Die Shapiro-Verzögerung, benannt nach Irwin I. Shapiro, bewirkt, dass im Bezugssystem eines von Gravitationszentren weit entfernten Beobachters (Nullpotential) die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Licht nahe einer großen Masse geringer ist als die lokale Lichtgeschwindigkeit. Dies steht im Einklang mit der Allgemeinen Relativitätstheorie.
Der Gravitationslinseneffekt, bei dem Licht durch Gravitation abgelenkt wird, lässt sich mit der Shapiro-Verzögerung erklären. Dabei ergibt sich die Ablenkung des Lichts, ähnlich wie bei seiner Brechung an Linsen aus Glas, aus einer lokalen Änderung seiner Ausbreitungsgeschwindigkeit.
Für schwach rotierende, zeitunabhängige Gravitationsfelder erhält man als Näherung die Metrik der Schwarzschildlösung in Kugelkoordinaten
Die Näherung lässt sich z. B. gut an der Oberfläche eines Sterns verwenden, an der Oberfläche eines stark rotierenden und sehr viel dichteren Neutronensterns ist sie jedoch nicht so gut anwendbar, und es gibt messbare Abweichungen.
Bei der Anwendung auf einen Stern ist das durch c² normierte Gravitationspotential
wobei
Mit dieser Näherung lässt sich anschaulich die Lichtablenkung durch Gravitation als Brechungseffekt interpretieren. Dazu muss man sich überlegen, was die Ortszeit $ \tau $ an einem Raumzeitpunkt ist. Man definiert für ein infinitesimales Zeitintervall $ \mathrm {d} \tau $:
mit x° = ct als Zeitkomponente, als die von einem Beobachter am Raumzeitpunkt x gemessene Orts- oder Eigenzeit.
Außerdem muss man die radiale Längenkontraktion berücksichtigen und die radiale Länge $ \mathrm {x} _{r} $ nahe der Masse definieren als
Betrachtet man jetzt einen Lichtstrahl, so ist seine reale lokale Geschwindigkeit die Lichtgeschwindigkeit:
und seine von außerhalb gemessene Geschwindigkeit ist
Sie stehen nach der obigen Definition der Eigenzeit in folgendem Zusammenhang:[1]
jeweils mit dem Schwarzschildradius $ r_{s}=2r_{G} $.
Wenn man beachtet, dass $ \phi $ ein anziehendes Gravitationspotential, also negativ ist, erkennt man, dass die gemessene Geschwindigkeit des Lichtstrahls lokal $ c_{n} $ kleiner erscheint als die Lichtgeschwindigkeit c im Nullpotential:
Man kann also das Gravitationsfeld in dieser Betrachtung als Medium interpretieren mit dem ortsabhängigen Brechungsindex:
Da sich Licht entlang von Geodäten ausbreitet, lässt sich dies also auch so formulieren, dass nahe einer Masse die Geodäten im Raum gekrümmt sind, was durch den kontrahierten Radius zu erklären ist. Neben der Lichtkrümmung führt dies auch zur Lichtverzögerung, die nach ihrem Entdecker als Shapiro-Verzögerung bezeichnet wird. Die Wirkung ist mit $ \sigma ^{2} $ gut doppelt so stark wie mit dem einfachen Shapirofaktor $ \sigma ={\sqrt {g_{00}(r)}} $, wenn man nur Gravitationskräfte berücksichtigen würde.
Am Sonnenrand ist $ \phi =-10^{-6} $, woraus sich als Brechungsindex $ n=1{,}000\,002 $ ergibt. Der Effekt ist also im Vergleich zur gewöhnlichen optischen Brechung sehr klein. Dementsprechend klein ist auch der Winkel der Lichtablenkung im Gravitationsfeld.
Die Lichtverzögerung wurde von Irwin I. Shapiro im Jahr 1964 theoretisch vorhergesagt[2] und erstmals 1968[3] und 1971[4] gemessen. Hier wurde die Zeitverschiebung mittels an der Venus reflektierter Radarsignale gemessen, während diese sich von der Erde aus hinter der Sonne befand, so dass die Radarwellen nahe am Sonnenrand passieren mussten. Die Messunsicherheit belief sich anfangs noch auf mehrere Prozent. Bei wiederholten Messungen und später auch durch Messungen mit Hilfe von Raumsonden (Mariner, Viking) anstelle der Venus konnte die Messgenauigkeit auf 0,1 % gesteigert werden.
Die bisher genaueste Messung des Effekts gelang 2002 bei der Konjunktion der Raumsonde Cassini mit der Sonne. Frequenzmessungen im Ka-Band ermöglichten die Bestimmung der Shapiro-Verzögerung mit einer Genauigkeit von 0,001 %.[5]