Als Radionuklid oder radioaktives Nuklid bezeichnet man ein Nuklid (eine Atomsorte), wenn es instabil und damit radioaktiv ist.
Die formelmäßige Bezeichnung ist gleich wie bei stabilen Nukliden, also z. B. für das Radionuklid Cobalt-60:
im Fließtext auch:
Eine besondere Bezeichnung für radioaktiv ist nicht vorgesehen. Ausgenommen sind die fast immer radioaktiven Kernisomere. Diese erhalten zur Unterscheidung von ihrem Grundzustand hinter der Massenzahl ein hochgestelltes m, z. B. $ {}_{\ 47}^{110\mathrm {m} }\mathrm {Ag} $. Bis 1960 war die Schreibweise $ {}_{\ 47}^{110}\mathrm {Ag} _{}^{\mathrm {m} } $ bzw. $ {}\mathrm {Ag} _{}^{\mathrm {110m} } $ üblich.
Der früher übliche Begriff Radioisotop anstelle von Radionuklid sollte nur noch dann verwendet werden, wenn neben der Radioaktivität auch die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Element von Bedeutung ist. Allerdings ist die Bezeichnung Isotop anstelle von Nuklid oder speziell Radionuklid als Bestandteil vieler Fachbezeichnungen wie „Isotopenlabor“, „Isotopenmethode“ oder „Radioisotopengenerator“ nach wie vor anzutreffen.
Jedes Radionuklid hat seine charakteristischen Zerfallseigenschaften wie Halbwertszeit, Zerfallsart(en) und Zerfallsenergie. Beim Zerfall entsteht meist Alpha- oder Betastrahlung und/oder Gammastrahlung. Die „Geschwindigkeit“ dieses Zerfalls wird durch die Halbwertszeit T½ beschrieben: Nach einer Halbwertszeit ist die Hälfte aller anfangs vorhandenen Atome noch nicht zerfallen, nach zwei Halbwertszeiten nur noch ein Viertel usw.
Einerseits lassen Radionuklide sich nach ihrer Zerfallsart (Alphastrahler, Betastrahler usw.) oder nach der Größenordnung ihrer Halbwertszeit einteilen.
Andererseits kann man natürliche und künstliche Radionuklide unterscheiden. Allerdings sind alle auf der heutigen Erde natürlich vorkommenden Radionuklide auch künstlich erzeugbar; deshalb ist das Vorkommen mancher von ihnen seit Beginn des kerntechnischen Zeitalters erhöht. Beispiele sind Kohlenstoff-14 (14C) und Tritium (3H), die als Nebenprodukte der Kernenergienutzung entstehen.
Natürliche Radionuklide kommen in der Biosphäre und in der Erde vor. Sie stammen zum Teil aus dem Reservoir der bei der stellaren Nukleosynthese gebildeten Nuklide, insbesondere die schweren mineralischen Radionuklide wie Uran-235. Diese sogenannten primordialen Radionuklide müssen entsprechend lange Halbwertszeiten haben. Da sich der Anteil der bei der Nukleosynthese gebildeten Nuklide rechnerisch modellieren lässt und die Radionuklide unter ihnen gemäß ihren Halbwertszeiten zerfallen, lässt sich aus ihren heute gemessenen Anteilen auf das Alter der die Erde bildenden Materie schließen.
Ein anderer Teil der natürlichen Radionuklide wird kontinuierlich durch die Wechselwirkung hochenergetischer kosmischer Strahlung (Höhenstrahlung) mit der Atmosphäre gebildet. Diese Radionuklide nennt man kosmogen. Das radioaktive Kohlenstoffisotop 14C (Halbwertszeit ca. 5730 Jahre) ist der bekannteste Vertreter dieser Gattung. Siehe Radiokohlenstoffmethode.
Der Rest der natürlichen Radionuklide wird von den wiederum radioaktiven Zerfallsprodukten der ersten Gattung gebildet. Man nennt diese Radionuklide radiogen.
Unter künstlichen Radionukliden versteht man solche, die durch vom Menschen herbeigeführte Kernreaktionen entstehen. Viele künstliche Radionuklide kommen aufgrund ihrer geringen Halbwertszeiten in der Natur nicht in merklichen Mengen vor.
Herstellung:
Manche künstlichen Radionuklide, beispielsweise zum medizinischen Einsatz, kann man wegen ihrer kurzen Halbwertszeit nicht weit transportieren und als Vorrat halten. Sie werden stattdessen in einem Radionuklidgenerator erst zum Gebrauch von ihrem längerlebigen Mutternuklid abgetrennt. Hierzu dienen geeignete Lösungsmittel oder Bindemittel (Elution). Ein häufig benutzter Generator ist der 99Mo-99mTc-Generator.
Primordial | Kosmogen | Radiogen | Künstlich |
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Spaltprodukte aus Kernreaktoren:
Neutroneneinfang:
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Nuklid | Halbwertszeit |
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Sauerstoff-15 | 2 min |
Kohlenstoff-11 | 20 min |
Fluor-18 | 110 min |
Technetium-99m | 6 h |
Iod-123 | 13 h |
Iod-124 | 4 d |
Iod-131 | 8 d |
Indium-111[1] | 2,80 d |
Indium-113m[1] | 99,49 min |
Phosphor-32 | 14,26 d |
Cobalt-60 | 5,27 a |
Chrom-51 | 28 d |
Kupfer-64 | 12 h |
Quecksilber-197 | 2,7 d |
Ytterbium-169 | 30 d |
Selen-75 | 120 d |
Rhenium-188 | 17h |
Radionuklide werden in vielen Bereichen der Technik und Naturwissenschaft sowie in der Medizin verwendet. Beim Umgang ist darauf zu achten, dass alle notwendigen Maßnahmen zum Strahlenschutz beachtet und eingehalten werden, hierbei ist geltendes Recht zu berücksichtigen.
In der Chemie (genauer Radiochemie) werden Radionuklide beispielsweise als Radioindikatoren eingesetzt. Dabei werden Verbindungen mit Radionukliden markiert, das heißt, es werden Radionuklide in die Verbindung eingebaut (Leit-Isotope), um zeitliche oder örtliche Veränderungen (beispielsweise Mengenbestimmungen) durchzuführen. Ein Vorteil dieser Methode ist, dass die radioaktiv markierten Verbindungen die gleichen chemischen Reaktionen wie ihre nicht radioaktiven Äquivalente erfahren, aber deutlich besser zu unterscheiden und aufzufinden sind (auch bei niedrigen Konzentrationen).
Analog dazu nutzt die Biologie und Medizin ähnliche Verfahren, um Stoffwechselprozesse im lebenden Organismus sichtbar zu machen und zu untersuchen (Autoradiographie, Radiochromatographie). In der Strahlentherapie kommen umschlossene Radionuklide zur Anwendung, beispielsweise 60Co („Kobaltkanone“); vgl. Nuklearmedizin. Des Weiteren bietet die Radionuklidtherapie eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten. Die nebenstehende Tabelle zeigt exemplarisch eine Auswahl einiger Radionuklide und ihre Halbwertszeiten, die u. a. auch in der Strahlentherapie von Krebs angewendet werden. Für Untersuchungen in vivo sollten die Halbwertszeiten möglichst klein sein, um das Gefährdungspotential für den Körper zu minimieren.
In der Technik werden Radionuklide beispielsweise als Energiequelle eingesetzt (vgl. Kernkraftwerk, Radionuklidbatterie).
Die deutsche Strahlenschutzverordnung teilt Radionuklide je nach Gefährdungspotential in vier Klassen ein.