Corioliskraft: Unterschied zwischen den Versionen

Corioliskraft: Unterschied zwischen den Versionen

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[[File:Videoanimation-Corioliskraft.ogv|thumb|Animation zur Corioliskraft auf einen Körper, der sich vom Mittelpunkt einer rotierenden Scheibe ohne Reibung nach außen bewegt. Im nicht rotierenden Bezugssystem (oben) bewegt sich der Körper gleichförmig geradlinig. In einem mit der Scheibe mitrotierenden Bezugssystem steht die Scheibe und der Körper bewegt sich auf einer gekrümmten Bahn (unteres Bild). Die Krümmung der Bahn kann als Folge der Corioliskraft gedeutet werden.]]
[[Datei:Hurricane Elena.jpg|300px|mini|Ein [[Hurrikan]], der unter Beteiligung der Corioliskraft entsteht]]


Die '''Corioliskraft''' {{IPA|[kɔrjoˈliːskraft]}}<ref>[http://www.duden.de/rechtschreibung/Corioliskraft ''Corioliskraft, die.''] [[Duden online]], abgerufen am 30. November 2013. Anstelle der Betonung auf dem zweiten i wird oft auch das erste i oder das zweite o betont.</ref> ist eine [[Trägheitskraft|Schein- oder Trägheitskraft]], die einen bewegten Körper quer zu seiner Bewegungsrichtung ablenkt, wenn diese relativ zu einem rotierenden [[Bezugssystem]] beschrieben wird und nicht zu dessen [[Rotationsachse]] genau parallel liegt. Die Corioliskraft tritt nicht in Erscheinung, wenn die Bewegung aus Sicht eines nicht rotierenden Bezugssystems (z.&nbsp;B. eines [[Inertialsystem]]s) beschrieben wird. Sie wurde 1775 von [[Pierre-Simon Laplace]] erstmals korrekt aus den [[Newtonsche Gesetze|Newton’schen Gesetzen]] der Mechanik hergeleitet,<ref>{{cite journal |author=P. S. Laplace |title=Recherches sur plusieuers points du Système du Monde |journal= Mém. Acad. roy.des Sciences |volume=88 |pages=75–182 |year=1775}} Zitiert in David Edgar Cartwright: ''Tides: A Scientific History.'' Cambridge 1999, {{Google Buch |BuchID=78bE5U7TVuIC |Seite=73}}. In einer früheren Arbeit von [[Leonhard Euler]] aus dem Jahr 1750 fehlte in der Formel noch der Faktor&nbsp;2, siehe<br />Giulio Maltese: ''On the relativity of motion in Leonhard Euler’s science.'' In: ''Archive for history of exact sciences.'' Band&nbsp;54 (Januar 2000), S.&nbsp;319–348, hier S.&nbsp;343.</ref> wird aber nach [[Gaspard Gustave de Coriolis]] benannt, der diese Kraft in einer 1835 erschienenen Publikation ausdrücklich hervorhob<ref name="corps">{{cite journal |author=G. G. Coriolis |title=Memoire sur les équations du mouvement relatif<!--sic--> des systèmes de corps |journal=Journal de l’École polytechnique |volume=15 |pages=144–154 |year=1835}} In dieser Veröffentlichung wird die Vorarbeit von Laplace (1775) nicht erwähnt.</ref><ref name="Persson">{{Literatur |Autor=Anders Persson |Titel=The Coriolis Effect: Four centuries of conflict between common sense and mathematics, Part I: A history to 1885 |Sammelwerk=History of Meteorology |Band=2 |Datum=2005 |Seiten=1–24 |Sprache=en |Kommentar=siehe S. 2, Fig. 1 |Online=http://www.meteohistory.org/2005historyofmeteorology2/01persson.pdf |Format=PDF |KBytes=673 |Abruf=2016-06-22}}</ref>.
Die '''Corioliskraft''' ({{IPA|kɔrjoˈliːskraft|Tondatei=LL-Q188 (deu)-PetiteTrolline-Corioliskraft.wav}}<ref>[http://www.duden.de/rechtschreibung/Corioliskraft ''Corioliskraft, die.''] [[Duden online]], abgerufen am 30. November 2013. Abweichend wird in der in deutschen Fachkreisen üblichen Praxis die Betonung meist nicht auf das zweite i, sondern auf das erste i oder das zweite o gelegt.</ref>) ist eine der drei [[Trägheitskraft|Trägheitskräfte]] der [[Klassische Mechanik|klassischen Mechanik]], die in einem rotierenden [[Bezugssystem]] auftreten. Die Corioliskraft tritt genau dann in Erscheinung, wenn der Körper sich in dem rotierenden Bezugssystem bewegt und wenn diese Bewegung nicht parallel zur Rotationsachse bzw. zum Vektor der [[Winkelgeschwindigkeit]] verläuft. Die Corioliskraft steht senkrecht zur momentanen Bewegungsrichtung des [[Massepunkt]]s im rotierenden Bezugssystem und bewirkt daher keine Vergrößerung oder Verkleinerung seiner Geschwindigkeit, sondern eine Ablenkung zur Seite. Die Corioliskraft auf einen Massepunkt ist proportional zu seiner Masse und zu der Geschwindigkeit, mit der er sich im rotierenden Bezugssystem bewegt, sowie zur Winkelgeschwindigkeit, mit der das Bezugssystem rotiert. Der Ort des Körpers spielt dagegen keine Rolle, zumal die vektorielle Winkelgeschwindigkeit, auf die es hier allein ankommt, unabhängig von der Lage eines Bezugspunktes oder einer Drehachse ist.
Im Unterschied zu zwei anderen Scheinkräften in rotierenden Bezugssystemen, [[Zentrifugalkraft]] und [[Eulerkraft]], wirkt die Corioliskraft nur auf Körper, die sich relativ zum rotierenden Bezugssystem (z.&nbsp;B. relativ zur Erdoberfläche oder zu einem Platz auf einem Karussell) bewegen.
Spürbar ist die Corioliskraft z.&nbsp;B., wenn man auf einer Drehscheibe auf einem Kinderspielplatz zu laufen beginnt. Deutlich erkennbar wird der Einfluss der Corioliskraft auch bei langfristigen großräumigen Phänomenen, wie z.&nbsp;B. in der [[Meteorologie]] bei der Drehrichtung der Windfelder um Hoch- und [[Tiefdruckgebiet]]e und bei der Ausbildung erdumspannender Windsysteme wie der [[Passat (Windsystem)|Passatwinde]] und des [[Jetstream]]s. In der physikalischen [[Meereskunde|Ozeanographie]] beeinflusst die Corioliskraft maßgeblich die [[Meeresströmung]]en. Die verbreitete These, dass sie auch für die Drehrichtung des Strudels in der Badewanne und im Spülbecken verantwortlich sei, trifft hingegen nicht zu.<ref name="zeit">Christoph Drösser: [http://www.zeit.de/stimmts/1997/1997_26_stimmts ''Stimmt’s? Seltsamer Strudel.''] Auf: ''zeit.de.'' 3.&nbsp;März 2010, abgerufen am 14.&nbsp;Dezember 2014.</ref><ref>{{Literatur |Autor=[[Jearl Walker]] |Titel=Der fliegende Zirkus der Physik |Verlag=Oldenbourg Wissenschaftsverlag |Datum=2007 |ISBN=978-3-486-58067-9 |Online={{Google Buch |BuchID=iN0HQ9E_YT4C |Seite=96}}}}</ref><ref>[[Norbert Lossau (Wissenschaftsjournalist)|Norbert Lossau]]: ''[https://www.welt.de/welt_print/article923986/Badewannen-und-Tiefdruckgebiete.html Fünf Minuten Physik: Badewannen und Tiefdruckgebiete.]'' In: ''[[Die Welt]].'' 6.&nbsp;Juni 2007.</ref> Wie stark der Einfluss der Corioliskraft auf die Strömung eines Mediums ist, wird durch deren [[Rossby-Zahl]] beschrieben.


Die Corioliskraft <math>\textstyle\vec F_\mathrm{C}</math> und die dazugehörige '''Coriolisbeschleunigung''' <math>\textstyle \vec a_\mathrm{C}</math> berechnen sich nach den Formeln <math>\textstyle\vec F_\mathrm{C} = 2\,m\,(\vec v \times \vec \omega)</math> und <math>\vec a_\mathrm{C} = 2\,(\vec v \times \vec \omega)</math>. Darin ist <math>\textstyle\vec \omega</math> die [[Winkelgeschwindigkeit]] des Bezugssystems, <math>\textstyle\vec v</math> die Geschwindigkeit des Körpers relativ zu diesem Bezugssystem und <math>m</math> die Masse des Körpers. Die Corioliskraft ist das [[Kreuzprodukt]] eines [[Pseudovektor|polaren Vektors]] mit einem axialen Vektor und daher, wie alle Kräfte, ein polarer Vektor.
Die beiden anderen Trägheitskräfte im rotierenden Bezugssystem, [[Zentrifugalkraft]] und [[Eulerkraft]], wirken auch, wenn der Körper im rotierenden Bezugssystem ruht.


In der [[Technische Mechanik|Technischen Mechanik]] wird als Coriolisbeschleunigung diejenige Beschleunigung bezeichnet, die das seitliche Abweichen des bewegten Körpers verhindert. Sie ist das Negative der oben beschriebenen Coriolisbeschleunigung <math>\textstyle \vec a_\mathrm{C}</math>.<ref>{{Literatur |Autor=Jürgen Dankert, Helga Dankert |Titel=Technische Mechanik |Auflage=6. |Verlag=Vieweg-Teubner |Datum=2011 |ISBN=978-3-8348-1375-6}}</ref>
In einem erdfesten Bezugssystem tritt nur die Corioliskraft in Erscheinung. Sie hat maßgeblichen Einfluss auf die großräumigen Strömungsphänomene. Beispiele aus der [[Meteorologie]] sind die Drehrichtungen der Windfelder um Hoch- und [[Tiefdruckgebiet]]e und die Ausbildung globaler Windsysteme wie [[Passat (Windsystem)|Passatwinde]] und [[Jetstream]]. In der [[Meereskunde|Ozeanographie]] beeinflusst die Corioliskraft maßgeblich die [[Meeresströmung]]en. Sie lenkt z.&nbsp;B. kalte Strömungen entlang der nord- und südamerikanischen Pazifikküste, was sich auf das dortige Klima auswirkt. Eine nennenswerte Rolle spielt dabei nur die zur Erdoberfläche parallele Komponente der Corioliskraft, weshalb diese in den Geowissenschaften vereinfachend oft als „die Corioliskraft“ bezeichnet wird. Ihre Stärke hängt von der geographischen Breite ab. Sie verschwindet am Äquator und ist am stärksten an den Polen.
 
Die verbreitete These, dass die Corioliskraft für die Drehrichtung kleiner Strudel wie in der Badewanne und im Spülbecken verantwortlich sei, trifft nicht zu. In der Technik ist die Corioliskraft, zusätzlich zur Zentrifugalkraft, bei allen Bewegungen zu berücksichtigen, die sich relativ zu einer rotierenden Basis abspielen, z.&nbsp;B. wenn die zwei Teile eines [[Roboter]]arms sich gleichzeitig bewegen, oder wenn der Ausleger eines [[Baukran]]s schwenkt und gleichzeitig die [[Laufkatze]] nach innen oder außen fährt. Das gleiche gilt auch, wenn man auf dem [[Teufelsrad (Fahrgeschäft)|Teufelsrad]] gehen will. Diese und andere Erscheinungsformen der Corioliskraft in rotierenden Systemen werden auch als '''Corioliseffekt''' bezeichnet. Die Corioliskraft ist hier als Teil des Trägheitswiderstands in Bezug auf die äußere Kraft zu verstehen, welche die Bewegung verursacht.
 
Die Corioliskraft wurde erstmals 1775 von [[Pierre-Simon Laplace]] korrekt hergeleitet. Sie wird aber nach [[Gaspard Gustave de Coriolis]] benannt, der sie in einer 1835 erschienenen Publikation ausführlich behandelte.


== Einführung ==
== Einführung ==
=== Beobachtungen auf einer sich drehenden Scheibe ===
Eine Erklärung der Corioliskraft, die mit Alltagsworten und ohne einschlägiges Vorwissen auszukommen versucht, könnte lauten:
Fährt eine Person auf einer Drehscheibe (wie z.&nbsp;B. auf manchen Spielplätzen oder auf einem Karussell) einfach nur mit, so wirkt eine nach außen gerichtete [[Zentrifugalkraft]] auf sie. Bewegt sich die Person aber auch noch relativ zu der Scheibe, so erfährt sie außerdem eine Kraft, die sie aus ihrer momentanen Bewegungsrichtung zur Seite ablenkt. Dies ist die Corioliskraft. Ohne einige Übung macht sie das einfache Geradeausgehen zunächst praktisch unmöglich, wenn das „Geradeausgehen“ in Bezug auf die rotierende Scheibe gemeint ist. Besonders deutlich bemerkt man diese Kraft, wenn man von der Drehachse weg oder zu ihr hin gehen will. In diesem Fall steht die Corioliskraft senkrecht auf der Zentrifugalkraft und ist leicht von ihr zu unterscheiden. Aber auch, wenn man sich auf der Scheibe in beliebiger anderer Richtung bewegt, zieht die Corioliskraft mit gleicher Stärke zur Seite. In diesem Fall hat sie eine Komponente in Richtung der Zentrifugalkraft und ist von dieser nicht mehr so einfach zu unterscheiden. Dreht sich die Scheibe –&nbsp;wie auf dem obigen Bild&nbsp;– von oben gesehen linksherum, zieht die Corioliskraft seitlich nach rechts, immer bezogen auf die augenblickliche Richtung der Bewegung relativ zur Scheibe. Die folgenden Überlegungen, die dieses Phänomen anhand endlicher Intervalle in Zeit und Raum näherungsweise verständlich machen, ergeben im Grenzfall infinitesimal kleiner Intervalle eine exakte Begründung der Corioliskraft.<ref name="Gerthsen2017">{{Literatur |Autor=Dieter Meschede |Titel=Gerthsen Physik |Auflage=25 |Verlag=Springer |Ort=Heidelberg |Datum=2017 | Seiten=43 ff.}}</ref><ref>Richard Feynman u.&nbsp;a.: ''[[Vorlesungen über Physik]].'' Bd.&nbsp;1, Seite&nbsp;19–2, die letzten beiden Sätze des Kapitels.</ref><ref>Jürgen Dankert und Helga Dankert: ''Technische Mechanik.'' Springer, 6. Auflage, 2011, S. 497.</ref>
 
Nur eine Kraft kann die augenblickliche Geschwindigkeit eines Körpers nach Betrag oder Richtung ändern, denn aus sich selbst heraus „möchte“ er sich immer geradlinig-gleichförmig bewegen. Wenn man nun auf einer Drehscheibe auf einer aufgemalten geraden Linie zum Mittelpunkt gehen möchte, erscheint die Bewegung nur von der Drehscheibe aus gesehen geradlinig, vom festen Boden außerhalb der Drehscheibe aus aber gekrümmt. Diese zweite Beurteilung durch einen nicht bewegten Beobachter ist hier entscheidend. Um also trotzdem auf der Scheibe geradeaus zu gehen, braucht es die für jede gekrümmte Bewegung nötige Kraft von der Seite. Wenn man darauf vorbereitet ist, bringt man diese Kraft auf, so ähnlich, wie wenn man sich gegen einen starken Seitenwind stemmt. Dem Geher kommt es so vor, als ob er diese Kraft gegen etwas aufbringen müsste, das ihn ablenken würde. Dieses Etwas hat den Namen Corioliskraft.
 
Genauer formuliert: In einem rotierenden Bezugssystem, zum Beispiel in einem, das mit einer sich drehenden Scheibe verbunden ist, kann festgestellt werden, dass sich ein Körper, auf den keine äußere Kraft wirkt, nicht entsprechend dem Trägheitsprinzip gleichförmig geradlinig bewegt, sondern zusätzlich zur [[Zentrifugalbeschleunigung]] auch immer senkrecht zur Bewegungsrichtung abgelenkt wird. Seine Bahn ist gekrümmt, er vollführt also eine beschleunigte Bewegung. Der Anteil dieser Beschleunigung, der senkrecht zur Bewegungsrichtung steht und proportional sowohl zur Relativgeschwindigkeit auf der Scheibe und zur Winkelgeschwindigkeit des Bezugssystems ist, wird als '''Coriolisbeschleunigung''' bezeichnet und als Wirkung einer entsprechenden Kraft gedeutet, der Corioliskraft. Ebenso stellt man fest, dass eine reale äußere Kraft gleicher Stärke, aber entgegengesetzter Richtung einwirken muss, wenn eine Bewegung relativ zu einem rotierenden Bezugssystem geradlinig sein soll.


=== Coriolisbeschleunigung bei radialer Bewegung von der Achse weg ===
[[Datei:Jahrmarkt Drehscheibe AK.jpg|mini|Zentrifugal- und Corioliskraft beeinflussen die Bewegungsabläufe auf dem „Teufelsrad“]]
[[File:Corioliskraft Radialbewegung1.png|thumb|Ablenkung durch die Corioliskraft bei radialer Bewegung]]
Dieser Effekt wird beim sogenannten „Teufelsrad“ auf Jahrmärkten erfahrbar gemacht. Personen sollen auf einer sich drehenden Scheibe gehen, z.&nbsp;B. längs einer aufgemalten geraden Linie radial zum Zentrum. Für diese Bewegung sind Kräfte erforderlich, da sie von außen betrachtet keine geradlinige Bewegung ist. Da die Umlaufgeschwindigkeit der Scheibe auf dem Weg nach innen immer kleiner wird, muss der Geher eine Kraft entgegen der an seinem Ort herrschenden Drehrichtung aufbringen, um seinen Körper entsprechend zu verlangsamen. Eine Kraft gleicher Richtung und Stärke muss er zusätzlich aufbringen, um die Richtung seiner Bewegung entsprechend weiterzudrehen. Da sich in der Summe diese beiden Kräfte und die Corioliskraft genau aufheben, ist die Corioliskraft der ''Trägheitswiderstand'' in Bezug auf die vom Läufer aufzubringende Querkraft. Da bei diesen Bedingungen die Zentrifugalkraft und die Corioliskraft senkrecht aufeinander stehen, können sie vom Geher unterschieden werden, selbst wenn die Scheibe keinen Blick nach außen zuließe. Das Auftreten von äußeren Kräften bei einer gleichförmigen Bewegung ist somit der Nachweis, dass man sich nicht in einem [[Inertialsystem]] befindet.
Wenn dem mit der Scheibe rotierenden Körper (roter Kreis in der nebenstehenden Abbildung) zusätzlich eine Radialgeschwindigkeit <math>\vec v</math> erteilt wird, wächst sein Abstand zur Achse in der Zeit <math>\Delta t</math> um <math>\Delta r = v\, \Delta t</math>. Im Bezugsystem der Scheibe würde er bei geradliniger Bewegung (also ohne Corioliskraft) am Ende des durchgezogenen roten Pfeils an der Position&nbsp;1 ankommen. Im erdfesten Bezugssystem bewegt sich der Körper entlang des Pfeils, der die Vektorsumme der Radialbewegung und der Tangentialbewegung um die Strecken <math>v\, \Delta t</math> (roter Pfeil) bzw. <math>\omega \, r \, \Delta t = r\, \, \Delta \varphi</math> (blauer durchgezogener<!--wichtig, weil sich sonst r ändert; r...Radialkoordinate R...Radius--> Pfeil) darstellt, zum blauroten Punkt mit der Markierung&nbsp;2. Jedoch dreht sich in dieser Zeit die Scheibe um den Winkel <math>\Delta \varphi = \omega \, \Delta t</math>, und dabei hat der auf der Scheibe erwartete Endpunkt (Markierung&nbsp;1) eine größere Strecke zurückgelegt, nämlich insgesamt <math>(r+\Delta r) \, \Delta \varphi </math> bis zum roten Punkt mit der Markierung&nbsp;3. Demnach ist der Körper in tangentialer Richtung von der geradlinigen radialen Bahn auf der Scheibe nach rechts abgewichen. Die mit <math>\Delta s </math> bezeichnete Abweichung ergibt sich aus der Skizze zu <math>\Delta s =\Delta r\,\Delta \varphi</math>. Wegen
 
:<math>\Delta s = \Delta r\,\Delta \varphi = v \Delta t\, \omega \Delta t</math>
[[Datei:Corioliskraftanimation.gif|mini|Bewegung eines Körpers vom Mittelpunkt einer rotierenden Scheibe ohne Reibung nach außen; oben: im ruhenden Bezugssystem bewegt sich der Körper [[Gleichförmige Bewegung|gleichförmig geradlinig]]; unten: im mitrotierenden Bezugssystem (Scheibe) bewegt sich der Körper auf einer [[Archimedische Spirale|spiralförmig]] gekrümmten [[#Scheibenexperiment|Bahn]].]]
wächst <math>\Delta s </math> quadratisch mit der Zeit <math>\Delta t </math>, entspricht also einer [[Gleichmäßig beschleunigte Bewegung|gleichmäßig beschleunigten Bewegung]] mit der Coriolisbeschleunigung
In einem bekannten Demonstrationsexperiment zum Corioliseffekt lässt man eine Kugel möglichst reibungsfrei über eine rotierende Scheibe rollen. Von außerhalb der Scheibe aus gesehen rollt die Kugel geradlinig, denn sie bewegt sich auf Grund ihrer [[Trägheit]] gleichförmig (in der Animation die gerade gelbe Spur auf der oben abgebildeten Scheibe).<ref group="Anm.">Im realen Experiment wird die Kugel von der Scheibe etwas in Drehrichtung mitgenommen. Siehe ''Coriolis- und Zentrifugalkraft im rotierenden Bezugssystem'': [https://av.tib.eu/media/10796 Video] von 3:00 bis 3:30 und ab 5:00. Dies lässt sich vermeiden, wenn die Kugel geworfen wird statt gerollt.</ref> Aus Sicht einer scheibenfesten Kamera, erreicht die Kugel nicht wie erwartet den roten Punkt, sondern wird entgegen der Drehrichtung der Scheibe seitlich abgelenkt. Diese Ablenkung ist die Folge der Corioliskraft. Deren Komponente in Umfangsrichtung ist während des Vorgangs konstant, da sich der Radius ebenfalls mit konstanter Geschwindigkeit vergrößert. Die Abweichung vom anvisierten Ziel wächst, auf dem Bogen gemessen ([[Kreisbogen|Bogenlänge]] zwischen der Kugel und dem roten Punkt in der Animation) in Form einer gleichförmig beschleunigten Bewegung.
:<math>a_C = 2\,v \, \omega</math>.
 
Bezeichnet man mit <math>\vec \omega</math> die [[vektor]]ielle [[Winkelgeschwindigkeit]] des Bezugssystems, deren [[Vektor#Länge/Betrag eines Vektors|Betrag]] angibt wie schnell das Bezugssystem rotiert, und mit <math>\vec v'</math> die Geschwindigkeit, mit der sich der Körper im Bezugssystem bewegt, dann berechnet sich die Coriolisbeschleunigung <math>\vec a_C</math> ganz allgemein nach der Formel
:<math>\vec a_\mathrm{C} = -2\,\vec \omega \times \vec v'</math>.
Der vorliegende Artikel folgt dieser heute in der [[Physik]] gebräuchlichen Definition des Vorzeichens.<ref>{{Literatur |Autor=Jürgen Dankert, Helga Dankert |Titel=Technische Mechanik |Auflage=6. |Verlag=Vieweg-Teubner |Datum=2011 |ISBN=978-3-8348-1375-6}} In der [[Technische Mechanik|Technischen Mechanik]] wird die „Coriolisbeschleunigung“ als Teil der Beschleunigung im Inertialsystem gesehen, und zwar als diejenige Beschleunigung, die dem bewegten Körper senkrecht zu seiner Bewegungsrichtung erteilt werden muss, um seine Ablenkung gerade zu verhindern; dafür erhält sie das entgegengesetzte Vorzeichen. Die Corioliskraft ist der Trägheitswiderstand in Bezug auf diese Beschleunigung.</ref> Die Verknüpfung der Größen <math>\vec \omega</math> und <math>\vec v'</math> wird durch das [[Kreuzprodukt]] mit dem Symbol <math>\times</math> ausgedrückt. Die drei Vektoren <math>\vec \omega</math>, <math>\vec v'</math> und <math>\vec \omega \times\vec v'</math> bilden dabei ein [[Rechtssystem (Mathematik)|Rechtssystem]]. Zu seiner Veranschaulichung kann man die sogenannte „[[Drei-Finger-Regel]]“ benutzen.
 
In Analogie zum zweiten [[Newtonsche Gesetze|Newtonschen Gesetz]] wird in der Physik als Ursache dieser Beschleunigung eine dazu proportionale Kraft angenommen, die Corioliskraft, die das Produkt aus der Masse <math>m</math> des Körpers und der Coriolisbeschleunigung ist.<ref>{{Literatur |Autor=[[Wolfgang Demtröder]] |Titel=Experimentalphysik 1 |Auflage=6 |Verlag=Springer Spektrum |Ort=Berlin Heidelberg |Datum=2013 |ISBN=978-3-642-25465-9 |Seiten=83}}</ref> Da sich aber für diese Kraft keine physikalische Ursache findet und auch kein anderer Körper, auf den sie zurückwirkt, wird sie als fiktive Kraft oder Scheinkraft bezeichnet.
:<math>\vec F_\mathrm{C} = m\, \vec a_\mathrm{C}= -2\,m\,\vec \omega \times \vec v'</math>
 
Die Richtung des resultierenden Vektors <math>\vec F_\mathrm{C}</math> ist sowohl senkrecht zur momentanen Bewegungsrichtung als auch zur Drehachse des Bezugsystems. Die Corioliskraft liegt daher stets in einer Ebene senkrecht zur Drehachse, bei Bewegungen parallel zur Drehachse ist sie Null. Schaut man als mitrotierender Beobachter entgegen der Richtung der Winkelgeschwindigkeit, d.&nbsp;h. senkrecht auf die gegen den Uhrzeigersinn rotierende Ebene, wird der Körper immer nach rechts abgelenkt, gleich, ob er sich auf die Achse zu- oder wegbewegt oder um sie herum.
 
== Anschauliche Herleitung ==
Die folgenden Überlegungen, die das Phänomen anhand endlicher Intervalle in Zeit und Raum näherungsweise verständlich machen, ergeben im Grenzfall infinitesimal kleiner Intervalle eine exakte Begründung der Corioliskraft.<ref name="Gerthsen2017">{{Literatur |Autor=Dieter Meschede |Titel=Gerthsen Physik |Auflage=25 |Verlag=Springer |Ort=Heidelberg |Datum=2017 |Seiten=43 ff.}}</ref><ref>[[Richard Feynman]] u.&nbsp;a.: ''[[Vorlesungen über Physik]].'' Band&nbsp;1, [https://www.feynmanlectures.caltech.edu/I_19.html Seite&nbsp;19–2], die letzten beiden Sätze des Kapitels.</ref><ref>Jürgen Dankert und Helga Dankert: ''Technische Mechanik.'' Springer, 6. Auflage, 2011, S. 497.</ref>
 
=== Einfaches Beispiel ===
[[Datei:Coriolisforce simplest case.png|mini|Gleichförmig lineare Bewegung längs der festen x-Achse, vom rotierenden Koordinatensystem aus beobachtet]]
Die gleichförmig-geradlinige Bewegung eines kräftefreien Körpers wird von einem rotierenden <math>(x',y')</math>-Koordinatensystem aus beschrieben. Zur Zeit <math>t=0</math> sei der Körper bei <math>(x',y')=(0,0)</math>, und die <math>x'</math>-Achse liege gerade in seiner Bewegungsrichtung. Zur Zeit <math>t</math>, wenn der Körper den Weg <math> r = v\,t </math> zurückgelegt hat, hat sich diese Achse um den Winkel <math> \omega\, t</math> gedreht, so dass sie nun vom geradeaus fliegenden Körper einen Abstand <math> y' = r \sin \omega\, t</math> hat. Für kleine Zeiten gilt <math> \sin \omega\, t \approx \omega\, t</math>, also wächst der Abstand quadratisch: <math> y' \approx v \omega t^2</math>. Vom rotierenden Bezugssystem aus gesehen bewegt der kräftefreie Körper sich demnach gleichförmig beschleunigt senkrecht zur ursprünglichen Bewegungsrichtung nach dem Gesetz <math> y' = \tfrac12 a t^2</math>. Die Beschleunigung <math> a= 2 v \omega </math> ist die Coriolisbeschleunigung.
 
Wenn der Körper sich stattdessen entlang der rotierenden <math>x'</math>-Achse bewegen soll, kann er demnach nicht kräftefrei sein, sondern muss durch eine äußere Kraft mit der Stärke <math> F= 2 m v \omega </math> in <math>y'</math>-Richtung beschleunigt werden. Die Corioliskraft ist der [[Trägheitswiderstand]] gegen diese Beschleunigung.
 
Diese einfache Herleitung gilt genau genommen nur für die infinitesimale Umgebung des Mittelpunkts, wo die geometrische Beschreibung durch gerade und auf einander senkrecht stehende kurze Strecken im Grenzfall exakt ist. Sie deckt aber auch schon den allgemeinen Fall ab, dass der Körper seine Bewegung gegenüber dem rotierenden Bezugssystem nicht an dessen Ursprung beginnt, sondern an einem beliebigen Anfangspunkt. Man kann die momentane Bewegung des Bezugssystems nämlich genau so gut dadurch beschreiben, dass man diesen Anfangspunkt zum Mittelpunkt der Rotation wählt und zusätzlich eine [[Translation (Physik)|Translation]] des Bezugssystems erlaubt. Die Winkelgeschwindigkeit bleibt nach Betrag und Richtung dabei ungeändert, die Relativgeschwindigkeit auch, und damit auch die Corioliskraft.
 
Für eine explizite Beschreibung der Verhältnisse an beliebigen Startpunkten auf der Drehscheibe siehe die folgenden Abschnitte. Für die weitere Bewegung des Körpers außerhalb der infinitesimalen Nähe des Startpunkts siehe die Herleitung der Spiralbahn im Abschnitt [[#Körper frei von äußeren Kräften auf der Drehscheibe|Scheibenexperiment]].
 
=== Coriolisbeschleunigung bei radialer Bewegung von der Drehachse weg ===
[[Datei:Corioliskraft Radialbewegung5.png|mini|Ablenkung durch die Corioliskraft bei radialer Bewegung]]
 
Auf einer Scheibe steht eine Person im Abstand <math>r</math> vom Zentrum (roter Punkt A), und weiter außen im Abstand <math>r+\Delta r</math> steht ein Pfahl (roter Punkt 1). Die Person wirft einen Körper mit der Geschwindigkeit <math>v</math> zum Pfahl. Wenn die Scheibe ''ruhen würde,'' würde der Körper längs der roten Linie fliegen und den Pfahl nach der Zeit <math>\Delta t = \Delta r/v</math> treffen. Wenn die Person von der Drehung (oder von deren Wirkung auf freie Bewegungen) nichts weiß, wird sie immer diese geradlinige Bewegung in der Richtung erwarten, in der sie den Körper losgeworfen hat.
 
Während der geworfene Körper in der Luft ist, dreht sich die Scheibe um den Winkel <math>\Delta \varphi = \omega \, \Delta t</math>, wobei <math>\omega</math> die Winkelgeschwindigkeit ist. Die mitbewegte Person legt dabei auf dem Kreisbogen die Strecke <math>r \Delta \varphi</math> zurück (blauer Pfeil) und befindet sich dann am roten Punkt B. Der Pfahl legt auf seinem Kreisbogen eine größere Strecke <math>(r + \Delta r) \Delta \varphi</math> zurück, weil er weiter außen steht. Er befindet sich dann am roten Punkt 2. Die Differenz der beiden Strecken von Pfahl und Person ist
:<math>\Delta s = \Delta r \Delta\varphi</math>.
 
Der Werfer erwartet den geworfenen Körper an dem Ort, an dem der Pfahl sich jetzt befindet, also am Punkt 2 am Ende der gepunkteten geraden roten Linie. Für ihn ist aber der Körper längs der gebogenen gepunkteten roten Linie im Abstand <math>\Delta s</math> am Pfahl vorbei geflogen.
 
Das lässt sich von einem „ruhenden“ Beobachter aus, der neben der Drehscheibe steht und keine vom beschleunigten Bezugssystem bedingten Trägheitskräfte zu berücksichtigen hat, so erklären: Der Körper hat sich zunächst mit der werfenden Person auf der rotierenden Scheibe mitbewegt. Er hat also im Moment des Abwurfs eine tangentiale Umlaufgeschwindigkeit <math>v_t = \omega \, r</math> und erhält senkrecht dazu die radiale Wurfgeschwindigkeit <math>v</math> zusätzlich. Nach dem Abwurf bewegt er sich mit der aus <math>v</math> und <math>v_t</math> resultierenden Geschwindigkeit in gerader Linie (rot-blauer Pfeil). In radialer Richtung legt er die Strecke <math>v \Delta t</math> zurück, in tangentialer Richtung die Strecke <math>v_t \, \Delta t</math> und erreicht daher die mit dem grünen Kreuz markierte Stelle. Die Strecke in tangentialer Richtung ist genauso lang wie die Strecke, die die Person währenddessen auf ihrem Kreisbogen zurücklegt, denn <math>v_t\, \Delta t = r\, \omega \Delta t = r \, \Delta \varphi</math>. Wenn der Körper am grünen Kreuz ankommt, fehlt ihm bis zum Pfahl noch das Wegstück&nbsp;<math>\Delta s</math>.
 
Nun wächst <math>\Delta s</math> mit der Zeit quadratisch an, denn es gilt:
:<math>\Delta s = \Delta\varphi \Delta r = \omega \, \Delta t \, v \, \Delta t = \omega \, v \, (\Delta t)^2</math>.
 
Für die mitrotierende Person sieht das aus wie eine [[gleichmäßig beschleunigte Bewegung]] nach dem Weg-Zeit-Gesetz
 
:<math>\Delta s = \frac 1 2 \, a \, (\Delta t)^2</math>,
wobei <math>a</math> die Beschleunigung ist.
 
Somit kann die mitrotierende Person die Abweichung des Körpers von der beabsichtigten Richtung durch die Beschleunigung
:<math>a_C = 2 \, w \, v</math>
erklären. Dies ist die Coriolisbeschleunigung, die in diesem Fall nur tangential gerichtet ist.
 
Diese Herleitung ist insofern nicht ganz beweiskräftig, als die Stücke auf den Kreisbögen wie Geraden behandelt wurden. Das ist im Grenzfall [[infinitesimal]] kleiner Strecken aber exakt. Daher ist die so erhaltene Formel gültig.


=== Coriolisbeschleunigung bei Kreisbewegung um die Drehachse herum ===
=== Coriolisbeschleunigung bei Kreisbewegung um die Drehachse herum ===
[[File:KinematikKreisbewegungRadialkraft2.png|thumb|Kreisbewegung, Zentripetalbeschleunigung geometrisch hergeleitet]]
{{Siehe auch|Zentripetalbeschleunigung#Einfache Herleitung}}
Die nebenstehende Abbildung zeigt, dass ganz allgemein zur Beibehaltung einer Kreisbewegung (rot) mit der Geschwindigkeit <math>\tilde v</math> eine Beschleunigung <math>a_{radial}</math> quer zur geradlinigen Trägheitsbewegung erfolgen muss. Während des Zeitintervalls <math>\Delta t</math> muss sie eine radiale Bewegung um die Strecke <math>\Delta r</math> bewirken (grün). Diese ergibt sich aus dem gezeigten rechtwinkligen Dreieck, wenn man zum Grenzfall infinitesimaler Intervalle übergeht, zu
Ganz allgemein ist zur Beibehaltung einer Kreisbewegung im Abstand <math>r</math> mit der beliebigen Geschwindigkeit <math>\tilde v</math> eine Beschleunigung <math>\tilde a_\text{r}=\tilde v^2/r</math> in Richtung Mittelpunkt erforderlich.
:<math>\Delta r = \frac12 \frac{\tilde v ^2}{r}\Delta t^2</math>.
Wenn ein rotierender Körper im Inertialsystem die Geschwindigkeit <math>\tilde v=v</math> hat, ergibt sich <math>a_\text{r} = v^2/r</math> als die [[Zentripetalbeschleunigung]], die bei allen Kreisbewegungen auftritt und durch die Zentripetalkraft bewirkt wird.
 
Bewegt sich ein Körper mit der Geschwindigkeit <math>v'</math> (Relativgeschwindigkeit) in einem Bezugssystem, das eine Rotationsbewegung mit der Winkelgeschwindigkeit <math>\omega</math> ausführt, dann ist die Geschwindigkeit des Körpers vom Inertialsystem aus gesehen die Summe aus der Umlaufgeschwindigkeit <math>v_\text{Umlauf}=\omega \cdot r</math> und der Relativgeschwindigkeit <math>v'</math>:
:<math>v=v_\text{Umlauf}+v'</math>.
 
Für die Zentripetalbeschleunigung des Körpers folgt daraus:
 
:<math>a_\text{r} = \frac{(v_\text{Umlauf} +v')^2}{r} = \frac{v_\text{Umlauf}^2}{r} + \frac{v{'}^2}{r} + 2\frac{v_\text{Umlauf}\,v'}{r} = a_\text{Zp} + a'_r + 2 \, \omega \,v'</math>.
Dies ist die Zentripetalbeschleunigung, die im ruhenden Bezugssystem zur betrachteten Bewegung gehört. Sie setzt sich aus drei Termen zusammen. Der erste ist die Zentripetalbeschleunigung die ein Körper erfährt, der mit dem Bezugssystem verbunden ist. Es folgen die Relativbeschleunigung und ein Term, der der Coriolisbeschleunigung entgegengesetzt ist. Das Beispiel zeigt, dass diese Aufteilung vom gewählten Bezugssystem abhängt, also willkürlich ist.<ref>{{Literatur |Autor=Richard Feynman |Titel=The Feynman Lectures on Physics |Band=1 |Auflage=3 |Verlag=Basic Books |Datum=2010 |ISBN=978-0-465-02414-8 |Seiten=19-15–19<nowiki />-16 |Sprache=en}}</ref>
 
Aufgelöst nach der Radialbeschleunigung im [[Zentrifugalkraft#Rotierendes Bezugssystem|rotierenden Bezugssystem]]:
:<math>a'_\text{r} = a_\text{r} - a_\text{Zp} - 2 \, \omega \,v'=a_\text{r} + a_\text{Zf} + a_\text{C}</math>.


Die quadratische Abhängigkeit von der Zeitspanne zeigt, dass eine konstante Beschleunigung
Der zweite Term ist die Zentrifugalbeschleunigung. Sie ist entgegengesetzt gleich groß wie die Zentripetalbeschleunigung eines Körpers, der mit dem Bezugssystem verbunden ist. Der dritte Term ist die Coriolisbeschleunigung.
:<math>a_{radial} = \frac{\tilde v ^2}{r}</math>
vorliegt.


Dies Ergebnis kann man auf drei verschiedene Weisen auswerten, je nach der Bedeutung, die man den Größen <math>\tilde v</math> und <math>\tilde \omega = \tilde v / r </math> gibt. Im ersten Fall sei <math>\tilde v</math> die Bahngeschwindigkeit eines mitfahrenden Körpers ohne Bewegung relativ zur Scheibe: <math>\tilde v = v_{Umlauf}</math>. Dann ist <math>\tilde \omega = \omega</math> die Drehgeschwindigkeit der Scheibe, und es ergibt sich <math>a_{radial} = \omega^2 \,r</math>. Das ist die [[Zentripetalbeschleunigung]], die bei allen Kreisbewegungen auftritt und die durch eine Kraft bewirkt wird, die die im rotierenden Bezugssystem herrschende [[Zentrifugalkraft]] neutralisiert (denn in diesem ersten Fall ruht der Körper relativ zur Scheibe). Im zweiten Fall sei <math>\tilde v = v_{relativ}</math> die Geschwindigkeit, mit der der Körper relativ zu der Drehscheibe auf einem Kreis um die Achse läuft, so dass sich im rotierenden Bezugssystem eine Kreisbewegung mit Bahngeschwindigkeit <math>v_{relativ}</math> zeigt. Dann ergibt sich aus der obigen Formel <math>a_{radial} = \frac{ v_{relativ} ^2}{r}</math>, das ist im Bezugssystem der Scheibe die zu dieser Kreisbewegung gehörige Zentripetalbeschleunigung. Im dritten Fall wählt man <math>\tilde v = v_{Umlauf} + v_{relativ}</math>, das ist die Geschwindigkeit, die der Körper aus dem zweiten Fall im ruhenden Bezugssystem hat. Dann ergibt sich nach obiger Gleichung:
=== Keine Coriolisbeschleunigung bei Bewegung parallel zur Drehachse ===
Eine Bewegung eines Körpers parallel zur Rotationsachse ruft keine Corioliskraft hervor, denn zu ihrer Erklärung sind keine zusätzlichen Kräfte nötig. Z.&nbsp;B. sei der Fall betrachtet, dass auf einer waagerechten Drehscheibe in gewissem Abstand vom Mittelpunkt eine senkrechte Kletterstange steht, an der eine Person herabgleitet. Für sie bleibt die Zentrifugalkraft konstant, weil der Abstand von der Drehachse konstant bleibt. Die zur Wahrung des konstanten Abstands nötige Haltekraft, die von der Stange aufgebracht wird, bleibt dann auch konstant. Für einen ruhenden Beobachter ist die Abwärtsbewegung ''parallel'' zur Achse überlagert mit einer Kreisbewegung ''um'' die Achse, zusammen ist das eine Schraubenbewegung. Die für die Kreisbewegung um die Achse erforderliche Zentripetalkraft wird von der Stange ausgeübt und ist unabhängig von der Höhe und vertikalen Bewegung des Körpers.


:<math>a_{radial} = \frac{v_{Umlauf} ^2}{r} + \frac{v_{relativ} ^2}{r} + + 2\frac{v_{relativ} v_{Umlauf}}{r}</math>
Anders scheint es zunächst auszusehen, wenn man auf der Drehscheibe senkrecht in die Höhe hüpft oder einen Gegenstand parallel zur Drehachse hochwirft. Beim Herabfallen wird nämlich nicht der Ausgangspunkt wieder erreicht&nbsp;– weder in Bezug zu der Scheibe noch in Bezug zum festen Erdboden. Aber auch bei dieser Ablenkung tritt keine Corioliskraft in Erscheinung, sondern nur das zeitweise Fehlen der Haltekraft bzw. Zentripetalkraft, die im vorigen Beispiel die ganze Zeit von der Stange ausgeübt wurde. Der Körper wird dann für den rotierenden Beobachter durch die Zentrifugalkraft nach außen beschleunigt, für den ruhenden Beobachter bewegt er sich einfach geradlinig weiter mit seiner anfänglichen Momentangeschwindigkeit. Beide Beschreibungen führen zum selben Ergebnis.


Umformung gemäß <math>v_{Umlauf} = \omega\,r</math> und <math>v_{relativ} = \omega_{relativ} \,r</math> ergibt für die wirkende Radialbeschleunigung:
=== Unzureichende Herleitung ===
Des öfteren (sogar in manchen Lehrbüchern) wird die Corioliskraft allein mit dem Umstand veranschaulicht oder sogar begründet, dass ein Körper auf der Drehscheibe bei zunehmender Entfernung von der Drehachse eine höhere Umfangsgeschwindigkeit erhalten müsse, um sich mit der Scheibe mitzudrehen. Das ist aber keine richtige Begründung, denn sie erklärt nur die halbe Größe der Corioliskraft, wie schon die einfache Berechnung mit den Beträgen der Vektoren zeigt: Wenn der Körper bei einer konstanten radialen Geschwindigkeit <math>v_r</math> in der Zeit <math> \Delta t</math> seinen Abstand um <math>\Delta r = v_r \Delta t</math> vergrößert, nimmt seine tangentiale Geschwindigkeit um <math>\Delta v_t = \omega \Delta r </math> zu. Daraus ergibt sich die erforderliche Beschleunigung zu <math>\tfrac{\Delta v_t}{\Delta t} = \tfrac{\omega \Delta r }{\Delta t} = \omega v_r</math>. Das ist nur halb so groß wie die wirkliche Coriolisbeschleunigung.
 
Der Fehler dieser ungenügenden Herleitung liegt in der inkonsistenten Behandlung der Geschwindigkeit desselben Objekts in zwei Bezugssystemen. Wenn ein Punkt im Raum am Ort <math>\vec r</math> sich im ruhenden Bezugssystem mit der Geschwindigkeit <math>\vec v </math> bewegt, z.&nbsp;B. längs der x-Achse, dann ist er im rotierenden Bezugssystem auch am Ort <math>\vec r</math> (der Vektor hat nur andere Komponenten, ''damit'' er denselben Ort bezeichnet). Doch ist seine im rotierenden Bezugssystem zu beobachtende Geschwindigkeit <math>\vec v' </math> nicht gleich <math>\vec v </math>, sondern <math>\vec v'=\vec v - \vec \omega \times \vec r </math>, ''damit'' er auf der x-Achse bleibt, die sich selber (entgegen der Rotationsrichtung) im rotierenden Bezugssystem bewegt.<ref group="Anm.">Das lässt sich auch in Komponenten leicht nachrechnen: Zum Punkt, der sich auf der x-Achse gemäß <math>x = vt </math> bewegt, gehören im <math>(x,y)</math>-Achsenkreuz die Komponenten
:<math>
\left(\begin{matrix}
x \
0
\end{matrix} \right)
=
\left(\begin{matrix}
vt \
0
\end{matrix} \right)
</math>
und im <math>(x',y')</math>-Achsenkreuz, das sich mit <math>\omega</math> entgegen dem Uhrzeigersinn dreht, die Komponenten
:<math>
\left(\begin{matrix}
x' \
y'
\end{matrix} \right)
=
\left(\begin{matrix}
vt\,\cos \omega t \
-vt \sin\omega t
\end{matrix} \right)
</math>
Ableitung nach der Zeit:
:<math>
\left(\begin{matrix}
\dot x' \
\dot y'
\end{matrix} \right)
=
\left(\begin{matrix}
v\,\cos \omega t -\omega \,vt \sin\omega t\
-v \sin\omega t -\omega \,vt \cos\omega t
\end{matrix} \right)


:<math>a_{radial} = \omega^2 \, r \ + \ \omega_{relativ} ^2\, r \ + \ 2 \, v_{relativ}\, \omega</math>
=
\left(\begin{matrix}
v\,\cos \omega t \
-v \sin\omega t
\end{matrix} \right)
+ \left(\begin{matrix}
-\omega \,vt \sin\omega t\\
-\omega \,vt \cos\omega t
\end{matrix} \right)
</math>
Hier ist der erste Summand der Geschwindigkeitsvektor in einem zeitlich festen Achsenkreuz, das um einen Winkel <math> \alpha=\omega t</math> gedreht ist. Der zweite Summand ist der Zusatzterm, um zu berücksichtigen, dass die <math>(x',y')</math>-Achsen selbst nicht fest sind. Da <math> v t =r</math> den Abstand von der Drehachse angibt und der Zusatzterm einen Vektor senkrecht zur momentanen Geschwindigkeit angibt, entspricht er genau dem Kreuzprodukt <math> \vec \omega \times \vec r </math>.</ref>


Dies ist die Zentripetalbeschleunigung, die im ruhenden Bezugssystem zur betrachteten Bewegung gehört. Gleich groß, nur umgekehrt gerichtet, ist die Beschleunigung, die ein ansonsten kräftefreier Körper im Bezugssystem der Drehscheibe erfährt, wenn er sich darin tangential bewegt. Die Formel zeigt, dass diese radial gerichtete Beschleunigung nicht einfach die Summe aus den beiden Zentrifugalbeschleunigungen der beiden Kreisbewegungen ''mit'' bzw. ''auf'' der Drehscheibe ist, sondern einen dritten Summanden hat, nämlich die Coriolisbeschleunigung.
Für die Rechnung ist die Vorschrift maßgeblich, wie die zeitliche Ableitung einer Variablen relativ zu den Achsen eines rotierenden Bezugssystems zu bilden ist. Wie in der [[Beschleunigtes Bezugssystem#Zeitliche Ableitungen in einem ruhenden und einem bewegten Koordinatensystem|Herleitung dieser Vorschrift]] ersichtlich, ist für das Ableiten die [[Produktregel]] der Differentialrechnung anzuwenden, aus der sich ein zusätzlicher Summand für die zeitliche Ableitung der bewegten Basisvektoren des rotierenden Koordinatensystems ergibt. Da die Beschleunigung sich durch zweimaliges Differenzieren des Orts ergibt, ist die Produktregel zweimal anzuwenden. Der Fehler in der obigen Begründung der Corioliskraft besteht darin, dass nur die erste Ableitung richtig durchgeführt wird, bei der zweiten aber die Bewegung des Koordinatensystems unbeachtet bleibt. In Formeln lautet die Vorschrift fürs Ableiten (wobei <math>\bullet</math> für einen beliebigen Vektor steht):
:<math>\frac{\mathrm{d}\bullet}{\mathrm{d}t} = \frac{\mathrm{d}'\bullet}{\mathrm{d}t}+\vec{\omega}\times \bullet</math>.
Links steht, wie schnell sich der Vektor <math>\bullet</math> im ruhenden System ändert, rechts im ersten Term, wie diese Änderung im rotierenden System wahrgenommen wird.


=== Keine Coriolisbeschleunigung bei Bewegung parallel zur Drehachse ===
Setzt man für die Leerstelle <math>\bullet</math> den Ort <math>\vec r(t)\ [=\vec r'(t)] </math> ein, ergibt die Formel richtig (denn <math>\tfrac {\mathrm d' \vec r}{\mathrm d t}=\vec v'</math>)
Eine Bewegung parallel zur Rotationsachse, also senkrecht zur Drehscheibe, ruft keine Corioliskraft hervor. Beim senkrechten Hochhüpfen oder beim Hochschießen eines Gegenstandes parallel zur Drehachse ist jedoch zu beachten, dass er dann im Allgemeinen den mechanischen Kontakt zur Drehscheibe verliert, sodass diese keine Zentripetalkraft mehr auf ihn ausüben kann. Der Körper wird dann im Bezugssystem der Scheibe durch die Zentrifugalkraft beschleunigt und beginnt, sich in horizontaler Richtung nach außen zu bewegen. Dadurch erhält er eine Geschwindigkeitskomponente senkrecht zur Drehachse und somit auch eine Corioliskraft. Der Körper wird dann (in Bezug auf die Drehscheibe) durch die vektorielle Summe aus Zentrifugalkraft und Corioliskraft weiter beschleunigt. Wenn der Körper wieder landet, z.&nbsp;B., weil eine Gravitationskraft (parallel zur Rotationsachse) ihn wieder herunter zieht, kommt er nicht mehr am Ausgangspunkt an.
:<math>\vec{v}=\vec v' + \vec \omega \times \vec r' </math>.


Allgemein wirkt die Corioliskraft bei Bewegungen in allen Richtungen, die zumindest eine Komponente senkrecht zur Drehachse haben, und verursacht ständig eine Ablenkung zu einer Seite, denn diese Kraft steht immer senkrecht zur augenblicklichen Bewegungsrichtung auf der Scheibe. Im Fall der Bewegung in einer Ebene senkrecht zur Drehachse liegt auch die Corioliskraft in dieser Ebene und hat eine von der Bewegungsrichtung unabhängige Stärke. Daher wird jede Bewegung, die konstante Geschwindigkeit hat, zu einer Kreisbahn gekrümmt.
Leitet man diese Gleichung so, wie sie da steht, noch einmal nach der Zeit ab (für konstantes <math>v'</math> und <math>\vec \omega </math>), ohne zu berücksichtigen, dass die besondere Vorschrift bei rotierenden Systemen erneut anzuwenden ist, erhält man für die Beschleunigung (falsch)
::<math>\frac {\mathrm d\vec v}{\mathrm dt}= \vec \omega \times \frac {\mathrm d\vec r'}{\mathrm dt}= \vec \omega \times \vec v' </math>.


== Kinematische Herleitung ==
Das ist nur die halbe Coriolisbeschleunigung.
Für die Herleitung der Corioliskraft betrachte man ein Bezugssystem <math>Q</math>, das sich im Inertialsystem <math>I</math> befindet. In diesem System betrachten wir einen Punkt <math>P</math>. Der Ursprung des Systems sei frei im System <math>I</math> bewegbar, beschrieben durch <math>\vec r_Q</math>, das System kann sich zum Inertialsystem verdrehen, was über den Winkelgeschwindigkeitsvektor <math>\vec \omega = \vec{^I\omega^Q}</math> bzw. den Winkelbeschleunigungsvektor <math>\vec \alpha</math> beschrieben wird. Die Position des Punktes <math>P</math> relativ zum Ursprung ist mit <math>\vec r_\mathrm{rel}</math> gegeben. Um anzugeben, in welchem System ein Vektor abgeleitet wird, wird das Inertialsystem vor dem [[Differentialoperator]] angegeben. Es gilt weiterhin für jeden Vektor <math>x</math> in <math>Q</math>:
:<math>\textstyle \frac{^I\mathrm{d}}{\mathrm{d}t} \, \vec x = \frac{^Q\mathrm{d}}{\mathrm{d}t} \vec x + ^I \vec \omega^Q \times \vec x</math>


Für den absoluten Vektor <math>\textstyle \vec r_\mathrm{abs}</math> zum Punkt <math>P</math> ergibt sich dann
Nur wenn man die Ableitung von <math>\vec v </math> richtig so bildet, indem man <math>\vec v </math> erneut in die Operatorgleichung einsetzt, erhält man den Zusatzterm mit dem Kreuzprodukt ein zweites Mal:
:<math>\vec r_\mathrm{abs} = \vec r_Q + \vec r_\mathrm{rel},</math>
für die Geschwindigkeit
:<math>\begin{align}
\vec v_\mathrm{abs}
&= \frac{^I\mathrm{d}}{\mathrm{d}t} \vec r_\mathrm{abs}\
&= \vec v_Q + \frac{^Q\mathrm{d}}{\mathrm{d}t} \vec r_\mathrm{rel} + \vec \omega \times \vec r_\mathrm{rel}\
&= \vec v_Q + \vec v_\mathrm{rel} + \vec \omega \times \vec r_\mathrm{rel}
\end{align}</math>
und für die Beschleunigung
:<math>
:<math>
\begin{align} \vec a_\mathrm{abs}
\frac{\mathrm d \vec{v}}{\mathrm d t}
&= \vec a_Q + \vec \omega \times \vec v_\mathrm{rel} + \vec \alpha \times \vec r_\mathrm{rel} + \omega \times (v_\mathrm{rel} + \omega \times r_\mathrm{rel}) + \vec a_\mathrm{rel}\
\,=\,\frac{\mathrm d }{\mathrm d t} \left( \vec{v}' \,+\,\vec{\omega} \times \vec{r}' \right)
&= \vec a_Q + \vec \alpha \times \vec r_\mathrm{rel} + \vec \omega \times (\vec \omega \times \vec r_\mathrm{rel}) + 2 \, \vec \omega \times \vec v_\mathrm{rel} + \vec a_\mathrm{rel}\end{align}
\,=
\underbrace{\frac{\mathrm d \vec{v}'}{\mathrm d t} }_{\vec{a}\,'+\,\vec{\omega}\times\vec{v}\,'} \,+\,
\vec{\omega} \times \underbrace{\left(\frac{\mathrm d \vec{r}\,'}{\mathrm d t}\right)}_{\vec{v}\,'+\,\vec{\omega}\times\vec{r}\,'}
</math>
</math>
Den vorletzten [[Summand]]en dieses Ausdrucks nennt man Coriolisbeschleunigung <math>\vec a_\mathrm{C}</math>:
(Der zweite Summand ergibt nach dem Ausmultiplizieren zusätzlich auch die Zentrifugalbeschleunigung <math> \vec \omega \times(\vec \omega \times\vec r') </math>.)
:<math>\vec a_\mathrm{C} = 2 \, \vec \omega \times \vec v_\mathrm{rel}</math>
 
Wenn man angelehnt an das [[Newtonsche Gesetze#Zweites newtonsches Gesetz|zweite Newtonsche Gesetz]] annimmt, dass diese Beschleunigung durch eine zur Masse proportionale Kraft bewirkt wird, erhält man die Corioliskraft <math>\vec F_\mathrm{C}</math>:
== Herleitung aus den kinematischen Grundgleichungen ==
:<math>\vec F_\mathrm{C} = 2 \, m \left( \vec \omega \times \vec v_\mathrm{rel} \right)</math>
=== Herleitung durch Transformation aus einem Inertialsystem ===
{{Siehe auch|Beschleunigtes Bezugssystem#Kinematik}}
Für die Herleitung der Corioliskraft im Rahmen der Newtonschen Mechanik betrachte man ein Bezugssystem <math>K'</math>, das sich in einem [[Inertialsystem]] <math>K</math> befindet und mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit <math>\vec \omega</math> rotiert. Der [[Koordinatenursprung]] des Systems <math>K'</math> sei fest im Inertialsystem verankert, außer der Rotation trete also keine Relativbewegung auf.
 
Gemäß dem [[Newtonsche Gesetze#Zweites Newtonsches Gesetz|Zweiten Newtonschen Gesetz]] ist das Produkt aus Masse <math>m</math> und Beschleunigung <math>\vec a</math> im Inertialsystem gleich der äußeren Kraft <math>\vec F</math> :
:<math>m \vec a=\vec F</math>
 
Möchte man eine analoge Gleichung in einem rotierenden Bezugssystem aufstellen, müssen die Bewegungsgrößen im Inertialsystem durch Größen, wie sie im rotierenden Bezugssystem <math>K'</math> zu beobachten sind, ausgedrückt werden. Diese sind der [[Ortsvektor]] <math>\vec r'</math>, die [[Geschwindigkeit|Relativgeschwindigkeit]] <math>\vec v'</math> und die [[Beschleunigung|Relativbeschleunigung]] <math>\vec a'</math>. Die Geschwindigkeit <math>\vec v</math> im Inertialsystem setzt sich aus der Relativgeschwindigkeit und der [[Winkelgeschwindigkeit#Bahngeschwindigkeit|Umlaufgeschwindigkeit]] <math>\vec \omega \times \vec r'</math> aus der Rotationsbewegung zusammen. Dies ergibt sich aus der [[Zeitableitung|zeitlichen Ableitung]] des Ortsvektors <math>\vec r=\vec r'</math>, daher gilt:
:<math>\vec v = \frac{\mathrm d \vec r}{\mathrm dt}=\vec v' + \vec \omega \times \vec r'\,.</math>
 
Da allgemein für die vollständige Ableitung eines Vektors <math>\vec x'</math> in K' gilt (Herleitung im Artikel [[Beschleunigtes Bezugssystem#Zeitliche Ableitungen in einem ruhenden und einem bewegten Koordinatensystem|Beschleunigtes Bezugssystem]]):
:<math>\frac {\mathrm{d}} {\mathrm {d} t} \vec x'=\frac {\mathrm{d'}} {\mathrm {d} t}\vec x'+ \vec \omega \times \vec x'</math>,
ergibt sich die Beschleunigung <math>\vec a</math> im Inertialsystem in gleicher Weise als zeitliche Ableitung der Geschwindigkeit <math>\vec v</math>.
:<math>
\vec a = \underbrace{\vec a' + \vec \omega \times \vec v'} + \underbrace{ \vec \omega \times (\vec v' + \vec \omega \times \vec r')}
</math>
 
Die Terme über den geschweiften Klammern sind die Ableitungen der beiden Summanden Relativgeschwindigkeit und Umlaufgeschwindigkeit. Ausmultiplizieren, Zusammenfassen und Auflösen nach der Relativbeschleunigung im rotierenden System <math>\vec a'</math> ergibt:
:<math>\vec a' = \vec a - \vec \omega \times (\vec \omega \times \vec r') - 2 \vec \omega \times \vec v'\,.</math>
 
Multipliziert man die Gleichung mit der Masse und setzt gemäß dem zweiten Newtonschen Gesetz <math>m \vec a</math> gleich der äußeren Kraft <math>\vec F</math>, erhält man die [[Bewegungsgleichung]] im rotierenden Bezugssystem:<ref>{{Literatur |Autor=Brigitte Klose |Titel=Meteorologie |Verlag=Springer |Ort=Berlin/Heidelberg |Datum=2008 |Seiten=207}}</ref>
:<math>m \vec a' = \vec F - m \vec \omega \times (\vec \omega \times \vec r') - 2 m \vec \omega \times \vec v'\,.</math>
 
In dieser Gleichung finden sich die äußere Kraft, die Zentrifugalkraft und als letzter [[Term]] die Corioliskraft <math>\vec F_\mathrm{C}</math> wieder:
:<math>\vec F_\mathrm{C} = -2 m \, \vec \omega \times \vec v'</math>
 
Fasst man die äußere Kraft und die Trägheitskräfte zu der im rotierenden Bezugssystem wirksamen Kraft <math>\vec F\,'</math> zusammen, sind in der Bewegungsgleichung formal äußere Kraft und Trägheitskräfte nicht mehr unterscheidbar:
:<math>m \vec a' = \vec F\,'</math>
 
Die Herleitung im mit konstanter Winkelgeschwindigkeit rotierenden Bezugssystem dient der Vereinfachung. Das Ergebnis ist aber ohne Einschränkung sowohl für die Zentrifugalkraft als auch für die Corioliskraft auf das beschleunigte Bezugssystem übertragbar.
{{Siehe auch|Trägheitskraft#Allgemein beschleunigtes Bezugssystem}}
 
=== Herleitung mit dem Lagrange-Formalismus ===
Im [[Lagrange-Formalismus]] ist die Lagrangefunktion <math>L</math> die Differenz aus [[Kinetische Energie|kinetischer Energie]] und [[Potentielle Energie|potentieller Energie]]. Unter Vernachlässigung eines [[Potential (Physik)|Potentials]] ist
:<math>L = \tfrac 12 m \vec v^2 = \tfrac 12 m (\vec v' + \vec \omega \times \vec r')^2\,.</math>
Nach den [[Euler-Lagrange-Gleichungen]] ist
:<math>\frac{\mathrm d}{\mathrm dt} \frac{\partial L}{\partial \vec v} - \frac{\partial L}{\partial \vec r} = 0\,.</math>
Da die Euler-Lagrange-Gleichungen invariant unter einer Koordinatentransformation sind, ist irrelevant, ob nach den Größen im bewegten Bezugssystem <math>K'</math> oder nach den Größen im Inertialsystem <math>K</math> abgeleitet wird. Es folgt also im bewegten Bezugssystem für die beiden Terme
:<math>\frac{\mathrm d}{\mathrm dt} \frac{\partial L}{\partial \vec v'}
= \frac{\mathrm d}{\mathrm dt} m(\vec v' + \vec \omega \times \vec r')
= m \vec a' + m \dot \vec \omega \times \vec r' + m \vec \omega \times \vec v'</math>
und
:<math>\frac{\partial L}{\partial \vec r'} = m \vec v' \times \vec \omega + m (\vec \omega \times \vec r') \times \vec \omega\,.</math>
In die Euler-Lagrange-Gleichung eingesetzt und umgestellt nach <math>m\vec a'</math> ist
:<math>m \vec a' = -m \dot\vec \omega\times \vec r' - m \vec \omega \times (\vec \omega \times \vec r') - 2 m \vec \omega \times \vec v'</math>
die Auflistung aller Kräfte im rotierenden Bezugssystem, die zusätzlich zu den durch das Potential bereits im Inertialsystem bewirkten Kräften auftreten.<ref>{{Literatur |Autor=[[Lew Landau]], [[Jewgeni Michailowitsch Lifschitz|Jewgeni Lifschitz]] |Titel=Mechanics |Auflage=3 |Verlag=Butterworth Heinemann |Datum=1976 |ISBN=978-0-7506-2896-9 |Seiten=126–129 |Sprache=en}}</ref>
 
Wie in der kinematischen Herleitung ist der erste Term die Eulerkraft, der zweite die Zentrifugalkraft und der letzte Term die Corioliskraft, <math>\vec F_\mathrm C = -2m \vec \omega \times \vec v'</math>. Die Gleichung zeigt, dass die Eulerkraft und die Zentrifugalkraft im rotierenden System nur vom Ort des Körpers abhängen, der durch den Ortsvektor <math>\vec r'</math> angegeben wird, gleich ob der Körper ruht oder sich bewegt. Die Corioliskraft hingegen wirkt nur auf sich bewegende Körper (Geschwindigkeitsvektor <math>\vec v'</math>) und ist vom Ort unabhängig, die Ablenkung erfolgt auf jedem Ort des rotierenden Systems in gleicher Weise.
 
Da die Corioliskraft die Bedingung für [[actio und reactio]] nicht erfüllt und nur im rotierenden Bezugssystem angenommen werden muss, wird sie als eine [[Trägheitskraft]] bezeichnet. Formal gilt die Newtonsche Bewegungsgleichung <math>m \vec a=\vec F</math> also auch im rotierenden Bezugssystem, wenn Scheinkräfte berücksichtigt werden. Im Gegensatz zur Zentrifugalkraft besteht die Wirkung der Corioliskraft dahingehend, dass der bewegte Körper tendenziell zum [[#Demonstrationsexperiment|Ausgangspunkt der Bewegung]] zurückgebracht wird.<ref name="Persson-4Cent">A. O. Persson: ''The Coriolis Effect: Four centuries of conflict between common sense and mathematics.'' In: ''History of Meteorology.'' Band 2, 2005.</ref>
 
Da die Corioliskraft immer senkrecht zur Bewegungsrichtung des Körpers steht, verrichtet sie an dem Körper keine [[Arbeit (Physik)|Arbeit]].<ref>{{Literatur |Autor=E. Becker |Titel=Technische Thermodynamik: Eine Einführung in die Thermo- und Gasdynamik |Verlag=B. G. Teubner |Datum=1985 |ISBN=978-3-519-03065-2 |Seiten=185}}</ref>
 
== Spezialfälle ==
Die folgenden Spezialfälle gehen von einer konstanten Winkelgeschwindigkeit (<math>\dot \vec \omega = \vec 0</math>) aus. In der zuvor hergeleiteten Bewegungsgleichung müssen noch die äußere Kraft, die Zentrifugalkraft und die Corioliskraft berücksichtigt werden.
:<math>m \vec a' = \vec F - m \vec \omega \times (\vec \omega \times \vec r') - 2 m \vec \omega \times \vec v'</math>
 
=== Trägheitskreis bei alleiniger Wirkung der Corioliskraft ===
[[Datei:Kräftebalance Paraboloid.svg|mini|Gleichgewicht von Schwerebeschleunigung <math>g</math> und Zentrifugalbeschleunigung <math>a_z</math> auf einer rotierenden, parabolisch geformten Scheibe]]
Wenn die Zentrifugalkraft <math>-m \vec \omega \times (\vec \omega \times \vec r')</math> dauernd durch eine äußere Kraft kompensiert wird, vereinfacht sich die Bewegungsgleichung zu:
:<math>\vec a' = -2 \vec \omega \times \vec v'</math>
 
Betrachtet man nur die Komponente <math>v_r</math> der Relativgeschwindigkeit senkrecht zur Drehachse, ergibt sich im rotierenden Bezugssystem eine gleichförmige Kreisbewegung, entgegengesetzt zur Drehung des Bezugssystems mit der Winkelgeschwindigkeit <math>2 \omega </math>. Die Coriolisbeschleunigung <math>a_r</math> ist die zugehörige Radialbeschleunigung. Der Radius <math>r^*</math> des Kreises, der als Trägheitskreis bezeichnet wird, folgt aus der Gleichsetzung:
:<math>a_r = \frac {v_r^2} {r^*}=2 \omega v_r</math>
zu
:<math>r^* = \frac {v_r} {2 \omega}</math>.
 
Diese Bedingungen sind auf der Erde näherungsweise gegeben, da die Resultierende aus Zentrifugalkraft und Gravitationskraft senkrecht zur Erdoberfläche gerichtet ist. Trägheitskreise können daher bei Luft- und Meeresströmungen auftreten. Für Luftströmungen bei denen die Kraft aus dem Druckgradienten und die Reibungskraft im Gleichgewicht stehen, ist <math>r^*</math> der lokale Krümmungsradius eines Windpartikels.
 
Im kleinen Maßstab kann die Zentrifugalkraft auch in einem rotierenden Paraboloid kompensiert werden, wie das folgende Beispiel zeigt.
 
{{Anker|Demonstrationsexperiment}}
; Demonstrationsexperiment
[[Datei:Parabolic dish ellipse oscill.gif|frame|
Objekt, das sich reibungsfrei über die Oberfläche eines Paraboloids bewegt. Blick von oben auf das Paraboloid.
{|
| links: Elliptische Bewegung von außen betrachtet.
| rechts: Kreisförmige Bewegung gegen den Drehsinn der Schale im rotierenden System.
|}
]]
 
Für eine Demonstration des Trägheitskreises stellt man eine gekrümmte Fläche in Form eines [[Rotationsparaboloid]]s her, indem man in einer rotierenden Schale eine Flüssigkeit erstarren lässt.<ref name="Marshall">[[:en:John Marshall (oceanographer)|John Marshall]]: [https://web.archive.org/web/20060104171538/http://www-paoc.mit.edu/labweb/lab5/inertial%20circles/inertial_circle.pdf ''Inertial circles – visualizing the Coriolis force: GFD VI.''] 2003.</ref> Die Oberfläche ist dann die gesuchte Äquipotentialfläche für die Summe aus Gravitation und Zentrifugalpotential, wenn man die Schale mit der beim Erstarren gewählten Rotationsgeschwindigkeit rotieren lässt. Im ruhenden Bezugssystem beschreibt ein Körper auf dieser Fläche aufgrund der Schwerkraft eine Ellipse oder, wenn er anfangs in Ruhe war, eine harmonische Schwingung durch den Mittelpunkt.
 
Rotiert die Schale gerade mit der beim Erstarren herrschenden Winkelgeschwindigkeit, dann bleibt ein mitrotierender Körper an seinem Ort auf der Fläche, da im Bezugssystem der Schale die oberflächenparallele Komponente <math>a_\text{z(par)}</math> der Zentrifugalbeschleunigung <math>a_z</math> die zum Zentrum wirkende Komponente der Schwerebeschleunigung <math>g_\text{par}</math> ausgleicht. Bewegt sich nun der Körper auf der rotierenden Schale, wird er einen Trägheitskreis („Inertial-Kreis“) beschreiben, der ausschließlich durch die Corioliskraft verursacht wird. Sein Umlaufsinn ist der Drehbewegung der Schale entgegengesetzt, und die Winkelgeschwindigkeit der Kreisbewegung ist doppelt so groß wie die des rotierenden Bezugssystems. Vom ruhenden Bezugssystem aus gesehen erscheint dieser Trägheitskreis wie die oben erwähnte elliptische Schwingung um den Mittelpunkt der Fläche.
 
=== Körper frei von äußeren Kräften auf der Drehscheibe ===
Das Experiment entspricht dem oben dargestellten [[#Einfaches Beispiel|Einfachen Beispiel]]. Vom Mittelpunkt startet ein Körper mit der Geschwindigkeit <math>\vec v</math> auf der Scheibe. Von der Scheibe soll er keine horizontalen Kräfte erfahren, etwa wie bei einem geworfenen Ball. Der Körper bewegt sich daher von außen betrachtet mit der konstanten (Horizontal-)Geschwindigkeit <math>\vec v</math>. Die Relativgeschwindigkeit bezüglich der Scheibe ist dann die Differenz zwischen der Geschwindigkeit <math>\vec v</math> und der Umlaufgeschwindigkeit der Scheibe am betreffenden Punkt <math>\vec r = \vec r'</math>:
:<math>\vec v' = \vec v - \vec \omega \times \vec r</math>.
Die beiden Terme auf der rechten Seite sind orthogonal, denn wegen des Starts am Mittelpunkt sind <math>\vec v</math> und <math>\vec r</math> parallel. Daher ist der erste die radiale Komponente der Relativgeschwindigkeit (<math>\vec v'_r</math>), der zweite die tangentiale Komponente (<math>\vec v'_t</math>):
: <math>\vec v'_r = \vec v\quad,\qquad \vec v'_t = -\vec \omega \times \vec r'</math>.
 
Die nach innen gerichtete Corioliskraft <math>\vec F_\mathrm{C,r}</math> auf Grund der tangentialen Geschwindigkeit <math>v'_t</math> ist doppelt so groß wie die nach außen gerichtete Zentrifugalkraft.
:<math>\vec F_\mathrm{C,r} = -2 m \, \vec \omega \times \vec v'_t=2 m \,\vec \omega \times (\vec \omega \times \vec r')</math>
 
Beide radial gerichteten Scheinkräfte addieren sich zur Kraft <math>\vec F_r</math> zum Mittelpunkt:
:<math>\vec F_\mathrm{r} = m \vec \omega \times (\vec \omega \times \vec r')</math>
 
Die Bewegungsgleichung im rotierenden Bezugssystem vereinfacht sich damit zu:
:<math>m \vec a' = \vec F_\mathrm{r} - 2 m \vec \omega \times \vec v'_r\,.</math>
 
Der erste Term führt zu einer gleichförmigen Kreisbewegung im rotierenden Bezugssystem, da <math>\vec F_\mathrm{r}</math> genauso groß ist wie diejenige Kraft, die benötigt würde, wenn der Körper mit der Scheibe fest verbunden wäre. Der zweite Term ist die Corioliskraft auf Grund der radialen Geschwindigkeit deren Betrag konstant ist und mit dem Betrag der Geschwindigkeit im Inertialsystem übereinstimmt. Sie beinhaltet einerseits die Beschleunigung, die zur Steigerung der Umfangsgeschwindigkeit erforderlich ist, andererseits die Beschleunigung, die für die konstante Richtung der Geschwindigkeit im Inertialsystem sorgt. Die Überlagerung der Kreisbewegung mit einer konstanten Radiusvergrößerung ergibt eine [[Archimedische Spirale]].
 
Da der Vektor der Winkelgeschwindigkeit senkrecht zur Scheibe steht, kann mit den Beträgen der Vektoren gerechnet werden. Die seitliche Abweichung <math>d</math> an der Stelle mit dem Radius <math>r</math> berechnet sich mit der Coriolisbeschleunigung <math>2 \omega \cdot v'_r=2 \omega \cdot v</math> zu:
:<math>d= \omega \cdot v\cdot t^2=\omega \, t\cdot v\cdot t=\alpha \cdot r</math>.
 
Da sich der Körper auf der Scheibe nach der Zeit <math>t</math> im Abstand <math>r</math> vom Mittelpunkt befindet und sich die Scheibe um den Winkel <math>\alpha</math> gedreht hat, ist die seitliche Abweichung somit gleich der dazu gehörenden [[Kreisbogen|Bogenlänge]]. Soll ein mit der Scheibe verbundener Punkt erreicht werden, muss also mit dem gleichen Winkel [[Vorhalt (Waffe)|vorgehalten]] werden.
 
Unabhängig von der Zeit ist die geometrische Bahn gegeben in Polarkoordinaten:
:<math>\alpha=\frac \omega {v}\cdot r</math> .
 
=== Teufelsrad ===
Bei einer gleichförmigen Bewegung auf einer Drehscheibe ist die Relativbeschleunigung Null.
:<math>\vec F - m \vec \omega \times (\vec \omega \times \vec r') - 2 m \vec \omega \times \vec v' = \vec 0</math>.
Diese Gleichung beschreibt das „dynamische Gleichgewicht“ zwischen der äußeren Kraft und den beiden Trägheitskräften Zentrifugalkraft und Corioliskraft. Beim Versuch, sich radial auf das Zentrum der Scheibe zuzubewegen, stehen Zentrifugalkraft und Corioliskraft senkrecht aufeinander und könnten daher unterschieden werden. (Lässt man sich aus der radialen Richtung ablenken, bekommt auch die Corioliskraft eine radiale Komponente, die sich zur Zentrifugalkraft addiert.) Neben dem Spaßfaktor werden so auch Erfahrungen mit der Trägheit vermittelt.
 
Dieses Gleichgewicht zwischen der äußeren Kraft senkrecht zur Bewegungsrichtung und der Corioliskraft tritt auch bei Luftströmungen beim [[Geostrophischer Wind|geostrophischen Wind]] auf. Die äußere Kraft ist dort die Kraft aus dem Druckgradient. In der Technik tritt dieser Effekt z.&nbsp;B. beim Kran auf, wenn sich dieser dreht und gleichzeitig die Laufkatze in Bewegung ist. Quer zur Laufkatzenbewegung wirkt eine äußere Kraft. Deren Trägheitswiderstand ist die Corioliskraft.
 
== Koordinatensysteme ==
Die Coriolisbeschleunigung <math>\vec a_\mathrm{C}</math> erfährt ein Körper, der sich in einem rotierenden Bezugssystem bewegt. Dafür gilt allgemein die Formel: <math>\vec a_\mathrm{C} = -2\,\vec \omega \times \vec v'</math>. In einigen typischen [[Koordinatensystem|Koordinatendarstellungen]] bei rotierenden Systemen stellen sich die Formeln so dar:
 
{| class="wikitable"
|-
! Zylinderkoordinaten !! Kugelkoordinaten !! geografische Koordinaten
|-
| <math>(aC,raC,taC,z) =-2\,\omega (vtvr0)</math>
| <math>(aC,raC,θaC,φ) =-2\,\omega \begin{pmatrix} -\,v_\varphi \sin \theta \ -v_\varphi \cos \theta \ v_r \sin \theta + v_\theta \cos \theta\end{pmatrix}</math>
| <math>(aC,haC,φaC,λ) =-2\,\omega (vλcosφvλsinφvhcosφvφsinφ)</math>
|}
Dabei ist
* <math>\omega</math> die [[Winkelgeschwindigkeit]] des Bezugssystems und
* <math>\vec v'</math> der Geschwindigkeitsvektor der Bewegung des Körpers, relativ zum rotierenden Bezugssystem, und dabei bezeichnen
** bei den Zylinderkoordinaten der Index <math>z</math> die Komponente parallel zur Winkelgeschwindigkeit <math>\vec \omega</math> und die Indizes <math>r</math> und <math>t</math> die radiale und tangentiale Komponente,
** bei den Kugelkoordinaten der Index <math>r</math> den Abstand zum Ursprung und die Indizes <math>\varphi</math> und <math>\theta</math> den Azimut- und Polarwinkel,
** bei den geografischen Koordinaten der Index <math>h</math> den Abstand zur Kugeloberfläche und die Indizes <math>\varphi</math> und <math>\lambda</math> die geografische Breite und Länge.
 
== Corioliskraft in den Geowissenschaften ==
=== Bewegung auf der Erdoberfläche und Coriolisparameter ===
[[Datei:Corioliskraft f-plane 4.svg|mini|Aufteilung der Winkelgeschwindigkeit der Erde in Horizontal- und Vertikalkomponente auf der geographischen Breite <math>\varphi</math>]]
[[Datei:Coriolisparameter.png|mini|Der Coriolisparameter auf der Erde in Abhängigkeit vom Breitengrad]]
Jedes Objekt, das sich auf der Erde bewegt, wird durch die Coriolisbeschleunigung abgelenkt, da die Erde ein [[Erdrotation|rotierendes]] System darstellt. Ausgenommen sind lediglich Bewegungen parallel zur [[Erdachse]], z.&nbsp;B. an den [[Pol (Geographie)|Polen]] die Bewegungen nach oben oder nach unten, am [[Äquator]] die Bewegungen genau nach Norden oder nach Süden. Die Beeinflussung der ''Bewegungsrichtung'' durch die Coriolisbeschleunigung kann man sich am leichtesten an einer [[Erdfigur|kugelförmigen]] Erdfigur klarmachen; für das Studium von Bewegungsabläufen unter dem Einfluss der ''beteiligten Kräfte'' ist ein genaueres Modell der Erdform heranzuziehen (vgl. [[#Didaktische Aspekte|Didaktische Aspekte]]).
 
Für die Betrachtung von Bewegungen in beliebiger geographischer Breite <math>\varphi</math> ist es sinnvoll, den Vektor der Winkelgeschwindigkeit der Erde <math>\vec \omega</math> in eine horizontale [[Normalkomponente|Komponente]] in Süd-Nord-Richtung <math>\vec \omega_\text{N}</math> und eine vertikale Komponente <math>\ \vec \omega_\text{vert}</math> zu zerlegen. Es gilt dann:
 
:<math> \vec \omega_\text{N} = \omega \cos \varphi \cdot \vec e_{N}</math>
:<math> \vec \omega_\text{vert} = \omega \sin \varphi \cdot \vec e_\text{vert}</math>
 
Das [[Begleitendes Dreibein|begleitende Dreibein]] erlaubt es, den ebenen Drehscheibenversuch auf jeden Punkt der dreidimensionalen Erde zu übertragen.
 
Zur Berechnung der Corioliskraft bei Bewegungen parallel zur Erdoberfläche ist es vorteilhaft, die für einen Ort in einer ''bestimmten'' geographischen Breite <math>\varphi</math> ''konstanten'' Werte zu einem '''Coriolisparameter''' zusammenzufassen:
 
:<math>\textstyle f_\mathrm{C} = 2 \, \omega \, \sin \varphi</math>
 
Die [[Erdrotation]] (eine Umdrehung in 23&nbsp;Stunden 56&nbsp;Minuten 4&nbsp;Sekunden =&nbsp;1&nbsp;[[Sterntag]] =&nbsp;86164&nbsp;s) erfolgt mit einer konstanten Winkelgeschwindigkeit<ref group="Anm.">Geringfügige Schwankungen und sehr langfristige Änderungen der Winkelgeschwindigkeit können für die meisten Fälle unberücksichtigt bleiben.</ref> von
 
:<math>\omega = \frac{2 \pi}{86164\,\mathrm{s}} = 7{,}2921 \cdot 10^{-5} \,{\mathrm{rad \, s}}^{-1}</math>.
In mittleren nördlichen Breiten liegt der Coriolisparameter damit in der typischen Größenordnung von <math>\textstyle f_\mathrm{C}\approx\,10^{-4}\, {\mathrm{rad \, s}}^{-1}</math>.
 
Körper, die sich mit der Geschwindigkeit <math>\vec v_\parallel</math> parallel zur Oberfläche der Erde bewegen, werden durch die Coriolisbeschleunigung <math>\vec a_\parallel</math> seitlich und die Coriolisbeschleunigung <math>\vec a_\perp</math> senkrecht zur Erdoberfläche abgelenkt:
 
:<math>\vec a_\parallel = -2\,(\vec \omega_\text{vert} \times \vec v_\parallel)</math>
 
:<math>\vec a_\perp = -2\,(\vec \omega_\text{N} \times \vec v_\parallel)</math>
 
Die Komponente in Richtung der Schwerebeschleunigung ist am Äquator am größten, aber um Größenordnungen kleiner. Die Schwerkraft wird bei Bewegung nach Westen mit technisch typischen Geschwindigkeiten (z.&nbsp;B. 100 km/h) nur einige Promille erhöht sie, bei Bewegung nach Osten erniedrigt. Die Komponente senkrecht zur Erdoberfläche ist deshalb praktisch nur bei besonderen Bedingungen bemerkbar (siehe [[Eötvös-Effekt]]). In den Geowissenschaften wird sie fast durchgängig vernachlässigt, und der Begriff ''Corioliskraft'' bezeichnet ausschließlich die Komponente parallel zur Erdoberfläche.


== Corioliskraft aufgrund der Erdrotation ==
=== Bewegungen parallel zur Erdoberfläche ===
Auf ein sich auf der Erde bewegendes Objekt wirkt die Corioliskraft, die auf die [[Erdrotation]] zurückgeht. Ausgenommen sind lediglich Bewegungen parallel zur [[Erdachse]], z.&nbsp;B. an den [[Pol (Geographie)|Polen]] die vertikalen Bewegungen nach oben oder nach unten, am [[Äquator]] die horizontalen Bewegungen genau nach Norden oder nach Süden. Der Einfluss der Erdrotation auf die Bewegung von Körpern wurde erstmals von [[Isaac Newton]] untersucht<sup>[Beleg benötigt]</sup>.
[[Datei:Kräftegleichgewicht auf der Erdoberfläche 3.svg|mini|Resultierende zwischen Gravitations- und Zentrifugalbeschleunigung auf der Oberfläche des [[sphäroid]]isch geformten Erdkörpers (schematisch dargestellt)]]
Der Erdkörper hat im Laufe der Erdgeschichte durch Massenverlagerung angenähert die Form eines Rotationsellipsoids (= Sphäroids) angenommen.<ref>John Marshall, R. Alan Plumb: ''Atmosphere, Ocean, and Climate Dynamics: An Introductory Text.'' 2007, S.&nbsp;101.</ref> Die Schwerebeschleunigung steht [[Lotrichtung|senkrecht]] zur Oberfläche und resultiert aus dem Zusammenwirken von Gravitationsbeschleunigung <math>g*</math> und Zentrifugalbeschleunigung <math>a_z</math>, deren jeweilige horizontale Komponenten <math>g*_\text{hor}</math> und <math>a_\text{z-hor}</math> einander ausbalancieren.<ref name="PerssonPhysical">Anders Persson: [https://rmets.onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/j.1477-8696.2000.tb04066.x ''The Coriolis force on the physical earth.''] In: ''Weather.'' Vol. 55, 2000, S.&nbsp;234–239.</ref> Diese Kompensation der Zentrifugalbeschleunigung hat zur Folge, dass Bewegungsablenkungen durch die Erdrotation nur noch durch die Coriolisbeschleunigung bestimmt werden.


=== Vertikale Bewegungen ===
[[Datei:Coriolis-Erde.png|mini|Corioliskraft bei Bewegungen relativ zur Erdoberfläche:<br />Eine Geschwindigkeit nach Osten führt auf der Nordhalbkugel zu einer Beschleunigung nach Süden, eine Geschwindigkeit <math>v_\text {Norm}</math> senkrecht nach oben zu einer Ablenkung nach Westen]]
Außer an den Polen haben vertikale Bewegungen auf der Erdoberfläche einen senkrecht zur Erdachse gerichteten Anteil. Dieser erzeugt eine Corioliskraft, die bei einer Abwärtsbewegung nach Osten, bei einer Aufwärtsbewegung nach Westen gerichtet ist.
Die Coriolisbeschleunigung parallel zur Erdoberfläche spielt bei großräumigen atmosphärischen und ozeanischen Zirkulationen eine wichtige Rolle.
Mit dem Coriolisparameter <math>\textstyle f_\mathrm{C} = 2 \, \omega \, \sin \varphi</math> hat die Coriolisbeschleunigung <math>\vec a_\parallel = -2\,(\vec \omega_\text{vert} \times \vec v_\parallel)</math> den Betrag:
 
:<math>a_\parallel = f_\mathrm{C}\, v_\parallel</math>
 
Diese Beschleunigung führt auf der Nordhalbkugel zu einer Richtungsänderung der Bewegung nach rechts, auf der Südhalbkugel nach links. Sie verschwindet am Äquator und ist maximal an den Polen.
 
Teilt man die Geschwindigkeit <math>\vec v_\parallel</math> in [[Vektor#Komponentenschreibweise|Komponenten]] in Richtung Ost bzw. Nord auf, so ergeben die entsprechenden Komponenten der Coriolisbeschleunigung durch Ausführung des Kreuzprodukts in den [[Koordinatenachse|Koordinatenrichtungen]] x=O, y=N zu:
:<math>\vec a_\parallel= (aOaN)=f_\mathrm{C} (vNvO)</math>
 
Die Beschleunigungen, die sich bei einem Coriolisparameter von <math>\textstyle f_\mathrm{C} = 10^{-4} \, {\mathrm{rad \, s}}^{-1}</math> ergeben, sind sehr gering. Selbst bei einem Geschütz, dessen Projektil eine horizontale Geschwindigkeit von 1000&nbsp;m/s besitzt, ergibt sich: <math>a_\parallel = 0{,}1 \, {\mathrm{m \, s}}^{-2}</math>. Bei einer Entfernung von 40&nbsp;km errechnet sich mit den angenommenen Werten eine Abweichung von lediglich 80&nbsp;m. Wesentlich größere Effekte treten bei meteorologischen Phänomenen auf, bei denen eine äußerst geringe Beschleunigung sehr lang andauert.
 
Bei Bewegungen in Drehrichtung der Erde, d.&nbsp;h. nach Osten, bewirkt der Einfluss der ''vertikalen'' Komponente <math>a_\perp</math> der Coriolisbeschleunigung theoretisch außerhalb der engeren Polargebiete eine leichte Anhebung, bei Bewegungen in die andere Himmelsrichtung eine leichte Absenkung; dieser Effekt wird als [[Eötvös-Effekt]] bezeichnet.<ref name="Persson-4Cent" />
 
:<math> a_\perp = 2 \, \omega \, \cos \varphi \cdot v_\text{O}</math>
 
Nord-Süd-gerichtete Bewegungen werden nicht vertikal beeinflusst. Dieser Effekt ist aber meist vernachlässigbar, da sich die gleichgerichtete Schwerebeschleunigung wesentlich stärker bemerkbar macht. Die Vertikalkomponente der Corioliskraft spielt in der Praxis nur als Korrekturglied bei Präzisionsmessungen des [[Erdschwerefeld]]es eine Rolle. Sie verschwindet an den Polen und ist maximal am Äquator. Sie macht z.&nbsp;B. ein Flugzeug, das dort mit einer Geschwindigkeit von ca. 1000&nbsp;km/h nach Osten fliegt, um annähernd ein Tausendstel seines Gewichts leichter&nbsp;– fliegt es nach Westen, wird es entsprechend schwerer.
 
==== Corioliskraft und Foucaultsches Pendel ====
{{Hauptartikel|Foucaultsches Pendel}}
Die Corioliskraft bewirkt auf der Nordhalbkugel die Drehung der Schwingungsebene des [[Foucaultsches Pendel|Foucaultschen Pendels]] im Uhrzeigersinn, da das Pendel ständig nach rechts abgelenkt wird. Die geringfügigen Abweichungen der einzelnen Schwingungen addieren sich auf zu einer täglichen Gesamtabweichung von <math>\alpha = 360^\circ \sin \varphi</math> für ein Foucault-Pendel in der geographischen Breite <math>\varphi</math> , so dass bereits die Abweichung der Einzelschwingung einen experimentellen Beweis für die Rotation der Erde darstellt.<ref>[[Robert Wichard Pohl]]: ''Mechanik, Akustik und Wärmelehre.'' 17. Auflage. Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York 1969, S.&nbsp;94.</ref> Am Pol dreht sich die Schwingungsebene einmal pro Tag um 360 Grad, während sie am Äquator erhalten bleibt. Auf der Südhalbkugel ändert sich das Vorzeichen des Sinus und das Pendel dreht sich gegen den Uhrzeigersinn. Allgemein gilt für die Zeit einer vollständigen Drehung der Schwingungsebene:
 
:<math>T = \frac{2\pi}{\omega \, \left|\sin\varphi\right| }</math>.
 
==== Corioliskraft und Strömungen ====
===== Einfluss der Corioliskraft auf die Wasserströmungen =====
[[Datei:Inertialkreis mit Beta-Effekt.svg|mini|Beta-Effekt: Die Änderung der Corioliskraft mit der geographischen Breite bedingt eine leicht spiralförmige Erweiterung des Inertialkreises]]
Die Corioliskraft hat wesentlichen Einfluss auf die Richtungen der großräumigen Bewegungen in den Ozeanen, sowohl direkt als auch durch den Einfluss des ebenfalls corioliskraftgesteuerten Windes. Da die Corioliskraft von der Himmelsrichtung einer horizontalen Bewegung unabhängig ist, beschreibt eine Luft- oder Wassermasse, die sich im Bezugssystem der Erde mit der Geschwindigkeit <math>v_\parallel</math> bewegt, ohne Einfluss anderer Kräfte „Trägheitskreise“ mit Radien von:
 
:<math>R = \frac{v_\parallel}{f_C} = \frac{v_\parallel}{2 \omega \, \sin \varphi}</math>
 
In mittleren Breiten mit Werten des Coriolisparameters von <math>f_C = 10^{-4}\,\mathrm{rad \, s}^{-1}</math> und einer typischen Meeres-Strömungsgeschwindigkeit von <math>10^{-1} \tfrac{\mathrm{m}}{\mathrm{s}}</math> ergibt sich ein Radius von <math>R = 1 \,\mathrm{km}.</math> Die Bewegung erfolgt auf der Nordhalbkugel im Uhrzeigersinn, auf der Südhalbkugel entgegen dem Uhrzeigersinn. Die Periode der Umlaufbewegung ist:
 
: <math>T = \frac {2 \pi}{f_C} = \frac {2 \pi}{2 \omega \, \sin \varphi} = \frac {43082 \, \mathrm{s}} {\sin \varphi}</math>
 
Bei 60&nbsp;Grad geographischer Breite beträgt die Periode <math>T</math> rund 14&nbsp;Stunden. An den Polen liegt das Minimum mit 11 Stunden 58 Minuten 2 Sekunden (die halbe siderische Tageslänge), während die Periode zum Äquator hin gegen unendlich geht, sodass in den inneren Tropen keine Trägheitskreise vorkommen. Die Corioliskraft bestimmt auch den Umlaufsinn der [[Gezeiten]]welle im tiefen Ozean, was entlang einer Küste zu unterschiedlichen Hoch- und Niedrigwasserzeiten führt.<ref name="Stewart2008">{{Literatur |Autor=Robert Stewart |Titel=Introduction to Physical Oceanography |Verlag=Orange Grove Texts Plus |Datum=2009 |Seiten=311 |Online=[http://www.colorado.edu/oclab/sites/default/files/attached-files/stewart_textbook.pdf online] |Abruf=2019-10-19}}</ref>
 
[[Datei:Oceanic gyres.png|mini|Großräumige ozeanische Strömungen entstehen unter Beteiligung der Corioliskraft mit unterschiedlichem Drehsinn auf beiden Hemisphären]]
Wegen der Breitenabhängigkeit des Coriolisparameters sind die „Trägheitskreise“ keine Kreise im mathematischen Sinn, sondern nur in erster Näherung, da sie polseitig einen kleineren Radius haben als äquatorseitig. Daraus ergibt sich eine leichte Spiralform, als deren Resultat die bewegte Masse nicht genau zum Ausgangspunkt zurückgeführt, sondern etwas nach Westen versetzt wird; diese Modifikation der Trägheitskreise wird „Beta-Effekt“ genannt. Die Bewegung auf Trägheitskreisen konnte durch die Beobachtung der Strömungsversetzung von schwimmenden Bojen in der Ostsee verifiziert werden.<ref name="Persson-4Cent" /> Wenn die Trägheitsbewegung als Rotation von einer großräumigen Meeresströmung als Translation überlagert wird, ergibt sich ein [[Zykloide|zykloidales]] Bewegungsmuster.<ref name="PerssonPart6">Anders Persson: [https://rmets.onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/j.1477-8696.2001.tb06527.x ''The Coriolis force and drifting icebergs.''] In: ''Weather.'' Vol. 56, 2001, S.&nbsp;439–444.</ref>
 
An der Grenzfläche von Atmosphäre und Ozean tritt sowohl in der Luft wie auch im Wasser eine [[turbulente Grenzschicht]] auf. Im Ozean sorgt die turbulente Grenzschicht in ihrer gesamten Ausdehnung für eine Durchmischung des Mediums.
An der Grenzschicht übt ein Wind mit vorherrschender Richtung durch Reibung eine bestimmte [[Schubspannung]] aus, die eine Wasserströmung in gleicher Richtung in Gang setzt ([[Ekman-Transport]]). Diese wird jedoch durch die Corioliskraft auf der Nordhemisphäre nach rechts, auf der Südhemisphäre nach links abgelenkt. Eine Folge dieser Ablenkung ist das sogenannte „[[Ekman-Transport#Auftrieb im offenen Ozean|Ekman pumping]]“, das beispielsweise im [[Ekman-Transport#Ekman-Transport am Äquator und äquatorialer Auftrieb|zentralen und östlichen Pazifik]] zu beobachten ist.<ref>[[NASA]]: [http://oceanmotion.org/html/background/ocean-in-motion.htm ''Ocean in motion: Ekman Transport.'']</ref> Das Oberflächenwasser, das im Bereich konstanter Passatwinde aus östlichen Richtungen nach Westen getrieben wird, wird in Äquatornähe auf der Nordhemisphäre nach rechts, auf der Südhemisphäre nach links abgelenkt; diese Divergenz wird durch aufquellendes kühleres Tiefenwasser ausgeglichen, so dass sich ein äquatorparalleler Streifen von kühlerer Wassertemperatur zeigt.<ref name="PerssonPart6" /><ref>[[SMHI|Schwedisches Meteorologisches und Hydrologisches Institut]]: [http://www.smhi.se/polopoly_fs/1.5460.1490013318!/image/yttempstillahavet.png_gen/derivatives/Original_1256px/image/yttempstillahavet.png Oberflächentemperaturen im zentralen Pazifik als Ergebnis eines durch die Corioliskraft erzeugten Auftriebs]</ref>
 
[[Datei:Taylor column rising ball.png|mini|Inertialkreise behindern die horizontale Wasserbewegung, die durch den Aufstieg des Objekts verursacht wird, wenn sich das System in Rotation befindet.]]
Die derart erzeugte Strömung des Oberflächenwassers wird zusätzlich durch die darunter liegende Wasserschicht gebremst, wobei sich die Geschwindigkeit wie auch die von ihr abhängende Corioliskraft vermindern. Dieser Bremseffekt pflanzt sich so weit bis zu einer bestimmten Tiefe ''(Ekman-Tiefe)'' nach unten fort, bis die Strömung völlig abgebremst ist. Bis dorthin wirkt ebenfalls – zunehmend abgeschwächt – die Corioliskraft, so dass sich insgesamt eine spiralartige Struktur ausbildet ([[Korkenzieherströmung]]). Auch die großräumigen Bewegungen im Ozean ([[Sverdrup-Relation]]) werden wesentlich durch die Corioliskraft beeinflusst.
 
Allgemein wird der Einfluss der Corioliskraft auf bestimmte Bewegungen im Meer und in der Atmosphäre durch die dimensionslose [[Rossby-Zahl]] charakterisiert. Je kleiner diese ist, umso stärker ist die Bewegung durch Corioliskraft geprägt.
 
Die Drehrichtung kleinräumiger Wasserströmungen wie zum Beispiel des Strudels einer ablaufenden Badewanne werden entgegen einer verbreiteten Behauptung nicht durch die Corioliskraft bestimmt.<ref name="zeit">[[Christoph Drösser]]: [http://www.zeit.de/stimmts/1997/1997_26_stimmts ''Stimmt’s? Seltsamer Strudel.''] Auf: ''zeit.de.'' 12.&nbsp;Mai 1997, abgerufen am 14.&nbsp;Dezember 2014.</ref><ref>{{Literatur |Autor=[[Jearl Walker]] |Titel=Der fliegende Zirkus der Physik |Verlag=Oldenbourg Wissenschaftsverlag |Datum=2007 |ISBN=978-3-486-58067-9 |Online={{Google Buch |BuchID=iN0HQ9E_YT4C |Seite=96}}}}</ref><ref>[[Norbert Lossau (Wissenschaftsjournalist)|Norbert Lossau]]: ''[https://www.welt.de/welt_print/article923986/Badewannen-und-Tiefdruckgebiete.html Fünf Minuten Physik: Badewannen und Tiefdruckgebiete.]'' In: ''[[Die Welt]].'' 6.&nbsp;Juni 2007.</ref>
 
Die Wirkung der Corioliskraft wird auch durch Experimente in kleinem Maßstab demonstriert, die [[Geoffrey Ingram Taylor]] 1921 erstmals publizierte. Die Verteilung einer kleinen Menge einer Flüssigkeit in einer anderen, mit der sie vollständig [[Mischbarkeit|mischbar]] ist, von der sie sie aber durch bestimmte Parameter unterscheidet, kann unterdrückt werden, wenn sich die andere Flüssigkeit in einer Rotationsbewegung befindet. So bildet zugefügte Tinte in einem rotierenden Wasserbehälter eine säulenartige Struktur aus („Taylor-Säule“), die längere Zeit bestehen bleibt. Der Grund liegt darin, dass sich die [[Diffusion|diffundierenden]] Teilchen in Inertialkreisen gegensinnig zur Behälterrotation drehen.<ref name="Persson-obstructive">Anders Persson: [https://rmets.onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/j.1477-8696.2001.tb06571.x ''The obstructive Coriolis force.''] In: ''Weather.'' Vol. 56, 2001, S.&nbsp;204–209.</ref>
 
Ein Tennisball, der in einem rotierenden Wasserbehälter freigesetzt wird, steigt mit geringerer Geschwindigkeit auf als in einem nicht rotierendem, da das beim Aufsteigen horizontal unten hinzuströmende bzw. oben verdrängte Wasser durch Bildung von Inertialkreisen in seiner Bewegung behindert wird. Durch diese Experimente wird deutlich, dass die Tendenz der Corioliskraft darin liegt, die bewegten Teilchen wieder zum Anfangspunkt zurückzubringen.<ref name="Persson-obstructive" />


Lässt man einen Gegenstand fallen, wird er aufgrund der Corioliskraft nach Osten abgelenkt. Frühe Messungen dieses Effektes stammen von [[Giovanni Battista Guglielmini]] (1791 in [[Türme von Bologna|Bologna]]), [[Johann Friedrich Benzenberg]] (1802 in [[Hamburg]]) und [[Ferdinand Reich]] (1832 in [[Freiberg]]), siehe [[Fallexperimente zum Nachweis der Erdrotation]].
===== Einfluss der Corioliskraft auf die atmosphärische Zirkulation =====
[[Datei:Geostrophischer Wind.svg|mini|[[Geostrophischer Wind]] durch Zusammenwirken von Gradientkraft <math>F_G</math> und Corioliskraft <math>F_C</math><ref name="PerssonPart7">Anders Persson: [http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/wea.6080570107/abstract ''The Coriolis force and the nocturnal jet stream.''] In: ''Weather.'' Vol. 57, 2002, S.&nbsp;28–33.</ref><ref group="Anm.">Im Allgemeinen ist der Wind auch bei parallelen Isobaren nicht völlig geradlinig gerichtet, das gilt nur im statistischen Sinn, sondern er verläuft zykloidal, da sich der Translation eine Rotationsbewegung überlagert.</ref>]]
[[Datei:Ageostrophischer Wind.svg|mini|Ageostrophischer Wind durch Zusammenwirken von Gradientkraft <math>F_G</math>, Corioliskraft <math>F_C</math> und Reibungskraft <math>F_R</math><ref name="PerssonPart7" /><ref group="Anm.">Die Reibungskraft muss der Windrichtung nicht genau entgegen gerichtet sein auf Grund [[Innere Reibung|innerer Reibung]] in der Luft.</ref>]]


Eine alte Frage, über die schon im 17.&nbsp;Jhdt. [[Marin Mersenne]] spekulierte, ist die, wo eine senkrecht nach oben geschossene Kanonenkugel wieder am Boden ankommt&nbsp;– ohne Berücksichtigung von Luftbewegung und Luftwiderstand. Durch die Corioliskraft wird die Kugel während der Aufwärtsbewegung nach Westen und während der Abwärtsbewegung nach Osten beschleunigt. Dadurch entsteht beim Aufstieg eine westliche Geschwindigkeitskomponente, die im Umkehrpunkt ihr Maximum erreicht, und beim Abstieg wegen der ostwärts gerichteten Corioliskraft gleichermaßen wieder abnimmt. Unten erreicht sie wieder den Wert Null. So hat während des gesamten Fluges die Geschwindigkeit eine nach Westen gerichtete Komponente. Im Ergebnis wird die Kugel daher nach Westen abgelenkt. Bei 50° geographischer Breite beträgt bei einer Anfangsgeschwindigkeit von 100&nbsp;m/s (Steighöhe ca. 500&nbsp;m) die Westablenkung 65&nbsp;cm.
Luftströmungen in der Erdatmosphäre sind im Allgemeinen keine Inertialbewegungen, sondern werden sowohl kleinräumig als auch großräumig durch Druckunterschiede hervorgerufen, die Folge örtlich oder regional unterschiedlicher [[Globalstrahlung|Einstrahlung]] sind. Zwischen den Gebieten mit hohem und niedrigen Luftdruck wirkt eine [[Gradientkraft]], die den Druckausgleich herbeiführen kann.


[[Datei:Coriolis effect09.png|mini|Corioliskraft und Druckgradienten am Beispiel eines Tiefdruckgebietes auf der Nordhalbkugel.<br />Rot – horizontale Komponente der Corioliskraft<br />Blau – [[Druckgradientkraft]]]]
Bei großräumigen Luftströmungen über mehrere Hunderte oder Tausende von Kilometern spielt die Corioliskraft trotz ihrer geringen Größe eine wichtige Rolle, da sie die Luftmassen ablenkt und die direkte Luftbewegung vom [[Hochdruckgebiet|Hoch]]- zum [[Tiefdruckgebiet|Tief]] verhindert. In der freien Atmosphäre kann die Corioliskraft die horizontale Komponente der [[Gradientkraft]] völlig kompensieren, der Wind wird dadurch zu einer [[isobare]]nparallelen Strömung abgelenkt, dem [[Geostrophischer Wind|geostrophischen Wind]], bei dem die zum Tief gerichtete Gradientkraft und die zum Hoch gerichtete Corioliskraft entgegen gerichtet sind und im [[Dynamisches Gleichgewicht (Technische Mechanik)|dynamischen Gleichgewicht]] stehen. Der Druckausgleich wird dadurch verhindert, und die Druckgebiete bleiben für einige Tage oder Wochen stabil. Ein eindrucksvolles Beispiel geostrophischer Winde stellen die [[Jetstream]]s in einigen Kilometern Höhe dar. Dieses Modell stellt für die freie Atmosphäre eine gute Annäherung an den wahren Wind dar.<ref>Manfred Kurz: ''Synoptische Meteorologie.'' (= Leitfäden für die Ausbildung im [[Deutscher Wetterdienst|Deutschen Wetterdienst]], Nr. 8) 1977, S.&nbsp;9.</ref> Der sehr häufige Fall von Druckgebilden mit gekrümmten Isobaren wird mit dem Modell des geostrophisch-zyklostrophischen Windes (andere Bezeichnung: [[Gradientwind]]) beschrieben, in dem die durch die Krümmung der Partikelbahnen bedingte Zentrifugalkraft den nach innen gerichteten Kräften entgegengesetzt gleich groß ist.<ref>[[Fritz Möller (Meteorologe)|Fritz Möller]]: ''Einführung in die Meteorologie.'' Band 2. Bibliographisches Institut Mannheim 1973, S.&nbsp;98.<br />
Manfred Kurz: ''Synoptische Meteorologie.'' 1977, S.&nbsp;9–10<br />
Ernst Heyer: ''Witterung und Klima.'' 3. Auflage. BSB B.G.Teubner Verlagsgesellschaft Leipzig 1975, S.&nbsp;131.<br />
[[Wolfgang Weischet]]: ''Einführung in die Allgemeine Klimatologie.'' B. G. Teubner Stuttgart 1977, S.&nbsp;124 und S.&nbsp;126–127.<br />
Gösta H. Liljequist, Konrad Cehak: ''Allgemeine Meteorologie.'' 2. Auflage. Vieweg & Sohn Braunschweig, Wiesbaden 1979, [https://books.google.de/books?id=87DOBgAAQBAJ&pg=PA216&q=Gradientkraft#v=onepage&q=Gradientkraft&f=false S.&nbsp;224–227.]<br />
Dieter Meschede: ''Gerthsen Physik.'' 24. Auflage. 2020, S.&nbsp;44.</ref>
<ref group="Anm.">Es handelt sich um die aus der Bahnkrümmung des Windes resultierende [[Zentrifugalkraft#D'Alembertsche Trägheitskraft|d’Alembertsche Zentrifugalkraft]], nicht um die Zentrifugalkraft, die sich aus der Erdrotation ergibt, diese ist an der Erdoberfläche durch die polwärtige Komponente der Gravitation kompensiert.</ref>


=== Horizontale Bewegungen ===
In der bodennahen [[Peplosphäre|atmosphärischen Grundschicht]] wirkt jedoch eine beträchtliche [[Reibungskraft]] auf die Luftströmung ein, ihr Vektor ist dem Strömungsvektor entgegengerichtet. Diese Reibung, deren Wirkung sich vertikal bis in einige Höhe fortpflanzt, verlangsamt die Strömung und vermindert damit die Größe der Corioliskraft. Für die Strömung ist nunmehr einerseits die ins Tief gerichtete Gradientkraft, andererseits die ins Hoch gerichtete Kraftkomponente, die sich aus der vektoriellen Addition von Reibungskraft und Corioliskraft ergibt, bestimmend. Die [[Ageostrophischer Wind|ageostrophisch]] genannte Strömung ''(Reibungswind)'' verläuft infolgedessen nicht mehr isobarenparallel, sondern quer zu den Isobaren vom Hoch- ins Tiefdruckgebiet hinein, wie man es auf [[Bodenwetterkarte]]n erkennen kann.<ref>Ernst Heyer: ''Witterung und Klima.'' 3. Auflage. BSB B.G.Teubner Verlagsgesellschaft Leipzig 1975, S.&nbsp;130–131.</ref>
Eine horizontale Bewegung, also eine Bewegung in einer Tangentialebene der Erdoberfläche, ruft eine Corioliskraft hervor, die im Allgemeinen auch eine vertikale Komponente hat. Diese ist neben der parallel zu ihr wirkenden Schwerkraft meist vernachlässigbar schwach und spielt in der Praxis nur als Korrekturglied bei Präzisionsmessungen des [[Erdschwerefeld]]es eine Rolle. Z.&nbsp;B. macht sie ein Flugzeug, das am Äquator mit [[Schallgeschwindigkeit]] nach Osten fliegt, um annähernd ein Tausendstel seines [[Gewichtskraft|Gewichts]] leichter&nbsp;– fliegt es nach Westen, wird es entsprechend schwerer. In der Geophysik, z.&nbsp;B. in Bezug zu rein horizontalen Ozean- oder Luftströmungen, bezeichnet man daher meist die horizontale Komponente der vollen Corioliskraft allein schon als „die Corioliskraft“. Für sie gilt, wie für das oben erläuterte Beispiel der horizontalen Drehscheibe, dass die Corioliskraft stets quer zur Bewegungsrichtung wirkt und dass ihre Stärke nicht von der Bewegungsrichtung abhängt. Bei einer Nord-Süd-Bewegung wirkt exakt die gleiche horizontale Komponente der Corioliskraft wie bei einer Ost-West-Bewegung.


Die Corioliskraft (genauer: ihre horizontale Komponente) zieht den auf der Nordhalbkugel bewegten Körper nach rechts, auf der Südhalbkugel nach links, und zwar umso stärker, je näher er sich an den Polen befindet und je schneller er sich bewegt. Bei Bewegungen am Äquator ist die horizontale Komponente der Corioliskraft Null.
Mit zunehmender Höhe vermindert sich die Wirkung der Bodenreibung, und der Einfluss der Corioliskraft wird stärker: der Wind [[Logarithmisches Windprofil|nimmt zu]] und die Windrichtung dreht – auf der Nordhemisphäre – nach rechts, bis in größerer Höhe der Wind einen geostrophischen Charakter angenommen hat. Zwischen Boden und Höhe kommt es dadurch zu einer [[Windscherung]]; durch Verbindung der Spitzen der Windvektoren in ansteigender Höhe erhält man eine spiralförmige Kurve ([[Ekman-Spirale]]).


Die Corioliskraft hat wesentlichen Einfluss auf die Formen der großräumigen Bewegungen in der Atmosphäre und im Ozean. Theoretisch berücksichtigt wurde dies erstmals in der von [[Pierre-Simon Laplace|Laplace]] (1778) aufgestellten [[Gezeiten]]theorie. Des Weiteren modifiziert die Corioliskraft den Einfluss des Windes auf die Meeresströmungen, wie um 1905 von [[Vagn Walfrid Ekman]] erklärt wurde (siehe [[Ekman-Transport]] und [[Korkenzieherströmung]]). Allgemein wird der Einfluss der Corioliskraft auf bestimmte Bewegungen etwa im Meer und in der Atmosphäre durch die dimensionslose [[Rossby-Zahl]] charakterisiert. Je kleiner diese ist, umso stärker ist die Bewegung durch Corioliskraft geprägt.
Aus dem Zusammenwirken dieser Kräfte erklärt sich auch der Verlauf der [[Passat (Windsystem)|Passatwinde]], die aus dem [[Subtropischer Hochdruckgürtel|Subtropischen Hochdruckgürtel]] zum äquatorialen Tiefdruckgebiet wehen. Die Corioliskraft lenkt diese Strömung auf beiden Hemisphären zu einer nach Westen gerichteten Ostströmung („Urpassat“) ab; durch den Reibungseinfluss wird daraus in der bodennahen Schicht der Nordhemisphäre der ''Nord-Ost-Passat'' und der Südhemisphäre der ''Süd-Ost-Passat.'' Der Nord-Ost-Passat ist demnach eine in Bodennähe zum Äquator hin ageostrophisch abgelenkte (geostrophische) Ost-West-Strömung und nicht – wie oft auf Skizzen dargestellt – eine nach Westen abgelenkte Nord-Süd-Strömung.


=== Einfluss der Corioliskraft auf das Wetter ===
[[Datei:Low pressure system over Iceland.jpg|mini|Auswirkung der Corioliskraft auf ein großskaliges Windsystem, hier Tiefdruckgebiet bei [[Island]] (Nordhalbkugel)]]
[[Datei:Low pressure system over Iceland.jpg|mini|Auswirkung der Corioliskraft auf ein großskaliges Windsystem, hier Tiefdruckgebiet bei [[Island]] (Nordhalbkugel)]]
Die Corioliskraft ist dafür verantwortlich, dass großräumig betrachtet die Luftmassen von [[Hochdruckgebiet]]en nicht einfach zu [[Tiefdruckgebiet]]en strömen, wie es das Druckgefälle nahelegt, sondern Spiralbahnen beschreiben. Allgemein dreht sich die Luft auf der Nordhalbkugel um Hochdruckgebiete im Uhrzeigersinn, um Tiefdruckgebiete gegen den Uhrzeigersinn. Auf der Südhalbkugel ist dies genau umgekehrt. Diese Wirbel entstehen dadurch, dass die vom Druckgefälle vom Hochdruckgebiet zum Tiefdruckgebiet hin beschleunigte Luft durch die Corioliskraft abgelenkt wird, auf der Nordhalbkugel nach rechts. Die Luft verlässt das Hochdruckgebiet daher in Form eines rechts drehenden Wirbels, also im Uhrzeigersinn. Um das Tiefdruckgebiet entsteht aus dem gleichen Grund ein linksdrehender Wirbel. Die dort hineinströmende Luft wird nach rechts abgelenkt und kann sich dem Zentrum nur in dem Maß nähern, in dem das Druckgefälle eine Linkskurve verursacht. Das sich ergebende Strömungsbild lässt sich durch das [[Geostrophie|geostrophische Gleichgewicht]] zwischen dem horizontalen Druckgefälle und der Corioliskraft erklären: In einem Wirbel, der sich um ein Tiefdruckgebiet gegen den Uhrzeigersinn dreht, wirkt die Corioliskraft nach außen und kompensiert die nach innen gerichtete Kraft, die vom Druckgefälle verursacht ist. Das geostrophische Gleichgewicht formt nur die großskaligen Wettermuster. Auf die Drehrichtung im kleinräumigen Bereich, beispielsweise von [[Tornado]]s hat die Corioliskraft keinen direkten Einfluss. Weiterhin spielt die Corioliskraft auch bei der Bildung der [[Rossbywelle]]n und der verschiedenen [[Äquatoriale Welle|äquatorialen Wellen]] eine wichtige Rolle.
[[Datei:Tc basins.jpg|mini|Entstehungsgebiete und Zugbahnen von tropischen Wirbelstürmen]]
Die Luft strömt auf der Nordhalbkugel ausnahmslos in Hochdruckgebieten im Uhrzeigersinn, in Tiefdruckgebieten gegen den Uhrzeigersinn. Auf der Südhalbkugel ist der Drehsinn umgekehrt. In Bodennähe verlässt die Luft das Hochdruckgebiet in Form eines rechts drehenden Wirbels, also im Uhrzeigersinn, und strömt gegen den Uhrzeigersinn in das Tiefdruckgebiet ein, wo diese Wirbelbewegung im Allgemeinen durch Wolkenbildung sichtbar wird. Da am Äquator der Vektor der Winkelgeschwindigkeit parallel zur Erdoberfläche liegt, ist dort die Corioliskraft nicht wirksam, dynamische Hoch- und Tiefdruckgebiete können in Äquatornähe nicht existieren. Dies gilt insbesondere für die [[Tropischer Wirbelsturm|tropischen Wirbelstürme]], die – obwohl am Äquator die thermischen Voraussetzungen vorliegen – erst in einer Distanz von mindestens circa fünf Breitengraden nach Nord bzw. Süd entstehen.
 
Strahlungsbedingt besteht auf der Erde von den Tropen zu den Polargebieten ein Temperatur- und ein Druckgefälle, wobei der horizontale Gradient jeweils in der oberen [[Troposphäre]] besonders ausgeprägt ist. Die Druckabnahme verläuft zum Pol hin nicht gleichmäßig, sondern konzentriert sich am oberen Rand der Troposphäre auf ein relativ schmales Band mit starkem Luftdruckabfall, der auf Höhenwetterkarten durch eine dichte Scharung der Isobaren sichtbar wird. In diesem Bereich stellt sich eine kräftige geostrophische Strömung ein, die sich regional zu den Jetstreams verstärkt.
 
Diese Zone des starken Luftdruckgradienten verläuft nicht breitenkreisparallel, sondern als mehr oder weniger [[Mäander|mäandrierende]] Struktur ([[Rossby-Welle]]n) mit Wellenlängen und [[Amplitude]]n bis zu einigen Tausend Kilometern. Die Wellen bewegen sich, analog zur Richtung der geostrophischen Strömung, langsam von West nach Ost fort, können aber auch längere Zeit stationär bleiben. Durch Massenverlagerungen im Bereich der Rossby-Wellen entstehen auf der Polseite Tiefdruckgebiete (Zyklonen), auf der Äquatorseite Hochdruckgebiete (Antizyklonen), die meist bis zur Erdoberfläche herunterreichen. Während die Gradientenkraft für ''ein'' Druckgebiet jeweils als konstant angesehen werden kann, ist die Corioliskraft in diesen räumlich ausgedehnten (≥&nbsp;1000&nbsp;km) Druckgebieten auf der Polarseite größer als auf der Äquatorseite. Infolgedessen scheren die Zyklonen im statistischen Mittel tendenziell in polarer Richtung aus, die Antizyklonen in äquatorialer Richtung. Dadurch bildet sich nördlich der polaren [[Frontalzone]] die [[Subpolarer Westwindgürtel|subpolare Tiefdruckzone]] und südlich davon der [[Subtropischer Hochdruckgürtel|subtropische Hochdruckgürtel]]. Insoweit bestimmt die Corioliskraft nicht nur den Verlauf der atmosphärischen Luftströmungen, sondern auch die Verteilung der großräumigen Druckgebiete auf der Erde.<ref>''[https://www.bing.com/images/search?view=detailV2&ccid=VmSyfrh8&id=CBAB27A86F22B2494EDEAE09E61CCCD8340D6E45&thid=OIP.VmSyfrh8tZ9H543S3869OwHaEP&mediaurl=http%3a%2f%2fdeacademic.com%2fpictures%2fdewiki%2f106%2fjetsteam_bodenkarte_nordhalbkugel.png&exph=399 Rossby-Wellen.]''</ref><ref name="Flohn">[[Hermann Flohn]]: ''Zur Dididaktik der allgemeinen Zirkulation der Erde.'' In: ''Geographische Rundschau.'' Band 12, 1960, S.&nbsp;129–142, 189–196.</ref>
 
Das geostrophische Gleichgewicht formt nur die großskaligen Wettermuster. Die Drehrichtung kleinskaliger Tiefdruckgebiete, beispielsweise [[Tornado]]s, wird mit dem Modell dem [[Zyklostrophischer Wind|zyklostrophischen Strömungsmodell]] erklärt. Darin hat die Corioliskraft, die aus der Erdrotation resultiert, keinen wesentlichen Einfluss, da die anderen wirksamen Kräfte sie weit überwiegen.<ref>{{Literatur |Autor=Brigitte Klose |Titel=Meteorologie |Verlag=Springer |Ort=Berlin/Heidelberg |Datum=2008 |Seiten=220}}</ref> Das wird schon daran deutlich, dass in Tornados auf der Nordhemisphäre auch Drehungen ''mit'' dem Uhrzeigersinn möglich sind.
 
=== Vertikale Bewegungen ===
{{Hauptartikel|Fallexperimente zum Nachweis der Erdrotation}}
Wenn ein Körper aus der Höhe <math>h</math> im [[Freier Fall|freien Fall]] herunterfällt, trifft er nicht genau auf dem Punkt auf, der sich vom Startpunkt aus in Lotrichtung unter ihm befindet, sondern er wird während der Fallzeit von der Coriolisbeschleunigung abgelenkt. Da die Vektoren senkrecht aufeinander stehen, ergibt das Kreuzprodukt in einem kartesischen Koordinatensystem mit x=Ost eine Ostablenkung:
 
:<math>\vec a_\parallel= -2 \, \vec \omega_\text{N} \times \vec v_\perp = (aOstaNord0)= -2 \omega \cos \varphi \,(v00)</math>


=== Corioliskraft und Eisenbahn ===
Die Abweichung wird am Äquator (<math>\varphi = 0^\circ</math>) maximal und ist an den Polen (<math>\varphi = \pm 90^ \circ</math>) Null. Mit Einsetzung von <math>v = -g\, t</math> für den freien Fall erhält man eine Abweichung nach Osten <math>d_\text{Ost}</math> durch zweimalige Integration nach der Zeit <math>t</math>:
Im [[Bahn (Verkehr)|Schienenverkehr]] führt die Corioliskraft theoretisch dazu, dass bei geraden Strecken diejenige Schiene, die in Fahrtrichtung rechts liegt, auf der Nordhalbkugel geringfügig stärker belastet wird als die linke Schiene. Dieser Effekt ist aber so klein, dass er gegenüber geringfügigen Krümmungen und Höhenunterschieden beider Schienen, die ebenfalls eine ungleichmäßige Belastung zur Folge haben, keine technische Relevanz hat.
:<math>a_\text{Ost}= 2\, \omega v \cos \varphi = 2\, \omega g \,t \cos \varphi</math>
:<math>v_\text{Ost}= 2\, \omega g \cos \varphi \int t \text{d}t = \omega g \,\cos \varphi \, t^2</math>
:<math>d_\text{Ost}= \omega g \,\cos \varphi \int t^2 \text{d}t = \frac 1 3 \omega g \,\cos \varphi \, t^3</math>
Mit der Fallzeit <math>t = \sqrt{\frac {2h} g}</math> erhält man:
:<math>d_\text{Ost} = \frac 1 3 \omega g \,\cos \varphi \, t^2 \sqrt{\frac {2h} g} = \frac 2 3 \omega \,\cos \varphi \, h \sqrt{\frac {2h} g}</math>


Ein Zug (z.&nbsp;B. ein [[ICE&nbsp;3]] mit 400&nbsp;t Masse), der bei einer geografischen Breite von 51&nbsp;Grad (Köln) mit einer Geschwindigkeit von 250&nbsp;km/h fährt, erfährt eine Corioliskraft von 3.200&nbsp;N nach rechts. Dies ist weniger als ein Promille der [[Gewichtskraft]]. Hat der Zug acht Wagen mit je vier Achsen, wird jedes rechte Rad mit einer Corioliskraft von ca. 100&nbsp;N nach rechts gegen die Schiene gedrückt. Im Vergleich dazu ergibt sich bei dieser Geschwindigkeit und bei einem [[Kurvenradius]] von 3.000&nbsp;m die zur Kurvenfahrt erforderliche Zentripetalkraft auf jedes Rad zu 20.000&nbsp;N, also 200-mal so viel wie die Corioliskraft.
Die Ostabweichung führt auf der Nordhalbkugel wiederum zu einer sehr geringen Südabweichung, die aber sowohl am Äquator als auch am Pol Null wird. Auf der Südhalbkugel wäre entsprechend eine Nordabweichung zu erwarten:
:<math>d_\text{Süd} = \frac 2 3\omega^2 \cos \varphi\cdot \sin\varphi\cdot \frac {h^2} g = \frac 1 3 \omega^2 \sin 2\varphi\cdot \frac {h^2} g</math>


=== Trägheitskreise ===
==== Das Gedankenexperiment von Mersenne ====
Aufgrund der Corioliskraft beschreibt eine Luft- oder Wassermasse, die sich in einem mit der Erde mitrotierenden Bezugssystem mit der Geschwindigkeit <math>v</math> bewegt, ohne Einfluss anderer Kräfte „Trägheitskreise“ mit Radien von <math>R = \tfrac{v}{f}.</math> In mittleren Breiten mit Werten des Coriolisparameters (siehe unten) von <math>f = 10^{-4}\,\mathrm{s}^{-1}</math> und einer typischen Meeres-Strömungsgeschwindigkeit von <math>10^{-1} \tfrac{\mathrm{m}}{\mathrm{s}}</math> ergibt sich ein Radius von <math>R = 1 \,\mathrm{km}.</math> Die Bewegung erfolgt auf der Nordhalbkugel im Uhrzeigersinn, auf der Südhalbkugel entgegen dem Uhrzeigersinn. Die Periode der Umlaufbewegung ist <math>T = \tfrac {2 \pi}{f},</math> z.&nbsp;B. bei 60&nbsp;Grad geographischer Breite rund 15&nbsp;Stunden. Sie wurden z.&nbsp;B. bei frei schwimmenden Bojen in der Ostsee beobachtet, die zunächst einer durch starke Winde angefachten Oberflächenströmung folgten, nach dem Abflauen des Windes aber Kreisbahnen bzw. [[Zykloide]]n (da eine Strömung der Kreisbewegung überlagert war) beschrieben.<ref>{{Internetquelle |autor=Anders Persson |url=http://met.no/english/topics/nomek_2005/coriolis.pdf |titel=The Coriolis Effect – a conflict between common sense and mathematics |hrsg=The Swedish Meteorological and Hydrological Institute, Norrköping, Sweden |archiv-url=https://web.archive.org/web/20071128105834/http://met.no/english/topics/nomek_2005/coriolis.pdf |archiv-datum=2007-11-28 |zugriff=2016-06-22 |format=PDF |sprache=en |kommentar=siehe S. 3, Fig. 1}}</ref><ref name="Persson"/> Für den Verlauf von Meeres- und Luftströmungen spielt die Corioliskraft eine wichtige Rolle, neben anderen Kräften, die sich mit ihr ins Gleichgewicht setzen oder sie sogar dominieren ([[Geostrophie]]).
[[Datei:Mersenne and Petit.png|mini|Historische Karikatur zum Experiment von Mersenne<ref>[[Pierre de Varignon]]: [https://www.e-rara.ch/zut/content/zoom/6391850 ''Nouvelles Conjéctures sur la pesanteur.''] Paris 1690, S.&nbsp;1.</ref>]]
Eine alte Frage, über die schon im 17.&nbsp;Jahrhundert [[Marin Mersenne]] spekulierte, ist die, wo eine senkrecht nach oben geschossene Kanonenkugel wieder am Boden ankommt&nbsp;– ohne Berücksichtigung von Luftbewegung und Luftwiderstand.


=== Corioliskraft und Foucaultsches Pendel ===
Die vertikale Geschwindigkeit <math>v</math> der Kanonenkugel folgt während des Flugs dem [[Weg-Zeit-Gesetz|Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz]]:
Der Begriff der Corioliskraft erlaubt ein einfaches Verständnis des [[Foucaultsches Pendel|Foucaultschen Pendels]]. Da das Pendel (auf der Nordhalbkugel) durch die Corioliskraft ständig nach rechts gezogen wird, dreht sich seine Schwingungsebene. Die Geschwindigkeit dieser Drehung ist am Pol genau 1 Umdrehung pro Tag und nimmt mit dem Sinus der geografischen Breite zum Äquator hin auf Null ab.
:<math>v= v_0-g\, t</math>


=== Erosion von Flussufern ===
Eingesetzt in die Ostkomponente der Coriolisbeschleunigung entsteht durch die Integration der Beschleunigung beim Aufstieg eine westliche Geschwindigkeitskomponente (negative Ostkomponente), die im Umkehrpunkt ihr Maximum erreicht und beim Abstieg gleichermaßen wieder abnimmt. Unten erreicht sie wieder den Wert Null.
Die Corioliskraft führt auch dazu, dass auf der Nordhalbkugel diejenigen Flussufer, die in Fließrichtung rechts liegen, im Mittel stärker erodiert werden als die linken. Dieses Phänomen wurde erstmals im Jahre 1763 von [[Michail Wassiljewitsch Lomonossow]] beschrieben. Erste Erklärungen stammten von Pjotr Andrejewitsch Slowzow (1827) und [[Karl Ernst von Baer]] (1856).<ref>{{Literatur |Autor=L. S. Berg |Titel=P. A. Slowzow und das Baersche Gesetz |Sammelwerk=Geschichte der russischen geographischen Entdeckungen. Gesammelte Aufsätze. VEB. Bibliographisches Institut, Leipzig |Datum=1954}}</ref> Obwohl diese Forscher glaubten, der Effekt trete nur bei Flüssen auf, die von Süden nach Norden fließen, wird der Effekt bis heute als ''Baersches Gesetz'' bezeichnet. Die korrekte Sichtweise, dass der Effekt von der Fließrichtung unabhängig ist, formulierte 1859 erstmals [[Jacques Babinet]] und später [[Albert Einstein]] (1926).<ref>{{Literatur |Autor=Albert Einstein |Titel=Die Ursache der Mäanderbildung der Flußläufe<!--sic--> und des sogenannten Baerschen Gesetzes |Sammelwerk=Die Naturwissenschaften |Band=14 |Nummer=11 |Datum=1926 |Seiten=223–224 |Online=[http://alberteinstein.info/vufind1/Digital/EAR000034054#page/1/mode/2up Der handschriftliche Entwurf dieser Veröffentlichung von Einstein]}}</ref><ref>Peeter Müürsepp: ''[http://www.aai.ee/abks/11.html Über die Bildung der Flußbetten<!--sic-->. Das Baer-Babinetsche Gesetz.]'' Wissenschaftshistorische Abhandlung.</ref><ref>[[Ernst Peter Fischer]]: [https://books.google.de/books?id=SnWgBgAAQBAJ&lpg=PA140&ots=tfp9YYdL2R&dq=Einstein%2C%20A.%3A%20Die%20Ursache%20der%20M%C3%A4anderbildung%20der%20Flu%C3%9Fl%C3%A4ufe&hl=de&pg=PA140#v=onepage&q=Einstein,%20A.:%20Die%20Ursache%20der%20M%C3%A4anderbildung%20der%20Flu%C3%9Fl%C3%A4ufe&f=false ''Ein Genie und sein überfordertes Publikum. „Die Ursache der Mäanderbildung der Flußläufe und des sogenannten Baerschen Gesetzes“ (Einstein, 1926).''] 1996, S. 140.</ref><ref>[[Karl-Heinz Bernhardt (Meteorologe)|Karl-Heinz Bernhardt]]: [http://leibnizsozietaet.de/wp-content/uploads/2012/11/09_bernhardt.pdf ''Teetassen-Zyklonen und Flußmäander – Einstein klassisch.''] (PDF), 2005, S. 81–95.</ref><ref>[[Florian Freistetter]]: ScienceBlogs ''[http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2011/03/14/albert-einstein-die-zahl-pi-und-die-maanderbildung-bei-flussen Albert Einstein, die Zahl Pi und die Mäanderbildung bei Flüssen.]'' 2011.</ref>
:<math>v_\text{West} = 2 \omega \,\cos \varphi\left(v_0 \, t- \, \frac 1 2 g t^2 \right)</math>,
bzw. durch nochmalige Integration die Ablenkung:
:<math>d_\text{West} = 2 \omega \,\cos \varphi\left(\frac 1 2 v_0 t^2- \, \frac 1 6 g t^3 \right)</math>


== Corioliskraft in der Technik ==
Die Kugel hat nach der Zeit <math>t=2 \frac {v_0} {g}</math> den Boden wieder erreicht.
[[Datei:Stimmgabelprinzip Drehratensensor.png|mini|Bei einer rotierten Stimmgabel bewegen sich die Zinken zusätzlich zur normalen Bewegung seitlich aneinander vorbei. Diese Bewegung beruht auf der Corioliskraft.]]
Der gesamte Versatz nach Westen ergibt sich zu:
:<math>d_\text{West} = \frac{4}{3} \omega \frac{v_0^3}{g^2} \cos \varphi</math>.
 
Aufstieg und Abstieg tragen jeweils die Hälfte der gesamten Abweichung bei. Bei 50° geographischer Breite beträgt bei einer Anfangsgeschwindigkeit von 100&nbsp;m/s (Steighöhe <math>v_0^2 / {2 g}</math> ca. 500&nbsp;m) die Westweichung theoretisch 65&nbsp;cm. Am Äquator ist der Versatz am größten, zwischen Nord- und Südhalbkugel gibt es keinen Unterschied.
 
Zur Plausibilisierung dient das folgende Beispiel, das von der vereinfachten Vorstellung ausgeht, dass die horizontale Geschwindigkeit beibehalten wird. Da sich die Erde während der vertikalen Bewegung weiterdreht, ist das aber nur näherungsweise der Fall. Bei korrekter Rechnung ist die Abweichung um den Faktor 2/3 geringer.


Corioliskräfte sind in der Technik dann von Bedeutung, wenn eine Drehbewegung von einer zweiten Bewegung „überlagert“ wird. Dies ist beispielsweise bei einem Roboter der Fall, der sich dreht und gleichzeitig seinen Greifarm ausfährt.
In Äquatornähe wird neben einem Turm aus einer Kanone eine Kugel senkrecht nach oben abgefeuert, so dass sie die Höhe <math>h</math> der Turmspitze erreicht. Turm und Kanone sind mit der Erde fest verbunden und rotieren parallel zur Erdoberfläche mit der Winkelgeschwindigkeit <math>\omega_{\text {N}}</math>; die Bahngeschwindigkeit an der Turmspitze ist jedoch um <math>\omega_{\text {N}} \cdot h</math> größer als an der Erdoberfläche. Die abgefeuerte Kugel hat zu Beginn neben ihrer Vertikalgeschwindigkeit die Bahngeschwindigkeit der Erdoberfläche und möchte diese auf ihrem Weg beibehalten.


* Wenn eine Last am Ausleger eines Krans nach innen oder außen fährt, während der Kran sich dreht, hängt sie aufgrund der Corioliskraft nicht senkrecht nach unten, sondern wird seitlich ausgelenkt. Wird die Last längs des Auslegers nach innen eingefahren, eilt sie der Drehung des Krans voraus.
Da die Kugel während des gesamten Fluges eine geringere horizontale Geschwindigkeit, also eine geringere Ostkomponente als ein Punkt des Turms auf der gleichen Höhe hat, weicht sie gegenüber der Senkrechten immer stärker nach Westen ab bis zur Distanz <math>d_{W}</math> am Umkehrpunkt.


* In der Getriebetechnik ([[Koppelgetriebe]]) und in der [[Robotik]] spielen die Corioliskräfte ebenfalls eine wichtige Rolle, da auch hier gleichzeitige Bewegungen entlang mehrerer Freiheitsgrade erfolgen. Benutzt man zur Vereinfachung der Beschreibung rotierende Koordinatensysteme, treten für Bewegungen in diesen rotierenden Bezugssystemen auch Corioliskräfte auf.
Auch während des anschließenden Freien Falls behält die Kugel weiterhin ihre horizontale Geschwindigkeit bei, sodass die Kugel gegenüber dem Turm zunehmend weiter westlich zurückbleibt. Am Fußpunkt angelangt stimmen die horizontalen Geschwindigkeiten aller Körper wieder überein. Da der Freie Fall genau so lange dauert wie der Aufstieg, beträgt die Gesamtabweichung <math>d_\text{West} = 2 d_{W}</math>.


* Zur Messung des Massenstromes durchströmender Flüssigkeiten oder Gase verwendet man den [[Coriolis-Massendurchflussmesser]]. Das Messrohr wird in Schwingungen versetzt. Diese werden im Ein- und Auslauf gemessen und verglichen. Bei der [[Corioliswaage]] wird vor allem [[Schüttgut]] durch die Messung der Änderung des benötigten Drehmoments eines Rotortellers vermessen.
=== Zusammenfassung der Ablenkungsrichtungen auf der Erde ===
Die Ausdrücke für die Komponenten der Coriolisbeschleunigung gelten für den gesamten Erdkörper in gleicher Weise. Die Richtungsangaben sind vom Standort des Beobachters in seiner jeweiligen geographischen Breite <math>\varphi</math> aus gesehen. Die mittlere Spalte beschreibt den [[Eötvös-Effekt]].


* Bei [[Kreiselpumpe]]n wird das Medium vom meist axial gelegenen Ansaugkanal durch das Pumpenrad in Rotation versetzt und durch die Zentrifugalkraft nach außen zum Ausgang geschleudert. Dabei übt das Medium Corioliskräfte auf das Pumpenrad aus, wodurch sich ein Bremsmoment für den Antrieb ergibt. Die effektiv aufgewendete Energie der Pumpe ist also etwa proportional zum radial verlaufenden Massenstrom, dem Radius des Pumpenrades und der Drehzahl (Verwirbelungen, Rückströmungen und Reibung außer Acht gelassen).
Auf der Südhemisphäre ist der Coriolisparameter negativ. Daraus resultiert für den Beobachter auf der Südhemisphäre bei horizontalen Bewegungen eine Abweichung nach links.


* Einige [[Drehratensensor]]en zur Messung von [[Drehgeschwindigkeit]]en nutzen die Corioliskraft in Form des sogenannten „Stimmgabelprinzips“,<ref>{{Webarchiv |url=http://imperia.mi-verlag.de/imperia/md/upload/article/ael07_02_016.pdf |wayback=20130523061558 |text=''MEMS-Sensoren im Überblick, Automobil-Elektronik.''}}. (PDF; 2,8&nbsp;MB), April 2007.</ref> das im nebenstehenden Bild erläutert wird. Aufgrund der Drehbewegung bewegen sich die Zinken der [[Stimmgabel]] nicht nur aufeinander zu, sondern sie führen zusätzlich seitliche Bewegungen zueinander aus, die durch die Corioliskraft verursacht werden. Die seitliche Auslenkung ist näherungsweise proportional zur Drehgeschwindigkeit und kann beispielsweise durch eine kapazitive oder induktive Messung erfasst werden.<ref>Detlef Billep: [http://archiv.tu-chemnitz.de/pub/2000/0093/data/Billep_Diss.pdf ''Modellierung und Simulation eines mikromechanischen Drehratensensors.''] (PDF; 4,6&nbsp;MB), Dissertation.</ref>
Beim senkrechten Wurf nach oben zeigt sich eine Ablenkung nach West. Beim Wurf mit anschließendem Freien Fall dürfen jedoch beide Ablenkungsrichtungen nicht nacheinander addiert werden; dieser Fall wird im Kapitel „Das Gedankenexperiment von Mersenne“ abgehandelt.


== Berechnung und Spezialfälle ==
[[Datei:Corioliskraft-und-Normalkomponente.svg|mini|Rotationsebene, Winkelgeschwindigkeit und Geschwindigkeit]]
Die Coriolisbeschleunigung <math>\vec a_\mathrm{C}</math> und bei Körpern der Masse <math>m</math> auch die Corioliskraft <math>\vec F_\mathrm{C} = m \, \vec a_\mathrm{C}</math> wirkt auf einen Körper, der sich in einem rotierenden Bezugssystem bewegt. Dafür gilt allgemein die Formel <math>\vec a_\mathrm{C} = -2\,\vec\omega \times \vec v</math>. Bei bekanntem Winkel&nbsp;<math>\textstyle\alpha</math> zwischen Geschwindigkeit und Rotationsachse kann man mit den Beträgen rechnen: <math>a_\mathrm{C} = -2\,\omega\,v\,\sin\alpha</math>. Die Richtung der Kraft ist bei einem sich in mathematisch positiver Richtung, also links herum, drehenden System in Bewegungsrichtung gesehen rechtwinklig nach rechts, bei einem sich in mathematisch negativer Richtung drehenden System rechtwinklig nach links. In den typischen Koordinatendarstellungen bei rotierenden Systemen stellen sich die Formeln so dar:
{| class="wikitable"
{| class="wikitable"
|+ Coriolisbeschleunigung auf der Erde in Abhängigkeit von der geographischen Breite
|-
|-
! Zylinderkoordinaten !! Kugelkoordinaten !! geografische Koordinaten
! rowspan="3" style="text-align:center"|Geographische<br />Breite φ
! colspan="2" style="text-align:center"|horizontale Bewegung<br />(in jede Richtung)
! colspan="2" style="text-align:center"|horizontale Bewegung<br /> (nach Ost / West)
! colspan="2" style="text-align:center"|Freier Fall / Aufstieg
|-
|-
| <math>(aC,raC,ϕaC,z) =</math>
! colspan="2" style="text-align:center"|horizontale Ablenkung
|| <math>(aC,raC,θaC,φ) =</math>
! colspan="2" style="text-align:center"|vertikale Ablenkung
|| <math>(aC,haC,BaC,λ) =</math>
! colspan="2" style="text-align:center"|horizontale Ablenkung
|-
|-
| <math> -2\,\omega \begin{pmatrix} -\,v_\phi \ v_r \\ 0 \end{pmatrix}</math>
!Gleichung
|| <math> -2\,\omega \begin{pmatrix} -\,v_\varphi \sin \theta \ -v_\varphi \cos \theta \ v_r \sin \theta + v_\theta \cos \theta\end{pmatrix}</math>
!Richtung
|| <math> -2\,\omega \begin{pmatrix} -\,v_\lambda \cos B \ -v_\lambda \sin B \\ v_h \cos B - v_B \sin B \end{pmatrix}</math>
!Gleichung
!Richtung
!Gleichung
!Richtung
|-
! style="text-align:left"|Nordpol (90°N)
| align="center" | <math>\vec a_\parallel=f_\mathrm{C} \begin{pmatrix} v_\text{N} \ -v_\text{O} \end{pmatrix}</math>
| align="center"| rechts
| align="center" | –
| align="center" | –
| align="center" | –
| align="center" | –
|-
! style="text-align:left"|Nordhemisphäre<br />(0° < φ < 90°N)
| align="center" | <math>\vec a_\parallel=f_\mathrm{C} \begin{pmatrix} v_\text{N} \ -v_\text{O} \end{pmatrix}</math>
| align="center" | rechts
| align="center" |<math>a_\perp = 2\,\omega\cos \varphi \cdot v_\mathrm{O}</math>
| align="center" | oben / unten
| align="center" | <math>a_\mathrm{O}= -2 \omega \cos \varphi \,v_\perp</math>
 
| align="center" | Ost / West
|-
! style="text-align:left"|Äquator (0°)
| align="center" | –
| align="center" | –
| align="center" | <math>a_\perp = 2\,\omega\cos \varphi \cdot v_\mathrm{O}</math>
| align="center" | oben / unten
| align="center" | <math>a_\mathrm{O}= -2 \omega \cos \varphi \,v_\perp</math>
| align="center" | Ost / West
|-
! style="text-align:left"|Südhemisphäre<br />(0° < φ < 90°S)
| align="center" | <math>\vec a_\parallel=f_\mathrm{C} \begin{pmatrix} v_\text{N} \\ -v_\text{O} \end{pmatrix}</math>
| align="center" | links
| align="center" | <math>a_\perp = 2\,\omega\cos \varphi \cdot v_\mathrm{O}</math>
| align="center" | oben / unten
| align="center" | <math>a_\mathrm{O}= -2 \omega \cos \varphi \,v_\perp</math>
| align="center" | Ost / West
|-
! style="text-align:left"|Südpol (90°S)
| align="center" | <math>\vec a_\parallel=f_\mathrm{C} \begin{pmatrix} v_\text{N} \ -v_\text{O} \end{pmatrix}</math>
| align="center" | links
| align="center" | –
| align="center" | –
| align="center" | –
| align="center" | –
|}
|}
Dabei ist
* <math>\omega</math> der Betrag der [[Winkelgeschwindigkeit]] des Bezugssystems und
* <math>\vec v</math> der Geschwindigkeitsvektor der Bewegung des Körpers, relativ zum rotierenden Bezugssystem, und dabei bezeichnen
* bei den Zylinderkoordinaten der Index <math>z</math> die Komponente parallel zur Rotationsachse <math>\omega</math> und die Indizes <math>r</math> und <math>\phi</math> die radiale und tangentiale Komponenten senkrecht zur Rotationsachse,
* bei den Kugelkoordinaten der Index <math>r</math> den Abstand zum Ursprung und die Indizes <math>\varphi</math> und <math>\theta</math> den Azimut- und Polarwinkel,
* bei den geografischen Koordinaten der Index <math>h</math> den Abstand zur Kugeloberfläche und die Indizes <math>B</math> und <math>\lambda</math> die geografische Breite und Länge.


=== Überlagerung mit der Zentrifugalkraft bei tangentialer Bewegung ===
=== Didaktische Aspekte ===
Steht man z.&nbsp;B. auf einer Drehscheibe, spürt man nur die Zentrifugalkraft und muss sie durch eine gleich große Zentripetalkraft ausgleichen. Läuft man aber in konstantem Abstand von der Achse entgegen der Drehbewegung, dann scheint sich die Zentrifugalkraft zu verringern, obwohl die Scheibe unverändert rotiert. Der Grund ist die zusätzlich wirkende Corioliskraft radial nach innen. Läuft man gerade mit der Umlaufgeschwindigkeit der Scheibe, ist die Corioliskraft genau doppelt so groß wie die Zentrifugalkraft. Als resultierende Kraft erfährt der Körper also genau die Kraft, die er benötigt, um sich &nbsp;aus Sicht des rotierenden Bezugssystems&nbsp;auf einer Kreisbahn entgegengesetzt der Rotationsgeschwindigkeit zu halten. Aus dem Inertialsystem heraus gesehen ruht der Körper und ist kräftefrei. Bewegt sich der Körper hingegen in Richtung der Rotation, wirkt die Corioliskraft nach außen&nbsp;– dadurch ist eine größere Zentripetalkraft notwendig als im nicht rotierenden System, um ihn auf seiner Bahn zu halten. Vom Betrag her ergibt sich die Gleichheit der Kräfte genau dann, wenn man die Corioliskraft mit berücksichtigt:
==== Bewegungen und Kräfte auf dem Erdkörper ====
{{Doppeltes Bild|rechts|Coriolis-Effekt.png||Coriolis effect.svg||Einfache, aber falsche Ableitung des Corioliseffekts aus den Bahngeschwindigkeiten der Erdoberfläche in unterschiedlichen Breiten|Reine Trägheitsbewegungen auf der Erde führen zum Bewegungsmuster von Inertialkreisen, bei denen die Masse zum Ausgangspunkt annähernd zurückgeführt wird|lili|rere}}
Als problematisch für das Verständnis hat sich der Versuch erwiesen, in der – im weiten Sinne – geowissenschaftlichen Ausbildung die Corioliskraft mit Hilfe des Modells zu erklären, mit dem [[George Hadley]] (1735) die Passatzirkulation begründete.<ref name="Persson-Hadley">Anders Persson: [https://rmets.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/wea.228 ''Hadley’s Principle.'' Part 1]. In: ''Weather.'' Band S.&nbsp;335–338; [https://rmets.onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/wea.239 Part 2.] In: ''Weather.'' Band 64 2009, S.&nbsp;44–48.</ref> Der Kerngedanke ist, dass meridionale Luftströmungen ihre breitenkreisparallele Geschwindigkeitskomponente beibehalten und dadurch bei einer Bewegung, die zum Äquator gerichtet ist, gegenüber der Erdrotation zurückbleiben, woraus sich eine westwärts gerichtete Strömung ergibt bzw. eine ostwärts gerichtete bei polwärtigen Luftbewegungen. Dies beinhaltet eine Erklärung des Nord-Ost- bzw. Süd-Ost-Passats, aber auch der vorherrschenden Westwinde nördlich und südlich der subtropischen Hochdruckgürtel. Wegen dieser zumindest im statistischen Mittel richtigen Beschreibung der Strömungsrichtung wird das Hadley-Modell mitunter als gerechtfertigte Vereinfachung angesehen, auch wenn es nur die Ablenkung meridionaler, keinesfalls aber breitenkreisparalleler Bewegungen erklärt.<ref name="Persson-Hadley" />
 
Das Hadley-Modell überträgt das Konzept der ''Erhaltung der Bahngeschwindigkeit'' von der Ebene (vgl. „[[#Coriolisbeschleunigung bei radialer Bewegung von der Drehachse weg|Coriolisbeschleunigung bei radialer Bewegung von der Drehachse weg]]“), wo es zutreffend ist, auf die konvexe Erdoberfläche zu einem Konzept der ''Erhaltung der breitenkreisparallelen Geschwindigkeit''.<ref name="PerssonIllusion">Anders Persson: [http://www.misu.su.se/polopoly_fs/1.216797.1420630914!/menu/standard/file/QJ_Persson2014.pdf ''Is the Coriolis effect an ’optical illusion’?''] In: ''[[Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society]]'' Band 141, 2014, S.&nbsp;1957–1967.</ref> Es liefert zwar zunächst qualitativ die richtige Ablenkungsrichtung, führt jedoch zu falschen quantitativen Ergebnissen.<ref>Anders Persson: ''How Do We Understand the Coriolis Force?'' In: ''Bulletin of the American Meteorological Society.'' Band 79 (7), 1998, S.&nbsp;1373–1385; hier S.&nbsp;1376.</ref> Schon auf relativ kleinen Distanzen weniger Breitengrade ergäben sich Windgeschwindigkeiten in völlig unrealistischer Größenordnung. Bereits zur Zeit Hadleys hatte man diesen Einwand mit der Zusatzhypothese einer bremsenden Wirkung der Reibung aufzufangen versucht, damit aber das Problem nur auf einen anderen unrealistischen Effekt verlagert: Die erforderliche Reibung hätte die Rotation der Erde im Laufe ihrer Geschichte viel stärker abbremsen müssen. Eine Luftströmung, die ''allein'' durch die unterschiedlichen Bahngeschwindigkeiten verursacht wäre, würde zu Inertialkreisen führen, die die Luft schon nach relativ kurzen Distanzen in ihrer Richtung umkehren würden. Das rein mechanisches Modell, dass die atmosphärische Zirkulation nur als Inertialbewegung erklärt, wird den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht.<ref name="Persson-4Cent" /> Flohn wies schon 1960 darauf hin, dass ein auf den Hadley-Vorstellungen aufgebautes Zirkulationsmodell mit den ''gemessenen meteorologischen Daten'' unvereinbar ist.<ref>Hermann Flohn: ''Zur Dididaktik der allgemeinen Zirkulation der Erde.'' In: ''Geographische Rundschau.'' Band 12, 1960, S.&nbsp;129–142, 189–196.</ref>
 
Die ''alleinige'' Wirkung der Corioliskraft, bei Abwesenheit anderer Einflüsse wie z.&nbsp;B. eines Druckgradienten, würde zu einer Bewegung in ''Inertialkreisen'' führen, bei denen eine anfangs äquatorwärtige Bewegung letztlich wieder in eine polwärtige umkehrt, wobei sich die Masse wieder dem Startpunkt der Bewegung ''nähert''. Diese Bewegungsmuster finden sich in gleicher Weise im höherviskosen Wasser der Ozeane, wo sie leichter nachzuweisen sind.
 
==== Veranschaulichung an Modellen ====
Wegen der Bedeutung der Corioliskraft für die atmosphärische Zirkulation hat sie als Thema in den schulischen Unterricht Eingang gefunden,<ref name="Stober">Matthias Stober: [https://d-nb.info/1023435527/34 ''Rahmenkriterien für die didaktische Umsetzbarkeit von Modellen und Modell-Experimenten im Geographieunterricht – Eine praxisorientierte und empirische Untersuchung am Beispiel der Corioliskraft.''] Dissertation [[Ludwig-Maximilians-Universität München]] 2012, S.&nbsp;I–II.</ref> wobei seine Bedeutung in den deutschen Lehrplänen je nach Bundesland sehr unterschiedlich ist.<ref>Matthias Stober: ''Rahmenkriterien für die didaktische Umsetzbarkeit von Modellen …'' München 2012, S.&nbsp;42.</ref> In einer kritischen Untersuchung zu diesem Thema zeigte es sich, dass die Corioliskraft häufig sachlich falsch sowie methodisch-didaktisch ungeschickt unterrichtet wird.<ref name="Stober" /> In den Schulbüchern werde die Corioliskraft nur sehr oberflächlich behandelt, und vielen Lehrenden sei sie eine „black-box“. Bei einer Befragung nannten die Geographielehrer als Hauptprobleme bei der unterrichtlichen Umsetzung der Corioliskraft neben den (unzureichenden) Vorkenntnissen der Schüler die Dreidimensionalität, die Rotationsbewegung und die Überlagerung verschiedener Geschwindigkeiten.<ref>Matthias Stober: ''Rahmenkriterien für die didaktische Umsetzbarkeit von Modellen …'' München 2012, S.&nbsp;115–116.</ref>
 
Zur Bewältigung der didaktischen Schwierigkeiten werden oft einfache veranschaulichende Experimente eingesetzt. Versuche mit einfachen Stiftlinien auf bewegten Pappscheiben oder einem rotierenden Globus, die sich in der Literatur und in einem Fall auch als obligatorischer Versuch in den Vorgaben eines Bundeslandes finden, sind jedoch abzulehnen, da die entstehenden gekrümmten Linien nur in jeweils ''einer'' Bewegungsrichtung der tatsächlichen Ablenkungsrichtung entsprechen.<ref>Matthias Stober: ''Rahmenkriterien für die didaktische Umsetzbarkeit von Modellen …'' München 2012, S.&nbsp;49–55.</ref> Zur qualitativen Demonstration des Coriolis-Effekts werden neben einem Versuch mit Wassertropfen auf einem Globus auch Drehscheibenexperimente angesehen, die mit zwei Kameras jeweils für das ruhende und das rotierende System verfolgt werden.<ref>Matthias Stober: ''Rahmenkriterien für die didaktische Umsetzbarkeit von Modellen …''. München 2012, S.&nbsp;56–58, S.&nbsp;61–64.</ref>
 
=== Corioliskraft und Erdmagnetismus ===
[[Datei:Dynamo Theory - Outer core convection and magnetic field geenration.svg|mini|Schraubenförmige Bewegung im äußeren Erdkern als Folge der Corioliskraft]]
Die auffällige Nähe der [[Pol (Geomagnetismus)|magnetischen Erdachse]] zur Rotationsachse der Erde hat die Annahme eines Einflusses der Rotation auf das [[Erdmagnetfeld]] nahegelegt. Nach den heutigen Modellvorstellungen der [[Magnetohydrodynamik]] resultiert dieses aus dem Zusammenwirken von [[Konvektion (Wärmeübertragung)|Konvektions]]- und [[Elektromagnetische Induktion|Induktionsvorgängen]] in elektrisch leitfähigem metallischen Material, das im äußeren [[Erdkern]] auf Grund von [[Temperaturgradient]]en in Strömung versetzt wird. Dadurch wird ein [[Magnetfeld]] induziert, so dass ähnlich wie beim [[Dynamoelektrisches Prinzip|dynamoelektrischen Prinzip]] durch [[positive Rückkopplung]] ein sich selbst erhaltender Dynamo („Geodynamo“) entsteht. Im Zusammenwirken mit anderen Kräften entwickeln sich unter dem Einfluss der Corioliskraft im äußeren Erdkern [[Helix|walzenförmige Strudel]], wodurch ein dipolares Magnetfeld entstehen kann.<ref>Charles R. Carrigan, [[David Gubbins]]: ''Wie entsteht das Magnetfeld der Erde?'' In: [[Spektrum der Wissenschaft]] Heft 4, 1979, S.&nbsp;40–48, (2.&nbsp;Aufl.) in: ''Ozeane und Kontinente.'' (Spektrum der Wissenschaft: Verständliche Forschung), Heidelberg 1984, S.&nbsp;230–237.</ref><ref>Paul H. Roberts, [[Gary A. Glatzmaier]]: [https://websites.pmc.ucsc.edu/~glatz/pub/roberts_glatzmaier_rmp_2000.pdf ''Geodynamo Theory and simulations.''] In: ''Reviews of Modern Physics.'' Vol 72, Nr. 4, 2000, S. 1081–1123.</ref>
 
== Corioliskraft in der Astronomie ==
In der [[Astronomie]] spielt die Corioliskraft bei der Stabilität an den [[Lagrange-Punkte]]n eine Rolle. In der kosmischen Konstellation eines eingeschränkten [[Dreikörperproblem]]s ist die Masse ''eines'' Körpers gegenüber den beiden größeren vernachlässigbar, und deren Massenverhältnis untereinander beträgt mindestens 25:1. In dieser Anordnung heben sich an fünf Punkten im Umfeld der massenreichen Körper deren Gravitationskräfte auf: ein dortiger massearmer Körper bleibt gegenüber den beiden anderen in seiner Position.
 
Zwei dieser Punkte, gewöhnlich als <math>L_4</math> und <math>L_5</math> bezeichnet, bilden mit den großen Körpern ein [[gleichseitiges Dreieck]]. Vom Standpunkt eines rotierenden Bezugssystems, in dem die Körper in Ruhe liegen, wird die gemeinschaftliche Gravitation der Großkörper auf den Kleinkörper durch die Zentrifugalkraft im Sinne eines [[Dynamisches Gleichgewicht (Technische Mechanik)|dynamischen Gleichgewichts]] kompensiert. Wird die Position des Kleinkörpers gestört, so dass er relativ zu den Großkörpern in Bewegung gerät, dann wird seine Bahn durch die Corioliskraft zu einer Umlaufbahn um den entsprechenden Lagrange-Punkt geformt, er bleibt also in dessen Nähe. Vom Standpunkt eines Inertialsystems rotieren die Lagrange-Punkte zusammen mit allen Körpern um das [[Baryzentrum]] des Dreikörper-Systems.
 
Beispiele für diesen Effekt sind die als [[Trojaner (Astronomie)|Trojaner]] bezeichneten [[Asteroid]]en, die sich stabil auf den beiden Lagrange-Punkten der [[Jupiter (Planet)|Jupiter]]-Bahn befinden.
 
Die [[Sonnenrotation|Sonne rotiert]] an ihrem Äquator schneller (Umlaufzeit ~25,6 Tage) als an ihren Polen (~33,5 Tage). Eine Ursache dafür ist die durch radiale [[Konvektion]]sströmung hervorgerufene Corioliskraft.<ref>siehe [[Sonnenrotation#Differentielle Rotation]]</ref>
 
== Corioliseffekt in der Molekülphysik ==
Ein Corioliseffekt tritt bei jedem gleichzeitig schwingenden und rotierenden mechanischem System auf. Damit wird er auch bei der [[Schwingungsspektroskopie]] mehratomiger [[Molekül]]e sichtbar, wo die [[Molekülrotation|Rotation des ganzen Moleküls]] die intramolekularen [[Valenzschwingung|Valenz-]] und [[Deformationsschwingung]]en beeinflusst ''(Coriolis interaction)''. Anschaulich gesprochen wirkt im mitrotierenden Bezugssystem eine Corioliskraft senkrecht zur Drehachse des Moleküls und zur Richtung der [[Molekülschwingung|Schwingungsbewegung]].<ref>[[Gerhard Herzberg]]: ''Molecular Spectra and Molecular Structure: II. Infrared and Raman Spectra of Polyatomic Molecules.'' Van Nostrand, Princeton 1945, bes. S.&nbsp;372–375.</ref><ref>Alois Fadini: ''Molekülkraftkonstanten.'' Dr. Dietrich Steinkopff Verlag Darmstadt, 1976, S.&nbsp;187–188.</ref> Es treten abhängig von der Molekülsymmetrie ''Coriolis-Kopplungen'' auf, die zu geringen Verschiebungen der Energieniveaus führen. Die entsprechenden Konstanten sind aus den Spektren zu berechnen.<ref>Raffi Kebabcioglu, [[Achim Müller]]: ''Einfache Formeln zur Abschätzung von Coriolis-Kopplungskonstanten ζ . Zur Massenabhängigkeit von ζ-Werten.'' In: [[Zeitschrift für Naturforschung A]] Band 23, 1968, S.&nbsp;1310–1312.</ref>
 
== Corioliskraft in der Technik ==
[[Datei:Stimmgabelprinzip Drehratensensor.png|mini|Prinzip eines Drehratensensors. Bei einer rotierten Stimmgabel bewegen sich die Zinken zusätzlich zur normalen Bewegung seitlich aneinander vorbei. Diese Bewegung beruht auf der Corioliskraft.]]
Corioliskräfte sind in der Technik dann von Bedeutung, wenn eine Drehbewegung von einer zweiten Bewegung „überlagert“ wird, und sind bei der [[Kraftregelung]] zu berücksichtigen. Dies ist beispielsweise bei einem [[Industrieroboter|Roboter]] der Fall, der sich dreht und gleichzeitig seinen Greifarm ausfährt.
 
* Wenn eine Last am Ausleger eines Krans nach innen oder außen fährt, während der Kran sich dreht, hängt sie aufgrund der Corioliskraft nicht senkrecht nach unten, sondern wird seitlich ausgelenkt. Wird die Last längs des Auslegers nach innen eingefahren, eilt sie der Drehung des Krans voraus.
* In der Getriebetechnik ([[Koppelgetriebe]]) und in der [[Robotik]] spielen die Corioliskräfte eine Rolle, da hier gleichzeitige Bewegungen entlang mehrerer Freiheitsgrade erfolgen. Benutzt man zur Vereinfachung der Beschreibung rotierende Bezugssysteme, treten für Bewegungen in diesen Bezugssystemen Corioliskräfte auf.
* Zur Messung des Massenstromes durchströmender Flüssigkeiten oder Gase verwendet man den [[Coriolis-Massendurchflussmesser]]. Das Messrohr wird in Schwingungen versetzt. Diese werden im Ein- und Auslauf gemessen und verglichen.<ref>Roland Steffen: [http://www.rolandsteffen.de/Corioliskraft.pdf ''Industrielle Durchflussmessung: Coriolis-Kraft-Durchflussmessung.''] 2004.</ref> Bei der [[Corioliswaage]] wird vor allem [[Schüttgut]] durch die Messung der Änderung des benötigten Drehmoments eines Rotortellers vermessen.<ref>Klaus-Dieter Sommer: {{Webarchiv|url=http://www.didaktik.physik.uni-erlangen.de/fortbildung/Vorl.MKM2.0_SS08.pdf |wayback=20170516155545 |text=''Moderne Verfahren zur Messung von Kraft, Masse und daraus abgeleiteten Größen.'' |archiv-bot=2021-12-06 13:28:23 InternetArchiveBot }} Universität Erlangen 2008 (mit Gleichungen und Gerätekonstruktion).</ref>
* Bei [[Kreiselpumpe]]n wird das Medium vom meist axial gelegenen Ansaugkanal durch das Pumpenrad in Rotation versetzt und durch die Zentrifugalkraft nach außen zum Ausgang geschleudert. Dabei übt das Medium Corioliskräfte auf das Pumpenrad aus, wodurch sich ein Bremsmoment für den Antrieb ergibt. Die effektiv aufgewendete Energie der Pumpe ist also etwa proportional zum radial verlaufenden Massenstrom, dem Radius des Pumpenrades und der Drehzahl (Verwirbelungen, Rückströmungen und Reibung außer Acht gelassen).
* Einige [[Drehratensensor]]en zur Messung von [[Winkelgeschwindigkeit]]en nutzen die Corioliskraft in Form des sogenannten „Stimmgabelprinzips“,<ref>{{Webarchiv |url=http://imperia.mi-verlag.de/imperia/md/upload/article/ael07_02_016.pdf |text=''MEMS-Sensoren im Überblick, Automobil-Elektronik.'' |wayback=20130523061558}}. (PDF; 2,8&nbsp;MB), April 2007.</ref> das im nebenstehenden Bild erläutert wird. Aufgrund der Drehbewegung bewegen sich die Zinken der [[Stimmgabel]] nicht nur aufeinander zu, sondern sie führen zusätzlich seitliche Bewegungen zueinander aus, die durch die Corioliskraft verursacht werden. Die seitliche Auslenkung ist näherungsweise proportional zur Winkelgeschwindigkeit und kann beispielsweise durch eine kapazitive oder induktive Messung erfasst werden.<ref>Detlef Billep: {{Webarchiv|url=http://monarch.qucosa.de/fileadmin/data/qucosa/documents/4362/data/Billep_Diss.pdf |wayback=20160402160538 |text=''Modellierung und Simulation eines mikromechanischen Drehratensensors.'' |archiv-bot=2021-12-06 13:28:23 InternetArchiveBot }} (PDF; 4,6&nbsp;MB), Dissertation.</ref>
 
== Forschungsgeschichte ==
Seit dem 16. Jahrhundert wurde bei der Diskussion des [[Kopernikanisches Weltbild|kopernikanischen Weltbildes]] über die mögliche Ablenkung von geradlinigen Bewegungen auf der Erde ''spekuliert'', wobei der Fokus der Diskussion zunächst auf der Ablenkung von ''vertikalen'' Bewegungen lag. Die Anti-Kopernikaner bestritten die Eigenrotation der Erde unter anderem mit dem Argument, dass ein Körper beim freien Fall auf einer rotierenden Erde gegen die Erdrotation zurückbleiben müsse, also nach Westen abgelenkt würde. Bei Experimenten konnten jedoch keine Ablenkungen festgestellt werden. [[Galileo Galilei]] erkannte, dass sich beim freien Fall eine Ostablenkung zeigen müsste.<ref name="Persson-conflict" />
 
[[George Hadley]] konnte 1735 aus den je nach Breitenkreis unterschiedlichen Umdrehungsgeschwindigkeiten der Erde erstmals einen Grund für das konstante Vorkommen der subtropischen Passatwinde ableiten.<ref name="Hadley">{{Literatur |Autor=[[George Hadley]] |Titel=Concerning the cause of the general trade-winds |Sammelwerk=Philosophical Transactions of the Royal Society of London |Band=39 |Nummer=437 |Datum=1735 |Seiten=58–62 |Online=[https://archive.org/details/philtrans03179785/page/n3/mode/2up online] |Abruf=2020-09-28}}</ref> Er gab keine Formel an, lieferte mit dem Modell der von der Erwärmung am Äquator getriebenen Zirkulation ([[Hadley-Zelle]]) aber auch eine erste Erklärung für großräumige horizontale Bewegungen auf der Erde.<ref name="Persson-4Cent" />
 
[[Leonhard Euler]] versuchte 1750, die Bewegungsgleichungen im rotierenden Bezugssystem mathematisch abzuleiten. Er führte aber die Zeitableitung der Geschwindigkeit falsch aus und erzielte damit ein Ergebnis, das zwar mit Hadleys Vorstellung übereinstimmte, aber gegenüber der korrekten Formel um den Faktor 2 zu klein ist.<ref name="Persson-4Cent" /><ref>Giulio Maltese: ''On the relativity of motion in Leonhard Euler’s science.'' In: ''Archive for history of exact sciences.'' Band&nbsp;54 (Januar 2000), S.&nbsp;319–348, hier S.&nbsp;343.</ref>
 
[[Pierre Simon de Laplace]] fand 1775 erstmals in den Formeln zur Bewegung auf einem rotierenden Himmelskörper den mathematisch korrekten Ausdruck für die ablenkende Kraft. Er ist damit der eigentliche „Entdecker“ des Coriolis-Effekts; jedoch ging er in der physikalischen Interpretation nicht über das Hadley-Modell hinaus.<ref>{{Literatur |Autor=P. S. Laplace |Titel=Recherches sur plusieuers points du Système du Monde |Sammelwerk=Mém. Acad. roy.des Sciences |Band=88 |Seiten=75–182 |Datum=1775}} Zitiert in David Edgar Cartwright: ''Tides: A Scientific History.'' Cambridge 1999, {{Google Buch |BuchID=78bE5U7TVuIC |Seite=73}}.</ref><ref name="Persson-4Cent" />
 
Pionierarbeiten zur ''experimentellen Bestätigung'' der Abweichung von der Lotrichtung lieferten [[Giovanni Battista Guglielmini]] (1791) in [[Türme von Bologna|Bologna]], [[Johann Friedrich Benzenberg]] (1802) in der Hamburger [[Michaeliskirche (Hamburg)|Michaeliskirche]] und in einem Bergbau-Schacht im Ruhrgebiet sowie [[Ferdinand Reich]] (1832), ebenfalls in einem Bergwerk in [[Freiberg]] in Sachsen.<ref>Johann Friedrich Benzenberg: [http://books.google.de/books?id=ExcFAAAAQAAJ&pg=PA3&dq=%22Johann+Friedrich+Benzenberg%22+Hamburg#PPP6,M1 ''Versuche über das Gesetz des Falles, über den Widerstand der Luft und über die Umdrehung der Erde, nebst der Geschichte aller früheren Versuche von Galiläi bis auf Guglielmi.''] Dortmund 1804, 2.&nbsp;Auflage, Hamburg 1824.</ref><ref>Ferdinand Reich: [http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/urn/urn:nbn:de:hbz:061:1-500010 ''Fallversuche über die Umdrehung der Erde: angestellt in dem Brüderschachte bei Freiberge.''] Freiberg 1832.</ref> Trotz starker [[Streuungsmaß (Statistik)|Streuung]] stimmten die Resultate von Benzenbergs Versuchen im Mittel mit den Werten, die Laplace und [[Carl Friedrich Gauß|Gauß]] berechnet hatten, in etwa überein.<ref name="Persson-4Cent" /><ref>[[Jürgen Teichmann]]: ''Wandel des Weltbildes'' (=&nbsp;''Kulturgeschichte der Naturwissenschaften und Technik,'' hrsg. vom [[Deutsches Museum|Deutschen Museum München]]). 2.&nbsp;Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1983, S.&nbsp;157–159.</ref> Eine zusätzlich auftretende Südabweichung wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts in verschiedenen Versuchen festgestellt.<ref>[http://www.sacred-texts.com/earth/za/za54.htm#page_315 Darstellung von Rundells Experiment, Mechanics Magazine, Mai 1849], sowie ein Brief von Oersted an Herschel in den Reports der British Association for the Advancement of Science, 1846.</ref> Als erste zuverlässige experimentelle Bestätigung wurde die ''horizontale'' Ablenkung des Pendels durch [[Léon Foucault]] (1851) angesehen.
 
{{Hauptartikel|Fallexperimente zum Nachweis der Erdrotation|Foucaultsches Pendel}}
 
[[Datei:Gaspard-Gustave de Coriolis.jpg|mini|[[Gaspard Gustave de Coriolis]] (1792–1843)]]
Gustave Coriolis analysierte 1835 die Bewegung von Maschinenteilen, die sich relativ zu einer Rotation bewegen. Dabei fand er durch Überlegungen wie im Abschnitt [[#Coriolisbeschleunigung bei Kreisbewegung um die Drehachse herum|Coriolisbeschleunigung bei Kreisbewegung um die Drehachse herum]], dass sich die gesamte Trägheitskraft aus der Zentrifugalkraft und einer weiteren, „zusammengesetzten“ Zentrifugalkraft, die eine Ablenkung bewirkt, zusammensetzt.<ref name="Persson-Coriolis">Anders Persson: [http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/j.1477-8696.2000.tb04058.x/abstract ''The Coriolis force according to Coriolis.''] In: ''Weather.'' Vol. 56, 2001, S.&nbsp;439–444.</ref><ref name="corps">{{Literatur |Autor=G. G. Coriolis |Titel=Memoire sur les équations du mouvement relatif des systèmes de corps |Sammelwerk=Journal de l’École polytechnique |Band=15 |Seiten=142–154 |Datum=1835}} In dieser Veröffentlichung leitet er durch Koordinatentransformation auch die allgemeine Formel her, wobei er die Vorarbeit von Laplace (1775) nicht erwähnt.</ref> [[Siméon Denis Poisson]] berechnete daraufhin 1838 die Ablenkung von Artilleriegeschossen.
 
[[William Ferrel]] betonte 1858, dass im Gegensatz zu den Vorstellungen von George Hadley Luftströmungen zu ''jeder'' Himmelsrichtung auf der Nordhalbkugel nach rechts (Südhalbkugel nach links) abgelenkt werden. Ferrel erkannte als Erster die Bewegung auf Inertialkreisen und die Abhängigkeit ihrer Größe sowohl von der Geschwindigkeit der Bewegung als auch von der Breitenlage.<ref name="Persson-4Cent" />


Bewegt sich der Körper in konstantem Abstand <math>R</math> zur Rotationsachse, mit der Geschwindigkeit <math>\textstyle v_\phi</math> im rotierenden Bezugssystem, dann entspricht das im Inertialsystem einer Kreisbewegung mit der Geschwindigkeit <math>\textstyle (\omega\,R + v_\phi)</math>.
[[Adolf Sprung]] begründete 1879 die Ablenkung von breitenkreisparallelen Bewegungen. Er übertrug die für eine rotierende ebene Scheibe geltenden mathematischen Ableitungen auf das System einer parabolisch geformten Fläche, bei welcher der Einfluss der Zentrifugalkraft kompensiert werden kann, sodass der Coriolis-Effekt einer isolierten Betrachtung zugänglich wird.<ref>[[Adolf Sprung]]: [https://digitalisate.sub.uni-hamburg.de/index.php?id=1901&tx_dlf%5Bid%5D=20012&tx_dlf%5Bpage%5D=32&tx_dlf%5Bpointer%5D=3&tx_dlf%5Bdouble%5D=0 ''Studien über den Wind und seine Beziehungen zum Luftdruck. I. Zur Mechanik der Luftbewegungen.''] In: ''[[Deutsche Seewarte|Archiv der Deutschen Seewarte]]'' Band 2, 1879, S.&nbsp;1–28.</ref> Persson vertritt die Ansicht, dass auch Newton diese Lösung mit seinen Möglichkeiten hätte finden können.<ref name="Persson-4Cent" />


Berechnet man nun die scheinbare Zentrifugalkraft aus dem Inertialsystem <math>F_{\mathrm{Z},\mathrm{Inert}}</math> und aus dem rotierenden System heraus <math>\textstyle F_{\mathrm{Z},\mathrm{Rot}}</math>, wird die Gleichheit der Beträge durch die Corioliskraft hergestellt:
In den 1850er Jahren rückte die Erde als rotierendes System ins Blickfeld der Forschung. Der Naturforscher [[Karl Ernst von Baer]] postulierte als „allgemeines Gesetz“, dass die Täler der großen Tieflandsströme auf der Nordhemisphäre als Ergebnis der Corioliskraft mehrheitlich ein steileres rechtes und ein flacheres linkes Ufer besäßen.<ref>Karl Ernst von Baer: ''Über ein allgemeines Gesetz in der Gestaltung der Flussbetten.'' In: ''Kaspische Studien.'' 1860, VIII, S. 1–6.</ref> Allerdings beschränkte er die Begründung ausdrücklich auf Flüsse in meridionaler Richtung; offensichtlich vorhandene Flussabschnitte mit steilerem linken Ufer erklärte er mit der Wirksamkeit anderer Faktoren. Diese Theorie war unter Geowissenschaftlern allerdings stark umstritten und wurde besonders in den 1920er Jahren in meteorologischen und geowissenschaftlichen Zeitschriften sehr kontrovers diskutiert.<ref>[[Julius Bartels]]: ''Nochmals das Baersche Gesetz.'' In: ''[[Petermanns Geographische Mitteilungen]].'' 68, Jg. 1922, S.&nbsp;146–147.</ref><ref>[[Adolf Schmidt (Geophysiker)|Adolf Schmidt]]: ''Die ablenkende Kraft der Erddrehung.'' In: ''Petermanns Geographische Mitteilungen.'' 68, Jg. 1922, S.&nbsp;144–146.</ref><ref>[[Karl-Heinz Bernhardt (Meteorologe)|Karl-Heinz Bernhardt]]: [http://leibnizsozietaet.de/wp-content/uploads/2012/11/09_bernhardt.pdf ''Teetassen-Zyklonen und Flußmäander – Einstein klassisch.''] (PDF), 2005, S.&nbsp;81–95, hier S.&nbsp;87–88.</ref> Einerseits wurde die geringe Größe der Corioliskraft ins Feld geführt, andererseits auf die langen Zeiträume der Wirksamkeit verwiesen. ''Eine'' Ursache der Kontroverse lag auch in der unklaren begrifflichen Trennung zwischen Corioliskraft und „ablenkender Kraft der Erdrotation“, die von manchen Autoren weiter gefasst wurde. Ein [[Statistik|statistisch]] [[Validität#Validität von Aussagen über Kausalzusammenhänge|valider]] Beleg für eine größere Häufigkeit rechtsseitig versteilter Täler auf der Nordhemisphäre wurde weder von Baer noch von anderen Autoren vorgelegt. Die Talasymmetrie wurde erst ab der Mitte des 20. Jahrhunderts systematisch geomorphologisch erforscht und als multikausal begriffen, wobei geologische, tektonische und klimatische Faktoren zusammenwirken. In neueren Werken zur [[Geomorphologie]] und [[Geologie]] spielt das „Baersche Gesetz“ keine Rolle mehr.
: <math>
\begin{matrix}
F_{\mathrm{Z},\mathrm{Inert}}(\omega\,R + v_\phi) = m \frac{(\omega\,R + v_\phi)^2}{R} =
& m \omega^2\,R                    & + & m \frac{v_\phi^2}{R} & + & 2 m \omega\,v_\phi & = & \
& F_{\mathrm{Z},\mathrm{Rot}}(v=0) & + & F_\mathrm{Z}(v_\phi) & + & F_\mathrm{C}      & = & F_{\mathrm{Z},\mathrm{Rot}}(v) \
\end{matrix}
</math>
Dabei gilt:
# <math>\textstyle F_{\mathrm{Z},\mathrm{Rot}}(v=0)</math> ist die Zentrifugalkraft, die aufgrund der Rotation des Bezugssystems auftritt, selbst wenn der Körper sich nicht bewegte. Diese ist nach außen gerichtet und proportional zum Quadrat der Winkelgeschwindigkeit und dem Abstand von der Rotationsachse.
# <math>\textstyle F_\mathrm{Z}(v_\phi)</math> ist die Zentrifugalkraft, die aufgrund der kreisförmigen Bewegung relativ zum Bezugssystem auftritt, selbst wenn das System nicht rotierte. Diese ist nach außen gerichtet und proportional zum Quadrat der Bewegungsgeschwindigkeit geteilt durch den Krümmungsradius der Bewegung.
# <math>\textstyle F_\mathrm{C}</math> ist die Corioliskraft. Sie ist nach außen gerichtet, wenn sich der Körper in Richtung der Rotation bewegt und nach innen, wenn er sich entgegen der Rotation bewegt.


=== Bewegung auf der Oberfläche einer Kugel und Coriolisparameter ===
Mit dem Fließverhalten ist das Problem der [[Mäander]]bildung von Flüssen eng verknüpft. [[Albert Einstein]] wies mit einer qualitativen Darlegung auf die Rolle der Corioliskraft, zusätzlich zur Zentrifugalkraft, bei der Bildung von Flussmäandern hin ([[Teetasseneffekt]]“), ohne das quantitative Verhältnis der beteiligten Kräfte zu diskutieren.<ref>Albert Einstein: ''Die Ursache der Mäanderbildung der Flußläufe und des sogenannten Baerschen Gesetzes.'' In: ''[[Die Naturwissenschaften]].'' Band 14, 1926, S.&nbsp;223–224; [http://alberteinstein.info/vufind1/Digital/EAR000034054#page/1/mode/2up Handschriftlicher Entwurf der Veröffentlichung].</ref><ref group="Anm.">Einstein referierte in ''Die Naturwissenschaften'' 1926 (S.&nbsp;223) die von Geographen vertretene Ansicht einer stärkeren Erosionskraft auf der rechten Flussseite, ohne diese herzuleiten oder sich in die Diskussion darüber einzuschalten.</ref>
[[Datei:Corioliskraft f-plane 3.PNG|mini|Kartesisches Koordinatensystem mit dem Ursprung auf der geographischen Breite <math>\varphi</math> eines rotierenden Himmelskörpers (f-Fläche) von Westen aus gesehen]]
[[Datei:Coriolis-Erde.png|mini|Corioliskraft bei Bewegungen horizontal zur Erdoberfläche (Vorzeichen beachten)]]
[[Datei:Coriolis parameter.svg|lang=de|mini|Der Coriolisparameter in Abhängigkeit vom Breitengrad]]
Bei horizontalen Bewegungen -&nbsp;also solchen, die auf die Oberfläche einer Kugel eingeschränkt sind&nbsp;- fällt in geografischen Koordinaten <math>v_h</math> und die vertikale Komponente der Coriolisbeschleunigung <math>\textstyle a_{\mathrm{C},h}</math> weg. Mit dem '''Coriolisparameter''' <math>\textstyle f_\mathrm{C} = 2 \, \omega \, \sin B</math> ergibt sich dann der Betrag der horizontalen Komponente der Coriolisbeschleunigung <math>\vec a_{\mathrm{C},||}=\frac{\vec a_\mathrm{C}(\vec r\times\vec v)}{|\vec r\times \vec v|^2} \vec r\times\vec v</math> als <math>\textstyle a_{\mathrm{C},||} = f_\mathrm{C}\, v</math> und die Richtung so, dass <math>\textstyle (\sgn(\vec\omega\vec r)\vec r,\vec v,\vec a_{\mathrm{C},||})</math> ein Rechtssystem bildet.
Die Erdrotation (eine Umdrehung in 23&nbsp;Stunden 56&nbsp;Minuten 4,09&nbsp;Sekunden =&nbsp;1&nbsp;Sternentag =&nbsp;86164,09&nbsp;s) erfolgt mit einer Winkelgeschwindigkeit von <math>\textstyle\omega = \frac{2 \pi}{86164,09\,\mathrm{s}} = 7{,}2921 \cdot 10^{-5} \,\frac {\mathrm{1}}{\mathrm{s}}.</math>
Damit nimmt der Coriolisparameter in mittleren Breiten eine typische Größenordnung von <math>\textstyle f_\mathrm{c}\approx\,10^{-4}\, {\mathrm{s}}^{-1}</math> an.


=== Vertikale Bewegung – Das Gedankenexperiment von Mersenne ===
Die Überlegung, dass die Bewegung von Eisenbahnen durch die Corioliskraft beeinflusst wird und bei Gleisen, die nur in ''einer'' Richtung befahren werden, zu verstärkter einseitiger Abnutzung führen könnte, stammt von [[Nikolai Dmitrijewitsch Braschman|Braschman]] (1861) und wurde lange Zeit in zahlreichen Lehrbüchern im Sinne einer gegebenen Tatsache dargestellt;<ref>Nikolai Braschman: [https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k3010v/f1068.image.r=Braschmann ''Note concernant la pression des wagons sur les rails droits et des courants d’eau suer la rive droite du mouvement en vertu de la rotation de la terre.''] In: ''Comptes rendues.'' Band 53, 1861, S.&nbsp;1068–1071.</ref> ein Beleg dafür durch eine technische Publikation ist nicht bekannt. [[Helmut Vogel (Physiker)|Helmut Vogel]] weist darauf hin, dass kleinste Unregelmäßigkeiten der Gleisführung in der Größenordnung von 0,1 mm einen weit größeren Effekt auf die Asymmetrie der Abnutzung haben.<ref>Helmut Vogel: ''Probleme aus der Physik. Aufgaben und Lösungen zur 17. Auflage von Gerthsen/Vogel Physik.'' Springer, Berlin 1993, ISBN 3-540-56632-5, S.&nbsp;40.</ref>
Bei reinen Aufwärtsbewegungen wirkt die Corioliskraft nach Westen, beim senkrechten freien Fall wirkt sie nach Osten. Ihr Betrag ist
:<math>F_\mathrm{C} = 2 \cdot m \cdot \omega \cdot v \cdot \cos B.</math>
Ein über die Länge <math>L</math> frei fallender Körper erfährt aufgrund der Corioliskraft eine Ostablenkung von
:<math>D_{Ost} = \frac{2}{3}\,\omega \cdot \sqrt{\frac{2 \cdot L}{g}} \cdot L \cdot \cos B.</math>
Eine mit der Anfangsgeschwindigkeit <math>v_0</math> senkrecht nach oben geschossene Kugel wird zunächst nach Westen abgelenkt um den Betrag
:<math>D_{West} = \frac{2}{3}\,\omega \cdot \frac{v_0^3}{g^2} \cos B.</math>
Hat sie die Steighöhe <math>h_{Steig} = \frac{v_0^2}{2g}</math> erreicht, so besitzt sie eine Westgeschwindigkeit von <math>v_\text{West}=\omega\frac{v_0^2}{g}\cos B.</math>
Beim Herunterfallen der Kugel muss man deshalb zusätzlich zur obigen Formel noch den Beitrag <math>-v_\text{West}\cdot \frac{v_0}{g}</math> zur Ostablenkung berücksichtigen:
:<math>D_{Ost} = \left( \frac{2}{3}\,\omega \cdot \sqrt{\frac{2 \cdot h_{Steig}}{g}} \cdot h_{Steig} - \omega\frac{v_0^3}{g^2}\right) \cdot \cos B.</math>
Der gesamte Versatz ergibt sich aus der Differenz der beiden Ausdrücke nach Vereinfachungen zufolge der Gesetze für die Steig- und Fallzeiten zu einer effektiven Abweichung nach Westen um
:<math>D_{West} = \frac{4}{3}\,\omega \cdot \frac{v_0^3}{g^2} \cos B.</math>
''g'' ist dabei jeweils die [[Erdbeschleunigung]].


Am Äquator ist der Versatz am größten (<math>\cos B = 1</math>). Wegen <math>\cos(-B)=\cos(B)</math> ergibt sich kein Unterschied zwischen Nord- und Südhalbkugel.
Die Erfahrungen, die [[Fridtjof Nansen]] bei seiner [[Nansens Fram-Expedition|Fram-Expedition]] (1893–1896) in der Arktis gemacht hatte, führte ihn zu der Vermutung, dass der Verlauf der driftenden Strömung von der Erdrotation beeinflusst wird. Die daraufhin von [[Vagn Walfrid Ekman]] ausgearbeiteten Gedanken führten zur Entdeckung der [[Ekman-Spirale]].<ref name="PerssonPart6" />


== Verwandte Begriffe ==
Die Bezeichnung „Corioliskraft“ ist erst seit den 1920er Jahren gebräuchlich, vorher war „ablenkende Kraft“ eine übliche Bezeichnung.<ref name="Persson-Coriolis" />
Als ''Corioliseffekt'' bezeichnet man jede Erscheinung, die durch die Corioliskraft zustande kommt.


== Experimenteller Zugang ==
== Siehe auch ==
Am [[Teufelsrad (Fahrgeschäft)|Teufelsrad]], das als Fahrgeschäft um 1910 aufkam und nur mehr an wenigen Orten betrieben wird, kann an der eigenen Körperbewegung die Corioliskraft erfahren werden. Ebenso am Drehhocker, wenn durch Heranziehen der Arme der [[Pirouetteneffekt]] ausgelöst wird. Hierbei wirkt die mit der Erhöhung der Winkelgeschwindigkeit verbundene Trägheitskraft allerdings der Corioliskraft entgegen und hebt sie im Extremfall eines kreisenden Massenpunktes sogar ganz auf.
* [[Coriolis-Illusion]]


== Historische Aufsätze ==
== Literatur ==
* J. F. Benzenberg: [http://books.google.de/books?id=ExcFAAAAQAAJ&pg=PA3&dq=%22Johann+Friedrich+Benzenberg%22+Hamburg#PPP6,M1 ''Versuche über das Gesetz des Falles, den Widerstand der Luft und die Umdrehung der Erde.''] Dortmund 1804, 2.&nbsp;Auflage, Hamburg 1824.
* F. Reich: ''Fallversuche über die Umdrehung der Erde: angestellt in dem Brüderschachte bei Freiberge.'' Freiberg 1832.
* {{Literatur
* {{Literatur
   |Autor=G. Coriolis
   |Autor=G. Coriolis
   |Titel=Memoire sur les équations du mouvement relatif des systèmes de corps
   |Titel=Memoire sur les équations du mouvement relatif des systèmes de corps
   |Sammelwerk=J. Ec. Polytech.
   |Sammelwerk=Journal de l’École polytechnique
   |Nummer=15
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   |Datum=1835
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   |Seiten=142–154
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   |Online=[http://empslocal.ex.ac.uk/people/staff/gv219/classics.d/Coriolis-1835.pdf online]}}
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  |Autor=Pierre Simon Laplace
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   |ISBN=0-12-283522-0}}
* [[Henry Stommel|Henry M. Stommel]], Dennis W. Moore: ''An introduction to the Coriolis force.'' Columbia University Press, New York 1989, ISBN 0-231-06637-6.
* [[:sv:Anders Persson (meteorolog)|Anders O. Persson]]: [https://web.archive.org/web/20140411174448/http://www.meteohistory.org/2005historyofmeteorology2/01persson.pdf ''The Coriolis Effect: Four centuries of conflict between common sense and mathematics. Part I: A history to 1885.''] In: ''History of Meteorology.'' Band 2, 2005, S.&nbsp;1–24.
* {{Literatur
* {{Literatur
   |Autor=P. S. Laplace
   |Autor=[[Dieter Meschede]]
   |Titel=Recherches sur plusieurs points du système du monde
   |Titel=[[Gerthsen Physik]]
   |Sammelwerk=Mém. Acad. Roy. d. Sci.
   |Auflage=23
   |Band=88
   |Verlag=Springer
   |Datum=1775
   |Datum=2005
   |Seiten=75–182
   |Seiten=56}}
  |Online=[http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k77597p/f74 online]}}<br />Zu dieser Quelle sollte man die Fußnote&nbsp;12 in „The Coriolis Effect: Four centuries of conflict between common sense and mathematics“<ref>{{Literatur |Autor=A. O. Persson |Titel=The Coriolis Effect: Four centuries of conflict between common sense and mathematics, Part I: A history to 1885 |Sammelwerk=History of Meteorology |Band=2 |Datum=2005 |Seiten=1 |Online=[http://www.meteohistory.org/2005historyofmeteorology2/01persson.pdf meteohistory.org] |Format=PDF}}</ref> beachten.<!--(publ. 1778), 1776; 117-267, 525-552 (publ. 1779) UNKLARE QUELLENANGABE-->
* David Halliday, Robert Resnick, [[Jearl Walker]]: ''Halliday Physik.'' 2. Auflage. Wiley-VCH, 2009, ISBN 978-3-527-41181-8, S.&nbsp;154&nbsp;ff.
* K. E. von Baer: ''Über ein allgemeines Gesetz in der Gestaltung der Flußbetten<!--sic-->.'' In: ''Kaspische Studien.'' Nr.&nbsp;VIII, 1860, S.&nbsp;1–6.
 
== Literatur ==
* Henry M. Stommel, Dennis W. Moore: ''An introduction to the Coriolis force.'' Columbia Univ. Pr., New York 1989, ISBN 0-231-06637-6.
* Halliday-Resnick-Walker: ''Halliday Physik.'' 2. Auflage. Wiley-VCH, 2009, S.&nbsp;154&nbsp;ff.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Coriolis force}}
{{Wiktionary}}
{{Wiktionary}}
{{Wikibooks|Schulbücher/ Geografie/ Corioliskraft|Corioliskraft}}
{{Wikibooks|Schulbücher/ Geografie/ Corioliskraft|Corioliskraft}}
* [http://www.zeit.de/stimmts/1997/1997_26_stimmts ''Seltsamer Strudel.''] Mythos der Drehrichtung von Wasserstrudeln auf der nördlichen und südlichen Hemisphäre.
* {{TIBAV |10796 |Linktext=Coriolis- und Zentrifugalkraft im rotierenden Bezugssystem |Herausgeber=IWF |Jahr=2007 |DOI=10.3203/IWF/C-13095}}
* [http://www.corioliskraft.eu/ ''Die Corioliskraft.''] Erklärung mit Animationen.
* Video: [https://pawn.physik.uni-wuerzburg.de/physikonline/video1/m3_scheinkr/m3_rotscheibe.html ''Kugeln auf rotierender Scheibe''.] Universität Würzburg.
* {{alpha Centauri|172}}
* {{alpha Centauri|172}}
* {{TIBAV |10796 |Linktext=Coriolis- und Zentrifugalkraft im rotierenden Bezugssystem |Herausgeber=IWF |Jahr=2007 |DOI=10.3203/IWF/C-13095 }}
* [https://www.youtube.com/watch?v=PXxXvex07bw Video von Terra X]
* [https://www.gunt.de/de/produkte/technische-mechanik-und-konstruktionslehre/dynamik/kinetik-rotationsdynamik/corioliskraft/040.60500/tm605/glct-1:pa-119:ca-18:pr-1409 Gerät zur Demonstration der Corioliskraft]
 
== Anmerkungen ==
<references group="Anm." />


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references responsive />
<references responsive>
<ref name="Persson-conflict">
Anders Persson: [https://web.archive.org/web/20050906101226/http://met.no/english/topics/nomek_2005/coriolis.pdf ''The Coriolis Effect – a conflict between common sense and mathematics.''] Norrköping 2005.
</ref>
</references>


[[Kategorie:Klassische Mechanik]]
[[Kategorie:Klassische Mechanik]]

Aktuelle Version vom 19. Februar 2022, 12:25 Uhr

Ein Hurrikan, der unter Beteiligung der Corioliskraft entsteht

Die Corioliskraft (Zum Anhören bitte klicken! [kɔrjoˈliːskraft][1]) ist eine der drei Trägheitskräfte der klassischen Mechanik, die in einem rotierenden Bezugssystem auftreten. Die Corioliskraft tritt genau dann in Erscheinung, wenn der Körper sich in dem rotierenden Bezugssystem bewegt und wenn diese Bewegung nicht parallel zur Rotationsachse bzw. zum Vektor der Winkelgeschwindigkeit verläuft. Die Corioliskraft steht senkrecht zur momentanen Bewegungsrichtung des Massepunkts im rotierenden Bezugssystem und bewirkt daher keine Vergrößerung oder Verkleinerung seiner Geschwindigkeit, sondern eine Ablenkung zur Seite. Die Corioliskraft auf einen Massepunkt ist proportional zu seiner Masse und zu der Geschwindigkeit, mit der er sich im rotierenden Bezugssystem bewegt, sowie zur Winkelgeschwindigkeit, mit der das Bezugssystem rotiert. Der Ort des Körpers spielt dagegen keine Rolle, zumal die vektorielle Winkelgeschwindigkeit, auf die es hier allein ankommt, unabhängig von der Lage eines Bezugspunktes oder einer Drehachse ist.

Die beiden anderen Trägheitskräfte im rotierenden Bezugssystem, Zentrifugalkraft und Eulerkraft, wirken auch, wenn der Körper im rotierenden Bezugssystem ruht.

In einem erdfesten Bezugssystem tritt nur die Corioliskraft in Erscheinung. Sie hat maßgeblichen Einfluss auf die großräumigen Strömungsphänomene. Beispiele aus der Meteorologie sind die Drehrichtungen der Windfelder um Hoch- und Tiefdruckgebiete und die Ausbildung globaler Windsysteme wie Passatwinde und Jetstream. In der Ozeanographie beeinflusst die Corioliskraft maßgeblich die Meeresströmungen. Sie lenkt z. B. kalte Strömungen entlang der nord- und südamerikanischen Pazifikküste, was sich auf das dortige Klima auswirkt. Eine nennenswerte Rolle spielt dabei nur die zur Erdoberfläche parallele Komponente der Corioliskraft, weshalb diese in den Geowissenschaften vereinfachend oft als „die Corioliskraft“ bezeichnet wird. Ihre Stärke hängt von der geographischen Breite ab. Sie verschwindet am Äquator und ist am stärksten an den Polen.

Die verbreitete These, dass die Corioliskraft für die Drehrichtung kleiner Strudel wie in der Badewanne und im Spülbecken verantwortlich sei, trifft nicht zu. In der Technik ist die Corioliskraft, zusätzlich zur Zentrifugalkraft, bei allen Bewegungen zu berücksichtigen, die sich relativ zu einer rotierenden Basis abspielen, z. B. wenn die zwei Teile eines Roboterarms sich gleichzeitig bewegen, oder wenn der Ausleger eines Baukrans schwenkt und gleichzeitig die Laufkatze nach innen oder außen fährt. Das gleiche gilt auch, wenn man auf dem Teufelsrad gehen will. Diese und andere Erscheinungsformen der Corioliskraft in rotierenden Systemen werden auch als Corioliseffekt bezeichnet. Die Corioliskraft ist hier als Teil des Trägheitswiderstands in Bezug auf die äußere Kraft zu verstehen, welche die Bewegung verursacht.

Die Corioliskraft wurde erstmals 1775 von Pierre-Simon Laplace korrekt hergeleitet. Sie wird aber nach Gaspard Gustave de Coriolis benannt, der sie in einer 1835 erschienenen Publikation ausführlich behandelte.

Einführung

Eine Erklärung der Corioliskraft, die mit Alltagsworten und ohne einschlägiges Vorwissen auszukommen versucht, könnte lauten:

Nur eine Kraft kann die augenblickliche Geschwindigkeit eines Körpers nach Betrag oder Richtung ändern, denn aus sich selbst heraus „möchte“ er sich immer geradlinig-gleichförmig bewegen. Wenn man nun auf einer Drehscheibe auf einer aufgemalten geraden Linie zum Mittelpunkt gehen möchte, erscheint die Bewegung nur von der Drehscheibe aus gesehen geradlinig, vom festen Boden außerhalb der Drehscheibe aus aber gekrümmt. Diese zweite Beurteilung durch einen nicht bewegten Beobachter ist hier entscheidend. Um also trotzdem auf der Scheibe geradeaus zu gehen, braucht es die für jede gekrümmte Bewegung nötige Kraft von der Seite. Wenn man darauf vorbereitet ist, bringt man diese Kraft auf, so ähnlich, wie wenn man sich gegen einen starken Seitenwind stemmt. Dem Geher kommt es so vor, als ob er diese Kraft gegen etwas aufbringen müsste, das ihn ablenken würde. Dieses Etwas hat den Namen Corioliskraft.

Genauer formuliert: In einem rotierenden Bezugssystem, zum Beispiel in einem, das mit einer sich drehenden Scheibe verbunden ist, kann festgestellt werden, dass sich ein Körper, auf den keine äußere Kraft wirkt, nicht entsprechend dem Trägheitsprinzip gleichförmig geradlinig bewegt, sondern zusätzlich zur Zentrifugalbeschleunigung auch immer senkrecht zur Bewegungsrichtung abgelenkt wird. Seine Bahn ist gekrümmt, er vollführt also eine beschleunigte Bewegung. Der Anteil dieser Beschleunigung, der senkrecht zur Bewegungsrichtung steht und proportional sowohl zur Relativgeschwindigkeit auf der Scheibe und zur Winkelgeschwindigkeit des Bezugssystems ist, wird als Coriolisbeschleunigung bezeichnet und als Wirkung einer entsprechenden Kraft gedeutet, der Corioliskraft. Ebenso stellt man fest, dass eine reale äußere Kraft gleicher Stärke, aber entgegengesetzter Richtung einwirken muss, wenn eine Bewegung relativ zu einem rotierenden Bezugssystem geradlinig sein soll.

Zentrifugal- und Corioliskraft beeinflussen die Bewegungsabläufe auf dem „Teufelsrad“

Dieser Effekt wird beim sogenannten „Teufelsrad“ auf Jahrmärkten erfahrbar gemacht. Personen sollen auf einer sich drehenden Scheibe gehen, z. B. längs einer aufgemalten geraden Linie radial zum Zentrum. Für diese Bewegung sind Kräfte erforderlich, da sie von außen betrachtet keine geradlinige Bewegung ist. Da die Umlaufgeschwindigkeit der Scheibe auf dem Weg nach innen immer kleiner wird, muss der Geher eine Kraft entgegen der an seinem Ort herrschenden Drehrichtung aufbringen, um seinen Körper entsprechend zu verlangsamen. Eine Kraft gleicher Richtung und Stärke muss er zusätzlich aufbringen, um die Richtung seiner Bewegung entsprechend weiterzudrehen. Da sich in der Summe diese beiden Kräfte und die Corioliskraft genau aufheben, ist die Corioliskraft der Trägheitswiderstand in Bezug auf die vom Läufer aufzubringende Querkraft. Da bei diesen Bedingungen die Zentrifugalkraft und die Corioliskraft senkrecht aufeinander stehen, können sie vom Geher unterschieden werden, selbst wenn die Scheibe keinen Blick nach außen zuließe. Das Auftreten von äußeren Kräften bei einer gleichförmigen Bewegung ist somit der Nachweis, dass man sich nicht in einem Inertialsystem befindet.

Bewegung eines Körpers vom Mittelpunkt einer rotierenden Scheibe ohne Reibung nach außen; oben: im ruhenden Bezugssystem bewegt sich der Körper gleichförmig geradlinig; unten: im mitrotierenden Bezugssystem (Scheibe) bewegt sich der Körper auf einer spiralförmig gekrümmten Bahn.

In einem bekannten Demonstrationsexperiment zum Corioliseffekt lässt man eine Kugel möglichst reibungsfrei über eine rotierende Scheibe rollen. Von außerhalb der Scheibe aus gesehen rollt die Kugel geradlinig, denn sie bewegt sich auf Grund ihrer Trägheit gleichförmig (in der Animation die gerade gelbe Spur auf der oben abgebildeten Scheibe).[Anm. 1] Aus Sicht einer scheibenfesten Kamera, erreicht die Kugel nicht wie erwartet den roten Punkt, sondern wird entgegen der Drehrichtung der Scheibe seitlich abgelenkt. Diese Ablenkung ist die Folge der Corioliskraft. Deren Komponente in Umfangsrichtung ist während des Vorgangs konstant, da sich der Radius ebenfalls mit konstanter Geschwindigkeit vergrößert. Die Abweichung vom anvisierten Ziel wächst, auf dem Bogen gemessen (Bogenlänge zwischen der Kugel und dem roten Punkt in der Animation) in Form einer gleichförmig beschleunigten Bewegung.

Bezeichnet man mit ω die vektorielle Winkelgeschwindigkeit des Bezugssystems, deren Betrag angibt wie schnell das Bezugssystem rotiert, und mit v die Geschwindigkeit, mit der sich der Körper im Bezugssystem bewegt, dann berechnet sich die Coriolisbeschleunigung aC ganz allgemein nach der Formel

aC=2ω×v.

Der vorliegende Artikel folgt dieser heute in der Physik gebräuchlichen Definition des Vorzeichens.[2] Die Verknüpfung der Größen ω und v wird durch das Kreuzprodukt mit dem Symbol × ausgedrückt. Die drei Vektoren ω, v und ω×v bilden dabei ein Rechtssystem. Zu seiner Veranschaulichung kann man die sogenannte „Drei-Finger-Regel“ benutzen.

In Analogie zum zweiten Newtonschen Gesetz wird in der Physik als Ursache dieser Beschleunigung eine dazu proportionale Kraft angenommen, die Corioliskraft, die das Produkt aus der Masse m des Körpers und der Coriolisbeschleunigung ist.[3] Da sich aber für diese Kraft keine physikalische Ursache findet und auch kein anderer Körper, auf den sie zurückwirkt, wird sie als fiktive Kraft oder Scheinkraft bezeichnet.

FC=maC=2mω×v

Die Richtung des resultierenden Vektors FC ist sowohl senkrecht zur momentanen Bewegungsrichtung als auch zur Drehachse des Bezugsystems. Die Corioliskraft liegt daher stets in einer Ebene senkrecht zur Drehachse, bei Bewegungen parallel zur Drehachse ist sie Null. Schaut man als mitrotierender Beobachter entgegen der Richtung der Winkelgeschwindigkeit, d. h. senkrecht auf die gegen den Uhrzeigersinn rotierende Ebene, wird der Körper immer nach rechts abgelenkt, gleich, ob er sich auf die Achse zu- oder wegbewegt oder um sie herum.

Anschauliche Herleitung

Die folgenden Überlegungen, die das Phänomen anhand endlicher Intervalle in Zeit und Raum näherungsweise verständlich machen, ergeben im Grenzfall infinitesimal kleiner Intervalle eine exakte Begründung der Corioliskraft.[4][5][6]

Einfaches Beispiel

Gleichförmig lineare Bewegung längs der festen x-Achse, vom rotierenden Koordinatensystem aus beobachtet

Die gleichförmig-geradlinige Bewegung eines kräftefreien Körpers wird von einem rotierenden (x,y)-Koordinatensystem aus beschrieben. Zur Zeit t=0 sei der Körper bei (x,y)=(0,0), und die x-Achse liege gerade in seiner Bewegungsrichtung. Zur Zeit t, wenn der Körper den Weg r=vt zurückgelegt hat, hat sich diese Achse um den Winkel ωt gedreht, so dass sie nun vom geradeaus fliegenden Körper einen Abstand y=rsinωt hat. Für kleine Zeiten gilt sinωtωt, also wächst der Abstand quadratisch: yvωt2. Vom rotierenden Bezugssystem aus gesehen bewegt der kräftefreie Körper sich demnach gleichförmig beschleunigt senkrecht zur ursprünglichen Bewegungsrichtung nach dem Gesetz y=12at2. Die Beschleunigung a=2vω ist die Coriolisbeschleunigung.

Wenn der Körper sich stattdessen entlang der rotierenden x-Achse bewegen soll, kann er demnach nicht kräftefrei sein, sondern muss durch eine äußere Kraft mit der Stärke F=2mvω in y-Richtung beschleunigt werden. Die Corioliskraft ist der Trägheitswiderstand gegen diese Beschleunigung.

Diese einfache Herleitung gilt genau genommen nur für die infinitesimale Umgebung des Mittelpunkts, wo die geometrische Beschreibung durch gerade und auf einander senkrecht stehende kurze Strecken im Grenzfall exakt ist. Sie deckt aber auch schon den allgemeinen Fall ab, dass der Körper seine Bewegung gegenüber dem rotierenden Bezugssystem nicht an dessen Ursprung beginnt, sondern an einem beliebigen Anfangspunkt. Man kann die momentane Bewegung des Bezugssystems nämlich genau so gut dadurch beschreiben, dass man diesen Anfangspunkt zum Mittelpunkt der Rotation wählt und zusätzlich eine Translation des Bezugssystems erlaubt. Die Winkelgeschwindigkeit bleibt nach Betrag und Richtung dabei ungeändert, die Relativgeschwindigkeit auch, und damit auch die Corioliskraft.

Für eine explizite Beschreibung der Verhältnisse an beliebigen Startpunkten auf der Drehscheibe siehe die folgenden Abschnitte. Für die weitere Bewegung des Körpers außerhalb der infinitesimalen Nähe des Startpunkts siehe die Herleitung der Spiralbahn im Abschnitt Scheibenexperiment.

Coriolisbeschleunigung bei radialer Bewegung von der Drehachse weg

Ablenkung durch die Corioliskraft bei radialer Bewegung

Auf einer Scheibe steht eine Person im Abstand r vom Zentrum (roter Punkt A), und weiter außen im Abstand r+Δr steht ein Pfahl (roter Punkt 1). Die Person wirft einen Körper mit der Geschwindigkeit v zum Pfahl. Wenn die Scheibe ruhen würde, würde der Körper längs der roten Linie fliegen und den Pfahl nach der Zeit Δt=Δr/v treffen. Wenn die Person von der Drehung (oder von deren Wirkung auf freie Bewegungen) nichts weiß, wird sie immer diese geradlinige Bewegung in der Richtung erwarten, in der sie den Körper losgeworfen hat.

Während der geworfene Körper in der Luft ist, dreht sich die Scheibe um den Winkel Δφ=ωΔt, wobei ω die Winkelgeschwindigkeit ist. Die mitbewegte Person legt dabei auf dem Kreisbogen die Strecke rΔφ zurück (blauer Pfeil) und befindet sich dann am roten Punkt B. Der Pfahl legt auf seinem Kreisbogen eine größere Strecke (r+Δr)Δφ zurück, weil er weiter außen steht. Er befindet sich dann am roten Punkt 2. Die Differenz der beiden Strecken von Pfahl und Person ist

Δs=ΔrΔφ.

Der Werfer erwartet den geworfenen Körper an dem Ort, an dem der Pfahl sich jetzt befindet, also am Punkt 2 am Ende der gepunkteten geraden roten Linie. Für ihn ist aber der Körper längs der gebogenen gepunkteten roten Linie im Abstand Δs am Pfahl vorbei geflogen.

Das lässt sich von einem „ruhenden“ Beobachter aus, der neben der Drehscheibe steht und keine vom beschleunigten Bezugssystem bedingten Trägheitskräfte zu berücksichtigen hat, so erklären: Der Körper hat sich zunächst mit der werfenden Person auf der rotierenden Scheibe mitbewegt. Er hat also im Moment des Abwurfs eine tangentiale Umlaufgeschwindigkeit vt=ωr und erhält senkrecht dazu die radiale Wurfgeschwindigkeit v zusätzlich. Nach dem Abwurf bewegt er sich mit der aus v und vt resultierenden Geschwindigkeit in gerader Linie (rot-blauer Pfeil). In radialer Richtung legt er die Strecke vΔt zurück, in tangentialer Richtung die Strecke vtΔt und erreicht daher die mit dem grünen Kreuz markierte Stelle. Die Strecke in tangentialer Richtung ist genauso lang wie die Strecke, die die Person währenddessen auf ihrem Kreisbogen zurücklegt, denn vtΔt=rωΔt=rΔφ. Wenn der Körper am grünen Kreuz ankommt, fehlt ihm bis zum Pfahl noch das Wegstück Δs.

Nun wächst Δs mit der Zeit quadratisch an, denn es gilt:

Δs=ΔφΔr=ωΔtvΔt=ωv(Δt)2.

Für die mitrotierende Person sieht das aus wie eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung nach dem Weg-Zeit-Gesetz

Δs=12a(Δt)2,

wobei a die Beschleunigung ist.

Somit kann die mitrotierende Person die Abweichung des Körpers von der beabsichtigten Richtung durch die Beschleunigung

aC=2wv

erklären. Dies ist die Coriolisbeschleunigung, die in diesem Fall nur tangential gerichtet ist.

Diese Herleitung ist insofern nicht ganz beweiskräftig, als die Stücke auf den Kreisbögen wie Geraden behandelt wurden. Das ist im Grenzfall infinitesimal kleiner Strecken aber exakt. Daher ist die so erhaltene Formel gültig.

Coriolisbeschleunigung bei Kreisbewegung um die Drehachse herum

Ganz allgemein ist zur Beibehaltung einer Kreisbewegung im Abstand r mit der beliebigen Geschwindigkeit v~ eine Beschleunigung a~r=v~2/r in Richtung Mittelpunkt erforderlich. Wenn ein rotierender Körper im Inertialsystem die Geschwindigkeit v~=v hat, ergibt sich ar=v2/r als die Zentripetalbeschleunigung, die bei allen Kreisbewegungen auftritt und durch die Zentripetalkraft bewirkt wird.

Bewegt sich ein Körper mit der Geschwindigkeit v (Relativgeschwindigkeit) in einem Bezugssystem, das eine Rotationsbewegung mit der Winkelgeschwindigkeit ω ausführt, dann ist die Geschwindigkeit des Körpers vom Inertialsystem aus gesehen die Summe aus der Umlaufgeschwindigkeit vUmlauf=ωr und der Relativgeschwindigkeit v:

v=vUmlauf+v.

Für die Zentripetalbeschleunigung des Körpers folgt daraus:

ar=(vUmlauf+v)2r=vUmlauf2r+v2r+2vUmlaufvr=aZp+ar+2ωv.

Dies ist die Zentripetalbeschleunigung, die im ruhenden Bezugssystem zur betrachteten Bewegung gehört. Sie setzt sich aus drei Termen zusammen. Der erste ist die Zentripetalbeschleunigung die ein Körper erfährt, der mit dem Bezugssystem verbunden ist. Es folgen die Relativbeschleunigung und ein Term, der der Coriolisbeschleunigung entgegengesetzt ist. Das Beispiel zeigt, dass diese Aufteilung vom gewählten Bezugssystem abhängt, also willkürlich ist.[7]

Aufgelöst nach der Radialbeschleunigung im rotierenden Bezugssystem:

ar=araZp2ωv=ar+aZf+aC.

Der zweite Term ist die Zentrifugalbeschleunigung. Sie ist entgegengesetzt gleich groß wie die Zentripetalbeschleunigung eines Körpers, der mit dem Bezugssystem verbunden ist. Der dritte Term ist die Coriolisbeschleunigung.

Keine Coriolisbeschleunigung bei Bewegung parallel zur Drehachse

Eine Bewegung eines Körpers parallel zur Rotationsachse ruft keine Corioliskraft hervor, denn zu ihrer Erklärung sind keine zusätzlichen Kräfte nötig. Z. B. sei der Fall betrachtet, dass auf einer waagerechten Drehscheibe in gewissem Abstand vom Mittelpunkt eine senkrechte Kletterstange steht, an der eine Person herabgleitet. Für sie bleibt die Zentrifugalkraft konstant, weil der Abstand von der Drehachse konstant bleibt. Die zur Wahrung des konstanten Abstands nötige Haltekraft, die von der Stange aufgebracht wird, bleibt dann auch konstant. Für einen ruhenden Beobachter ist die Abwärtsbewegung parallel zur Achse überlagert mit einer Kreisbewegung um die Achse, zusammen ist das eine Schraubenbewegung. Die für die Kreisbewegung um die Achse erforderliche Zentripetalkraft wird von der Stange ausgeübt und ist unabhängig von der Höhe und vertikalen Bewegung des Körpers.

Anders scheint es zunächst auszusehen, wenn man auf der Drehscheibe senkrecht in die Höhe hüpft oder einen Gegenstand parallel zur Drehachse hochwirft. Beim Herabfallen wird nämlich nicht der Ausgangspunkt wieder erreicht – weder in Bezug zu der Scheibe noch in Bezug zum festen Erdboden. Aber auch bei dieser Ablenkung tritt keine Corioliskraft in Erscheinung, sondern nur das zeitweise Fehlen der Haltekraft bzw. Zentripetalkraft, die im vorigen Beispiel die ganze Zeit von der Stange ausgeübt wurde. Der Körper wird dann für den rotierenden Beobachter durch die Zentrifugalkraft nach außen beschleunigt, für den ruhenden Beobachter bewegt er sich einfach geradlinig weiter mit seiner anfänglichen Momentangeschwindigkeit. Beide Beschreibungen führen zum selben Ergebnis.

Unzureichende Herleitung

Des öfteren (sogar in manchen Lehrbüchern) wird die Corioliskraft allein mit dem Umstand veranschaulicht oder sogar begründet, dass ein Körper auf der Drehscheibe bei zunehmender Entfernung von der Drehachse eine höhere Umfangsgeschwindigkeit erhalten müsse, um sich mit der Scheibe mitzudrehen. Das ist aber keine richtige Begründung, denn sie erklärt nur die halbe Größe der Corioliskraft, wie schon die einfache Berechnung mit den Beträgen der Vektoren zeigt: Wenn der Körper bei einer konstanten radialen Geschwindigkeit vr in der Zeit Δt seinen Abstand um Δr=vrΔt vergrößert, nimmt seine tangentiale Geschwindigkeit um Δvt=ωΔr zu. Daraus ergibt sich die erforderliche Beschleunigung zu ΔvtΔt=ωΔrΔt=ωvr. Das ist nur halb so groß wie die wirkliche Coriolisbeschleunigung.

Der Fehler dieser ungenügenden Herleitung liegt in der inkonsistenten Behandlung der Geschwindigkeit desselben Objekts in zwei Bezugssystemen. Wenn ein Punkt im Raum am Ort r sich im ruhenden Bezugssystem mit der Geschwindigkeit v bewegt, z. B. längs der x-Achse, dann ist er im rotierenden Bezugssystem auch am Ort r (der Vektor hat nur andere Komponenten, damit er denselben Ort bezeichnet). Doch ist seine im rotierenden Bezugssystem zu beobachtende Geschwindigkeit v nicht gleich v, sondern v=vω×r, damit er auf der x-Achse bleibt, die sich selber (entgegen der Rotationsrichtung) im rotierenden Bezugssystem bewegt.[Anm. 2]

Für die Rechnung ist die Vorschrift maßgeblich, wie die zeitliche Ableitung einer Variablen relativ zu den Achsen eines rotierenden Bezugssystems zu bilden ist. Wie in der Herleitung dieser Vorschrift ersichtlich, ist für das Ableiten die Produktregel der Differentialrechnung anzuwenden, aus der sich ein zusätzlicher Summand für die zeitliche Ableitung der bewegten Basisvektoren des rotierenden Koordinatensystems ergibt. Da die Beschleunigung sich durch zweimaliges Differenzieren des Orts ergibt, ist die Produktregel zweimal anzuwenden. Der Fehler in der obigen Begründung der Corioliskraft besteht darin, dass nur die erste Ableitung richtig durchgeführt wird, bei der zweiten aber die Bewegung des Koordinatensystems unbeachtet bleibt. In Formeln lautet die Vorschrift fürs Ableiten (wobei für einen beliebigen Vektor steht):

ddt=ddt+ω×.

Links steht, wie schnell sich der Vektor im ruhenden System ändert, rechts im ersten Term, wie diese Änderung im rotierenden System wahrgenommen wird.

Setzt man für die Leerstelle den Ort r(t) [=r(t)] ein, ergibt die Formel richtig (denn drdt=v)

v=v+ω×r.

Leitet man diese Gleichung so, wie sie da steht, noch einmal nach der Zeit ab (für konstantes v und ω), ohne zu berücksichtigen, dass die besondere Vorschrift bei rotierenden Systemen erneut anzuwenden ist, erhält man für die Beschleunigung (falsch)

dvdt=ω×drdt=ω×v.

Das ist nur die halbe Coriolisbeschleunigung.

Nur wenn man die Ableitung von v richtig so bildet, indem man v erneut in die Operatorgleichung einsetzt, erhält man den Zusatzterm mit dem Kreuzprodukt ein zweites Mal:

dvdt=ddt(v+ω×r)=dvdta+ω×v+ω×(drdt)v+ω×r

(Der zweite Summand ergibt nach dem Ausmultiplizieren zusätzlich auch die Zentrifugalbeschleunigung ω×(ω×r).)

Herleitung aus den kinematischen Grundgleichungen

Herleitung durch Transformation aus einem Inertialsystem

Für die Herleitung der Corioliskraft im Rahmen der Newtonschen Mechanik betrachte man ein Bezugssystem K, das sich in einem Inertialsystem K befindet und mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ω rotiert. Der Koordinatenursprung des Systems K sei fest im Inertialsystem verankert, außer der Rotation trete also keine Relativbewegung auf.

Gemäß dem Zweiten Newtonschen Gesetz ist das Produkt aus Masse m und Beschleunigung a im Inertialsystem gleich der äußeren Kraft F :

ma=F

Möchte man eine analoge Gleichung in einem rotierenden Bezugssystem aufstellen, müssen die Bewegungsgrößen im Inertialsystem durch Größen, wie sie im rotierenden Bezugssystem K zu beobachten sind, ausgedrückt werden. Diese sind der Ortsvektor r, die Relativgeschwindigkeit v und die Relativbeschleunigung a. Die Geschwindigkeit v im Inertialsystem setzt sich aus der Relativgeschwindigkeit und der Umlaufgeschwindigkeit ω×r aus der Rotationsbewegung zusammen. Dies ergibt sich aus der zeitlichen Ableitung des Ortsvektors r=r, daher gilt:

v=drdt=v+ω×r.

Da allgemein für die vollständige Ableitung eines Vektors x in K' gilt (Herleitung im Artikel Beschleunigtes Bezugssystem):

ddtx=ddtx+ω×x,

ergibt sich die Beschleunigung a im Inertialsystem in gleicher Weise als zeitliche Ableitung der Geschwindigkeit v.

a=a+ω×v+ω×(v+ω×r)

Die Terme über den geschweiften Klammern sind die Ableitungen der beiden Summanden Relativgeschwindigkeit und Umlaufgeschwindigkeit. Ausmultiplizieren, Zusammenfassen und Auflösen nach der Relativbeschleunigung im rotierenden System a ergibt:

a=aω×(ω×r)2ω×v.

Multipliziert man die Gleichung mit der Masse und setzt gemäß dem zweiten Newtonschen Gesetz ma gleich der äußeren Kraft F, erhält man die Bewegungsgleichung im rotierenden Bezugssystem:[8]

ma=Fmω×(ω×r)2mω×v.

In dieser Gleichung finden sich die äußere Kraft, die Zentrifugalkraft und als letzter Term die Corioliskraft FC wieder:

FC=2mω×v

Fasst man die äußere Kraft und die Trägheitskräfte zu der im rotierenden Bezugssystem wirksamen Kraft F zusammen, sind in der Bewegungsgleichung formal äußere Kraft und Trägheitskräfte nicht mehr unterscheidbar:

ma=F

Die Herleitung im mit konstanter Winkelgeschwindigkeit rotierenden Bezugssystem dient der Vereinfachung. Das Ergebnis ist aber ohne Einschränkung sowohl für die Zentrifugalkraft als auch für die Corioliskraft auf das beschleunigte Bezugssystem übertragbar.

Herleitung mit dem Lagrange-Formalismus

Im Lagrange-Formalismus ist die Lagrangefunktion L die Differenz aus kinetischer Energie und potentieller Energie. Unter Vernachlässigung eines Potentials ist

L=12mv2=12m(v+ω×r)2.

Nach den Euler-Lagrange-Gleichungen ist

ddtLvLr=0.

Da die Euler-Lagrange-Gleichungen invariant unter einer Koordinatentransformation sind, ist irrelevant, ob nach den Größen im bewegten Bezugssystem K oder nach den Größen im Inertialsystem K abgeleitet wird. Es folgt also im bewegten Bezugssystem für die beiden Terme

ddtLv=ddtm(v+ω×r)=ma+mω˙×r+mω×v

und

Lr=mv×ω+m(ω×r)×ω.

In die Euler-Lagrange-Gleichung eingesetzt und umgestellt nach ma ist

ma=mω˙×rmω×(ω×r)2mω×v

die Auflistung aller Kräfte im rotierenden Bezugssystem, die zusätzlich zu den durch das Potential bereits im Inertialsystem bewirkten Kräften auftreten.[9]

Wie in der kinematischen Herleitung ist der erste Term die Eulerkraft, der zweite die Zentrifugalkraft und der letzte Term die Corioliskraft, FC=2mω×v. Die Gleichung zeigt, dass die Eulerkraft und die Zentrifugalkraft im rotierenden System nur vom Ort des Körpers abhängen, der durch den Ortsvektor r angegeben wird, gleich ob der Körper ruht oder sich bewegt. Die Corioliskraft hingegen wirkt nur auf sich bewegende Körper (Geschwindigkeitsvektor v) und ist vom Ort unabhängig, die Ablenkung erfolgt auf jedem Ort des rotierenden Systems in gleicher Weise.

Da die Corioliskraft die Bedingung für actio und reactio nicht erfüllt und nur im rotierenden Bezugssystem angenommen werden muss, wird sie als eine Trägheitskraft bezeichnet. Formal gilt die Newtonsche Bewegungsgleichung ma=F also auch im rotierenden Bezugssystem, wenn Scheinkräfte berücksichtigt werden. Im Gegensatz zur Zentrifugalkraft besteht die Wirkung der Corioliskraft dahingehend, dass der bewegte Körper tendenziell zum Ausgangspunkt der Bewegung zurückgebracht wird.[10]

Da die Corioliskraft immer senkrecht zur Bewegungsrichtung des Körpers steht, verrichtet sie an dem Körper keine Arbeit.[11]

Spezialfälle

Die folgenden Spezialfälle gehen von einer konstanten Winkelgeschwindigkeit (ω˙=0) aus. In der zuvor hergeleiteten Bewegungsgleichung müssen noch die äußere Kraft, die Zentrifugalkraft und die Corioliskraft berücksichtigt werden.

ma=Fmω×(ω×r)2mω×v

Trägheitskreis bei alleiniger Wirkung der Corioliskraft

Gleichgewicht von Schwerebeschleunigung g und Zentrifugalbeschleunigung az auf einer rotierenden, parabolisch geformten Scheibe

Wenn die Zentrifugalkraft mω×(ω×r) dauernd durch eine äußere Kraft kompensiert wird, vereinfacht sich die Bewegungsgleichung zu:

a=2ω×v

Betrachtet man nur die Komponente vr der Relativgeschwindigkeit senkrecht zur Drehachse, ergibt sich im rotierenden Bezugssystem eine gleichförmige Kreisbewegung, entgegengesetzt zur Drehung des Bezugssystems mit der Winkelgeschwindigkeit 2ω. Die Coriolisbeschleunigung ar ist die zugehörige Radialbeschleunigung. Der Radius r des Kreises, der als Trägheitskreis bezeichnet wird, folgt aus der Gleichsetzung:

ar=vr2r=2ωvr

zu

r=vr2ω.

Diese Bedingungen sind auf der Erde näherungsweise gegeben, da die Resultierende aus Zentrifugalkraft und Gravitationskraft senkrecht zur Erdoberfläche gerichtet ist. Trägheitskreise können daher bei Luft- und Meeresströmungen auftreten. Für Luftströmungen bei denen die Kraft aus dem Druckgradienten und die Reibungskraft im Gleichgewicht stehen, ist r der lokale Krümmungsradius eines Windpartikels.

Im kleinen Maßstab kann die Zentrifugalkraft auch in einem rotierenden Paraboloid kompensiert werden, wie das folgende Beispiel zeigt.

Demonstrationsexperiment
Objekt, das sich reibungsfrei über die Oberfläche eines Paraboloids bewegt. Blick von oben auf das Paraboloid.
links: Elliptische Bewegung von außen betrachtet. rechts: Kreisförmige Bewegung gegen den Drehsinn der Schale im rotierenden System.

Für eine Demonstration des Trägheitskreises stellt man eine gekrümmte Fläche in Form eines Rotationsparaboloids her, indem man in einer rotierenden Schale eine Flüssigkeit erstarren lässt.[12] Die Oberfläche ist dann die gesuchte Äquipotentialfläche für die Summe aus Gravitation und Zentrifugalpotential, wenn man die Schale mit der beim Erstarren gewählten Rotationsgeschwindigkeit rotieren lässt. Im ruhenden Bezugssystem beschreibt ein Körper auf dieser Fläche aufgrund der Schwerkraft eine Ellipse oder, wenn er anfangs in Ruhe war, eine harmonische Schwingung durch den Mittelpunkt.

Rotiert die Schale gerade mit der beim Erstarren herrschenden Winkelgeschwindigkeit, dann bleibt ein mitrotierender Körper an seinem Ort auf der Fläche, da im Bezugssystem der Schale die oberflächenparallele Komponente az(par) der Zentrifugalbeschleunigung az die zum Zentrum wirkende Komponente der Schwerebeschleunigung gpar ausgleicht. Bewegt sich nun der Körper auf der rotierenden Schale, wird er einen Trägheitskreis („Inertial-Kreis“) beschreiben, der ausschließlich durch die Corioliskraft verursacht wird. Sein Umlaufsinn ist der Drehbewegung der Schale entgegengesetzt, und die Winkelgeschwindigkeit der Kreisbewegung ist doppelt so groß wie die des rotierenden Bezugssystems. Vom ruhenden Bezugssystem aus gesehen erscheint dieser Trägheitskreis wie die oben erwähnte elliptische Schwingung um den Mittelpunkt der Fläche.

Körper frei von äußeren Kräften auf der Drehscheibe

Das Experiment entspricht dem oben dargestellten Einfachen Beispiel. Vom Mittelpunkt startet ein Körper mit der Geschwindigkeit v auf der Scheibe. Von der Scheibe soll er keine horizontalen Kräfte erfahren, etwa wie bei einem geworfenen Ball. Der Körper bewegt sich daher von außen betrachtet mit der konstanten (Horizontal-)Geschwindigkeit v. Die Relativgeschwindigkeit bezüglich der Scheibe ist dann die Differenz zwischen der Geschwindigkeit v und der Umlaufgeschwindigkeit der Scheibe am betreffenden Punkt r=r:

v=vω×r.

Die beiden Terme auf der rechten Seite sind orthogonal, denn wegen des Starts am Mittelpunkt sind v und r parallel. Daher ist der erste die radiale Komponente der Relativgeschwindigkeit (vr), der zweite die tangentiale Komponente (vt):

vr=v,vt=ω×r.

Die nach innen gerichtete Corioliskraft FC,r auf Grund der tangentialen Geschwindigkeit vt ist doppelt so groß wie die nach außen gerichtete Zentrifugalkraft.

FC,r=2mω×vt=2mω×(ω×r)

Beide radial gerichteten Scheinkräfte addieren sich zur Kraft Fr zum Mittelpunkt:

Fr=mω×(ω×r)

Die Bewegungsgleichung im rotierenden Bezugssystem vereinfacht sich damit zu:

ma=Fr2mω×vr.

Der erste Term führt zu einer gleichförmigen Kreisbewegung im rotierenden Bezugssystem, da Fr genauso groß ist wie diejenige Kraft, die benötigt würde, wenn der Körper mit der Scheibe fest verbunden wäre. Der zweite Term ist die Corioliskraft auf Grund der radialen Geschwindigkeit deren Betrag konstant ist und mit dem Betrag der Geschwindigkeit im Inertialsystem übereinstimmt. Sie beinhaltet einerseits die Beschleunigung, die zur Steigerung der Umfangsgeschwindigkeit erforderlich ist, andererseits die Beschleunigung, die für die konstante Richtung der Geschwindigkeit im Inertialsystem sorgt. Die Überlagerung der Kreisbewegung mit einer konstanten Radiusvergrößerung ergibt eine Archimedische Spirale.

Da der Vektor der Winkelgeschwindigkeit senkrecht zur Scheibe steht, kann mit den Beträgen der Vektoren gerechnet werden. Die seitliche Abweichung d an der Stelle mit dem Radius r berechnet sich mit der Coriolisbeschleunigung 2ωvr=2ωv zu:

d=ωvt2=ωtvt=αr.

Da sich der Körper auf der Scheibe nach der Zeit t im Abstand r vom Mittelpunkt befindet und sich die Scheibe um den Winkel α gedreht hat, ist die seitliche Abweichung somit gleich der dazu gehörenden Bogenlänge. Soll ein mit der Scheibe verbundener Punkt erreicht werden, muss also mit dem gleichen Winkel vorgehalten werden.

Unabhängig von der Zeit ist die geometrische Bahn gegeben in Polarkoordinaten:

α=ωvr .

Teufelsrad

Bei einer gleichförmigen Bewegung auf einer Drehscheibe ist die Relativbeschleunigung Null.

Fmω×(ω×r)2mω×v=0.

Diese Gleichung beschreibt das „dynamische Gleichgewicht“ zwischen der äußeren Kraft und den beiden Trägheitskräften Zentrifugalkraft und Corioliskraft. Beim Versuch, sich radial auf das Zentrum der Scheibe zuzubewegen, stehen Zentrifugalkraft und Corioliskraft senkrecht aufeinander und könnten daher unterschieden werden. (Lässt man sich aus der radialen Richtung ablenken, bekommt auch die Corioliskraft eine radiale Komponente, die sich zur Zentrifugalkraft addiert.) Neben dem Spaßfaktor werden so auch Erfahrungen mit der Trägheit vermittelt.

Dieses Gleichgewicht zwischen der äußeren Kraft senkrecht zur Bewegungsrichtung und der Corioliskraft tritt auch bei Luftströmungen beim geostrophischen Wind auf. Die äußere Kraft ist dort die Kraft aus dem Druckgradient. In der Technik tritt dieser Effekt z. B. beim Kran auf, wenn sich dieser dreht und gleichzeitig die Laufkatze in Bewegung ist. Quer zur Laufkatzenbewegung wirkt eine äußere Kraft. Deren Trägheitswiderstand ist die Corioliskraft.

Koordinatensysteme

Die Coriolisbeschleunigung aC erfährt ein Körper, der sich in einem rotierenden Bezugssystem bewegt. Dafür gilt allgemein die Formel: aC=2ω×v. In einigen typischen Koordinatendarstellungen bei rotierenden Systemen stellen sich die Formeln so dar:

Zylinderkoordinaten Kugelkoordinaten geografische Koordinaten
(aC,raC,taC,z)=2ω(vtvr0) (aC,raC,θaC,φ)=2ω(vφsinθvφcosθvrsinθ+vθcosθ) (aC,haC,φaC,λ)=2ω(vλcosφvλsinφvhcosφvφsinφ)

Dabei ist

  • ω die Winkelgeschwindigkeit des Bezugssystems und
  • v der Geschwindigkeitsvektor der Bewegung des Körpers, relativ zum rotierenden Bezugssystem, und dabei bezeichnen
    • bei den Zylinderkoordinaten der Index z die Komponente parallel zur Winkelgeschwindigkeit ω und die Indizes r und t die radiale und tangentiale Komponente,
    • bei den Kugelkoordinaten der Index r den Abstand zum Ursprung und die Indizes φ und θ den Azimut- und Polarwinkel,
    • bei den geografischen Koordinaten der Index h den Abstand zur Kugeloberfläche und die Indizes φ und λ die geografische Breite und Länge.

Corioliskraft in den Geowissenschaften

Bewegung auf der Erdoberfläche und Coriolisparameter

Aufteilung der Winkelgeschwindigkeit der Erde in Horizontal- und Vertikalkomponente auf der geographischen Breite φ
Der Coriolisparameter auf der Erde in Abhängigkeit vom Breitengrad

Jedes Objekt, das sich auf der Erde bewegt, wird durch die Coriolisbeschleunigung abgelenkt, da die Erde ein rotierendes System darstellt. Ausgenommen sind lediglich Bewegungen parallel zur Erdachse, z. B. an den Polen die Bewegungen nach oben oder nach unten, am Äquator die Bewegungen genau nach Norden oder nach Süden. Die Beeinflussung der Bewegungsrichtung durch die Coriolisbeschleunigung kann man sich am leichtesten an einer kugelförmigen Erdfigur klarmachen; für das Studium von Bewegungsabläufen unter dem Einfluss der beteiligten Kräfte ist ein genaueres Modell der Erdform heranzuziehen (vgl. Didaktische Aspekte).

Für die Betrachtung von Bewegungen in beliebiger geographischer Breite φ ist es sinnvoll, den Vektor der Winkelgeschwindigkeit der Erde ω in eine horizontale Komponente in Süd-Nord-Richtung ωN und eine vertikale Komponente  ωvert zu zerlegen. Es gilt dann:

ωN=ωcosφeN
ωvert=ωsinφevert

Das begleitende Dreibein erlaubt es, den ebenen Drehscheibenversuch auf jeden Punkt der dreidimensionalen Erde zu übertragen.

Zur Berechnung der Corioliskraft bei Bewegungen parallel zur Erdoberfläche ist es vorteilhaft, die für einen Ort in einer bestimmten geographischen Breite φ konstanten Werte zu einem Coriolisparameter zusammenzufassen:

fC=2ωsinφ

Die Erdrotation (eine Umdrehung in 23 Stunden 56 Minuten 4 Sekunden = 1 Sterntag = 86164 s) erfolgt mit einer konstanten Winkelgeschwindigkeit[Anm. 3] von

ω=2π86164s=7,2921105rads1.

In mittleren nördlichen Breiten liegt der Coriolisparameter damit in der typischen Größenordnung von fC104rads1.

Körper, die sich mit der Geschwindigkeit v parallel zur Oberfläche der Erde bewegen, werden durch die Coriolisbeschleunigung a seitlich und die Coriolisbeschleunigung a senkrecht zur Erdoberfläche abgelenkt:

a=2(ωvert×v)
a=2(ωN×v)

Die Komponente in Richtung der Schwerebeschleunigung ist am Äquator am größten, aber um Größenordnungen kleiner. Die Schwerkraft wird bei Bewegung nach Westen mit technisch typischen Geschwindigkeiten (z. B. 100 km/h) nur einige Promille erhöht sie, bei Bewegung nach Osten erniedrigt. Die Komponente senkrecht zur Erdoberfläche ist deshalb praktisch nur bei besonderen Bedingungen bemerkbar (siehe Eötvös-Effekt). In den Geowissenschaften wird sie fast durchgängig vernachlässigt, und der Begriff Corioliskraft bezeichnet ausschließlich die Komponente parallel zur Erdoberfläche.

Bewegungen parallel zur Erdoberfläche

Datei:Kräftegleichgewicht auf der Erdoberfläche 3.svg
Resultierende zwischen Gravitations- und Zentrifugalbeschleunigung auf der Oberfläche des sphäroidisch geformten Erdkörpers (schematisch dargestellt)

Der Erdkörper hat im Laufe der Erdgeschichte durch Massenverlagerung angenähert die Form eines Rotationsellipsoids (= Sphäroids) angenommen.[13] Die Schwerebeschleunigung steht senkrecht zur Oberfläche und resultiert aus dem Zusammenwirken von Gravitationsbeschleunigung g und Zentrifugalbeschleunigung az, deren jeweilige horizontale Komponenten ghor und az-hor einander ausbalancieren.[14] Diese Kompensation der Zentrifugalbeschleunigung hat zur Folge, dass Bewegungsablenkungen durch die Erdrotation nur noch durch die Coriolisbeschleunigung bestimmt werden.

Corioliskraft bei Bewegungen relativ zur Erdoberfläche:
Eine Geschwindigkeit nach Osten führt auf der Nordhalbkugel zu einer Beschleunigung nach Süden, eine Geschwindigkeit vNorm senkrecht nach oben zu einer Ablenkung nach Westen

Die Coriolisbeschleunigung parallel zur Erdoberfläche spielt bei großräumigen atmosphärischen und ozeanischen Zirkulationen eine wichtige Rolle. Mit dem Coriolisparameter fC=2ωsinφ hat die Coriolisbeschleunigung a=2(ωvert×v) den Betrag:

a=fCv

Diese Beschleunigung führt auf der Nordhalbkugel zu einer Richtungsänderung der Bewegung nach rechts, auf der Südhalbkugel nach links. Sie verschwindet am Äquator und ist maximal an den Polen.

Teilt man die Geschwindigkeit v in Komponenten in Richtung Ost bzw. Nord auf, so ergeben die entsprechenden Komponenten der Coriolisbeschleunigung durch Ausführung des Kreuzprodukts in den Koordinatenrichtungen x=O, y=N zu:

a=(aOaN)=fC(vNvO)

Die Beschleunigungen, die sich bei einem Coriolisparameter von fC=104rads1 ergeben, sind sehr gering. Selbst bei einem Geschütz, dessen Projektil eine horizontale Geschwindigkeit von 1000 m/s besitzt, ergibt sich: a=0,1ms2. Bei einer Entfernung von 40 km errechnet sich mit den angenommenen Werten eine Abweichung von lediglich 80 m. Wesentlich größere Effekte treten bei meteorologischen Phänomenen auf, bei denen eine äußerst geringe Beschleunigung sehr lang andauert.

Bei Bewegungen in Drehrichtung der Erde, d. h. nach Osten, bewirkt der Einfluss der vertikalen Komponente a der Coriolisbeschleunigung theoretisch außerhalb der engeren Polargebiete eine leichte Anhebung, bei Bewegungen in die andere Himmelsrichtung eine leichte Absenkung; dieser Effekt wird als Eötvös-Effekt bezeichnet.[10]

a=2ωcosφvO

Nord-Süd-gerichtete Bewegungen werden nicht vertikal beeinflusst. Dieser Effekt ist aber meist vernachlässigbar, da sich die gleichgerichtete Schwerebeschleunigung wesentlich stärker bemerkbar macht. Die Vertikalkomponente der Corioliskraft spielt in der Praxis nur als Korrekturglied bei Präzisionsmessungen des Erdschwerefeldes eine Rolle. Sie verschwindet an den Polen und ist maximal am Äquator. Sie macht z. B. ein Flugzeug, das dort mit einer Geschwindigkeit von ca. 1000 km/h nach Osten fliegt, um annähernd ein Tausendstel seines Gewichts leichter – fliegt es nach Westen, wird es entsprechend schwerer.

Corioliskraft und Foucaultsches Pendel

Die Corioliskraft bewirkt auf der Nordhalbkugel die Drehung der Schwingungsebene des Foucaultschen Pendels im Uhrzeigersinn, da das Pendel ständig nach rechts abgelenkt wird. Die geringfügigen Abweichungen der einzelnen Schwingungen addieren sich auf zu einer täglichen Gesamtabweichung von α=360sinφ für ein Foucault-Pendel in der geographischen Breite φ , so dass bereits die Abweichung der Einzelschwingung einen experimentellen Beweis für die Rotation der Erde darstellt.[15] Am Pol dreht sich die Schwingungsebene einmal pro Tag um 360 Grad, während sie am Äquator erhalten bleibt. Auf der Südhalbkugel ändert sich das Vorzeichen des Sinus und das Pendel dreht sich gegen den Uhrzeigersinn. Allgemein gilt für die Zeit einer vollständigen Drehung der Schwingungsebene:

T=2πω|sinφ|.

Corioliskraft und Strömungen

Einfluss der Corioliskraft auf die Wasserströmungen
Beta-Effekt: Die Änderung der Corioliskraft mit der geographischen Breite bedingt eine leicht spiralförmige Erweiterung des Inertialkreises

Die Corioliskraft hat wesentlichen Einfluss auf die Richtungen der großräumigen Bewegungen in den Ozeanen, sowohl direkt als auch durch den Einfluss des ebenfalls corioliskraftgesteuerten Windes. Da die Corioliskraft von der Himmelsrichtung einer horizontalen Bewegung unabhängig ist, beschreibt eine Luft- oder Wassermasse, die sich im Bezugssystem der Erde mit der Geschwindigkeit v bewegt, ohne Einfluss anderer Kräfte „Trägheitskreise“ mit Radien von:

R=vfC=v2ωsinφ

In mittleren Breiten mit Werten des Coriolisparameters von fC=104rads1 und einer typischen Meeres-Strömungsgeschwindigkeit von 101ms ergibt sich ein Radius von R=1km. Die Bewegung erfolgt auf der Nordhalbkugel im Uhrzeigersinn, auf der Südhalbkugel entgegen dem Uhrzeigersinn. Die Periode der Umlaufbewegung ist:

T=2πfC=2π2ωsinφ=43082ssinφ

Bei 60 Grad geographischer Breite beträgt die Periode T rund 14 Stunden. An den Polen liegt das Minimum mit 11 Stunden 58 Minuten 2 Sekunden (die halbe siderische Tageslänge), während die Periode zum Äquator hin gegen unendlich geht, sodass in den inneren Tropen keine Trägheitskreise vorkommen. Die Corioliskraft bestimmt auch den Umlaufsinn der Gezeitenwelle im tiefen Ozean, was entlang einer Küste zu unterschiedlichen Hoch- und Niedrigwasserzeiten führt.[16]

Großräumige ozeanische Strömungen entstehen unter Beteiligung der Corioliskraft mit unterschiedlichem Drehsinn auf beiden Hemisphären

Wegen der Breitenabhängigkeit des Coriolisparameters sind die „Trägheitskreise“ keine Kreise im mathematischen Sinn, sondern nur in erster Näherung, da sie polseitig einen kleineren Radius haben als äquatorseitig. Daraus ergibt sich eine leichte Spiralform, als deren Resultat die bewegte Masse nicht genau zum Ausgangspunkt zurückgeführt, sondern etwas nach Westen versetzt wird; diese Modifikation der Trägheitskreise wird „Beta-Effekt“ genannt. Die Bewegung auf Trägheitskreisen konnte durch die Beobachtung der Strömungsversetzung von schwimmenden Bojen in der Ostsee verifiziert werden.[10] Wenn die Trägheitsbewegung als Rotation von einer großräumigen Meeresströmung als Translation überlagert wird, ergibt sich ein zykloidales Bewegungsmuster.[17]

An der Grenzfläche von Atmosphäre und Ozean tritt sowohl in der Luft wie auch im Wasser eine turbulente Grenzschicht auf. Im Ozean sorgt die turbulente Grenzschicht in ihrer gesamten Ausdehnung für eine Durchmischung des Mediums. An der Grenzschicht übt ein Wind mit vorherrschender Richtung durch Reibung eine bestimmte Schubspannung aus, die eine Wasserströmung in gleicher Richtung in Gang setzt (Ekman-Transport). Diese wird jedoch durch die Corioliskraft auf der Nordhemisphäre nach rechts, auf der Südhemisphäre nach links abgelenkt. Eine Folge dieser Ablenkung ist das sogenannte „Ekman pumping“, das beispielsweise im zentralen und östlichen Pazifik zu beobachten ist.[18] Das Oberflächenwasser, das im Bereich konstanter Passatwinde aus östlichen Richtungen nach Westen getrieben wird, wird in Äquatornähe auf der Nordhemisphäre nach rechts, auf der Südhemisphäre nach links abgelenkt; diese Divergenz wird durch aufquellendes kühleres Tiefenwasser ausgeglichen, so dass sich ein äquatorparalleler Streifen von kühlerer Wassertemperatur zeigt.[17][19]

Inertialkreise behindern die horizontale Wasserbewegung, die durch den Aufstieg des Objekts verursacht wird, wenn sich das System in Rotation befindet.

Die derart erzeugte Strömung des Oberflächenwassers wird zusätzlich durch die darunter liegende Wasserschicht gebremst, wobei sich die Geschwindigkeit wie auch die von ihr abhängende Corioliskraft vermindern. Dieser Bremseffekt pflanzt sich so weit bis zu einer bestimmten Tiefe (Ekman-Tiefe) nach unten fort, bis die Strömung völlig abgebremst ist. Bis dorthin wirkt ebenfalls – zunehmend abgeschwächt – die Corioliskraft, so dass sich insgesamt eine spiralartige Struktur ausbildet (Korkenzieherströmung). Auch die großräumigen Bewegungen im Ozean (Sverdrup-Relation) werden wesentlich durch die Corioliskraft beeinflusst.

Allgemein wird der Einfluss der Corioliskraft auf bestimmte Bewegungen im Meer und in der Atmosphäre durch die dimensionslose Rossby-Zahl charakterisiert. Je kleiner diese ist, umso stärker ist die Bewegung durch Corioliskraft geprägt.

Die Drehrichtung kleinräumiger Wasserströmungen wie zum Beispiel des Strudels einer ablaufenden Badewanne werden entgegen einer verbreiteten Behauptung nicht durch die Corioliskraft bestimmt.[20][21][22]

Die Wirkung der Corioliskraft wird auch durch Experimente in kleinem Maßstab demonstriert, die Geoffrey Ingram Taylor 1921 erstmals publizierte. Die Verteilung einer kleinen Menge einer Flüssigkeit in einer anderen, mit der sie vollständig mischbar ist, von der sie sie aber durch bestimmte Parameter unterscheidet, kann unterdrückt werden, wenn sich die andere Flüssigkeit in einer Rotationsbewegung befindet. So bildet zugefügte Tinte in einem rotierenden Wasserbehälter eine säulenartige Struktur aus („Taylor-Säule“), die längere Zeit bestehen bleibt. Der Grund liegt darin, dass sich die diffundierenden Teilchen in Inertialkreisen gegensinnig zur Behälterrotation drehen.[23]

Ein Tennisball, der in einem rotierenden Wasserbehälter freigesetzt wird, steigt mit geringerer Geschwindigkeit auf als in einem nicht rotierendem, da das beim Aufsteigen horizontal unten hinzuströmende bzw. oben verdrängte Wasser durch Bildung von Inertialkreisen in seiner Bewegung behindert wird. Durch diese Experimente wird deutlich, dass die Tendenz der Corioliskraft darin liegt, die bewegten Teilchen wieder zum Anfangspunkt zurückzubringen.[23]

Einfluss der Corioliskraft auf die atmosphärische Zirkulation
Geostrophischer Wind durch Zusammenwirken von Gradientkraft FG und Corioliskraft FC[24][Anm. 4]
Ageostrophischer Wind durch Zusammenwirken von Gradientkraft FG, Corioliskraft FC und Reibungskraft FR[24][Anm. 5]

Luftströmungen in der Erdatmosphäre sind im Allgemeinen keine Inertialbewegungen, sondern werden sowohl kleinräumig als auch großräumig durch Druckunterschiede hervorgerufen, die Folge örtlich oder regional unterschiedlicher Einstrahlung sind. Zwischen den Gebieten mit hohem und niedrigen Luftdruck wirkt eine Gradientkraft, die den Druckausgleich herbeiführen kann.

Bei großräumigen Luftströmungen über mehrere Hunderte oder Tausende von Kilometern spielt die Corioliskraft trotz ihrer geringen Größe eine wichtige Rolle, da sie die Luftmassen ablenkt und die direkte Luftbewegung vom Hoch- zum Tief verhindert. In der freien Atmosphäre kann die Corioliskraft die horizontale Komponente der Gradientkraft völlig kompensieren, der Wind wird dadurch zu einer isobarenparallelen Strömung abgelenkt, dem geostrophischen Wind, bei dem die zum Tief gerichtete Gradientkraft und die zum Hoch gerichtete Corioliskraft entgegen gerichtet sind und im dynamischen Gleichgewicht stehen. Der Druckausgleich wird dadurch verhindert, und die Druckgebiete bleiben für einige Tage oder Wochen stabil. Ein eindrucksvolles Beispiel geostrophischer Winde stellen die Jetstreams in einigen Kilometern Höhe dar. Dieses Modell stellt für die freie Atmosphäre eine gute Annäherung an den wahren Wind dar.[25] Der sehr häufige Fall von Druckgebilden mit gekrümmten Isobaren wird mit dem Modell des geostrophisch-zyklostrophischen Windes (andere Bezeichnung: Gradientwind) beschrieben, in dem die durch die Krümmung der Partikelbahnen bedingte Zentrifugalkraft den nach innen gerichteten Kräften entgegengesetzt gleich groß ist.[26] [Anm. 6]

In der bodennahen atmosphärischen Grundschicht wirkt jedoch eine beträchtliche Reibungskraft auf die Luftströmung ein, ihr Vektor ist dem Strömungsvektor entgegengerichtet. Diese Reibung, deren Wirkung sich vertikal bis in einige Höhe fortpflanzt, verlangsamt die Strömung und vermindert damit die Größe der Corioliskraft. Für die Strömung ist nunmehr einerseits die ins Tief gerichtete Gradientkraft, andererseits die ins Hoch gerichtete Kraftkomponente, die sich aus der vektoriellen Addition von Reibungskraft und Corioliskraft ergibt, bestimmend. Die ageostrophisch genannte Strömung (Reibungswind) verläuft infolgedessen nicht mehr isobarenparallel, sondern quer zu den Isobaren vom Hoch- ins Tiefdruckgebiet hinein, wie man es auf Bodenwetterkarten erkennen kann.[27]

Mit zunehmender Höhe vermindert sich die Wirkung der Bodenreibung, und der Einfluss der Corioliskraft wird stärker: der Wind nimmt zu und die Windrichtung dreht – auf der Nordhemisphäre – nach rechts, bis in größerer Höhe der Wind einen geostrophischen Charakter angenommen hat. Zwischen Boden und Höhe kommt es dadurch zu einer Windscherung; durch Verbindung der Spitzen der Windvektoren in ansteigender Höhe erhält man eine spiralförmige Kurve (Ekman-Spirale).

Aus dem Zusammenwirken dieser Kräfte erklärt sich auch der Verlauf der Passatwinde, die aus dem Subtropischen Hochdruckgürtel zum äquatorialen Tiefdruckgebiet wehen. Die Corioliskraft lenkt diese Strömung auf beiden Hemisphären zu einer nach Westen gerichteten Ostströmung („Urpassat“) ab; durch den Reibungseinfluss wird daraus in der bodennahen Schicht der Nordhemisphäre der Nord-Ost-Passat und der Südhemisphäre der Süd-Ost-Passat. Der Nord-Ost-Passat ist demnach eine in Bodennähe zum Äquator hin ageostrophisch abgelenkte (geostrophische) Ost-West-Strömung und nicht – wie oft auf Skizzen dargestellt – eine nach Westen abgelenkte Nord-Süd-Strömung.

Auswirkung der Corioliskraft auf ein großskaliges Windsystem, hier Tiefdruckgebiet bei Island (Nordhalbkugel)
Entstehungsgebiete und Zugbahnen von tropischen Wirbelstürmen

Die Luft strömt auf der Nordhalbkugel ausnahmslos in Hochdruckgebieten im Uhrzeigersinn, in Tiefdruckgebieten gegen den Uhrzeigersinn. Auf der Südhalbkugel ist der Drehsinn umgekehrt. In Bodennähe verlässt die Luft das Hochdruckgebiet in Form eines rechts drehenden Wirbels, also im Uhrzeigersinn, und strömt gegen den Uhrzeigersinn in das Tiefdruckgebiet ein, wo diese Wirbelbewegung im Allgemeinen durch Wolkenbildung sichtbar wird. Da am Äquator der Vektor der Winkelgeschwindigkeit parallel zur Erdoberfläche liegt, ist dort die Corioliskraft nicht wirksam, dynamische Hoch- und Tiefdruckgebiete können in Äquatornähe nicht existieren. Dies gilt insbesondere für die tropischen Wirbelstürme, die – obwohl am Äquator die thermischen Voraussetzungen vorliegen – erst in einer Distanz von mindestens circa fünf Breitengraden nach Nord bzw. Süd entstehen.

Strahlungsbedingt besteht auf der Erde von den Tropen zu den Polargebieten ein Temperatur- und ein Druckgefälle, wobei der horizontale Gradient jeweils in der oberen Troposphäre besonders ausgeprägt ist. Die Druckabnahme verläuft zum Pol hin nicht gleichmäßig, sondern konzentriert sich am oberen Rand der Troposphäre auf ein relativ schmales Band mit starkem Luftdruckabfall, der auf Höhenwetterkarten durch eine dichte Scharung der Isobaren sichtbar wird. In diesem Bereich stellt sich eine kräftige geostrophische Strömung ein, die sich regional zu den Jetstreams verstärkt.

Diese Zone des starken Luftdruckgradienten verläuft nicht breitenkreisparallel, sondern als mehr oder weniger mäandrierende Struktur (Rossby-Wellen) mit Wellenlängen und Amplituden bis zu einigen Tausend Kilometern. Die Wellen bewegen sich, analog zur Richtung der geostrophischen Strömung, langsam von West nach Ost fort, können aber auch längere Zeit stationär bleiben. Durch Massenverlagerungen im Bereich der Rossby-Wellen entstehen auf der Polseite Tiefdruckgebiete (Zyklonen), auf der Äquatorseite Hochdruckgebiete (Antizyklonen), die meist bis zur Erdoberfläche herunterreichen. Während die Gradientenkraft für ein Druckgebiet jeweils als konstant angesehen werden kann, ist die Corioliskraft in diesen räumlich ausgedehnten (≥ 1000 km) Druckgebieten auf der Polarseite größer als auf der Äquatorseite. Infolgedessen scheren die Zyklonen im statistischen Mittel tendenziell in polarer Richtung aus, die Antizyklonen in äquatorialer Richtung. Dadurch bildet sich nördlich der polaren Frontalzone die subpolare Tiefdruckzone und südlich davon der subtropische Hochdruckgürtel. Insoweit bestimmt die Corioliskraft nicht nur den Verlauf der atmosphärischen Luftströmungen, sondern auch die Verteilung der großräumigen Druckgebiete auf der Erde.[28][29]

Das geostrophische Gleichgewicht formt nur die großskaligen Wettermuster. Die Drehrichtung kleinskaliger Tiefdruckgebiete, beispielsweise Tornados, wird mit dem Modell dem zyklostrophischen Strömungsmodell erklärt. Darin hat die Corioliskraft, die aus der Erdrotation resultiert, keinen wesentlichen Einfluss, da die anderen wirksamen Kräfte sie weit überwiegen.[30] Das wird schon daran deutlich, dass in Tornados auf der Nordhemisphäre auch Drehungen mit dem Uhrzeigersinn möglich sind.

Vertikale Bewegungen

Wenn ein Körper aus der Höhe h im freien Fall herunterfällt, trifft er nicht genau auf dem Punkt auf, der sich vom Startpunkt aus in Lotrichtung unter ihm befindet, sondern er wird während der Fallzeit von der Coriolisbeschleunigung abgelenkt. Da die Vektoren senkrecht aufeinander stehen, ergibt das Kreuzprodukt in einem kartesischen Koordinatensystem mit x=Ost eine Ostablenkung:

a=2ωN×v=(aOstaNord0)=2ωcosφ(v00)

Die Abweichung wird am Äquator (φ=0) maximal und ist an den Polen (φ=±90) Null. Mit Einsetzung von v=gt für den freien Fall erhält man eine Abweichung nach Osten dOst durch zweimalige Integration nach der Zeit t:

aOst=2ωvcosφ=2ωgtcosφ
vOst=2ωgcosφtdt=ωgcosφt2
dOst=ωgcosφt2dt=13ωgcosφt3

Mit der Fallzeit t=2hg erhält man:

dOst=13ωgcosφt22hg=23ωcosφh2hg

Die Ostabweichung führt auf der Nordhalbkugel wiederum zu einer sehr geringen Südabweichung, die aber sowohl am Äquator als auch am Pol Null wird. Auf der Südhalbkugel wäre entsprechend eine Nordabweichung zu erwarten:

dSüd=23ω2cosφsinφh2g=13ω2sin2φh2g

Das Gedankenexperiment von Mersenne

Historische Karikatur zum Experiment von Mersenne[31]

Eine alte Frage, über die schon im 17. Jahrhundert Marin Mersenne spekulierte, ist die, wo eine senkrecht nach oben geschossene Kanonenkugel wieder am Boden ankommt – ohne Berücksichtigung von Luftbewegung und Luftwiderstand.

Die vertikale Geschwindigkeit v der Kanonenkugel folgt während des Flugs dem Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz:

v=v0gt

Eingesetzt in die Ostkomponente der Coriolisbeschleunigung entsteht durch die Integration der Beschleunigung beim Aufstieg eine westliche Geschwindigkeitskomponente (negative Ostkomponente), die im Umkehrpunkt ihr Maximum erreicht und beim Abstieg gleichermaßen wieder abnimmt. Unten erreicht sie wieder den Wert Null.

vWest=2ωcosφ(v0t12gt2),

bzw. durch nochmalige Integration die Ablenkung:

dWest=2ωcosφ(12v0t216gt3)

Die Kugel hat nach der Zeit t=2v0g den Boden wieder erreicht. Der gesamte Versatz nach Westen ergibt sich zu:

dWest=43ωv03g2cosφ.

Aufstieg und Abstieg tragen jeweils die Hälfte der gesamten Abweichung bei. Bei 50° geographischer Breite beträgt bei einer Anfangsgeschwindigkeit von 100 m/s (Steighöhe v02/2g ca. 500 m) die Westweichung theoretisch 65 cm. Am Äquator ist der Versatz am größten, zwischen Nord- und Südhalbkugel gibt es keinen Unterschied.

Zur Plausibilisierung dient das folgende Beispiel, das von der vereinfachten Vorstellung ausgeht, dass die horizontale Geschwindigkeit beibehalten wird. Da sich die Erde während der vertikalen Bewegung weiterdreht, ist das aber nur näherungsweise der Fall. Bei korrekter Rechnung ist die Abweichung um den Faktor 2/3 geringer.

In Äquatornähe wird neben einem Turm aus einer Kanone eine Kugel senkrecht nach oben abgefeuert, so dass sie die Höhe h der Turmspitze erreicht. Turm und Kanone sind mit der Erde fest verbunden und rotieren parallel zur Erdoberfläche mit der Winkelgeschwindigkeit ωN; die Bahngeschwindigkeit an der Turmspitze ist jedoch um ωNh größer als an der Erdoberfläche. Die abgefeuerte Kugel hat zu Beginn neben ihrer Vertikalgeschwindigkeit die Bahngeschwindigkeit der Erdoberfläche und möchte diese auf ihrem Weg beibehalten.

Da die Kugel während des gesamten Fluges eine geringere horizontale Geschwindigkeit, also eine geringere Ostkomponente als ein Punkt des Turms auf der gleichen Höhe hat, weicht sie gegenüber der Senkrechten immer stärker nach Westen ab bis zur Distanz dW am Umkehrpunkt.

Auch während des anschließenden Freien Falls behält die Kugel weiterhin ihre horizontale Geschwindigkeit bei, sodass die Kugel gegenüber dem Turm zunehmend weiter westlich zurückbleibt. Am Fußpunkt angelangt stimmen die horizontalen Geschwindigkeiten aller Körper wieder überein. Da der Freie Fall genau so lange dauert wie der Aufstieg, beträgt die Gesamtabweichung dWest=2dW.

Zusammenfassung der Ablenkungsrichtungen auf der Erde

Die Ausdrücke für die Komponenten der Coriolisbeschleunigung gelten für den gesamten Erdkörper in gleicher Weise. Die Richtungsangaben sind vom Standort des Beobachters in seiner jeweiligen geographischen Breite φ aus gesehen. Die mittlere Spalte beschreibt den Eötvös-Effekt.

Auf der Südhemisphäre ist der Coriolisparameter negativ. Daraus resultiert für den Beobachter auf der Südhemisphäre bei horizontalen Bewegungen eine Abweichung nach links.

Beim senkrechten Wurf nach oben zeigt sich eine Ablenkung nach West. Beim Wurf mit anschließendem Freien Fall dürfen jedoch beide Ablenkungsrichtungen nicht nacheinander addiert werden; dieser Fall wird im Kapitel „Das Gedankenexperiment von Mersenne“ abgehandelt.

Coriolisbeschleunigung auf der Erde in Abhängigkeit von der geographischen Breite
Geographische
Breite φ
horizontale Bewegung
(in jede Richtung)
horizontale Bewegung
(nach Ost / West)
Freier Fall / Aufstieg
horizontale Ablenkung vertikale Ablenkung horizontale Ablenkung
Gleichung Richtung Gleichung Richtung Gleichung Richtung
Nordpol (90°N) a=fC(vNvO) rechts
Nordhemisphäre
(0° < φ < 90°N)
a=fC(vNvO) rechts a=2ωcosφvO oben / unten aO=2ωcosφv Ost / West
Äquator (0°) a=2ωcosφvO oben / unten aO=2ωcosφv Ost / West
Südhemisphäre
(0° < φ < 90°S)
a=fC(vNvO) links a=2ωcosφvO oben / unten aO=2ωcosφv Ost / West
Südpol (90°S) a=fC(vNvO) links

Didaktische Aspekte

Bewegungen und Kräfte auf dem Erdkörper

lili rere
Einfache, aber falsche Ableitung des Corioliseffekts aus den Bahngeschwindigkeiten der Erdoberfläche in unterschiedlichen Breiten
Reine Trägheitsbewegungen auf der Erde führen zum Bewegungsmuster von Inertialkreisen, bei denen die Masse zum Ausgangspunkt annähernd zurückgeführt wird

Als problematisch für das Verständnis hat sich der Versuch erwiesen, in der – im weiten Sinne – geowissenschaftlichen Ausbildung die Corioliskraft mit Hilfe des Modells zu erklären, mit dem George Hadley (1735) die Passatzirkulation begründete.[32] Der Kerngedanke ist, dass meridionale Luftströmungen ihre breitenkreisparallele Geschwindigkeitskomponente beibehalten und dadurch bei einer Bewegung, die zum Äquator gerichtet ist, gegenüber der Erdrotation zurückbleiben, woraus sich eine westwärts gerichtete Strömung ergibt bzw. eine ostwärts gerichtete bei polwärtigen Luftbewegungen. Dies beinhaltet eine Erklärung des Nord-Ost- bzw. Süd-Ost-Passats, aber auch der vorherrschenden Westwinde nördlich und südlich der subtropischen Hochdruckgürtel. Wegen dieser zumindest im statistischen Mittel richtigen Beschreibung der Strömungsrichtung wird das Hadley-Modell mitunter als gerechtfertigte Vereinfachung angesehen, auch wenn es nur die Ablenkung meridionaler, keinesfalls aber breitenkreisparalleler Bewegungen erklärt.[32]

Das Hadley-Modell überträgt das Konzept der Erhaltung der Bahngeschwindigkeit von der Ebene (vgl. „Coriolisbeschleunigung bei radialer Bewegung von der Drehachse weg“), wo es zutreffend ist, auf die konvexe Erdoberfläche zu einem Konzept der Erhaltung der breitenkreisparallelen Geschwindigkeit.[33] Es liefert zwar zunächst qualitativ die richtige Ablenkungsrichtung, führt jedoch zu falschen quantitativen Ergebnissen.[34] Schon auf relativ kleinen Distanzen weniger Breitengrade ergäben sich Windgeschwindigkeiten in völlig unrealistischer Größenordnung. Bereits zur Zeit Hadleys hatte man diesen Einwand mit der Zusatzhypothese einer bremsenden Wirkung der Reibung aufzufangen versucht, damit aber das Problem nur auf einen anderen unrealistischen Effekt verlagert: Die erforderliche Reibung hätte die Rotation der Erde im Laufe ihrer Geschichte viel stärker abbremsen müssen. Eine Luftströmung, die allein durch die unterschiedlichen Bahngeschwindigkeiten verursacht wäre, würde zu Inertialkreisen führen, die die Luft schon nach relativ kurzen Distanzen in ihrer Richtung umkehren würden. Das rein mechanisches Modell, dass die atmosphärische Zirkulation nur als Inertialbewegung erklärt, wird den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht.[10] Flohn wies schon 1960 darauf hin, dass ein auf den Hadley-Vorstellungen aufgebautes Zirkulationsmodell mit den gemessenen meteorologischen Daten unvereinbar ist.[35]

Die alleinige Wirkung der Corioliskraft, bei Abwesenheit anderer Einflüsse wie z. B. eines Druckgradienten, würde zu einer Bewegung in Inertialkreisen führen, bei denen eine anfangs äquatorwärtige Bewegung letztlich wieder in eine polwärtige umkehrt, wobei sich die Masse wieder dem Startpunkt der Bewegung nähert. Diese Bewegungsmuster finden sich in gleicher Weise im höherviskosen Wasser der Ozeane, wo sie leichter nachzuweisen sind.

Veranschaulichung an Modellen

Wegen der Bedeutung der Corioliskraft für die atmosphärische Zirkulation hat sie als Thema in den schulischen Unterricht Eingang gefunden,[36] wobei seine Bedeutung in den deutschen Lehrplänen je nach Bundesland sehr unterschiedlich ist.[37] In einer kritischen Untersuchung zu diesem Thema zeigte es sich, dass die Corioliskraft häufig sachlich falsch sowie methodisch-didaktisch ungeschickt unterrichtet wird.[36] In den Schulbüchern werde die Corioliskraft nur sehr oberflächlich behandelt, und vielen Lehrenden sei sie eine „black-box“. Bei einer Befragung nannten die Geographielehrer als Hauptprobleme bei der unterrichtlichen Umsetzung der Corioliskraft neben den (unzureichenden) Vorkenntnissen der Schüler die Dreidimensionalität, die Rotationsbewegung und die Überlagerung verschiedener Geschwindigkeiten.[38]

Zur Bewältigung der didaktischen Schwierigkeiten werden oft einfache veranschaulichende Experimente eingesetzt. Versuche mit einfachen Stiftlinien auf bewegten Pappscheiben oder einem rotierenden Globus, die sich in der Literatur und in einem Fall auch als obligatorischer Versuch in den Vorgaben eines Bundeslandes finden, sind jedoch abzulehnen, da die entstehenden gekrümmten Linien nur in jeweils einer Bewegungsrichtung der tatsächlichen Ablenkungsrichtung entsprechen.[39] Zur qualitativen Demonstration des Coriolis-Effekts werden neben einem Versuch mit Wassertropfen auf einem Globus auch Drehscheibenexperimente angesehen, die mit zwei Kameras jeweils für das ruhende und das rotierende System verfolgt werden.[40]

Corioliskraft und Erdmagnetismus

Schraubenförmige Bewegung im äußeren Erdkern als Folge der Corioliskraft

Die auffällige Nähe der magnetischen Erdachse zur Rotationsachse der Erde hat die Annahme eines Einflusses der Rotation auf das Erdmagnetfeld nahegelegt. Nach den heutigen Modellvorstellungen der Magnetohydrodynamik resultiert dieses aus dem Zusammenwirken von Konvektions- und Induktionsvorgängen in elektrisch leitfähigem metallischen Material, das im äußeren Erdkern auf Grund von Temperaturgradienten in Strömung versetzt wird. Dadurch wird ein Magnetfeld induziert, so dass ähnlich wie beim dynamoelektrischen Prinzip durch positive Rückkopplung ein sich selbst erhaltender Dynamo („Geodynamo“) entsteht. Im Zusammenwirken mit anderen Kräften entwickeln sich unter dem Einfluss der Corioliskraft im äußeren Erdkern walzenförmige Strudel, wodurch ein dipolares Magnetfeld entstehen kann.[41][42]

Corioliskraft in der Astronomie

In der Astronomie spielt die Corioliskraft bei der Stabilität an den Lagrange-Punkten eine Rolle. In der kosmischen Konstellation eines eingeschränkten Dreikörperproblems ist die Masse eines Körpers gegenüber den beiden größeren vernachlässigbar, und deren Massenverhältnis untereinander beträgt mindestens 25:1. In dieser Anordnung heben sich an fünf Punkten im Umfeld der massenreichen Körper deren Gravitationskräfte auf: ein dortiger massearmer Körper bleibt gegenüber den beiden anderen in seiner Position.

Zwei dieser Punkte, gewöhnlich als L4 und L5 bezeichnet, bilden mit den großen Körpern ein gleichseitiges Dreieck. Vom Standpunkt eines rotierenden Bezugssystems, in dem die Körper in Ruhe liegen, wird die gemeinschaftliche Gravitation der Großkörper auf den Kleinkörper durch die Zentrifugalkraft im Sinne eines dynamischen Gleichgewichts kompensiert. Wird die Position des Kleinkörpers gestört, so dass er relativ zu den Großkörpern in Bewegung gerät, dann wird seine Bahn durch die Corioliskraft zu einer Umlaufbahn um den entsprechenden Lagrange-Punkt geformt, er bleibt also in dessen Nähe. Vom Standpunkt eines Inertialsystems rotieren die Lagrange-Punkte zusammen mit allen Körpern um das Baryzentrum des Dreikörper-Systems.

Beispiele für diesen Effekt sind die als Trojaner bezeichneten Asteroiden, die sich stabil auf den beiden Lagrange-Punkten der Jupiter-Bahn befinden.

Die Sonne rotiert an ihrem Äquator schneller (Umlaufzeit ~25,6 Tage) als an ihren Polen (~33,5 Tage). Eine Ursache dafür ist die durch radiale Konvektionsströmung hervorgerufene Corioliskraft.[43]

Corioliseffekt in der Molekülphysik

Ein Corioliseffekt tritt bei jedem gleichzeitig schwingenden und rotierenden mechanischem System auf. Damit wird er auch bei der Schwingungsspektroskopie mehratomiger Moleküle sichtbar, wo die Rotation des ganzen Moleküls die intramolekularen Valenz- und Deformationsschwingungen beeinflusst (Coriolis interaction). Anschaulich gesprochen wirkt im mitrotierenden Bezugssystem eine Corioliskraft senkrecht zur Drehachse des Moleküls und zur Richtung der Schwingungsbewegung.[44][45] Es treten abhängig von der Molekülsymmetrie Coriolis-Kopplungen auf, die zu geringen Verschiebungen der Energieniveaus führen. Die entsprechenden Konstanten sind aus den Spektren zu berechnen.[46]

Corioliskraft in der Technik

Prinzip eines Drehratensensors. Bei einer rotierten Stimmgabel bewegen sich die Zinken zusätzlich zur normalen Bewegung seitlich aneinander vorbei. Diese Bewegung beruht auf der Corioliskraft.

Corioliskräfte sind in der Technik dann von Bedeutung, wenn eine Drehbewegung von einer zweiten Bewegung „überlagert“ wird, und sind bei der Kraftregelung zu berücksichtigen. Dies ist beispielsweise bei einem Roboter der Fall, der sich dreht und gleichzeitig seinen Greifarm ausfährt.

  • Wenn eine Last am Ausleger eines Krans nach innen oder außen fährt, während der Kran sich dreht, hängt sie aufgrund der Corioliskraft nicht senkrecht nach unten, sondern wird seitlich ausgelenkt. Wird die Last längs des Auslegers nach innen eingefahren, eilt sie der Drehung des Krans voraus.
  • In der Getriebetechnik (Koppelgetriebe) und in der Robotik spielen die Corioliskräfte eine Rolle, da hier gleichzeitige Bewegungen entlang mehrerer Freiheitsgrade erfolgen. Benutzt man zur Vereinfachung der Beschreibung rotierende Bezugssysteme, treten für Bewegungen in diesen Bezugssystemen Corioliskräfte auf.
  • Zur Messung des Massenstromes durchströmender Flüssigkeiten oder Gase verwendet man den Coriolis-Massendurchflussmesser. Das Messrohr wird in Schwingungen versetzt. Diese werden im Ein- und Auslauf gemessen und verglichen.[47] Bei der Corioliswaage wird vor allem Schüttgut durch die Messung der Änderung des benötigten Drehmoments eines Rotortellers vermessen.[48]
  • Bei Kreiselpumpen wird das Medium vom meist axial gelegenen Ansaugkanal durch das Pumpenrad in Rotation versetzt und durch die Zentrifugalkraft nach außen zum Ausgang geschleudert. Dabei übt das Medium Corioliskräfte auf das Pumpenrad aus, wodurch sich ein Bremsmoment für den Antrieb ergibt. Die effektiv aufgewendete Energie der Pumpe ist also etwa proportional zum radial verlaufenden Massenstrom, dem Radius des Pumpenrades und der Drehzahl (Verwirbelungen, Rückströmungen und Reibung außer Acht gelassen).
  • Einige Drehratensensoren zur Messung von Winkelgeschwindigkeiten nutzen die Corioliskraft in Form des sogenannten „Stimmgabelprinzips“,[49] das im nebenstehenden Bild erläutert wird. Aufgrund der Drehbewegung bewegen sich die Zinken der Stimmgabel nicht nur aufeinander zu, sondern sie führen zusätzlich seitliche Bewegungen zueinander aus, die durch die Corioliskraft verursacht werden. Die seitliche Auslenkung ist näherungsweise proportional zur Winkelgeschwindigkeit und kann beispielsweise durch eine kapazitive oder induktive Messung erfasst werden.[50]

Forschungsgeschichte

Seit dem 16. Jahrhundert wurde bei der Diskussion des kopernikanischen Weltbildes über die mögliche Ablenkung von geradlinigen Bewegungen auf der Erde spekuliert, wobei der Fokus der Diskussion zunächst auf der Ablenkung von vertikalen Bewegungen lag. Die Anti-Kopernikaner bestritten die Eigenrotation der Erde unter anderem mit dem Argument, dass ein Körper beim freien Fall auf einer rotierenden Erde gegen die Erdrotation zurückbleiben müsse, also nach Westen abgelenkt würde. Bei Experimenten konnten jedoch keine Ablenkungen festgestellt werden. Galileo Galilei erkannte, dass sich beim freien Fall eine Ostablenkung zeigen müsste.[51]

George Hadley konnte 1735 aus den je nach Breitenkreis unterschiedlichen Umdrehungsgeschwindigkeiten der Erde erstmals einen Grund für das konstante Vorkommen der subtropischen Passatwinde ableiten.[52] Er gab keine Formel an, lieferte mit dem Modell der von der Erwärmung am Äquator getriebenen Zirkulation (Hadley-Zelle) aber auch eine erste Erklärung für großräumige horizontale Bewegungen auf der Erde.[10]

Leonhard Euler versuchte 1750, die Bewegungsgleichungen im rotierenden Bezugssystem mathematisch abzuleiten. Er führte aber die Zeitableitung der Geschwindigkeit falsch aus und erzielte damit ein Ergebnis, das zwar mit Hadleys Vorstellung übereinstimmte, aber gegenüber der korrekten Formel um den Faktor 2 zu klein ist.[10][53]

Pierre Simon de Laplace fand 1775 erstmals in den Formeln zur Bewegung auf einem rotierenden Himmelskörper den mathematisch korrekten Ausdruck für die ablenkende Kraft. Er ist damit der eigentliche „Entdecker“ des Coriolis-Effekts; jedoch ging er in der physikalischen Interpretation nicht über das Hadley-Modell hinaus.[54][10]

Pionierarbeiten zur experimentellen Bestätigung der Abweichung von der Lotrichtung lieferten Giovanni Battista Guglielmini (1791) in Bologna, Johann Friedrich Benzenberg (1802) in der Hamburger Michaeliskirche und in einem Bergbau-Schacht im Ruhrgebiet sowie Ferdinand Reich (1832), ebenfalls in einem Bergwerk in Freiberg in Sachsen.[55][56] Trotz starker Streuung stimmten die Resultate von Benzenbergs Versuchen im Mittel mit den Werten, die Laplace und Gauß berechnet hatten, in etwa überein.[10][57] Eine zusätzlich auftretende Südabweichung wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts in verschiedenen Versuchen festgestellt.[58] Als erste zuverlässige experimentelle Bestätigung wurde die horizontale Ablenkung des Pendels durch Léon Foucault (1851) angesehen.

Gustave Coriolis analysierte 1835 die Bewegung von Maschinenteilen, die sich relativ zu einer Rotation bewegen. Dabei fand er durch Überlegungen wie im Abschnitt Coriolisbeschleunigung bei Kreisbewegung um die Drehachse herum, dass sich die gesamte Trägheitskraft aus der Zentrifugalkraft und einer weiteren, „zusammengesetzten“ Zentrifugalkraft, die eine Ablenkung bewirkt, zusammensetzt.[59][60] Siméon Denis Poisson berechnete daraufhin 1838 die Ablenkung von Artilleriegeschossen.

William Ferrel betonte 1858, dass im Gegensatz zu den Vorstellungen von George Hadley Luftströmungen zu jeder Himmelsrichtung auf der Nordhalbkugel nach rechts (Südhalbkugel nach links) abgelenkt werden. Ferrel erkannte als Erster die Bewegung auf Inertialkreisen und die Abhängigkeit ihrer Größe sowohl von der Geschwindigkeit der Bewegung als auch von der Breitenlage.[10]

Adolf Sprung begründete 1879 die Ablenkung von breitenkreisparallelen Bewegungen. Er übertrug die für eine rotierende ebene Scheibe geltenden mathematischen Ableitungen auf das System einer parabolisch geformten Fläche, bei welcher der Einfluss der Zentrifugalkraft kompensiert werden kann, sodass der Coriolis-Effekt einer isolierten Betrachtung zugänglich wird.[61] Persson vertritt die Ansicht, dass auch Newton diese Lösung mit seinen Möglichkeiten hätte finden können.[10]

In den 1850er Jahren rückte die Erde als rotierendes System ins Blickfeld der Forschung. Der Naturforscher Karl Ernst von Baer postulierte als „allgemeines Gesetz“, dass die Täler der großen Tieflandsströme auf der Nordhemisphäre als Ergebnis der Corioliskraft mehrheitlich ein steileres rechtes und ein flacheres linkes Ufer besäßen.[62] Allerdings beschränkte er die Begründung ausdrücklich auf Flüsse in meridionaler Richtung; offensichtlich vorhandene Flussabschnitte mit steilerem linken Ufer erklärte er mit der Wirksamkeit anderer Faktoren. Diese Theorie war unter Geowissenschaftlern allerdings stark umstritten und wurde besonders in den 1920er Jahren in meteorologischen und geowissenschaftlichen Zeitschriften sehr kontrovers diskutiert.[63][64][65] Einerseits wurde die geringe Größe der Corioliskraft ins Feld geführt, andererseits auf die langen Zeiträume der Wirksamkeit verwiesen. Eine Ursache der Kontroverse lag auch in der unklaren begrifflichen Trennung zwischen Corioliskraft und „ablenkender Kraft der Erdrotation“, die von manchen Autoren weiter gefasst wurde. Ein statistisch valider Beleg für eine größere Häufigkeit rechtsseitig versteilter Täler auf der Nordhemisphäre wurde weder von Baer noch von anderen Autoren vorgelegt. Die Talasymmetrie wurde erst ab der Mitte des 20. Jahrhunderts systematisch geomorphologisch erforscht und als multikausal begriffen, wobei geologische, tektonische und klimatische Faktoren zusammenwirken. In neueren Werken zur Geomorphologie und Geologie spielt das „Baersche Gesetz“ keine Rolle mehr.

Mit dem Fließverhalten ist das Problem der Mäanderbildung von Flüssen eng verknüpft. Albert Einstein wies mit einer qualitativen Darlegung auf die Rolle der Corioliskraft, zusätzlich zur Zentrifugalkraft, bei der Bildung von Flussmäandern hin („Teetasseneffekt“), ohne das quantitative Verhältnis der beteiligten Kräfte zu diskutieren.[66][Anm. 7]

Die Überlegung, dass die Bewegung von Eisenbahnen durch die Corioliskraft beeinflusst wird und bei Gleisen, die nur in einer Richtung befahren werden, zu verstärkter einseitiger Abnutzung führen könnte, stammt von Braschman (1861) und wurde lange Zeit in zahlreichen Lehrbüchern im Sinne einer gegebenen Tatsache dargestellt;[67] ein Beleg dafür durch eine technische Publikation ist nicht bekannt. Helmut Vogel weist darauf hin, dass kleinste Unregelmäßigkeiten der Gleisführung in der Größenordnung von 0,1 mm einen weit größeren Effekt auf die Asymmetrie der Abnutzung haben.[68]

Die Erfahrungen, die Fridtjof Nansen bei seiner Fram-Expedition (1893–1896) in der Arktis gemacht hatte, führte ihn zu der Vermutung, dass der Verlauf der driftenden Strömung von der Erdrotation beeinflusst wird. Die daraufhin von Vagn Walfrid Ekman ausgearbeiteten Gedanken führten zur Entdeckung der Ekman-Spirale.[17]

Die Bezeichnung „Corioliskraft“ ist erst seit den 1920er Jahren gebräuchlich, vorher war „ablenkende Kraft“ eine übliche Bezeichnung.[59]

Siehe auch

  • Coriolis-Illusion

Literatur

  • G. Coriolis: Memoire sur les équations du mouvement relatif des systèmes de corps. In: Journal de l’École polytechnique. Nr. 15, 1835, S. 142–154 (online [PDF]).
  • Pierre Simon Laplace: Recherches sur plusieurs points du système du monde. In: Mémoires de l’Académie Royale des Sciences. Band 88, 1775, S. 75–182 (online).
  • Adrian Gill: Atmosphere-Ocean Dynamics (International Geophysics). Academic Pr Inc, 1982, ISBN 0-12-283522-0.
  • Henry M. Stommel, Dennis W. Moore: An introduction to the Coriolis force. Columbia University Press, New York 1989, ISBN 0-231-06637-6.
  • Anders O. Persson: The Coriolis Effect: Four centuries of conflict between common sense and mathematics. Part I: A history to 1885. In: History of Meteorology. Band 2, 2005, S. 1–24.
  • Dieter Meschede: Gerthsen Physik. 23. Auflage. Springer, 2005, S. 56.
  • David Halliday, Robert Resnick, Jearl Walker: Halliday Physik. 2. Auflage. Wiley-VCH, 2009, ISBN 978-3-527-41181-8, S. 154 ff.

Weblinks

Commons: Coriolis force – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Corioliskraft – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikibooks: Corioliskraft – Lern- und Lehrmaterialien

Anmerkungen

  1. Im realen Experiment wird die Kugel von der Scheibe etwas in Drehrichtung mitgenommen. Siehe Coriolis- und Zentrifugalkraft im rotierenden Bezugssystem: Video von 3:00 bis 3:30 und ab 5:00. Dies lässt sich vermeiden, wenn die Kugel geworfen wird statt gerollt.
  2. Das lässt sich auch in Komponenten leicht nachrechnen: Zum Punkt, der sich auf der x-Achse gemäß x=vt bewegt, gehören im (x,y)-Achsenkreuz die Komponenten
    (x0)=(vt0)
    und im (x,y)-Achsenkreuz, das sich mit ω entgegen dem Uhrzeigersinn dreht, die Komponenten
    (xy)=(vtcosωtvtsinωt)
    Ableitung nach der Zeit:
    (x˙y˙)=(vcosωtωvtsinωtvsinωtωvtcosωt)=(vcosωtvsinωt)+(ωvtsinωtωvtcosωt)
    Hier ist der erste Summand der Geschwindigkeitsvektor in einem zeitlich festen Achsenkreuz, das um einen Winkel α=ωt gedreht ist. Der zweite Summand ist der Zusatzterm, um zu berücksichtigen, dass die (x,y)-Achsen selbst nicht fest sind. Da vt=r den Abstand von der Drehachse angibt und der Zusatzterm einen Vektor senkrecht zur momentanen Geschwindigkeit angibt, entspricht er genau dem Kreuzprodukt ω×r.
  3. Geringfügige Schwankungen und sehr langfristige Änderungen der Winkelgeschwindigkeit können für die meisten Fälle unberücksichtigt bleiben.
  4. Im Allgemeinen ist der Wind auch bei parallelen Isobaren nicht völlig geradlinig gerichtet, das gilt nur im statistischen Sinn, sondern er verläuft zykloidal, da sich der Translation eine Rotationsbewegung überlagert.
  5. Die Reibungskraft muss der Windrichtung nicht genau entgegen gerichtet sein auf Grund innerer Reibung in der Luft.
  6. Es handelt sich um die aus der Bahnkrümmung des Windes resultierende d’Alembertsche Zentrifugalkraft, nicht um die Zentrifugalkraft, die sich aus der Erdrotation ergibt, diese ist an der Erdoberfläche durch die polwärtige Komponente der Gravitation kompensiert.
  7. Einstein referierte in Die Naturwissenschaften 1926 (S. 223) die von Geographen vertretene Ansicht einer stärkeren Erosionskraft auf der rechten Flussseite, ohne diese herzuleiten oder sich in die Diskussion darüber einzuschalten.

Einzelnachweise

  1. Corioliskraft, die. Duden online, abgerufen am 30. November 2013. Abweichend wird in der in deutschen Fachkreisen üblichen Praxis die Betonung meist nicht auf das zweite i, sondern auf das erste i oder das zweite o gelegt.
  2. Jürgen Dankert, Helga Dankert: Technische Mechanik. 6. Auflage. Vieweg-Teubner, 2011, ISBN 978-3-8348-1375-6. In der Technischen Mechanik wird die „Coriolisbeschleunigung“ als Teil der Beschleunigung im Inertialsystem gesehen, und zwar als diejenige Beschleunigung, die dem bewegten Körper senkrecht zu seiner Bewegungsrichtung erteilt werden muss, um seine Ablenkung gerade zu verhindern; dafür erhält sie das entgegengesetzte Vorzeichen. Die Corioliskraft ist der Trägheitswiderstand in Bezug auf diese Beschleunigung.
  3. Wolfgang Demtröder: Experimentalphysik 1. 6. Auflage. Springer Spektrum, Berlin Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-25465-9, S. 83.
  4. Dieter Meschede: Gerthsen Physik. 25. Auflage. Springer, Heidelberg 2017, S. 43 ff.
  5. Richard Feynman u. a.: Vorlesungen über Physik. Band 1, Seite 19–2, die letzten beiden Sätze des Kapitels.
  6. Jürgen Dankert und Helga Dankert: Technische Mechanik. Springer, 6. Auflage, 2011, S. 497.
  7. Brigitte Klose: Meteorologie. Springer, Berlin/Heidelberg 2008, S. 207.
  8. 10,0 10,1 10,2 10,3 10,4 10,5 10,6 10,7 10,8 10,9 A. O. Persson: The Coriolis Effect: Four centuries of conflict between common sense and mathematics. In: History of Meteorology. Band 2, 2005.
  9. E. Becker: Technische Thermodynamik: Eine Einführung in die Thermo- und Gasdynamik. B. G. Teubner, 1985, ISBN 978-3-519-03065-2, S. 185.
  10. John Marshall: Inertial circles – visualizing the Coriolis force: GFD VI. 2003.
  11. John Marshall, R. Alan Plumb: Atmosphere, Ocean, and Climate Dynamics: An Introductory Text. 2007, S. 101.
  12. Anders Persson: The Coriolis force on the physical earth. In: Weather. Vol. 55, 2000, S. 234–239.
  13. Robert Wichard Pohl: Mechanik, Akustik und Wärmelehre. 17. Auflage. Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York 1969, S. 94.
  14. Robert Stewart: Introduction to Physical Oceanography. Orange Grove Texts Plus, 2009, S. 311 (online [PDF; abgerufen am 19. Oktober 2019]).
  15. 17,0 17,1 17,2 Anders Persson: The Coriolis force and drifting icebergs. In: Weather. Vol. 56, 2001, S. 439–444.
  16. NASA: Ocean in motion: Ekman Transport.
  17. Schwedisches Meteorologisches und Hydrologisches Institut: Oberflächentemperaturen im zentralen Pazifik als Ergebnis eines durch die Corioliskraft erzeugten Auftriebs
  18. Christoph Drösser: Stimmt’s? Seltsamer Strudel. Auf: zeit.de. 12. Mai 1997, abgerufen am 14. Dezember 2014.
  19. Jearl Walker: Der fliegende Zirkus der Physik. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2007, ISBN 978-3-486-58067-9 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  20. Norbert Lossau: Fünf Minuten Physik: Badewannen und Tiefdruckgebiete. In: Die Welt. 6. Juni 2007.
  21. 23,0 23,1 Anders Persson: The obstructive Coriolis force. In: Weather. Vol. 56, 2001, S. 204–209.
  22. 24,0 24,1 Anders Persson: The Coriolis force and the nocturnal jet stream. In: Weather. Vol. 57, 2002, S. 28–33.
  23. Manfred Kurz: Synoptische Meteorologie. (= Leitfäden für die Ausbildung im Deutschen Wetterdienst, Nr. 8) 1977, S. 9.
  24. Fritz Möller: Einführung in die Meteorologie. Band 2. Bibliographisches Institut Mannheim 1973, S. 98.
    Manfred Kurz: Synoptische Meteorologie. 1977, S. 9–10
    Ernst Heyer: Witterung und Klima. 3. Auflage. BSB B.G.Teubner Verlagsgesellschaft Leipzig 1975, S. 131.
    Wolfgang Weischet: Einführung in die Allgemeine Klimatologie. B. G. Teubner Stuttgart 1977, S. 124 und S. 126–127.
    Gösta H. Liljequist, Konrad Cehak: Allgemeine Meteorologie. 2. Auflage. Vieweg & Sohn Braunschweig, Wiesbaden 1979, S. 224–227.
    Dieter Meschede: Gerthsen Physik. 24. Auflage. 2020, S. 44.
  25. Ernst Heyer: Witterung und Klima. 3. Auflage. BSB B.G.Teubner Verlagsgesellschaft Leipzig 1975, S. 130–131.
  26. Rossby-Wellen.
  27. Hermann Flohn: Zur Dididaktik der allgemeinen Zirkulation der Erde. In: Geographische Rundschau. Band 12, 1960, S. 129–142, 189–196.
  28. Brigitte Klose: Meteorologie. Springer, Berlin/Heidelberg 2008, S. 220.
  29. Pierre de Varignon: Nouvelles Conjéctures sur la pesanteur. Paris 1690, S. 1.
  30. 32,0 32,1 Anders Persson: Hadley’s Principle. Part 1. In: Weather. Band S. 335–338; Part 2. In: Weather. Band 64 2009, S. 44–48.
  31. Anders Persson: Is the Coriolis effect an ’optical illusion’? In: Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society Band 141, 2014, S. 1957–1967.
  32. Anders Persson: How Do We Understand the Coriolis Force? In: Bulletin of the American Meteorological Society. Band 79 (7), 1998, S. 1373–1385; hier S. 1376.
  33. Hermann Flohn: Zur Dididaktik der allgemeinen Zirkulation der Erde. In: Geographische Rundschau. Band 12, 1960, S. 129–142, 189–196.
  34. 36,0 36,1 Matthias Stober: Rahmenkriterien für die didaktische Umsetzbarkeit von Modellen und Modell-Experimenten im Geographieunterricht – Eine praxisorientierte und empirische Untersuchung am Beispiel der Corioliskraft. Dissertation Ludwig-Maximilians-Universität München 2012, S. I–II.
  35. Matthias Stober: Rahmenkriterien für die didaktische Umsetzbarkeit von Modellen … München 2012, S. 42.
  36. Matthias Stober: Rahmenkriterien für die didaktische Umsetzbarkeit von Modellen … München 2012, S. 115–116.
  37. Matthias Stober: Rahmenkriterien für die didaktische Umsetzbarkeit von Modellen … München 2012, S. 49–55.
  38. Matthias Stober: Rahmenkriterien für die didaktische Umsetzbarkeit von Modellen …. München 2012, S. 56–58, S. 61–64.
  39. Charles R. Carrigan, David Gubbins: Wie entsteht das Magnetfeld der Erde? In: Spektrum der Wissenschaft Heft 4, 1979, S. 40–48, (2. Aufl.) in: Ozeane und Kontinente. (Spektrum der Wissenschaft: Verständliche Forschung), Heidelberg 1984, S. 230–237.
  40. Paul H. Roberts, Gary A. Glatzmaier: Geodynamo Theory and simulations. In: Reviews of Modern Physics. Vol 72, Nr. 4, 2000, S. 1081–1123.
  41. siehe Sonnenrotation#Differentielle Rotation
  42. Gerhard Herzberg: Molecular Spectra and Molecular Structure: II. Infrared and Raman Spectra of Polyatomic Molecules. Van Nostrand, Princeton 1945, bes. S. 372–375.
  43. Alois Fadini: Molekülkraftkonstanten. Dr. Dietrich Steinkopff Verlag Darmstadt, 1976, S. 187–188.
  44. Raffi Kebabcioglu, Achim Müller: Einfache Formeln zur Abschätzung von Coriolis-Kopplungskonstanten ζ . Zur Massenabhängigkeit von ζ-Werten. In: Zeitschrift für Naturforschung A Band 23, 1968, S. 1310–1312.
  45. Roland Steffen: Industrielle Durchflussmessung: Coriolis-Kraft-Durchflussmessung. 2004.
  46. Klaus-Dieter Sommer: Moderne Verfahren zur Messung von Kraft, Masse und daraus abgeleiteten Größen. (Memento des Originals vom 16. Mai 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.didaktik.physik.uni-erlangen.de Universität Erlangen 2008 (mit Gleichungen und Gerätekonstruktion).
  47. MEMS-Sensoren im Überblick, Automobil-Elektronik. (Memento vom 23. Mai 2013 im Internet Archive). (PDF; 2,8 MB), April 2007.
  48. Detlef Billep: Modellierung und Simulation eines mikromechanischen Drehratensensors. (Memento des Originals vom 2. April 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/monarch.qucosa.de (PDF; 4,6 MB), Dissertation.
  49. Anders Persson: The Coriolis Effect – a conflict between common sense and mathematics. Norrköping 2005.
  50. George Hadley: Concerning the cause of the general trade-winds. In: Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Band 39, Nr. 437, 1735, S. 58–62 (online [abgerufen am 28. September 2020]).
  51. Giulio Maltese: On the relativity of motion in Leonhard Euler’s science. In: Archive for history of exact sciences. Band 54 (Januar 2000), S. 319–348, hier S. 343.
  52. P. S. Laplace: Recherches sur plusieuers points du Système du Monde. In: Mém. Acad. roy.des Sciences. Band 88, 1775, S. 75–182. Zitiert in David Edgar Cartwright: Tides: A Scientific History. Cambridge 1999, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  53. Johann Friedrich Benzenberg: Versuche über das Gesetz des Falles, über den Widerstand der Luft und über die Umdrehung der Erde, nebst der Geschichte aller früheren Versuche von Galiläi bis auf Guglielmi. Dortmund 1804, 2. Auflage, Hamburg 1824.
  54. Ferdinand Reich: Fallversuche über die Umdrehung der Erde: angestellt in dem Brüderschachte bei Freiberge. Freiberg 1832.
  55. Jürgen Teichmann: Wandel des Weltbildes (= Kulturgeschichte der Naturwissenschaften und Technik, hrsg. vom Deutschen Museum München). 2. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1983, S. 157–159.
  56. Darstellung von Rundells Experiment, Mechanics Magazine, Mai 1849, sowie ein Brief von Oersted an Herschel in den Reports der British Association for the Advancement of Science, 1846.
  57. 59,0 59,1 Anders Persson: The Coriolis force according to Coriolis. In: Weather. Vol. 56, 2001, S. 439–444.
  58. G. G. Coriolis: Memoire sur les équations du mouvement relatif des systèmes de corps. In: Journal de l’École polytechnique. Band 15, 1835, S. 142–154. In dieser Veröffentlichung leitet er durch Koordinatentransformation auch die allgemeine Formel her, wobei er die Vorarbeit von Laplace (1775) nicht erwähnt.
  59. Adolf Sprung: Studien über den Wind und seine Beziehungen zum Luftdruck. I. Zur Mechanik der Luftbewegungen. In: Archiv der Deutschen Seewarte Band 2, 1879, S. 1–28.
  60. Karl Ernst von Baer: Über ein allgemeines Gesetz in der Gestaltung der Flussbetten. In: Kaspische Studien. 1860, VIII, S. 1–6.
  61. Julius Bartels: Nochmals das Baersche Gesetz. In: Petermanns Geographische Mitteilungen. 68, Jg. 1922, S. 146–147.
  62. Adolf Schmidt: Die ablenkende Kraft der Erddrehung. In: Petermanns Geographische Mitteilungen. 68, Jg. 1922, S. 144–146.
  63. Karl-Heinz Bernhardt: Teetassen-Zyklonen und Flußmäander – Einstein klassisch. (PDF), 2005, S. 81–95, hier S. 87–88.
  64. Albert Einstein: Die Ursache der Mäanderbildung der Flußläufe und des sogenannten Baerschen Gesetzes. In: Die Naturwissenschaften. Band 14, 1926, S. 223–224; Handschriftlicher Entwurf der Veröffentlichung.
  65. Nikolai Braschman: Note concernant la pression des wagons sur les rails droits et des courants d’eau suer la rive droite du mouvement en vertu de la rotation de la terre. In: Comptes rendues. Band 53, 1861, S. 1068–1071.
  66. Helmut Vogel: Probleme aus der Physik. Aufgaben und Lösungen zur 17. Auflage von Gerthsen/Vogel Physik. Springer, Berlin 1993, ISBN 3-540-56632-5, S. 40.