Mit dem Begriff Geoidbestimmung bezeichnet die Geodäsie Verfahren, die zur Definition des Geoids führen. Diese Aufgabe ist eng mit der Bestimmung von Details des Erdschwerefeldes verbunden. Die Methoden zur Messung der benötigten physikalischen Parameter des Erdschwerefelds als auch die mathematischen Modelle zur Auswertung der erfassten Daten werden laufend weiterentwickelt und sind Gegenstand zahlreicher Forschungsprojekte. Die Geoidbestimmung ist von grundlegender Bedeutung für die Landesvermessung. Die erreichbaren Genauigkeiten haben sich in den letzten fünf Jahrzehnten fast verzehnfacht, so dass heute – je nach Aufwand – prinzipiell wenige Millimeter bis Zentimeter möglich wären. Gegenwärtig liegt die Genauigkeit in den Industriestaaten bei 5–10 cm, während es zum Erreichen des um 1990 postulierten Zentimeter-Geoids noch etwa ein Jahrzehnt dauern dürfte.
Das Geoid ist diejenige Niveaufläche des Schwerefelds der Erde, die mit dem mittleren Meeresspiegel der Weltmeere zusammenfällt und sich unter den Kontinenten in abstrakter Weise auf Meereshöhe fortsetzt. Als idealisierte Form der Erdoberfläche stellt sie für die Geowissenschaften die „theoretische Erdfigur“ dar und dient als Bezugsfläche für fast alle im Gebrauch befindlichen Höhensysteme. Daher ist ihre genaue Bestimmung auch von höchster praktischer Bedeutung.
Jede konkrete Geoidbestimmung bezieht sich üblicherweise auf eine mathematisch klar definierte Referenzfläche, wofür entweder das mittlere Erdellipsoid oder das Referenzellipsoid der jeweiligen Landesvermessung dient. Die Distanz zu dem gewählten Ellipsoid, gemessen längs der Ellipsoidnormalen, bezeichnet man als Geoidhöhe. Die Referenzellipsoide – von denen weltweit etwa 200 in Gebrauch sind – wurden in den Industriestaaten vor etwa 100 Jahren festgelegt und schmiegen sich dem Geoid des jeweiligen Staatsgebietes möglichst gut an. Von einem global gemittelten Erdellipsoid können sie – je nach ihrer Lage auf den Kontinenten – um Beträge zwischen 10 und 100 Meter in der Höhe abweichen.
Die Achsen des globalen Erdellipsoids können heute auf wenige Zentimeter genau berechnet werden, wozu die Satellitengeodäsie wesentlich beiträgt. Um 1960 waren sie auf etwa 30 Meter bekannt, was aber bei einem mittleren Erdradius von 6.370 km immerhin einer relativen Genauigkeit von fünf Millionstel (0,0005 Prozent oder ½ cm/km) entspricht. Lokale Vermessungen im Umkreis einiger Hekto- bis Kilometer kommen auch heute meist mit dieser Präzision aus (z. B. 1 mm bei technischen Bauwerken), doch bei regionalen und globalen Projekten steigen die Ansprüche immer mehr. Mit dem Global Positioning System (GPS) oder der Very Long Baseline Interferometry (VLBI) können sie bereits den Bereich von 10−8 bis 10−9 erreichen, was in den letzten Jahrzehnten auch nach hochpräzisen Methoden der Geoidbestimmung verlangt.
Die Form des Geoids als einer besonderen Niveaufläche des Schwerepotentials wird einerseits von der globalen Erdfigur und dem Aufbau des Erdinneren geprägt, andrerseits von allen Unregelmäßigkeiten der Erdkruste. Dementsprechend unterscheidet man zwischen „langwelligen“ Strukturen – die am besten durch Auswertung von Satellitenbahnen zu bestimmen sind – und den „kurzwelligen“ Anteilen, die von der Landschaft und Geologie der jeweiligen Region geprägt werden. Letztere sind – insbesondere im Gebirge – nur durch lokale, terrestrische Messungen bestimmbar.
Die langwelligen Geoidundulationen der verschiedenen Kontinente betragen etwa 20 bis 50 Meter, die regional-lokalen Effekte einige Meter. Sie können sich jedoch – z. B. im steilen Gelände eines Gebirgslandes – um einige Dezimeter pro Kilometer ändern. Zur Berechnung solcher variabler Einflüsse benötigt man neben einem guten Vermessungsnetz auch ein genaues Geländemodell und ein digitales Modell der örtlichen Gesteinsdichte.
Zu den modernen Methoden der Geoidbestimmung müssen daher die verschiedensten Wissensgebiete beitragen: Mathematische Geodäsie und Netzausgleichung, Gravimetrie und astronomisch-geodätische Messtechnik, Radartechnik und Telemetrie, die Analyse von Satellitenbahnen (siehe auch Satellitentechnik und Bahnstörungen), genaue Grundlagen für die erforderlichen Bezugsysteme, sowie Daten aus der Geologie und Ozeanografie.
Während das Geoid auf den Ozeanen durch den als ruhend gedachten mittleren Meeresspiegel repräsentiert wird, muss man es sich unter den Kontinenten als dessen Fortsetzung – etwa als Wasserstand in einem gedachten System von Kanälen – vorstellen. Es ist hier der Messung nur indirekt zugänglich, sodass die genaue Geoidbestimmung schon seit langem zu den anspruchsvollsten Aufgaben der Höheren Geodäsie zählt. In den 1990er Jahren wurde für diese Herausforderung der Begriff des Zentimeter-Geoids geprägt.
Demgegenüber ist das ozeanische Geoid zwar weniger genau messbar, aber dafür einer direkten Bestimmung (z. B. durch Radar-Höhenmessung von Satelliten über dem Meeresspiegel) zugänglich. Allein die Entwicklung dieser Satellitenaltimetrie und ihrer mathematischen Auswertung unter dem Einfluss von Gezeiten hat in den 1970er und 1980er Jahren weltweit an die tausend Wissenschaftler der verschiedensten Gebiete beschäftigt.
Obwohl das Geoid eine physikalisch definierte Bezugsfläche ist, die aus der (variablen) Schwerkraft und der Erdrotation resultiert, lässt es sich am genauesten geometrisch bestimmen: nämlich durch Messung der Lotrichtung, auf welcher es überall senkrecht steht. Die klassische Geoidbestimmung, deren Theorie Friedrich Robert Helmert bereits vor 120 Jahren entwickelt hat, sucht jene Fläche, die von allen gemessenen Lotrichtungen senkrecht durchstoßen wird (siehe Potsdamer Schweresystem). Da die Messung der sog. Lotabweichungen im Koordinatensystem der Sterne erfolgt, wird diese älteste Methode der Geoidbestimmung auch „astro-geodätisch“ genannt und ein damit berechnetes regionales Geoid als „Astrogeoid“ bezeichnet.
In den 1940er-Jahren wurde die Geoidbestimmung durch physikalische Methoden ergänzt, insbesondere durch die Entwicklung genauer Gravimeter zur relativen Schweremessung und die Eötvös’sche Drehwaage, die auch zur unterirdischen Exploration von Erdölfeldern diente. Gleichzeitig entwickelten nordeuropäische Geodäten die Theorie der Isostasie (Schwimmgleichgewicht der Gebirge und Kontinente), wodurch erstmals weltweite Berechnungen möglich wurden.
Durch die Kombination von gravimetrischem und Astro-Geoid konnte man zur Mitte des 20. Jahrhunderts das globale Geoid auf 5–10 Meter berechnen, auf dem Festland jedoch – je nach messtechnischem Aufwand – auf 20 bis 100 Zentimeter.
Da sich die Unregelmäßigkeiten von Schwerefeld und Geoid auch in der Bewegung von Erdsatelliten widerspiegeln, entstanden seit den 1960er Jahren eine Reihe von Methoden der Satellitengeodäsie sowie zugehörige mathematische Verfahren zur sog. Feldfortsetzung nach unten (vom Niveau der Satellitenbahn herab auf das Meeresniveau). Sie erforderten auch die Etablierung neuer interdisziplinärer Forschungsfelder – beispielsweise die Kollokation (gemeinsame Behandlung geometrisch-physikalischer Effekte) oder die Physikalische Geodäsie.
Zusammenfassung. Weil das Geoid sowohl die Folge der physikalischen Massenverteilung im Erdinnern als auch der Topografie (des Geländes) ist und gleichzeitig die (geometrische) Bezugsfläche unserer Höhensysteme darstellt, können zu seiner Bestimmung die verschiedensten Verfahren herangezogen werden. Sie entfallen auf die folgenden vier Gruppen von Methoden:
(siehe auch Gravimetrie)
(siehe auch Astrogeoid und astronomisches Nivellement)