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a) (links) Der Gleichgewichtszustand, bestimmt durch die Boltzmann-Verteilung, | |||
b) (mittig) Die Energieniveaus des einen Kerns (''A'') werden durch die Sättigung gleichbesetzt, die dipolare Kopplung mit Umgebungskernen ermöglicht die Übergänge W<sub>0</sub> und W<sub>2</sub>, | |||
c) (rechts) Änderung der Intensität des anderen Kerns (X)]] | |||
Der '''Kern-Overhauser-Effekt''' (engl. ''nuclear Overhauser effect'', NOE), benannt nach [[Albert Overhauser]], ist ein Effekt in der [[Kernspinresonanzspektroskopie]] (NMR). Er wurde 1965 durch [[Frank Anet]] und [[Anthony Bourn]] entdeckt, die während der NMR-Messung mit einem zweiten Sender die [[Resonanz (Physik)|Resonanz]] eines [[Proton]]s bzw. einer Protonengruppe permanent in Sättigung hielten. Bei diesem Entkopplungsexperiment konnte beobachtet werden, dass die Resonanz-[[Intensität (Physik)|Intensität]] räumlich benachbarter Protonen erheblich ansteigt. | Der '''Kern-Overhauser-Effekt''' (engl. ''nuclear Overhauser effect'', NOE), benannt nach [[Albert Overhauser]], ist ein Effekt in der [[Kernspinresonanzspektroskopie]] (NMR). Er wurde 1965 durch [[Frank Anet]] und [[Anthony Bourn]] entdeckt, die während der NMR-Messung mit einem zweiten Sender die [[Resonanz (Physik)|Resonanz]] eines [[Proton]]s bzw. einer Protonengruppe permanent in Sättigung hielten. Bei diesem Entkopplungsexperiment konnte beobachtet werden, dass die Resonanz-[[Intensität (Physik)|Intensität]] räumlich benachbarter Protonen erheblich ansteigt. | ||
Das NOE-Experiment kann anhand eines gekoppelten [[Zweizustandssystem | Der Kern-Overhauser-Effekt muss vom Overhauser-Effekt abgegrenzt werden, der zwischen Kernen und ungepaarten Elektronen wirkt und 1951–1953 von Albert Overhauser entdeckt wurde.<ref name=Drago /><ref name=Guenther /> | ||
Das NOE-Experiment kann anhand eines dipolar gekoppelten [[Zweizustandssystem]]s zweier Kerne ''A'' und ''X'' veranschaulicht werden (''AX''-Spinsystem). Diese sollen räumlich nah sein. Die ''J''-Kopplung ist von dieser Anschauung unberührt, es gilt also <math>J = 0</math>.<ref name="Drago">Russel S. Drago: ''Physical methods for chemists.'' Surfside Scientific Publishers, Gainesville 1992, 2. Auflage, ISBN 0-03-075176-4, S. 306–309.</ref> In diesem System existieren die vier Zustände, die in der Reihenfolge zunehmende Energie charakterisiert werden durch <math>\left|\alpha_A\alpha_X\right\rangle, \left|\alpha_A\beta_X\right\rangle, \left|\beta_A\alpha_X\right\rangle</math> und <math>\left|\beta_A\beta_X\right\rangle</math>. Diese vier Kernspinzustände finden sich ebenfalls in der rechtsstehenden Abbildung. | |||
Durch einen RF Puls werden beispielsweise alle Übergänge von Spins der ''A''-Kerne induziert. Es findet Absorption statt, bis jeweils die Population des unteren und oberen Niveaus der beiden an der Absorption beteiligten Zustände gleich ist ([[Sättigung (Physik)|Sättigung]]) und kein [[Gleichgewicht (Systemtheorie)|Gleichgewichtszustand]] mehr herrscht. Diese Übergänge sind: <math>\left|\alpha_A\alpha_X\right\rangle \to \left|\beta_A\alpha_X\right\rangle</math> sowie <math>\left|\alpha_A\beta_X\right\rangle \to \left|\beta_A\beta_X\right\rangle</math>. | |||
In der oben stehenden Abbildung nehmen entsprechend den sich ändernden Besetzungsverhältnissen die Liniendicken der Zustände <math>\left|\beta_A\alpha_X\right\rangle</math> und <math>\left|\beta_A\beta_X\right\rangle</math> zu (Zunahme der Besetzung), die von <math>\left|\alpha_A\alpha_X\right\rangle</math> und <math>\left|\alpha_A\beta_X\right\rangle</math> jedoch ab, da sie relativ gesehen entvölkert werden. Zur Erinnerung: im Gleichgewichtszustand, also vor dem ersten RF Puls, ist die Besetzung aller vier Spin-Niveaus unterschiedlich (Vgl. Abbildung a)). Sie wird im Gleichgewicht durch die [[Boltzmann-Statistik|Boltzmann-Verteilung]] bestimmt. Wichtig zu beachten ist außerdem, dass in einem NOE-Experiment Kern ''A'' angeregt (sprich gesättigt), jedoch Kern ''X'' detektiert wird.<ref name="Lambert">Joseph B. Lambert, Scott Gronert, Herbert F. Shurvell, David A. Lighner: ''Spektroskopie.'' Pearson, München 2012, 2. Auflage, ISBN 978-3-86894-146-3, S. 209–217.</ref> | |||
Die Intensität eines zweiten, zeitlich verzögerten Pulses beispielsweise auf der Resonanzfrequenz von ''X'', also <math>\omega(X)</math> ist maßgeblich davon bestimmt, wie das im vorangegangenen Schritt gesättigte Zweispinsystem relaxiert. Für die [[Relaxation (NMR)|Relaxation]] ist die dipolare Kopplung die Haupttriebkraft. Die dipolare Kopplung (auch als ''direkte Kopplung'' bezeichnet) stellt neben der [[Kernspinresonanzspektroskopie#Skalare Kopplung 2|skalaren Kopplung]] (auch ''J''-Kopplung, indirekte (Spin-Spin-)Kopplung) den zweiten Kopplungsmechanismus der NMR-Spektroskopie dar. Die aus der dipolaren Kopplung resultierende Relaxationsrate und damit die Intensität <math>I(NOE)</math> hat eine Abhängigkeit vom Abstand <math>r</math> zwischen beiden Dipolen (''hier'': Atomkernen ''A'' und ''X'')<ref name="Duddeck">H. Duddeck, W. Dietrich, G. Tóth: ''Structure Elucidation by Modern NMR .'' Springer, Berlin Heidelberg 1998, 3. Auflage, ISBN 978-3-7985-1111-8, S. 42.</ref> | |||
:<math>I(NOE) \propto \frac{1}{r^{6}}</math> | |||
Das Relaxationsverhalten des zweiten Kerns kann nur dann stark genug beeinflusst werden, wenn die Abstände der Kerne ''AX'' (durch den Raum, through space) klein genug sind (≤5,5 [[Ångström (Einheit)|Å]]). Die dipolare Kopplung zwischen den nahe gelegenen Kernen ermöglicht eine verschiedene Relaxationszeit der <math>\left|\beta_A\right\rangle</math> bzw. <math>\left|\beta_X\right\rangle</math>-Populationen und damit die Übergangswahrscheinlichkeit <math>\left|\alpha_A\right\rangle \to \left|\beta_A\right\rangle</math>bzw. <math>\left|\alpha_X\right\rangle \to \left|\beta_X\right\rangle</math> für den zweiten Puls (<math>\omega(A)</math> bzw. <math>\omega(X)</math>). Ergibt die Relaxationsdynamik eine niedrigere Population von <math>\left|\beta_A\alpha_X\right\rangle</math> und eine höhere Population von <math>\left|\alpha_A\alpha_X\right\rangle</math> als diejenige im Gleichgewicht, ist die Intensität des Übergangs <math>\left|\alpha_A\right\rangle \to \left|\beta_A\right\rangle</math> verstärkt. | |||
Vernachlässigt man alle anderen Relaxationsmechanismen und berücksichtigt nur die dipolare Relaxation, so ergibt die Theorie des NOE gemäß der ''[[Solomon-Gleichung]]'' einen maximalen (Kern-Overhauser-)Verstärkungsfaktor <math>\eta</math> von | |||
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kann die maximale Verstärkung beim homonuklearen <sup>1</sup>H-Experiment somit 50 % betragen. | kann die maximale Verstärkung beim homonuklearen <sup>1</sup>H-Experiment somit 50 % betragen. | ||
Der NOE wird heute für viele NMR-Experimente zur Struktur- und Konformationsaufklärung großer und kleiner Biomoleküle sowie ihrer Interaktion verwendet. | Der NOE wird heute für viele NMR-Experimente zur Struktur- und Konformationsaufklärung großer und kleiner Biomoleküle sowie ihrer Interaktion verwendet. Hierzu zählt die Strukturbestimmung von [[Peptid]]en und [[Protein]]en. Ziel eines NOE-Experiments ist weiterhin eine semiquantitative Entfernungsmessung aber auch eine Signalverstärkung mittels NOE um unempfindliche Kerne<ref name="Guenther"> Harald Günther: ''NMR-Spektroskopie.'' Thieme, Stuttgart 1992, 3. Auflage, ISBN 3-13-487503-9, S. 355–364</ref> (z. B. <sup>13</sup>C) mit annehmbarem Aufwand messen zu können (<sup>1</sup>H-Breitband-Entkopplung in der <sup>13</sup>C-NMR-Spektroskopie). | ||
== Einzelnachweise == | |||
<references /> | |||
== Literatur == | == Literatur == |
Der Kern-Overhauser-Effekt (engl. nuclear Overhauser effect, NOE), benannt nach Albert Overhauser, ist ein Effekt in der Kernspinresonanzspektroskopie (NMR). Er wurde 1965 durch Frank Anet und Anthony Bourn entdeckt, die während der NMR-Messung mit einem zweiten Sender die Resonanz eines Protons bzw. einer Protonengruppe permanent in Sättigung hielten. Bei diesem Entkopplungsexperiment konnte beobachtet werden, dass die Resonanz-Intensität räumlich benachbarter Protonen erheblich ansteigt.
Der Kern-Overhauser-Effekt muss vom Overhauser-Effekt abgegrenzt werden, der zwischen Kernen und ungepaarten Elektronen wirkt und 1951–1953 von Albert Overhauser entdeckt wurde.[1][2]
Das NOE-Experiment kann anhand eines dipolar gekoppelten Zweizustandssystems zweier Kerne A und X veranschaulicht werden (AX-Spinsystem). Diese sollen räumlich nah sein. Die J-Kopplung ist von dieser Anschauung unberührt, es gilt also $ J=0 $.[1] In diesem System existieren die vier Zustände, die in der Reihenfolge zunehmende Energie charakterisiert werden durch $ \left|\alpha _{A}\alpha _{X}\right\rangle ,\left|\alpha _{A}\beta _{X}\right\rangle ,\left|\beta _{A}\alpha _{X}\right\rangle $ und $ \left|\beta _{A}\beta _{X}\right\rangle $. Diese vier Kernspinzustände finden sich ebenfalls in der rechtsstehenden Abbildung.
Durch einen RF Puls werden beispielsweise alle Übergänge von Spins der A-Kerne induziert. Es findet Absorption statt, bis jeweils die Population des unteren und oberen Niveaus der beiden an der Absorption beteiligten Zustände gleich ist (Sättigung) und kein Gleichgewichtszustand mehr herrscht. Diese Übergänge sind: $ \left|\alpha _{A}\alpha _{X}\right\rangle \to \left|\beta _{A}\alpha _{X}\right\rangle $ sowie $ \left|\alpha _{A}\beta _{X}\right\rangle \to \left|\beta _{A}\beta _{X}\right\rangle $.
In der oben stehenden Abbildung nehmen entsprechend den sich ändernden Besetzungsverhältnissen die Liniendicken der Zustände $ \left|\beta _{A}\alpha _{X}\right\rangle $ und $ \left|\beta _{A}\beta _{X}\right\rangle $ zu (Zunahme der Besetzung), die von $ \left|\alpha _{A}\alpha _{X}\right\rangle $ und $ \left|\alpha _{A}\beta _{X}\right\rangle $ jedoch ab, da sie relativ gesehen entvölkert werden. Zur Erinnerung: im Gleichgewichtszustand, also vor dem ersten RF Puls, ist die Besetzung aller vier Spin-Niveaus unterschiedlich (Vgl. Abbildung a)). Sie wird im Gleichgewicht durch die Boltzmann-Verteilung bestimmt. Wichtig zu beachten ist außerdem, dass in einem NOE-Experiment Kern A angeregt (sprich gesättigt), jedoch Kern X detektiert wird.[3]
Die Intensität eines zweiten, zeitlich verzögerten Pulses beispielsweise auf der Resonanzfrequenz von X, also $ \omega (X) $ ist maßgeblich davon bestimmt, wie das im vorangegangenen Schritt gesättigte Zweispinsystem relaxiert. Für die Relaxation ist die dipolare Kopplung die Haupttriebkraft. Die dipolare Kopplung (auch als direkte Kopplung bezeichnet) stellt neben der skalaren Kopplung (auch J-Kopplung, indirekte (Spin-Spin-)Kopplung) den zweiten Kopplungsmechanismus der NMR-Spektroskopie dar. Die aus der dipolaren Kopplung resultierende Relaxationsrate und damit die Intensität $ I(NOE) $ hat eine Abhängigkeit vom Abstand $ r $ zwischen beiden Dipolen (hier: Atomkernen A und X)[4]
Das Relaxationsverhalten des zweiten Kerns kann nur dann stark genug beeinflusst werden, wenn die Abstände der Kerne AX (durch den Raum, through space) klein genug sind (≤5,5 Å). Die dipolare Kopplung zwischen den nahe gelegenen Kernen ermöglicht eine verschiedene Relaxationszeit der $ \left|\beta _{A}\right\rangle $ bzw. $ \left|\beta _{X}\right\rangle $-Populationen und damit die Übergangswahrscheinlichkeit $ \left|\alpha _{A}\right\rangle \to \left|\beta _{A}\right\rangle $bzw. $ \left|\alpha _{X}\right\rangle \to \left|\beta _{X}\right\rangle $ für den zweiten Puls ($ \omega (A) $ bzw. $ \omega (X) $). Ergibt die Relaxationsdynamik eine niedrigere Population von $ \left|\beta _{A}\alpha _{X}\right\rangle $ und eine höhere Population von $ \left|\alpha _{A}\alpha _{X}\right\rangle $ als diejenige im Gleichgewicht, ist die Intensität des Übergangs $ \left|\alpha _{A}\right\rangle \to \left|\beta _{A}\right\rangle $ verstärkt.
Vernachlässigt man alle anderen Relaxationsmechanismen und berücksichtigt nur die dipolare Relaxation, so ergibt die Theorie des NOE gemäß der Solomon-Gleichung einen maximalen (Kern-Overhauser-)Verstärkungsfaktor $ \eta $ von
Nach der Formel für die Gesamtintensität
oder auch
kann die maximale Verstärkung beim homonuklearen 1H-Experiment somit 50 % betragen.
Der NOE wird heute für viele NMR-Experimente zur Struktur- und Konformationsaufklärung großer und kleiner Biomoleküle sowie ihrer Interaktion verwendet. Hierzu zählt die Strukturbestimmung von Peptiden und Proteinen. Ziel eines NOE-Experiments ist weiterhin eine semiquantitative Entfernungsmessung aber auch eine Signalverstärkung mittels NOE um unempfindliche Kerne[2] (z. B. 13C) mit annehmbarem Aufwand messen zu können (1H-Breitband-Entkopplung in der 13C-NMR-Spektroskopie).