Quantenteleportation heißt jedes Verfahren der Quantenkommunikation, welches die Quanteneigenschaften, das heißt, den Zustand eines Systems (Quelle), auf ein anderes, möglicherweise entferntes System (Ziel) überträgt. In der Quelle wird der Zustand dabei zwangsläufig gelöscht, weil die Prinzipien der Quantenwelt kein Vervielfältigen von Zuständen erlauben (No-Cloning-Theorem). Wegen der prinzipiellen Ununterscheidbarkeit von gleichartigen Teilchen kann die Übertragung der Quanteneigenschaften ausreichen, um ein vorhandenes Quantenobjekt am Zielort vollständig zu realisieren. Das bekannte Verfahren verwendet zur Übermittlung zusätzlich ein ‚Senderobjekt‘ und nutzt die Tatsache, dass die Messwerte an verschränkten Quantenobjekten korreliert sind.
Die Verwendung des Begriffs Teleportation führt immer wieder zu irreführenden Zeitungsmeldungen.[1] Quantenteleportation ist keine Teleportation im landläufigen Sinne und auch keine Vorstufe davon. Es wird weder Materie noch Energie übertragen. Sie unterscheidet sich grundlegend von der Teleportation der Science Fiction, indem sie ein am Zielort vorbereitetes Zielobjekt voraussetzt, auf welches der Zustand des Quellobjekts gewissermaßen transplantiert wird.
Beim nicht-klassischen Teil der Quantenteleportation gibt es keinen Übertragungsweg, keine Übertragungszeit, keine Geschwindigkeit. Insbesondere bewegt sich nichts mit Überlichtgeschwindigkeit. Jedoch erfordert die Vollendung der Quantenteleportation die Übermittlung von Messergebnissen, wofür ein ‚klassischer‘ Informationskanal, etwa eine Funkverbindung, gebraucht wird, dessen Signal den Raum durchquert und der höchstens mit Lichtgeschwindigkeit funktioniert.
Anders als im Makroskopischen, wo der momentane Zustand eines Quellsystems feststellbar ist und somit am Zielsystem reproduziert werden kann, lässt sich der quantenmechanische Zustand eines Quellsystems im Allgemeinen gar nicht ermitteln. Jeder der unendlich vielen Polarisationszustände eines Photons zum Beispiel liefert bei einer Messung nur ein Bit an Information und wird dabei zerstört. Daher ist es schon an sich bemerkenswert, dass sich ein Zustand überhaupt von einem auf ein anderes Objekt übertragen lässt.
Die Quantenteleportation ist ein wichtiger Baustein von Quantenkommunikations, -kryptographie und -computing-Protokollen. Eine wesentliche Eigenschaft des Quantenteleportationsprotokolls ist es, dass es auch dann funktioniert, wenn der zu versendende Zustand dem Sender nicht bekannt oder mit einem weiteren System verschränkt ist. Zudem spielt es keine Rolle, in welchem physikalischen System Ausgangs- und Zielzustand vorliegen (die vier beteiligten Systeme (Eingangssystem, die beiden verschränkten Systeme und der Träger der klassischen Information) können durch vier verschiedene physikalische Systeme realisiert werden): es wird nur der Zustand eines Quantensystems, übertragen, nicht das System selbst transportiert.[2] Daher ist gelegentlich auch vom „körperlosen“ (engl.: disembodied) Transport die Rede.[3]
Die Idee der Quantenteleportation wurde von Asher Peres, William Wootters, Gilles Brassard, Charles H. Bennett, Richard Jozsa und Claude Crépeau 1993 in den Physical Review Letters veröffentlicht.[4] Quantenteleportation wurde erstmals 1997 von Anton Zeilinger[5], fast gleichzeitig mit Sandu Popescu, Francesco De Martini und anderen[6] durch quantenoptische Experimente mit Photonen demonstriert. Mittlerweile ist auch die Teleportation der Zustände einzelner Atome möglich.[7][8]
Zustände von Teilchen in der Quantentheorie sind keine Eigenschaften im Sinne der Anschauung, sondern Versprechen, dass dies oder das herauskommt, falls man misst. Es liegt daher kein Widerspruch in der Aussage, zwei Teilchen ließen sich so ‚verschränken‘, dass keines einen Zustand hat aber beide den gleichen: Es ist nur versprochen, dass beide das gleiche Ergebnis liefern; was das sein wird, bleibt offen.– Alice und Bob besitzen Teilchen $ a $ und $ b $, die in dieser Weise verschränkt sind. Chris hat ein Teilchen $ c $ im Zustand $ z $, den Alice auf Bobs $ b $ teleportieren soll. Dazu verschränkt sie $ c $ mit ihrem $ a $, wodurch sie die Verschränkung von $ a $ mit $ b $ löst. Die hier verwendeten Verschränkungszustände überlassen den Komponenten keinerlei individuelle Zustandsinformation. Die Zustandsinformation von $ c $, also $ z $, ist im Teilsystem $ \{a,c\} $ nicht mehr vorhanden. Das Gesamtsystem $ \{a,b,c\} $ bewahrt sie jedoch. Erfährt B, in welchem Zustand sich das Teilsystem $ \{a,c\} $ jetzt befindet, aber nur dann, so kann er $ z $ auf $ b $ rekonstruieren. Das Bit Information, das ursprünglich für $ c $ versprochen war, kann er dann auf $ b $ abfragen.
Die Quantenteleportation benötigt zwischen Sender A (Alice) und Empfänger B (Bob) zweierlei Verbindungen:
Indexe $ a,b,c $ bezeichnen das Qubit, für das mit $ h_{a},v_{b} $ etc. der Zustand angegeben wird. Das Zeichen $ \otimes $ (Tensorprodukt) kann gesetzt oder weggelassen werden.
Bereitschaft zur Teleportation ist gegeben, wenn sich das System $ \{a,b\} $, wie angenommen, in dem verschränkten Zustand $ \textstyle B\{a,b\}={\frac {1}{\sqrt {2}}}(h_{a}h_{b}+v_{a}v_{b}) $ befindet.
Wird Chris' Qubit $ c $ in die Betrachtung einbezogen, so haben wir im Hilbertraum $ {\mathcal {H}}_{a}\otimes {\mathcal {H}}_{b}\otimes {\mathcal {H}}_{c} $ des Systems $ \{a,b,c\} $ zu rechnen. Der Zustand von $ c $ sei $ z=\alpha h+\beta v $. Da $ c $ in keiner Wechselwirkung mit $ a $ oder $ b $ steht, hat das Gesamtsystem den Produktzustand
Im Hinblick auf die Bell-Messung an den Qubits $ a $ und $ c $ beim Sender soll in $ {\mathcal {H}}_{a}\otimes {\mathcal {H}}_{c} $ an Stelle der Standardbasis $ \{h_{a}h_{c},\,h_{a}v_{c},\,v_{a}h_{c},\,v_{a}v_{c}\} $ das Orthonormalsystem der vier Bellzustände, $ B_{i}\{a,c\},\,i=1,2,3,4 $:
verwendet werden. Dabei sind einzusetzen
Nach dem Ordnen der Terme hat man
Bezeichnet $ S $ die Spiegelung in der Polarisationsebene an der $ h $-Achse und $ D $ die Drehung um $ 90^{o} $ im Uhrzeigersinn, so sind also $ z_{1}=z,\,z_{2}=Sz,\,z_{3}=SDz,\,z_{4}=Dz, $ und wir erhalten die Gleichung, auf der die Teleportation beruht:
Die linke Seite beschreibt den Aufbau von $ Z\{a,b,c\} $: Sender A und Empfänger B besitzen Qubits $ a $ und $ b $ im Verschränkungszustand $ B\{a,b\} $, und sind damit für eine Übertragung bereit. Qubit $ c $, Träger des zu versendenden Zustands, steht quasi unbeteiligt dabei. Denselben Zustand stellt die rechte Seite als Überlagerung von vier Zuständen dar, die die möglichen Reaktionen des Systems auf die geplanten Messungen ausdrücken. Die Produkte $ B_{i}\{a,c\}z_{ib} $ sind paarweise orthogonal zueinander und treten jeweils mit Amplitude 1/2 auf. Der Zufall bestimmt daher mit der gleichen Wahrscheinlichkeit 1/4 in welchem der vier Zustände sich das System bei den geplanten Messungen zeigen wird: Eine Entscheidung für beide Messungen, für die an $ \{a,c\} $ und die an $ b $. Das führt zu einer strengen Korrelation: Ergibt A's Messung $ B_{i} $, so fällt ein Test an $ b $ auf $ z_{i} $ mit Sicherheit positiv aus. Dabei ist die raum/zeit-liche Distanz der Messereignisse belanglos, im Prinzip also auch ihre zeitliche Reihenfolge. Es ist nur das Protokoll der Teleportation, das vorschreibt dass erst A misst, um nach dem Ergebnis Ihrer Messung B Anweisung geben zu können, wie er $ b $ manipulieren, $ z $ transformieren kann, um nicht $ z_{i} $ sondern $ z $ zu messen. Dass er $ z $ nicht kennt, spielt keine Rolle. Er muss nur wissen, welche Transformation er auszuführen hat. Das Protokoll endet mit der Feststellung, das Empfänger-Qubit $ b $ sei nun im Zustand $ z $. Eine Messung an $ b $ kann später zu einem unbestimmten Zeitpunkt erfolgen.
2003 demonstrierte Nicolas Gisin mit seinem Team an der Universität Genf Quantenteleportation mit Photonen über große Distanzen (2 km Glasfaser bei 55 m Abstand)[9], 2007 auch in kommerziellen Glasfaserkommunikationsnetzwerken (Swisscom).
Im Jahre 2004 gelang es zwei Arbeitsgruppen (Universität Innsbruck und NIST in Boulder Colorado) erstmals, Quantenteleportation mit Atomen (genauer: mit Ionen) durchzuführen.
Ebenfalls im Jahr 2004 gelang es Wiener Forschern um Rupert Ursin und Anton Zeilinger erstmals, außerhalb des Labors einen Quantenzustand eines Photons zu teleportieren. Sie überbrückten eine Strecke von 600 m unter der Donau. Dafür wurde ein Lichtwellenleiter in einen Abwasserkanal unter der Donau verlegt, um den Quantenzustand (die Polarisation) des zu teleportierenden Photons von der Donauinsel (Alice) auf die südliche Donauseite (Bob) auf ein anderes Photon zu übertragen. Bei Alice wurde die Quelle der verschränkten Photonen aufgebaut und eines der verschränkten Photonen des Paares über ein Glasfaserkabel zu Bob übertragen. Das andere Photon des Paares überlagerte Alice mit dem zu teleportierenden Photon und nahm eine Bellzustandsmessung vor – dabei wurde der ursprüngliche zu übertragende Polarisationszustand von Alices Photon zerstört. Die Ergebnisse von Alices Bellzustandsmessung, die zwei der möglichen vier Bellzustände voneinander unterscheiden kann, wurden über einen klassischen Informationskanal zu Bob übertragen, der dann – falls erforderlich – eine entsprechende unitäre Transformation (eine Drehung der Polarisationsrichtung) auf sein verschränktes Photon anwandte, um die Übertragung des Quantenzustandes (also die ursprüngliche Polarisationsrichtung von Alices Photon) auf dieses abzuschließen.
Im Juli 2009 haben Forscher der Universitäten in Auckland (Neuseeland), Griffith Universität in Queensland (Australien) und Doha (Katar) eine Methode vorgeschlagen, wie man einen Lichtstrahl oder ein komplettes Quantenfeld, inklusive der Fluktuationen über die Zeit hinweg, teleportieren kann. Diese „starke“ Teleportation (inklusive der Fluktuationen) wird als eine Voraussetzung für einige Quanteninformationsanwendungen angesehen und könnte zur Teleportation von Quantenbildern führen.[10]
Im Mai 2010 berichtete das Wissenschaftsmagazin Nature über die erfolgreiche Quantenteleportation über eine Entfernung von 16 Kilometer, im Freiland durchgeführt von einem chinesischen Team unter der Leitung von Xian-Min Jin. Erreicht wurde eine mittlere Genauigkeit von 89 Prozent, was deutlich über der klassisch zu erwartenden Grenze von 2/3 liegt.[11]
Im Mai 2012 haben Forscher der Chinesischen Universität für Wissenschaft und Technik nach eigenen Angaben mit Hilfe eines Lasers eine Entfernung von 97 Kilometer überwunden und damit einen neuen Rekord aufgestellt.[12][13][14]
Im September 2012 veröffentlichte das Wissenschaftsmagazin Nature einen Bericht über eine Quantenteleportation über eine Entfernung von 143 km von La Palma nach Teneriffa.[15]
Im August 2014 berichtete Nature über eine Versuchsanordnung zur Quantenteleportation mit Photonen unterschiedlicher Energie. Sie ermöglicht es, ein Objekt mit niederfrequentem Infrarotlicht zu durchleuchten, dessen Wechselwirkung mit dem untersuchten Objekt sich auf die verschränkten Photonen im sichtbaren Licht auswirkt, welche mit einfachen Digitalkameras zu erfassen sind.[16][17]
Eine äquivalente Beschreibung von Quantenteleportation im Rahmen der Quantengravitation fanden 2016 Ping Gao, Daniel Louis Jafferis und Aron C. Wall, als sie eine neue Art von Wurmlöchern einführten.[18][19]
Die praktische Bedeutung der Quantenteleportation liegt nicht etwa darin, dass man Informationen oder gar Gegenstände damit überlichtschnell transportieren könnte, wie das bei einer (fiktiven) klassischen Teleportation der Fall wäre. Hingegen ist die Quantenteleportation deshalb von praktischer Bedeutung, weil sie es erlaubt, Quantenzustände zu übertragen, ohne sie dabei durch einen Messvorgang gleichzeitig zu verändern (vergleiche dazu: Quantenmechanische Messung) und ohne dabei ein Quantensystem transportieren zu müssen (der Transport eines Quantensystems vor der Teleportation und das Versenden von klassischer Information genügt). Für Quantencomputer eröffnen sich so technisch vielversprechende Möglichkeiten zur Übertragung, Speicherung und Verarbeitung von Qubits, insbesondere für ein Quanten-Internet.