen 22,1° und 24,5°, mit einer Periode von ungefähr 41.000 Jahren. Dieser Effekt führt unter anderem zu einer Änderung des maximalen und minimalen Auftreffwinkels der Sonnenstrahlen und damit zu stärkeren Schwankungen der Strahlungsintensität in höheren geographischen Breiten im Jahresverlauf. Bei größerer Achsneigung sind folglich die Winter in den höheren Breiten kälter und die Sommer wärmer als bei geringerer Achsneigung. Derzeit beträgt die Ekliptikschiefe 23,43° und liegt etwa im Mittel zwischen den Extremwerten. Sie nimmt langsam ab und wird ihr Minimum in voraussichtlich 8.000 Jahren erreichen.
Bei geringer Achsneigung sind die Winter in den höheren Breiten zwar weniger streng, jedoch können Gletscher größere Schneemassen akkumulieren, da die Verdunstung über dem Meer höher ist und damit verbreitet mehr Schnee fällt, wo die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt liegen. In den Sommern ist dagegen die Ablation durch die geringere Sonneneinstrahlung und die damit im Mittel niedrigeren Temperaturen vermindert. Lässt man nicht-astromische Klimafaktoren (siehe unten) außer acht, sind folglich bei geringer Achsneigung die Voraussetzungen für die Bildung von kontinentalen Eisschilden insgesamt günstiger als bei hoher Achsneigung. Tatsächlich liegen die Kaltzeiten des Pleistozäns oft in Phasen, für die eine geringe Achsneigung berechnet wurde, während die Warmzeiten mit Phasen hoher Achsneigung korrelieren.
Die Umlaufbahn der Erde um die Sonne ist eine Ellipse. Die Exzentrizität gibt an, wie stark die ellipsenförmige Umlaufbahn von einer kreisförmigen Bahn abweicht. Die Form der Umlaufbahn der Erde variiert von nahezu kreisförmig (geringe Exzentrizität von 0,0006) bis leicht elliptisch (hohe Exzentrizität von 0,058). Im Mittel beträgt die Exzentrizität 0,028. Die Hauptkomponente dieser Abweichung tritt in einer Periode von 413.000 Jahren (Variation der Exzentrizität um ± 0,012) auf. Etliche weitere Parameter der Erdbahn verändern sich in Zyklen zwischen 95.000 und 136.000 Jahren und vereinen sich mit der Hauptkomponente lose in einem Zyklus von 100.000 Jahren (Variation zwischen −0,03 und +0,02).
Die gegenwärtige Exzentrizität beträgt 0,0167 (bei abnehmender Tendenz), sodass die Sonnenentfernung im Jahresverlauf um 3,4 % variiert. Dies entspricht einer Variation der Einstrahlung um 6,9 %. Bei minimal exzentrischer Erdbahn beträgt die Strahlungsänderung nur etwa 2 %, im Maximum dagegen über 23 %. Ursache dieser Variationen sind Störungen der Erdbahn durch die anderen Planeten des Sonnensystems, in erster Linie durch Jupiter und Saturn.
Aufgrund des 2. Keplersches Gesetzes dauert ein Umlauf durch den „entfernteren“ Teil der Erdbahn um die Sonne (Aphelgeschwindigkeit) länger als durch den näher gelegenen Teil, so dass die Erde bei einer elliptischen Bahn im Vergleich zu einer nahezu kreisförmigen Bahn länger unterdurchschnittlich stark angestrahlt wird. Die reduzierte Einstrahlung wird allerdings im Jahresverlauf durch die quadratische Zunahme der Bestrahlungsstärke in Sonnennähe mehr als nur ausgeglichen.
Da gegenwärtig die Erde während des Winters auf der Nordhalbkugel der Sonne näher ist, ist das Herbst-Winter-Halbjahr etwa 7 Tage kürzer als das Frühlings-Sommer-Halbjahr.
Ein Effekt, der von Milanković in seinen Berechnungen nicht berücksichtigt wurde, ist die periodische Kippung der Erdbahnebene im Vergleich zur Sonne-Jupiter-Ebene, die wie die anderen Störungen auch im Wesentlichen durch Jupiter und Saturn verursacht wird. Der Zyklus von etwa 100.000 Jahren deckt sich gut mit der Periodizität der Kaltzeiten des Pleistozäns.[5]
Aus paläoklimatologischen Untersuchungen sind verschiedene Klimaperioden bekannt, die sich nicht unbedingt mit den astronomischen Zyklen decken. Auch sind für einige Zeitabschnitte zwar Korrelationen zwischen Klima- und astronomischen Zyklen nachweisbar, allerdings nicht mit allen drei Milanković-Zyklen, sondern nur mit einem einzelnen, wobei die Klimazyklen auch von einem auf einen anderen Milanković-Zyklus „umschalten“ können, sodass es in diesen Fällen schwierig ist, eine kausale Beziehung zwischen beiden herzustellen.
Die Ursachen für solche Unregelmäßigkeiten liegen darin, dass auch nichtastronomische Faktoren das globale Klima beeinflussen, beispielsweise die Veränderungen der Erdatmosphäre hinsichtlich ihres Gehaltes an Aerosolen und Treibhausgasen (beides u. a. durch Vulkanismus beeinflusst) oder Veränderungen von Meeres- und Luftströmungen im Zuge der Kontinentaldrift (Aufreißen von Meeresstraßen, Gebirgsbildungen). Solche Faktoren können sowohl untereinander als auch mit astronomischen Faktoren komplex wechselwirken, mit positiver und negativer Rückkopplung auf das Klima. Diese komplexen Wechselbeziehungen können dafür sorgen, dass ein Milanković-Signal in paläoklimatologischen Datensätzen nur sehr undeutlich oder gar nicht vorhanden ist.
Schönwiese weist darauf hin, dass Milankovićs Idee zunächst stark angezweifelt wurde, auch in den Jahrzehnten nach der Veröffentlichung von 1920. Die Idee wurde dann erneut – mit erheblichen Modifikationen vor allem im Sinne der kryosphärischen Rückkopplungen – durch Nicholas Shackleton 1976,[6] Berger (1978[7] und 1984) sowie Berger und Loutre (1997a, 1997b) aufgegriffen und geteilt.[8]